Das Acht und Viertzigst Capitel.
Wie der Mönch die Pilger mit ihm pracht, und von den guten Lehren die ihnen der alt Grandgoschier gab, und sie darauff ließ ziehen ab.

[380] Nach vollendetem gedachtem Scharmützel, zog unser Gurgellang mit seim Volck ab, außgenommen den Mönch: Und gleich mit dem Tag erzeigten sie sich vor dem Grandgusier, welcher im Bött für sie bettet. Und als er sie alle frisch unnd gesund sah, umbfieng er sie hertzlich, und fragt gleich wie es dem Mönch gieng. Da sagt ihm Grandgurgel, daß seine Feind für gewiß den Mönch hetten: Wann sie, antwort Grandgoschier, nach dem Frantzösischen sprüchwort den Mönch, das ist, den Hasen oder das unglück im Busen haben, so stehn sie übel: Oder haben sie nach der Buchtrucker Red ein Mönch geschlagen, so werden sie es klein ehr tragen. Welchs auch war gewesen. Daher ist noch dz sprüchwort, eim den Mönch schlagen, oder den Mönch stechen, oder einen Mönchen.

Hierauff befahl er den Imbiß zuzurüsten, daß sie sich erfrischten: Unnd da nun alles bereitet war, rufft man unserm Durstgurgler, aber es that ihm so and und wehe, da sein Mönch nicht zugegen war daß er weder essen noch trincken wolt. Auff der stätt (als wann man vom Wolff sagt, so ist er im spil) kam mein Mönch daher getrollt wie ein anderer Klosterhund, und rufft, so bald er in den Hof kam, Holla, holla Frischen Wein her, kein Külwasser, sonder Külwein: Holla Keibkamp Frischen Wein her. Keibkamp hinauß, sah daß es Bruder Jan war, der bracht sechs Pilger unnd den Tucketillon gefangen: Alsbald lieff ihm Gargantoa entgegen, empfieng ihn auffs freundtlichst, führt ihn zum Grandbusier, der fragt ihn, was ihm sidher wer zu gestanden. Der Mönch erzehlts ihm alles, wie er gefangen gewesen, und nun andere gefangen hab, die Pilger und den Hauptman Truckezullon: hirauff fiengen sie an weidlich zuzechen und sich zuersprechen.

Unter des fragt Grandpruchier die JacobsKönig, von wannen sie weren, waher sie kämen, wa hinauß sie wolten: da gab Zettefurtz für alle antwort. Gnedigster Herr, ich heiß[381] Zigenbart Laßdaller, sonst Kleienfurtz, unnd bin von Träggänglingen bei Füssen, mit ehm zumelden ein Schwab. Diser heißt, Dietz Langenzagel, ist von Küßloch bei Gemünt. Der heißt Florentz Florentzson, ist von Kulenburg in Holland: Diser Onofro Halberkalt von Faullauffen: Und der Frantz Seckelkranck von Langezän: Unser reiß betreffend, kommen wir von Sanct Sebastian bei Nantes, und seind vor etlich Wochen auch zu NiclaußPort inn Lotringischen Lorraine gewesen, und wollen jetz allgemach heim streichen: Aber, sprach Grandbuchier, was hatten ihr zu S. Sebastian zuthun? wir mußten dahin, sprach der Träggänglinger, dann wir hatten uns wider die Pestilentz dahin gelobt. O, sagt Grandbusier, ihr arme Leut, meynt ihr die Pestilentz komm von S. Sebastian? Ja warlich, antwort Zettenfurtz, unser Pfarrherr kan ja nicht Liegen, er heißt Herr Adam Schibloch, und sagt, Sebestle heiß also von der Seupest: Unnd wann dieser nicht helff, so verstehe sich Rochus etwas auff den handel. Ja warlich, sprach Grandgusier, lehren euch euere Schiblochs Propheten so ungereimt ding? das sie die fromme Heiligen also lästern, als ob sie Teuffel seien, die den Menschen alles übels zuschicken, wie der Heydnisch Poet Homerus schreibt, Apollo hab die Pestilentz inns Griechisch Hör geschickt: Unnd andere Poeten machen ein gantzgeschwader WeJoves, unnd bauen dem Fieber unnd Podagram Tempel: die sie auß forchten anbetten, wie die inn Calicut den Teuffel, daß er ihnen nicht wöll schaden, wann er sie doch nicht könn begnaden. Oder wie die Egyptier die Storeken anruffen, daß sie ihnen die Schlangen auffressen, wie mancher die Magd, daß er zur Frauen komm. Also Predigt einmahl zu Sinais ein schlimmer Luderbruder auß dem Gabriel Bühel, und Argumentirt ex loco contrariorum, das Sant Antoni das Glockfeur eim inns Bein schick. S. Eutropi in krafft seins Namens mach den Tropffschlag, und die Wassersucht, Sanct Glidas die Narrensucht, Sanct Genou das Zipperlin in genibus, Sanct Lupus plag mit Wölffen unnd Martern, S. Veit mit langem schlaffen unnd dantzen, S. Gertrut mit Mäusen, die den Mägden das Werck abbeissen. S. Dorothe die junge Leut mit häßlichen Bulen, Sanct Andres mit alten Weibern, Sanct Scolastica mit Tonner. S. Margret die Weiber mit unbären,[382] welchs einmal eine von jungen Bären verstund, undertränekt ihren Hund der hieß Bärlin. S. Anna mit armut, S. Barbara mit Sacramentlosigkek. S. Christoffel mit gähem Todt, S. Agatha mit bösen Prüsten, S. Fiacrius mit Feigwartzen, S. Meinus mit Platern, S. Liberius mit dem Stein, S. Erasmus mit grimmen. S. Otilien mit bösen Augen, S. Alo mit bösen Pferden, S. Maturin mit Melancholi, S. Crispin mit bösen Schuhen, S. Cosmus mit trüsen, S. Hundprecht, mit dem wůtenden Hundsbiß, S. Magnus mit Raupen, S. Jost mit Kornmilben, S. Ludwig mit saurem Bier, S. Wolffgang mit Gicht, S. Florian mit Feur, S. Lorentz mit Ruckenwe, S. Blasi mit Halßzäpflin fallen, S. Petronell mit Fieber. S. Martin mit dem Ritten, S. Johannes mit Schafsterben, S. Feriol mit Gänßsterben, S. Wendel mit Kühsterben, S. Loi mit unglückhafftem Bergwerck, S. Appel mit Zanwe (aber jener Boitduvinisch oder Potewinisch Baur gelobt sich dafür zu dem Goffroi mit dem Zan, und in Wassersnöhten zu dem grösten Christoffel, der köndt ihn drauß tragen) S. Quintin mit dem Husten, S. Clara mit roten Augen, S. Valentin mit der fallendensucht, S. Simphorian mit Priapischem Schlir, S. Job mit Frantzosen, und S. Cyriax mit allen Teuffeln. Als er mir ein solch Register Unglückheiligen daher erzehlet, strafft ich ihn solcher massen, wie sehr er mich auch darüber ein Ketzer scholt, das sidher solcher Speckmäuß keiner inn mein Land genistet hat. Und nimpt mich wunder, wie euer König solche ärgerliche Terzelische Schmaltzprediger im Reich leiden mag: Dann sie seind straffwürdiger als die durch vergifftung und Zauberey den Lufft vergifften, und faul Häring ins Land führen, dann die Pest tödt nichts als den Leib, aber dise Bescheisser, bescheissen und vergifften die Seel, mit falschem Wohn und Glauben.

Inn des er solches redet, trat der Mönch auch hinein, fragt sie. Waher seid ihr armen Sdiweiß? von Sanct Genou und anderswo her, sprachen sie: Und wie lebt, sagt der Mönch, das lieb Herlein Abt Tranchelion, das Bärenstecherlin, ein bodenloß gut Zecherlein. Seind seine Mönchün noch lustig? schmackt ihnen der Wein noch? steigen sie noch so gern über die Mauren? Bei dem Creutzvatter, weil ihr auff der Romfahrt umbwallet, kehren sie euch die Weiber herumb. Hin[383] hen, sprach Laßdaller, ich besorg meiner nicht, dann wer sie bei tag sicht, wird bei nacht nicht den Halß drumb prechen, daß er zu ihr komm. Ja Gsell, sprach der Mönch, Treck lescht auch Feur, diß gestech begibt sich das mehrertheil bei Liecht unnd Nebel, bei Nacht seind alle Khü schwartz: Und wann sie so häßlich wer als die Frau Serpina, in der Höllen, noch ist sie bei dem todten Blut vor den Hirtzbrünstigen Mönchen nicht sicher, sie giengen ein Geyß an die ein Schleier auff hat: Ja brechen ein Thor auff, da ein Küschwantz vorhieng. Die Meidlein machen die Mönch die Fasten brechen, sie können sie gar schön in Pace legen: Die schönen braudien sie bei Tag, die heßlichen nachts. Es ist nur ein won, dz man meint, der Most schmack baß auß der krausen, dann auß dem glaß: Wer er lauter, ich süft ihn nit auß der krausen. Dann ein guter Werdoneister laßt kein stuck ungearbeitet, er nimpt es alles unter die hand: alte Geisen lecken auch gern Saltz, ein alten verlegnen Furman tliut auch das Geyselklöpffen noch wol: kan einer nicht mehr trincken, so sihet er doch gern zepffen, und hört gern die Kannen klepften: ein alter Gaul regt zum wenigsten die Ohren, wann er hört auff blasen: eim Podagrischen träumt zum wenigsten wie er reut, wann er schon da gestreckt leit. Secht da, ich wett, oder es stossen midi alle Frantzosen an, wa ihr nicht, wann ihr heim kompt, euer Weiber schwanger finden: Zum wenigsten, wann ihrs habt angefangen, so machen sie doch, wie jener Friesisch Pfaff, die Köpff dran: dann es macht auch nur der schatten von eim kloster fruchtbar: gleich wie auff den äckern eins Nußbaums schatten unfruchtbaret: Es muß sich in Klöstern alles mehren Hund und Katzen, Esel und Geisen. Hoho, sprach Gurgelstroß, haben die Klösterschatten solche krafft, so ist es eben mit ihnen, wie mit dem Nilwasser inn Egypten, wa ihr dem Strabo unnd Plinio Lib. vii Cap. iii glaubt: unnd wie das Pfrundbrot, das macht ihn allen inn denen es auffgeht, endweder Geistlich fleisch, oder fleischlichen Geist, oder heuchlisch feißt. Ihr gehörten wol inn die unbewont Welt, ihr wurdens bald mehren: O könt man Lüttich über Mör führen wie Loreta: da würden die Gänß groß Eyer legen. Ja gewißlich, sagt der Mönch, darumb schickt der König von Hispanien järlichs Schiff voll solcher guten Nollbrüder in die[384] Neuen Inseln, und man vernimpt täglich, wie umb ein jedes Kloster bald ein Statt auffstehet: Dann der Haaß ist gern, da er geheckt wird.

Demnach sagt Grandgosier zu den Walfahrtlauffern, Geht hin ihr arme Leut in Gottsnamen, der sey euer ewiger geleiter, aber nicht auff die Leiter: Und unternemt euch forthin nicht mehr solcher unnützen reisen, noch des unmüssigen müssiggangs: steh ein jeder seiner haußhaltung für, schaff das sein, dazu er beruffen, zieh seine Kinder, und thu wie ihn der lieb Apostel Paulus lehret: wa solchs geschieht, habt ihr Gott, seine Engel und alle Heyligen umb euch, und wird euch kein Pestilentz noch grössers übel schaden: Dann der auff Gott thut bauen, denselbigen stoßt nichts an von grauen.

Folgends führt sie Strozzagurgel: inn ein Saal, unnd ließ ihnen aufftragen: Aber die Pilger thaten nichts als seufftzen, unnd sagten zu Gurgelstrozza. O wie glückselig ist das Land, welchs ein solchen feinen Herrn hat: Aber wa man kein alt Leut hat, da muß man Kinder auff die Bänck setzen. Man sucht doch nur witz bei den Alten, wie sehr sich die jungen für klug halten. Wir haben mehr auß seinen Reden jetzund gelehrt, als auß allen Predigen daheim. Hie sieht man, sprach Gurgelstroßlinger, das war ist, was Plato Lib. 5 de Repub: schreibt, das alsdann ein Regiment wol werd bestellt sein, wann endweder die Regenten Philosophiren, oder Philosophi und Weißheit gelehrige regiren. Nachgehends ließ er ihnen ihre Pilgertäschen voll Proviand stecken, ihre Fläschen mit Wein füllen, und schanck eim jeden zur erquickung ein Pferd fortzukommen, und etliche dicke Pfennig von seinentwegen zuverzehren, des dancken sie ihm der Ehren, und zogen hin sich zubekehren.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 380-385.
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