Das Zwey und dreissigst Capitel.
Inhalt des Priefes, welchen Gurgelgrossa seim Son Gurgelstrossa schrib, damit er sein Land zuretten nicht auß blib.

[307] Der ernst und trib deines emsigen studierens, vorbelibter Son, möcht wol gäntzlich erheischen, dich inn einer mercklichen zeit, noch nit von solchem Philosophischen ruhigem weißheitgeschäfft und geschäfftiger weißheitrhu abzuziehen, oder anders wohin zuforderen: Wa nit das Fürstenmesig woltrauen, welchs wir auff unsere Gefreundte und alte Bundsverwante gesatzt, für dißmal uns nit allein zu solches vorhabens zerstörung, sondern auch zu ungeschickter betrübung der naturmäsigen befridigten sicherheit und rhu unsers hohen Alters übel außschlüge. Inn dem es sich aber nun auß Göttlicher vorsehung dermassen unvermeynt schicket, daß wir uns von einem solchen, dessen wir uns etwann viel unnd hoch vertröstet, wider recht unnd billichkeit verunrhüwiget und angegriffen sehen unnd erfahren: werden wir nottringlich, dich beides umb ersetzung unserer verlebten Person, auch hilff, rettung und entschüttung dieser Land unnd Leut, welche dir zukünfftiglich auß natürlicher rechtfuge erblich anfellig unnd zuständig, zu beruffen unnd zuerforderen beweget. Demnach gewiß, daß zugleicher gestalt, wie äuserliche unnd außländische wehr, ohn innerlichen, beihändigen unnd heußlichen rhat, keiner vermöglichkeit nit sind, sondern gleichsam ohn lebhaffte unterhalt schwächlich erligen. Also muß auch alles studieren, unnd der wolerlehrnet verstand, sampt allem guten rhat, wo er nit zu gelegener zeyt durch kräfftige tugent scheinbarlich exequirt, vollzogen und ins werck gerichtet wird, unnützlich abgehn unnd verschwinden. Gleichwol dir diß zuforderst zuwissen, das unser bedencklich vorhaben dahin gar nicht stehet, jemands zureitzen, noch zubeleidigen, sondern, so viel Durchleuchtiger ehren halben thunlich, zuweichen unnd den streich abzukehren, unnd gar nicht offensivê einzufallen, sondern defensivè auß zuweisen oder einzutreiben, noch vil wenigers sins eines anderen Herrschafft uns einraumig zumachen unnd einzuziehen, sondern[308] unsere liebe getreue Undersassen und Erblandschafften vor gewalt unnd unbill zuverthädigen, unnd handzuhaben. Wann dann nun unser Benachbarter Herr Ohem König Picrochol aller einigung, sampt erwisener gut unnd wolthat vergessend, uns gantz unverschulter sachen, ohn einigen redlichen rechtgegründeten schein, neulicher zeyt hat inn unseren Erblanden mit feindtlichem überfall dörffen ersuchen unnd verhochmütigen: auch noch zur weil von täglichem unleidlichem mutwill unnd freyen Leuten unträglichem gewalt sein wütig fürnemmen vorzusetzen nicht ablasset: Auch zu dem unnd über diß, daß wir durch ordenliche vernünfftige Mittel sein Tyrannischen grimm zu besänftigen nichts haben unterlassen: Gleichsfalls uns gegen ihm alles dessen, was zu glimpflicher begütigung seines gefaßten Zornkoders unnd grollens, auch widerstattung und erhebung alles vorgepflegten nachbarlichen und bundgemesen freundtlichen unnd fridelichen willens uns dienstlich unnd vorträglich bedauchte, zum überfluß erbotten unnd angetragen. Unnd deßhalben durch unsere stattliche Legation zu mehrmalen an ihne freundtliche werbung gesinnet, seins als verursachenden theils klerlichen und endlichen bericht zuthun, wamit, durch wen, und wie er sich zu disem plötzlichen überfall befügt, verreitzt oder verursacht sein vermeyne und halte. Nicht dest weniger nicht die geringste richtige antwort von ihm können erheben, also daß klar bescheinlich nichts anders darauß zulesen unnd abzunemmen, als ein mutwilliggesuchte absagung, auß unverschemten trotz unnd Ehrgeitz eygenes gewalts unnd Landfridprüchiger weiß eines andern gebiet ihm eygenthumlich einzuraumen unnd säßhafft vorzuhalten. Zu welchem dann villeicht Gott ihm zur straff den Zaum nun etwas verhenget, auf daß wir durch seinen frevel erregt, ihne nach gebür eintreiben, züchtigen und wie man sagt, zum barren pringen. Derhalben vorgeliebter Sohn, mein ernstlich Vätterlich begeren und ermanen an dich ist, auff daß ehest, so dir immer möglich, alsbald nach ablesung dieses schreibens dich hieher zufördern, nicht allein uns (welches du doch auß naturkindtlicher neygung und erbärmte zuthun schuldig) sondern auch die deinige (welcher dich von rechtswegen annimmest) zu entschütten. Sonst hoffen wir ohn minsten Blutverguß, so[309] viel Menschlich, leidlich unnd meidlich, die sach zuverrichten: Unnd so viel es möglich durch geschwinden Kriegsranck, welchstheils unschuldiger Seelen zuerretten, und frölich, nicht auff Sempachisch gesotten unnd gebraten, inn ihre behausung heim zufertigen. Dann wir gedencken nicht wie der Wendisch König sein Land mit Schäubenhüten zudecken, oder wie Graff Hug von Pariß, siben stroen Sachssenkerles mit Wehr und Harnisch inn eim soff zuverschlingen: oder wie jener Herr, ihm so viel Feind ins Land zuführen, als viel er Körn auß dem Habersack schütt (die doch die erhungerten Hüner bald auffriben) Oder wie Darius dem Alexander träuet, da er ihm ein sack voll Magsamen sand, wann er disen Samen zahlen könt, würd er auch sein wider ihn außziehend Kriegsvolck zehlen mögen: Da hingegen Alexander ihm ein wenig Pfeffers schicket, mit vermeldung, wie der Magsamen dem Mund zu lind und weich, aber ein wenig Pfeffer viel stercker, schärffer und räser, also er sein Volck soll geschaffen wissen. Oder wie König Karl der Kaal, der seim Bruder Ludwig troet unnd trotzet so viel Reuter ins Land zubringen, daß die Pferd den Rein müßten außsauffen, damit daß Fußvolck trocken durch gieng. Oder wie der Kaalkopff Keyser Carus, der den Persern, weil sie kein Erbsenmuß mit ihm auß dem Hafen essen wolten, träuet, ihnen alle Aecker, Feld und Wäld, glatter und ebener zumachen, dann sein kaler Scheitel were: Ach mit solcher greulichkeit will ich meine graue Haar nicht ins Grab bringen: Sanfftmut soll mir den Schilt vortragen, und gütigkeit den Spieß nachtragen: daß geb Gott: dessen schutz ich dich sampt uns befehle. Grüß dein Hofgesind. Datum 20. Sep. underschriben: Dein Vater Grandgoschier. Versigelt mit Canarrischem Wachß, und oben auff der überschrifft drei Ito inn eim grossen C.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 307-310.
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