Das Achtzehend Capitel.
Wie Gargantua andern Lehrmeistern ward untergeben, die über einen andern Leyst ihm richteten sein Leben.

[207] Des Gargantuwalds Vatter sahe wol, daß sein schöner Filius am ihm nichts ließ erwinden allen fleiß fürzuwenden, unnd kein stund hinschleichen ließ, darinn er nit ein Lini zog, und solt er auch schon mit dem Rastro sechs gemacht haben: aber das er gleichwol nichts zu höherer künst verstand fortstieg, sonder nur wuchse wie ein Eselsohr in eim Negelinhafen, jhe lenger jhe Närrischer, ward mit gewalt zu eim Stockfisch, Plateisel, Tölpel, Fantasten, unnd sonst nichts fast. Dessen beklagt sich der gut Mann auff ein zeit bey dem Dom Philippo von Marach, Vicekönig inn Papeligosse, der gab ihm zuverstehen, daß ihm schier nutzer wer nichts zulehrnen, als zulehrnen das ihm nichts nutz wer: Dann sprach er was sind diser Fretter Künst als Kuntzenwerck unnd Kühdunst, ihr Weißheit ist Schmeißheit, ihr klugheit Lugheit, damit sie die Kinder, wie mit den Winterhändschuhen schrecken, die gute Edele Geyster verbastarten, und die gantze Blühe der Jugend vergifften, ersticken, der flor defloriren erfrören unnd versehren. Daß ihm also, nempt mir einen jungen Knaben von diser jetzigen jungen Welt, der allein zwen Monat gestudiert, da wett ich, wa er nicht ein besser Urtheil, bessere Gesprechlichkeit und bessere Zuberclausische zufäll in eim Item, als euwer Son inn vielen summarum hab, auch baßgeberdiger unnd ehrenerbietiger seie: unnd wa es nicht war, will ich mein Lebenlang ein Mechelburgischer Schunckenmadenfresser und Speckhecker auß Engern bleiben. Welchs dem Grandgusier mächtig wol geful, unnd befahl alsbald, daß mans versuchte.

Auff den Abend zu dem Nachtimbiß, fürt der von Marias seiner Jungen einen von Gongewiler genannt Eudemon Wolbegeist hinzu, so wol begnadet, guts Kopffs, so Bossenschicklich, so schön rein abgestäubet, und inn seinen Geberden so holdselig, das er viel meher einem kleinen Engelchen vom Fron Altar als eim Menschen änlichet. Sprach darnach zu dem Grandgoscher, Secht ihr das jung Kind? es trägt noch nicht[208] gar zwölff Jar auff ihm: Nun laßt uns, wann es euch gelust, ein versuchens understehen, was underscheyds sey zwischen eueren Matheologischen Künsthümplern, Weißheitverkauffern unnd Fantasten auß der alten Welt, und den jungen Leuten dises unseren Neuen wesens. Diß fürnemmen geful unserm Herrn von der Großgoschen und hieß den jungen Knaben gleich sein Sach vortragen. Hierauff bat Eudemon zuforderst seinen Herren den Königlichen Statthalter umb erlaubnuß solches zuthun, sein Hütlin inn der Hand stätt haltend, mit auffrechtem sittigem Antlitz, doch etwas jugendgemäser schamerrötung, mit unerschrockenen stäten augen, sein gesicht uff den Gargantua richtend, nicht daß er sich vom ort verwendt, oder die füß, nach Storcken art, wie die Schmid die Blasbälg, abgewechsselt hette.

Nach dem er sich also inn den Bossen geschickt, fieng er an mit züchtiger geberdung, wie seinem Alter gezimmet, den halb verzuckten Gargantubald höchlich zuloben unnd zuerheben, (wie man dann pflegt, wann man ein trägen will wacker wecken) erstlich wegen seiner hohen tugend, demnach seines von Natur hoch erleuchten, und durch ergreiffung guter Künst und vieler erfahrenheit gemehrten und außbalierten verstands, nachgehends seines Adels, folgends seiner anmütigen freundlichen schöner gestalt. Unnd nach allem ermanet er ihn mit sanfften worten, seinem Vatter inn aller Kind gebürlicher erherbietung vorzugahn, weil er ihn wol zu unterrichten kein fleiß noch müh spare. Beschließlich bat er dienstlich, unter seine geringste Diener ihn zurechenen unnd auffzunemmen, dann grösser gnad köndt ihm für dißmal nicht widerfaren, als wan er so viel gnaden bei seiner Durchleuchtigkeit köndt erheben, daß er dero wolgefällige dienst köndt erweisen. Diß alles ward von ihm mit so artlichen und sachgemäsen geberden dargethan, mit so deitlicher red fürgebracht, beredfertiger Zung außgesprochen, mit zierlichem gutem Teutsch und Latin erkleret, dz er sich eher einem Gracho, einem Cicero, einem Päpstlichen oder Königlichen Oratori, Sadoleto, Bembo, Longolio, Mureto, als eim jungen Knabatzen diser neulicheren zeit het mögen vergleichen. Hingegen wüßt sich Gargantua nicht anders zustellen, als dz er, all dieweyl der redet, greinet unnd weynet wie ein[209] sieche Kuh, unnd das gesicht hinder sein Hütlein verbarg. Unnd war unmöglich ein einiges wörtlin von ihm zubringen, vil minder als ein furtz von eim todten Esel.

Darab sein Vatter also erzörnet, daß er kurtzum den Meister Jobelin wolt umbbringen, oder auffs gelindest mit ihm zufahren, ihn von den Schulknaben lassen mit Ruten außstreichen, wie die Römer dem Schulmeister thaten, der die unschuldige Jugend inn der Belägerung wolt dem Feind verrhaten: Sintemal solche Jugendverterber, welche manche gute Art verkeren unnd hindern, eben so wol der Jugend, Ja einer gantzen Policei verrhäter seind, als der so sie auff die Fleischbanck opffert: Aber der von Marais hielt ihn durch bescheidene wort davon ab, ihm fürbildend, man könne solche Murmelthier nicht besser abfertigen, dann man werff ihnen den Sack für die Thür, unnd laß sie stampen.

Darauff befahl er dem Tropffen seine Besoldung zuzalen, und ein guts Sophistisch Trüncklein zugeben, und für alle Teuffel fortzuschicken. Auff solche weiß, sprach er, wann er also gecapaunenpfropfft ist, kan er seinen Wirt nicht vil kosten, wann er also voll wie ein Engelländische Zeck darvon stirbet.

Als nun Meister Gobelin abgeschiden, berhatschlug Grandgosier mit gedachtem Vicekönig, was man ihm für ein Preceptor solt zuordnen, da ward unter ihnen beschlossen, zu solchem Ampt den Ehrenbrecht Kundlob von Arbeitsteig, sonst genant Ponocrates, des erwöhnten Eudemons Gutgeists Pedagog zuerforderen: dann der verstund sich umb Politisch leben? was wolten dise Schlapphaubige cape tibi asinum und Calamarius am gürtel wissen? sie thun ihm recht, daß sie die Ohren decken, damit man sie nicht kenne: oder diese neue Lectoriabrillen, die mit sonderm Namen getrente Heyligen, die Zuchtgleißnende Farreseychische Quadricornuten: die entweders die Jungen zu unsittlichen erschrockenen Augensperrigen Stierköpffen machen, oder zu hoch trabenden rhumsüchtigen, neidigen und frefeln Schreiern und plauderern: oder zu Schalckverbergenden Schleichern, Schlüsselsuchern, Verhetzern, Verrhetschern, Lockvögeln, Duckmäusern, und Ertzarchibuben im busem, wie sie sind. Solche Teuffeley zuverhüten, schickt Grandmulier sein Sönlin sampt seim Lehrweiser[210] Herrn Lockhund gehn Pariß auff die Hohe Schul, zuerfahren was daselbst der Jugend studieren für ein gelegenheit habe: Dann was soll er zu Hauß verschimmelen? in der Frembde lehret er neben seinen Ordinarylehren, auch die Sprachen, welcher wann er vier kan, mag er vermög der Gulden Bull dises Punctens halben wol Keyser werden: Es ziehe dann der Bronnenschöpffer nicht recht am Rad, wann er lehre für volle tauschet: Dann das Glück ist rund, eim lauffts inn Arß, dem andern in Mund.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 207-211.
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