Siebentes Kapitel
Herr Wild geht auf Reisen und kommt wieder nach Hause. Ein sehr kurzes Kapitel, das mehr Zeit und weniger Materie enthält, als jedes andre in dieser Geschichte.

[24] Es tut uns leid, daß wir dem neugierigen Leser keine befriedigende Nachricht über diesen Umstand mitteilen können; aber da sich die Meinungen darüber widersprechen und doch nur eine oder – höchst wahrscheinlich – keine gegründet sein kann, so wollen wir sie lieber alle mit Stillschweigen übergehn; freilich wider die Gewohnheit andrer Geschichtschreiber, die in solchen Fällen meistenteils alle möglichen Gerüchte und Nachrichten niederschreiben und es dann der Willkür des Lesers überlassen, was für eine Wahl er treffen will. So viel ist gewiß, es ereignete sich ein kleiner Vorfall, der den Vater unsres Helden bewog, ihn drei Jahre auf Reisen zu schicken, und zwar – worüber man nicht wenig erstaunen wird – nach einer von unsern amerikanischen Pflanzungen; denn er meinte, dieser Weltteil sei freier von Lastern, als die Höfe und Städte Europas, und folglich lange nicht so gefährlich für die Sitten eines jungen Menschen. Und was den Endzweck des Reisens anbeträfe, so glaubte der alte Herr, dieser könne hier ebensogut erreicht werden als in polizierten Klimaten. Denn Reisen, sagte er, wären[24] eben Reisen, gleichviel in welchem Teile der Welt; es liefe alles darauf hinaus, daß man eine Zeitlang von Hause wäre und so oder so viel Meilen machte; und dann berief er sich auf die tägliche Erfahrung, ob nämlich unsre jungen Herren, wenn sie aus Italien und Frankreich zurückkämen, nicht augenscheinlich bewiesen, daß man sie mit ebensogroßem Nutzen hätte nach Norwegen oder Grönland schicken können.

Dem Willen seines Vaters gemäß ging unser Held nun zu Schiffe und segelte mit sehr vieler und guter Gesellschaft in Gottes Namen der amerikanischen Hemisphäre zu. Wir können nicht genau bestimmen, wie lange er dort blieb; wahrscheinlich länger, als man anfangs dachte. Indessen ist dieser ganze Zeitraum ein leeres Blatt in unsrer Geschichte und enthält auch nicht eine einzige Begebenheit, die die Aufmerksamkeit des Lesers verdiente; es ist in der Tat nur eine ununterbrochene Folge von Huren, Saufen und Vagieren.

Die Wahrheit zu gestehen: wir schämen uns so sehr über dieses kurze Kapitel, daß wir gerne der Wahrheit unserer Geschichte Gewalt angetan und die Abenteuer eines oder des andern Reisenden hineingeflickt hätten; zu dem Ende borgten wir uns auch die Reisejournale verschiedener junger Herren, die eben die grande tour gemacht hatten; aber zu unserm großen Leidwesen trafen wir auch keinen einzigen Umstand darin, der interessant genug gewesen wäre, diesen Diebstahl vor unserm Gewissen zu rechtfertigen.

Wenn wir bedenken, welch eine lächerliche Figur dieses Kapitel, das doch nicht weniger als sechs Jahre enthält, unter den übrigen spielen muß, so trösten wir uns mit dem Gedanken, daß die Lebensbeschreibung mancher Ehrenmänner, von denen einige sogar Aufsehen in der Welt gemacht haben, ebenso leer und unwichtig sind, wie die Reisen unsres Helden. Wir eilen daher, um diese Lücke so bald als möglich wieder gut zu machen, zu außerordentlich großen und wichtigen Materien. Für jetzt bringen wir unsern Helden wieder dahin, wo wir ihn wegnahmen, und melden dem Leser nur, daß er auf Reisen ging, sieben Jahr von Hause blieb und dann gesund und wohlbehalten zurückkehrte.[25]

Quelle:
-, S. 24-26.
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