Das Vier und fůnfftzigst Capitel.
Wie Gurgellantua die Eygenwillig Abtei Willigmut der Thelemiter zur Rhuwart für den Mönch bauen ließ.

[403] Allein stund der Mönch noch zuverehren: den wolt Gurgellantua kurtzumb zu eim Abt zu Sewiler machen, aber er wolt nicht, dann heisse lieb gibt heisse fürtz: er wolt ihm die Abtei zu Burgweiler schaffen, aber er wolt auch nicht, dann wer ein guten Hecht will essen, muß die Gall hinweg werffen, er trug ihm das Kloster zu S. Florentz an, er wolt aber nicht, dann wer den Puls will greiffen, muß subtile finger haben: Er wolts ihm all drey zugleich schaffen: Aber der Mönch zeigt ihm glat an, er mocht kein Mönchsampt haben, dz weder zum Himmel noch zur Erd gehört: dann, sprach er, wie solt ich andere gubernieren, da ich mich selbs nicht kan regieren: andern ein Formünder, mir ein Thorminder: Wann ich euch angeneme dienst hab geleistet, oder noch verhoffentlich leisten möchte, so laßt mich ein Abtei auff meine sondere weiß, unnd eygenen Zaum Willigs Muts stifften. Die bitt geful dem Gargantua, und bot ihm das gantz Thelemerland bei dem Loirfluß gelegen an.

Das nam der Mönch für bekant auff, und sagt, Ihr könt euch mit stifftung vorhabendem gutwilligen Ordens gleich so grossen Namen schöpffen, als wann ihr ein Academy unnd Spittal stiffteten, Dann die Hohen Schulen seind als dannmals erst auffkommen, da die Orden auß den Klosterschulen Klosterrhülen, auß Lehrschulern, Chorheuler, auß Schullehrer Hülplerrer machten. Derhalben bitt ich, helfft mir ein Unanthonisch, Uncarmelitisch, Uncarthäuserisch, Unbettelordisch, Unsuitisch, Uncarafisch, Unconscientzmarterig, Uneidfesselig[403] unverregelrigelig Muster von eim freien guteygenwilligen und Willigmutigen Orden stifften. So muß man, sprach Gargantua, erstlich kein Maur darumb aufführen, dann alle andere Abteien sind mächtig wol vermaurt. Ja billich, sagt der Mönch, Lauren, schälck, Buben, Huren, schnurren, murmler, Murmelthier, Murrer, Bruder Murrnarrn, die muß man vermauren: Dann der neid wird zu Hof geboren, im Kloster erzogen, im Spital stirbt er ab. Nachgehends, weil inn etlichen Conventen brauch ist, das so ungeordnirte, ungeweihete, unprofessionirte unnd unprofeurte Weibsbilder hinein gehn, man denselben die spur nachfegt, wie der Löw sein spur mit dem Schwantz selbst verschlägt: so ordnen wir, das wa ungefehr ein vermeynter Geistlicher Bruder oder Schwester von anderen Daxorden inn unsers kompt, man ihnen gar eigentlich alle tritt nachfegen und wischen soll: weil ihnen bald etwas, wie dem Vulcano, da er mit Junone rang, kan entfallen. Unnd demnach alle Stifft geregliert, außgetheilt unnd compassiert werden inn Horas unnd stunden, wollen wir, das da weder Urwerck, Stundglaß, Zeiger noch quadrant seien: Sonder alles nach dem es sich schickt unnd begibt verrichtet werd. Dann, sprach Gargantoa, ich weiß kein zeit, die mich meher daurt, als die man das Glockenschlagenzahlen, Stundglaßwenden unnd Sandurschütteln wendt: es ist ein schand, daß man sich mehr nach eins schläferigen Urenrichters Glock als der vernunfft richtet.

Item, weil man damals niemand inn Orden stieß, schmiß und riß, als etwann gestampffte Frauen und Jungfrauen, die etlich eisen abgeworffen hatten, oder plinde schilende Bettschelmen, hogerige, krüppele, Veitz däntzige Butzenandlitz, hinckende, närrische, unsinnige, verschimmelte, verlegene, korbfällige, Bestieffmuterte, unfolgsame, unhäußliche, verschreite, gereuterte Töchter: Deßgleichen kein Mansbilder, als minderjärige Kinder, unverständige, faule, langsame, schläferige schlingel, Rutenforchtsame, Schulscheue, Lehrverzweiffelte, Lehrhässige und disciplinfeinde tropffen, bestieffvatterte, Lebensverdrüssige, Lebensverwirckte Lecker und Buben, Schelmenbeinruckige, Pfluggebissene blaterarbeiter, gesundheitverlobte Meßsamuel, abgesoffene, abgehurte,[404] außgespielte Leidige tropffen, Maulhengkolische, aberwitzige, sparren verlorene, verbanckarte, unehliche, presthaffte: Galeenwürdige: Mannlose: geprochene: unnütze augengreuel: Haußhinderer und Haußtölpel. Verzeicht mir sprach der Mönch, daß ich euch in die Red fal: ein Weib welchs weder schön noch fromm ist, wem ist sie nutz? Ins Kloster zustecken, antwort Gurgelstrozza. Oder, sprach der Mönch, zu Näherin, Hembdmacherin, Bruchanmesserin, Klosterwäscherin: badermägden: Pfaffenköchin: Speirischen Beckenmägden: Wirtsmägden: Baucherin: Klosterläuferin: Badreiberin: Kranckenwarterin: Leirerin: Kindbettkellerin: Wiennische PfifferLingbraterin: Heydelbergische Beckerhürlein, Zubringerin: Augspurgische Kramschwalben: Beginen. Aber die Klöster braucht man an statt der bei den Heiden geheiligten Felssen, darüber sich die Leut auß verzweiffelung stürtzen mochten, oder an statt der Feigenbäum, daran sich die Weiber hiengen.

So ward geordnet, daß man hierin niemand nemm als schöne, wolgestalte und kluge: dann man soll Gott das best opffern, darumb ist die Erstgeburt sein: man soll ihm nicht die Spreuer opffern wie Cain, sondern das Schafschmaltz wie Abel, Darumb schilt S. Augustin auff die junge Hachen, die ihre Plüst der Jugend in aller Üppigkeit dem Teuffel opffern, und das verdorret machtloß spreueralter unserm Herrn Gott.

Item dieweil in die Nonnenklöster kein Mann kam, als nur heimlich unnd verholen, ward versehen, das hierin kein Schwester sey, es seien dann öffentlich Mann für Zeugen dabei. Item demnach Mann und Weib, so sie einmal in der Religion auffgenommen worden, nach dem Probierjar gezwungen waren ihr Lebenlang drin zuverharren: Ward da geordenet, daß alle Ordensgenosse, wann es ihnen geliebet, ungehindert möchten ab unnd auß tretten. Item weil gemeynlich die Ordensleut drei gelübd thun, nemlich Keuscheit, Armut und gehorsam, ward versehen, daß man da mit Ehren möcht heurhaten, mit gutem gewissen reich sein, und sich Gottgehorsamer, und Vernunfftfolgiger Freyheit geprauchen. Item weil man dort bei überfluß willig Arm ist: Wollen wir hie bei zimmlicher Genüge willig Reich sein: Die Reichthumb prauchen als ob wir nicht Reicht weren, die[405] Welt prauchen, als ob wir nit drinn weren, wollen wie ein frommer Beichtvatter auch im Hurenhauß fromm bleiben, auch bei dem feur nicht brennen. Item wie jener starcker Mollenköpff und Schlingel etlich bettlen, also wollen wir den Bettlern geben. Item wie jene wollen kein eigen Frauen haben, damit sie anderer unnd frembder geniesen: also soll hie frey stehn, wann sie ihr alter erreicht, außzutretten, unnd der Mann sein eigen Weib, unnd das Weib sein eigen Mann ihm wölen, nemmen unnd haben: Wie jhene die ehliche keuscheit verschweren, also hingegen wollen wir keusche ehlichkeit ehren, unnd unehlicher unkeuscheit mit zeitiger vermälung wehren. Item, weil jene dem Abt oder sonst eim Prelaten gehorsam schweren, wollen wir, das der Abt uns schwere uns bei unserer freyheit zulassen. Item wie jene den Kopff auff die Schultern hencken, unnd wie die Kirchen-Eulen finstere augen machen: Also wollen wir den mut innerlich sencken, und das Haupt gegen Himmel erheben, daher unser erlösung kommet. Item wie jene bei nacht wachen, das sie bei tag schlaffen, also wollen wir das widerspil thun. Item wie jene ihr eygen gut verlassen, daß sie von anderer Leut gut prassen: Also wollen wir unser eigen Gut behalten, daß wir anderer Leut gut und steuren nicht bedörffen, sondern noch andern zugeben haben. Item wie jene nicht arbeiten, deßbesser zucontemplirn, und guten gedancken obzuligen, also wollen wir alles unser dichten unnd trachten im werck erzeigen, und zur arbeit unnd dienst des nächsten richten. So vil das rechtmäsig alter betrifft, sollen die Weibsbilder angenommen werden von 10 biß 15 Jaren, die junge Gesellen von 12 biß zu 18.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 403-406.
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