Dreizehntes Kapitel.

[41] Enthält: die große Gewandtheit der Wirtin, die große Gelehrsamkeit eines Wundarztes und die solide Wissenschaft des würdigen Leutnants in der Kasuistik.


Nachdem der verwundete Mann nach seinem Bette gebracht und das Haus von dem Getümmel, das dieser Zufall veranlaßt hatte, wieder ein wenig zur Ruhe gekommen war, wendete sich die Wirtin mit folgender Anrede an den kommandierenden Offizier: »Ich besorge,« sagte sie, »lieber Herre, der junge Mensch hat sich wider die gnädigen Herren nicht so schicklich ungebührlich aufgeführt, als er wohl sollte; und wenn er dran stürbe, so glaube ich, hätte er seine rechte Lohnung; denn das ist wahr, wenn wohlnehmende Herrn solche niedrige Menscher in ihre Gesellschaft ziegen, so sollten die sich hübsch aufführen, wie's schicklich ungebührlich für sie ist; aber wie mein Mann seliger zu sagen pflag, das weiß nicht jedermann. Ich für mein Teil, das ist richtig, ich hätt' es nicht gelitten, daß sich Burschen in honetter Herrn Gesellschaft vermengt hätten; aber ich war der Vermeinung, es wäre eben auch ein Offizierer gewesen, bis mir's der Herr Wachtmeister verzählte, es wäre nur ein Rekrut.«

»Frau Wirtin,« antwortete der Leutnant, »Sie irrt sich in der ganzen Sache. Der junge Mann hat sich recht sehr gut aufgeführt, und ist, glaub' ich, ein vornehmerer Mensch und gewiß von weit besserer Erziehung als der Fähnrich, der ihn mißhandelt hat. Sollte der junge Mensch sterben, so wird der Mann, der ihm die Bouteille an den Kopf geworfen hat, die größte Ursach haben, es zu bereuen: denn das Regiment wird dadurch einen unruhigen Stänker los, der der Armee keine Ehre macht; und wenn er den Händen der Gerechtigkeit entrinnt, so gebe Sie mir die Schuld, Frau Wirtin! Weiter sag' ich nichts.«

»Ja, ja! Du allerliebste Zeit!« sagte die Wirtin, »wer sollte so was gedacht haben! Ach ja, das ist richtig! Ihro Gnaden, Herr Leutnant, werden auf Recht und Gerechtigkeit sehen, und dies sollte billig einem jeden widerfahren. Vornehme Herrn sollten keine arme Leute totschlagen und schmeißen, ohn' es verantworten zu können. Ein arm Mensch hat doch auch eine Seele, die auch erlöst werden muß, so gut als seine Vorgesetzten.«

»In der That, Frau Wirtin,« sagte der Leutnant, »Sie thut[41] dem Volontär unrecht; ich will wohl schwören, daß er von besserer Abkunft ist, als der Offizier.«

»Ei, ei,« schrie die Wirtin, »das seh' man doch! Ja, freilich, mein Mann seliger war ein sehr vernünftiger Mann; er pflag zu sagen, man kann es dem Rock nicht immer ansehn, was für ein Mann drin steckt. Ach ja, der war auch so schlecht wohl noch nicht, denn ich habe ihn nicht eher zum ansehn gekriegt, bis er voller Blut war, wer sollte so was gedacht haben! Kann wohl sein, 's ist ein junger Herr, dem 's in der Liebe die Quere geht. Ach du liebste Zeit! Wenn er sterben sollte, welch en Herzleid würde das machen für seine lieben Eltern. Nu, das ist richtig, der Teufel, Gott sei bei uns! muß den gottlosen Bösewicht besessen haben, der eine solche That thun kann. Ja wohl wahr, wie Ihr Gnaden, Herr Leutnant sagen, er macht der Armee keine Ehre; denn die meisten von den Herrn von der Armee, die ich noch zum ansehn gekriegt habe, sind ein ganz ander Art Korn von Leuten, und haben das Ansehn darnach, daß sie ebenso milchthätig sind wie andre, um nur einen Tropfen Christenbluts zu vergießen. Ich meine, das heißt auf eine höfliche Art, wie mein Mann seliger zu sagen pflag; denn das ist richtig, wenn sie in den Krieg kommen, da muß Blutvergießen sein! Aber daran haben sie denn auch ganz recht gethan und sind davor nicht zu tadeln. Jemehr sie daran von unserm Feind totmachen, desto besser; und ich wünschte, mit Herzensgrunde, daß sie ein jegliches Mutterkind von ihnen totschießen möchten!«

»O pfui, Frau Wirtin!« sagte der Leutnant, »alle! das ist doch ein zu blutgieriger Wunsch.«

»Gar nicht, lieber Herr Leutnant,« antwortete sie; »ich bin ganz und gar nicht von den blutgierigen und falschen! Nur gegen unsre Feinde, und da ist gar keine Sünde bei. Das ist doch richtig, es ist natürlich für uns, daß wir unsre Feinde aus der Welt wünschen, damit des Krieges einmal ein Ende wäre und wir nicht mehr so viel Steuern geben dürfen: denn es ist entsetzlich, was wir alles aufblechen müssen. Ja, sehn Sie nur, wir geben allein bis auf zehn Thaler fürs Fensterlicht, und doch haben wir so viel eingehn lassen, als wir nur immer können. Das ganze Haus haben wir fast blind gemacht, das ist wahr; und so sagt' ich zu den Steuerleuten, sie sollten uns, sag' ich, ein wenig günstig sein, denn wir sind recht gute Freunde der Regierung, und das ist wahr, das sind wir, denn wir geben ihr das Geld zu ganzen Händen voll; und doch kommt mir's zuweilen vor, als ob die Regierung nicht glaubt, sie sei uns mehr schuldig, als solchen Leuten, die ihr keinen Heller bezahlen; ja, liebste Zeit, das ist so der Lauf der Welt.«

Sie war diesergestalt in dem besten Laufe ihrer Rede, als[42] der Wundarzt ins Zimmer trat. Der Leutnant fragte ihn alsobald, wie's seinem Patienten ginge? Er befriedigte ihn aber nur folgendermaßen: »Besser, glaub' ich, als es jetzt schon gegangen sein würde, wenn ich nicht dazu gerufen worden wäre, und noch ebenso wie's ist, wär' es vielleicht glücklich gewesen, wenn ich hätte früher gerufen werden können.« – »Ich hoffe, mein Herr,« sagte der Leutnant, »es zeigt sich kein Bruch im Hirnschädel?« – »Hm!« sagte der Barbier, »Frakturen sind nicht immer die gefährlichsten Symptome. Kontusionen und Lazerationen sind oft von schlimmern Phänomenis begleitet und haben fatalere Folgen als Frakturen. Leute, welche nichts von der Sache verstehen, meinen, wenn sich nur keine Frakturen am Schädel zeigen, so sei alles schon gut; da ich doch lieber sehen wollte, daß eines Menschen sein Schädel in tausend Stücke zersplittert wäre, als gewisse Kontusionen, die mir in meiner Praxis vorgekommen sind.« – »Ich hoffe,« sagte der Leutnant, »daß hier keine dergleichen Symptome vorhanden sind!« – »Symptome,« antwortete der Wundarzt, »sind nicht immer regulär oder beständig. Mir sind Symptome vorgekommen, welche des Vormittags sehr bös aussahen und sich gegen Nachmittags sehr günstig veränderten. Von Wunden, ja freilich, wird ganz richtig und wahr gesagt: Nemo repente fuit turpissimus. Ich erinnere mich, daß ich einstens zu einem Patienten gerufen wurde, der eine violente Kontusion in die Tibia gekriegt hatte, wodurch die Cutis exterior ganz lazeriert worden, dergestalt, daß eine starke Extravasation vorhanden war, und die Membrana interior war dergestalt divelliziert, daß das Os, oder der Knochen, durch die Appertur der Vulnus, oder Wunde, ganz deutlich zu sehen war. Zugleich stellten sich einige febrilische Symptomata dabei ein (denn der Puls ging hoch und indizierte viel Phlebotomia). Ich besorgte eine immediate Mortifikation. Dieser zuvorzukommen, machte ich ein großes Orifizium in die Venam des linken Arms, und zog daraus zwanzig Unzen Bluts, und ich erwartete nichts anders, als ich würde solches sehr zäh und glutinös, oder wirklich koajuliert befinden, wie es im pleureitischen Zufällen zu sein pflegt. Aber zu meinem Erstaunen fand ich es ganz hellrot und rosenfarbig; und seine Konsistenz differierte nur sehr wenig von dem Blute eines ganz gesunden Menschen. Was that ich! Ich applizierte auf die Wunde ein hübsches Foment, welches dann die erwünschte Wirkung that; und nach drei oder vier Verbänden begann die Wunde einen dicken Puß, oder Eiter, auszuwerfen, vermittelst dessen die Kohäsion – aber vielleicht drücke ich mich Ihnen nicht ganz verständlich aus.« – »Nein, wirklich nicht!« antwortete der Leutnant. »Ich kann nicht sagen, daß ich eine Silbe verstände.« – »Recht gut denn«, sagte der Barbier, »so[43] will ich Ihre Geduld nicht länger mißbrauchen. Kurz, in sechs Wochen war mein Patient wieder auf den Beinen, und zwar so flink, als er's nur jemals sein konnte, bevor er die Kontusion wegkriegte.« – »Ich wünschte, mein Herr,« sagte der Leutnant, »Sie möchten bloß die Güte haben, mir zu sagen, ob die Wunde, welche dieser junge Mensch zu bekommen das Unglück hatte, so beschaffen ist, daß sie tötlich werden kann?« – »Mein Herr Leutnant,« antwortete der Barbier, »bei einem ersten Verbande zu sagen, ob eine Wunde tötlich werden könne oder nicht, das wäre eine thörichte Anmaßung. Wir sind alle sterblich; und während einer Kur ergeben sich oft solche Symptomata, welche der geschickteste Mann in unserer Profession keineswegs vorhersehen konnte.« – »Aber, halten Sie denn dafür, daß er in Gefahr sei?« sagte der andere. – »In Gefahr! nun wahrhaftig!« schrie der Pflasterdoktor. »Von wem unter uns, der sich in der vollkommensten Gesundheit befindet, kann man wohl sagen, er befinde sich in keiner Gefahr? Kann man also wohl von einem Manne mit einer so bösen Wunde sagen, er sei außer Gefahr? Alles, was ich für jetzt noch sagen kann, ist: man hat sehr wohl gethan, daß man mich dazu gerufen hat; und vielleicht wär's noch besser gewesen, wenn man mich früher gerufen hätte. Morgen in der Frühe will ich ihn wieder besuchen, und unter der Zeit muß er sich äußerst ruhig verhalten und fein fleißig Haferwelgen trinken.« – »Wollten Sie nicht erlauben,« sagte die Wirtin, »daß man ihm ein wenig Gerstengraupenwasser mit Sekt machte?« – »Ach ja,« sagte der Arzt, »da können Sie wohl thun! Nur ja nicht zu stark! nicht zu stark von Sekt.« – »Und ein wenig Brühe von jungen Hühnchen?« fügte sie hinzu. – »Ja, ja, junge Hühnerbrüh, aber schwach,« sagte der Doktor, »ist recht gut!« – »Darf ich ihm nicht auch ein bißchen Gallert machen?« sagte die Wirtin. – »Ach ja, warum nicht?« antwortete der Doktor; »Gallerte sind sehr gut für eine Wunde, sie befördern die Kohäsion.« Und in der That war's ein Glück, daß sie nicht starke Rindfleischsuppen und stark gewürzte Brühen genannt hatte, denn der Doktor hätte gerne alles zugegeben, um nur nicht die Kundschaft des Hauses zu verlieren. Der Barbier war kaum weggegangen, als die Wirtin anfing, gegen den Leutnant seinen Ruhm auszuposaunen, denn dieser hatte, während seiner kurzen Bekanntschaft mit ihm, keine so hohe Meinung von seiner Geschicklichkeit in der Wundarzneikunst gefaßt, als diese gute Frau und die ganze Nachbarschaft umher (und zwar wirklich mit Recht) von ihm hegte. Denn, ob ich freilich wohl fürchte, daß der Doktor einen kleinen Hasenfuß in der Tasche führte, so konnte er deswegen doch ein sehr guter Wundarzt sein.

Da der Leutnant aus der gelehrten Rede des Barbiers sich[44] so viel zusammenbuchstabiert hatte, daß Herr Jones in großer Gefahr sei, so stellte er Ordre, den Fähnrich Northerton aufs strengste zu bewachen, und setzte sich vor, ihn des Morgens nach einem Friedensrichter zu begleiten, und so lange das Kommando der Truppen auf ihrem Marsche nach Glocester dem französischen Leutnant zu übertragen, welcher, ob er gleich keine einzige Sprache weder lesen, schreiben noch sprechen konnte, dennoch bei alledem ein guter Offizier war.

Des Abends spät schickte unser Leutnant zu dem Herrn Jones und ließ ihm sagen, woferne ihm ein Besuch keine Unruhe verursachte, so wolle er auf ein paar Worte zu ihm kommen. Diese Höflichkeit ward vom Herrn Jones sehr gut und mit Dankbarkeit aufgenommen, und demzufolge ging der Leutnant hinauf nach seinem Zimmer zu ihm, woselbst er den Verwundeten in weit bessern Umständen antraf, als er erwartete; sogar gab Jones seinem Freunde die Versicherung, er würde schon längst aus dem Bette aufgestanden sein, wenn ihm der Wundarzt nicht ausdrücklich das Gegenteil befohlen hätte; denn er dünke sich so wohl zu befinden, als jemals, und spüre keine andre Folgen von seiner Wunde, als große Kopfschmerzen an derselbigen Seite.

»Es sollte mir sehr lieb sein,« sagte der Leutnant, »wenn Sie sich so wohl befänden, als Sie sich's einbilden; denn so wären Sie im stande, sich ohne Aufschub Recht zu verschaffen, denn wenn sich eine Sache nicht anders ausgleichen läßt, wie es bei erfolgten Thätlichkeiten der Fall ist, so ist das beste, seinen Mann je eher je lieber vor die Klinge zu nehmen! Aber ich besorge, Sie halten sich für besser als Sie sind; und er hätte zu große Vorteile über Sie.«

»Ich will's unterdessen doch versuchen,« antwortete Jones, »wenn Sie's erlauben und so gütig sein wollen mir einen Degen zu leihen, denn ich habe keinen eigenen bei mir.«

»Mein Degen ist Ihnen herzlich gern zu Dienste, mein lieber Kamerad,« sagte der Leutnant, und küßte ihn; »Sie sind ein braver junger Mann, und ich liebe Ihren Mut; aber ich fürchte für Ihre Kräfte, denn solch ein Schlag und solch ein Blutverlust muß Sie sehr geschwächt haben, und ob Sie gleich in Ihrem Bette keinen Mangel an Kräften spüren, so möchten Sie es doch nur gar zu sehr merken, wenn Sie ein oder ein paar Gänge mit ihm gemacht hätten. Ich kann's nicht zugeben, daß sie heut abend noch mit ihm hinausgehen; ich hoffe aber, Sie werden uns einholen können, ehe wir noch viele Märsche vor Ihnen voraus haben, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, er soll Ihnen Genugthuung geben, oder der Mann, der Sie beleidigt hat, soll nicht beim Regiment bleiben.«

»Ich wünschte,« sagte Jones, »es wäre möglich, die Sache noch[45] heute abend abzumachen; da Sie mich darauf gebracht haben, so kann ich nun einmal nicht eher ruhen.«

»Schlagen Sie sich das aus dem Sinne,« erwiderte der andere. »Ein Aufschub von ein paar Tagen kann nichts verderben. Die Wunden der Ehre sind nicht wie die Wunden des Körpers, welche einen schleunigen Verband erfordern. Sie verlieren nichts dabei, wenn Sie Ihre Genugthuung acht Tage früher oder später nehmen.«

»Aber wie wär' es,« sagte Jones, »wenn es mit mir schlimmer würde und ich nun an meiner Wunde stürbe?«

»Nun alsdann,« antwortete der Leutnant, »braucht Ihre Ehre weiter gar keine Rettung! Ich selbst will Ihrem Charakter das gerechte Zeugnis geben, und vor der Welt erklären, daß Sie willens gewesen sind, den Flecken gehörig auszuwischen, wenn Sie wieder besser geworden wären.«

»Dennoch,« erwiderte Jones, »ist mir bei dem Aufschub nicht wohl zu Mute. Ich fürchte mich fast, es vor Ihnen zu gestehen, denn Sie sind ein Soldat; allein, ob ich gleich meine Jugend so ziemlich wild hingebracht habe, so bin ich doch in meinen ernsthaften Augenblicken und im Grunde meines Herzens wirklich ein Christ.«

»Das bin ich ebenfalls auch, ich versichere Sie,« sagte der Offizier: »und zwar ein so eifriger Christ, daß ich mich bei Tisch wirklich deswegen über Sie gefreut habe, daß Sie sich der Sache der Religion annahmen; und ich bin fast jetzt wirklich ein wenig böse auf Sie, mein lieber Junker, daß Sie eine Besorgnis äußern, Ihren Glauben vor irgend jemand zu bekennen.«

»Aber wie schrecklich muß es für einen Menschen sein,« sagte Jones, »der wirklich ein Christ ist, und doch gegen das ausdrückliche Verbot seiner Religion Haß und Rachgier in seinem Herzen hegt? Wie kann ich dies auf einem Krankenbett aushalten, oder wie kann ich mit dem Himmel meine Rechnung machen, solange eine solche Schuld wie diese in meinem Busen wider mich zeugt?«

»Nun, ich glaube freilich, daß ein solches Verbot vorhanden ist,« sagte der Leutnant; »allein ein Mann von Ehre kann's nicht halten; und ein Mann von Ehre müssen Sie sein, wenn Sie zur Armee gehen wollen. Ich erinnere mich, daß ich einmal diese Gewissensfrage unserem Feldprediger bei einer Bowle Punsch vorgelegt habe, und er gestand mir, daß sie schwer aufzulösen sei; sagte aber, er hoffe daß den Soldaten in diesem einen Falle etwas Nachsicht zu statten kommen möchte. Und sicherlich ist es unsere Pflicht, diese Hoffnung zu haben; denn, wer könnt' es ausstehn, ohne seine unbefleckte Ehre zu leben! Nein, mein lieber Kamerad! sei'n Sie ein guter Christ, solange Sie leben; aber dabei auch ein Mann von[46] Ehre; und lassen Sie niemals etwas auf sich sitzen! Zu einem andern Glauben soll mich weder irgend ein Buch, noch alle Pastoren und Pröpste in der ganzen Welt bereden. Ich habe meine Religion von Herzen lieb, aber meine Ehre ist mir teurer als mein Leben. Es muß ein Irrtum in die Worte des Textes gekommen sein, oder in die Uebersetzung, oder Gott weiß es, wie und wo? Aber, dem sei wie ihm wolle, ein ehrlicher Mann muß es auf die Gefahr ankommen lassen; denn seine Ehre muß er heilig achten. Und damit schlafen Sie diese Nacht nur ganz ruhig; und ich versprech' Ihnen, Sie sollen Gelegenheit bekommen, sich Recht zu schaffen und Ihre Ehre herzustellen.« Hiermit gab er dem Jones einen derben Schmatz, schüttelte ihm die Hand und nahm seinen Abschied.

Allein, obgleich dem Leutnant selbst seine Art, über seine Ehre und seine Pflichten zu denken, Zufriedenheit genug geben mochte, so wollte solche doch bei seinem Freunde nicht so recht eingreifen. Jones faßte also, nachdem er die Sache in seinen Gedanken bald hierhin geworfen hatte, bald dorthin, endlich eine Entschließung, welche der Leser im nächsten Kapitel finden wird.

Quelle:
Fielding, Henry: Tom Jones oder die Geschichte eines Findelkindes. Stuttgart [1883], Band 2, S. 41-47.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings
Tom Jones: Die Geschichte eines Findlings
Tom Jones 1-3: Die Geschichte eines Findlings: 3 Bde.
Die Geschichte des Tom Jones, eines Findlings
Die Geschichte des Tom Jones, eines Findlings

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon