Zwölftes Kapitel
Wir kehren zur Betrachtung der Größe zurück.

[165] Doch wir haben unsere Leser durch diese Erzählung vielleicht schon zu lange von dem Umgang mit unserm Helden abgehalten, der täglich die größten Beweise seiner Größe gab, und zwar dadurch, daß er den Herren von der Industrie schmeichelte und die Insolventen in Kontribution setzte. Diese letzteren wurden nun so groß, das ist so unsittlich, daß sie mit der größten Verachtung von dem sprachen, was der Pöbel Ehrlichkeit nennt. Der größte Charakter, den sie sich denken konnten, war ein Langfinger, und Mangel an Geschicklichkeit das einzige, was ihrem Tadel unterworfen war. Was Tugend, Güte und dergleichen Dinge anbetraf, so waren sie die allgemeinen Gegenstände des Spottes und der Verachtung, und ganz Newgate war eine Rotte von Dieben, von denen jeder darauf sann, seinem Nachbarn die Taschen zu plündern, und wohl wußte, daß sein Nachbar ebenso bereit und willig zu so einem Wagstückchen war, als er selbst. Kurz, man konnte mit Recht sagen, daß in den Ringmauern von Newgate ebenso viele Spitzbübereien verübt wurden, wie außer derselben.

Der Ruhm, den diese Vorfälle unserm Wild zuwege brachten, brachte wahrscheinlicherweise den Neid seiner Feinde gegen ihn in Harnisch. Der Tag seines Verhörs erschien nun. Er bereitete sich dazu, wie ehemals Sokrates, aber nicht durch Geduld und Ergebung in den Willen des Schicksals, sondern durch eine Menge falscher Zeugen. Indessen, da der Erfolg nicht immer unsern weisesten Plänen gemäß zu sein pflegt, so tut es uns auch leid, erzählen zu müssen, daß unser Held seiner weisen Vorsicht ungeachtet überwiesen und zu einem Tode verurteilt wurde, den wir sowohl in Rücksicht der großen Männer, die ihn bereits gelitten, als auch in Betracht aller derer, die sich eine Ehre daraus machen, ihn zu verdienen, mit Fug und Recht einen ehrenvollen Tod nennen können. Wahrhaftig, diejenigen, denen er nicht zuteil geworden, scheinen[165] ihr ganzes Leben hindurch nach einem Ziele gerungen zu haben, welches ihnen die Göttin des Glückes, – warum, mag sie selbst am besten wissen – auf immer zu erreichen versagt hat. Doch ohne weitere Vorrede: unser Held wurde zum Galgen verurteilt.

Was mich betrifft, so muß ich bekennen, daß mich der Tod an dem Galgen für einen Helden ebenso unschicklich nicht dünkt, und erkläre hiermit feierlich, daß Alexander nicht im geringsten bei mir verloren haben würde, wenn er gehängt worden wäre. Stiftet ein Held nur bei seinen Lebzeiten recht viel Unheil an, begleiten ihn nur viele und herzliche Flüche von Witwen, Waisen, Armen und Unterdrückten auf seiner Bahn, so, dünkt mich, kann es ihm gleich gelten, was für einen Tod er stirbt, ob durch das Beil, durch den Strick oder durch das Schwert. Aussterben wird sein Name niemals; genießen wird er den Ruhm, nach welchem er mit so vielem Eifer strebte; denn nach dem Ausspruch des dramatischen Dichters überleben böse Taten oft die besten, wohltätigsten Werke. Der Name des Jünglings lebt, der den Tempel von Ephesus in Brand steckte; der Name seines frommen Erbauers ist verloren gegangen.

Unser Held sah nun wohl ein, daß die Bosheit seiner Widersacher siegen würde. Er nahm daher seine Zuflucht zu der mächtigen Stütze aller großen Männer in Bedrängnis: zur Bouteille. Dieses Mittel gab ihm denn auch Mut genug, zu fluchen, zu schwören, Rodomontaden zu machen und seinem Schicksal Trotz zu bieten. Seine Frau, deren Verhör bis zur nächsten Sitzung verschoben war, besuchte ihn nur einmal, quälte ihn aber so unerträglich mit ihren Vorwürfen, daß er dem Schließer Ordre gab, sie nie wieder vorzulassen. Der Pfarrer von Newgate unterhielt sich öfters mit ihm, und es würde unsere Geschichte außerordentlich verschönern, könnten wir alles niederschreiben, was der große Mann bei dieser Gelegenheit sagte. Unglücklicherweise können wir nur mit dem Wesentlichen einer Unterredung aufwarten, die von einem Geschwindschreiber, der sie mit anhörte, aufgesetzt worden. Wir wollen sie daher unsern Lesern zum besten geben, und zwar in den eigenen Worten der redenden Personen, und wir können nicht umhin, dies für eins der merkwürdigsten Stücke zu halten, die uns die ältere oder neuere Geschichte geliefert hat.[166]

Quelle:
-, S. 165-167.
Lizenz:
Kategorien: