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[145] Inn dem sie also im sauß lebten, unnd diß sauber subtil Zechgesprech und Gesangzech vorhatten, fieng Gurgelschwante, die gut schwanger Frau an zukrachen, und sich zu[145] underst übel zugeheben. Derhalben sprang Grandgoschier auß dem Klee, und sprach ihr tröstlich zu, vermeynend es wird gleich an die Bindriemen gehn: Hieß sie sich under den Wilgenposch dort hin ins graß strecken, ob sichs schickt, daß sie neun Füß von sich streckt.
Derwegen umb tröstlicher hoffnung willen bald ein frisch kurtzweilig Püplein zubekommen, hielt er bei seim Bürstlein an, daß man es auff ein neues anfieng, da man es vor gelassen hat, lustig gut geschirr zumachen. Ein Schelm der vom andern weicht, allweil Sonn und Mon leucht: Eyn Schelm der dem andern etwas vergibt, und ihn nit laßt außsauffen. Wer einen im trunck unnd spiel darff betriegen: darff auch ein Statt verrhaten und seine Eltern verliegen. Diß Rumorn geschach zur nachfolg der geburt Jovis, darbei die rasenden Corybanten auch ein Cabirisch unsinnig wesen, jauchtzen, göln, singen, dantzen, getrümmel und gedümmel mußten führen, auff daß der Kinderfresser Saturn, das ächtzen und krächtzen, und das ruffen Iuno Lucina fer opem seiner Berekyntischer Frauen Opsrhea im Kindergebären nicht hörte, noch vernem wann der jung herfür kriechend Bastart Jupiter mit weinen und greinen den Tag anzännet.
Wiewol nun ihren der Kindsgepfrengten Frauen das bauchgrimmen etwas ungewont war. Gleichwol dieweil derselb schmertz nur ein kurtzer übergang, und die freud, so bald hernach zu folgen pflegt, langwiriger und grösser, die alles vor erlitten leid auffhebt, also das auch die gedechtnuß und erinnerung darvon nicht überbleibt: Ja grösser freud als über eim gefundenen verlornen Schaf. Derhalben liebe Gemahl, sprach er, frisch auff, lustig, lustig sie praten schon, Seit künreg, Seit Kündegen, frisch auff umb die Schaf, die Bock springen. Helff uns dessen ab, habe ein gut hertz, laßt den Bauch S. Velten haben. Machs auff ein ort, so kompt bald ein anders fort. Ha, sagt sie, ihr habt gut sagen, Were dem Faß der boden auß, Jedoch mit guter hilff will ich mich brauchen, unnd dapffer bauchen, dieweil ihrs also haben wolt. Aber was geb ich drumb, daß er abgehauen wer. Was? sagt Grandgosier.
Ha antwort sie, wie seit ihr so einfaltig: Ihr verstehets je wol. Ja ich meynts auch, sagt er, Du meynst mein gesellen?[146] Bei dem Schneckenblut, gelusts dich, so schaff mir ein Messer. Ach, sagt sie, bei leib nidit, verzeih mir, ich meints nicht von hertzen. Aber inn ernst, ich werd heut wol zu thun gewinnen, wo mir das glück nicht beisteht, Und dasselbig alles vonwegen einer Pflitschen, den euch S. Sebastian Pfeil beschütz, welchen ein andechtige Frau, als er zu tieff stack, etwann für etwas anders ansehe, Wolauff, wolauff (sprach er) Bekümmer dich deßhalben nicht mehr, und laß es die vier Ochssen da vornen schalten und walten. Ich muß noch hingehn ein Fach außzufüren, und ein Schnittlein weichen. Wa unter des dich ein Wee anstieß, will ich bald bei dir sein, und inn die Händ mächtig fertig speitzen.
Über ein kleins hernach begunt sie zu seufftzen, zu echtzen, zu krechtzen, zu hendwinden, zuweinen, zugreinen, zuschreien, zu scheuen, zu zitteren, zuschaudern, zubeben, und sich übel genug zugeheben. Alsbald postierten die Hebammen Säcklin herzu, trugen den Achgnesischen Babst her auff dem Agnesischen Habetstul, mischt Schnittlauch, Bingelsafft, Hasenrennlin, Gichtkörner, Gertwürtzlin, Natterwurtz, Nesselsamen, Quittenkerner, Pappelskäßlin, Balsamrauch, Magdalenenkraut, Basiliscendampff, Nepten, welchs sie alles zuvor gebraucht gehabt: Aber in der höchsten noht stieß man ihr Magnetstein zu, Trachenkraut, Adlerstein, Smaragden, Corallen, Sibenzeit, Nebelgertim, Camillen, Eisenkrautwasser, Betonien, Hirtzkreutz, Helfantenzän, Büglin, Bibergeil, unser Frauen eyß. Deßgleichen thaten ihr gebür die Weemütter, auß vielen orten erfordert, die ein hört beicht, die ander laß, die dritt bat ihr vor, die viert hielt ihr das Mönchisch Kreutzstöcklin vor, die fünfft als sie tastet, fand ein fellwerck, eins zimmlichen argen geschmacks, und meynt es wer das Kind, aber es war nur das unden am end, welchs entgieng von der mollification und miltifincatz des rechten darmes, welchen ihr den Wolffmag nennen, der sich also erzeiget, von wegen daß sie zu vil Kutteln hat gessen, wie ihr hie oben verstanden.
Derhalben zwo alte verrostete Schellen auß den beiwonenden Gevatterin, welche für grosse Kůhärtztin und Alraundelberin geacht waren, und die ein auß der Krautenau von Colmar, die ander von Wisensteig bei Ulm dargegabelet waren, macheten[147] ihr alsbald ein solch schrecklich restrinctiff, verstrengung, einpfrengung und verstricktiff, daß es alle Brachäcker dabei verdorren, und wol neuntzig Küen hett vergeben mögen: Darumb auch alsbald der armen Kindbetterin darvon gleich alle Däuchel, furen, runsen, klafegen, dolen und riolen verstopflet, opilirt, vernagelt, und vermalschlosset gestunden, also daß ihrs kömmerlich mit den zänen hetten erlargiren, er lassen, erweiteren, lassiren und erditerichen mögen: Welchs dannoch schrecklich ist zugedencken, wann die Zullspilenden Buben, so sies spil verlieren, zur straff den zweck mit den schönen zänen auß dem treck müssen auf Niderländisch trecken und schlecken: Und der Teuffei hinder S. Martins Meß mit weissen Rubenzänen das Pergamen, darauff der alten Welschparlirenden geschnatterigen Weiber geschnader zucopieren, muß wie der Schuster das leder erzerren, errecken, erstrecken, erdänsen und außdensieren.
Diesem unfall nun zuweren, worden ihren gleich die Seitenwehr der Mutter mit Hasenlupp bestrichen, auch gar erlassen und eröffenet, on den angebundenen Naterschlauch. Darvon fing das Kind an zuerschrecken und erhupffet, und kam inn solchem Auflauff in die kraus Holader, zabelet und grabelet daselbs durch die langscheidige leibsleist, so lang biß es unter die Uchsen und Schulter kam, da sich vorgedachte Ader entzwey theylt. Allda macht es nicht lang mist, sonder nam seinen weg durch die Königliche Weinstraß zu der lincken, kam also zu dem lincken Ohr herauß. Oho der weiten langen Ohren, darinn der schwimmend Esel viel Reiß voll Fisch het fangen können: darumb heißt er nit geboret, dann vom Vatter, sonder eroret, das ist, von der Mutter auß den Ohrn geschüttelt: und ist warlich eben so ein grosse ketzerei, wan man sagt, Diese Frau hat das Kind geborn, als wann man im Elsaß sagt, Diser Mann hat das Kind gemacht, drumb muß man ihm zu Jar die Zunfftvermehrungirrten schencken, daß er über ein Jar dest williger sey: So mans doch viel mehr den Kindermachenden Weibern schencken solt, die sonst zum handel unwillig sein. Aber wir wöllen bald ein Häringconcily drüber halten.
So bald es nun erohret war, schrey es nicht wie andere Kinder Mie, Mie, Mi, noch auff Herodotisch und Beccesalenisch[148] Beck, Becke, Becken: (wiewol das gebäch und die Wecken zu seim folgenden durstigen geschrey sich wol schicken) auch lachts nicht auff Zoroastrisch, dann es sparts nach der Physicorum lehr biß über 40 tag: Sonder raffet mit heller stimm zusauffen her, zusauffen, tosupen, und bald hernach im andern thon, Tranck, trenck, trinck, tronck, trunck, und zum letzten, Aha Baire, Bere, Bibere, Boire, Bure, als ob er die gantz Welt zusauffen ermant, das gantze Supplingerland, Weinstram, und Tranckreich.
Wann ihrs nicht glaubet, ficht es mich nicht an, aber ein Bidermann, ein verstendiger mensch, glaubt allzeit was man ihm verkündt, unnd was er inn Schrifften find. Ist es wider die Natur, wider den gemeynen braudi? Haha, hast noch viel nicht erlebt, hast auch noch viel nicht gehört, die Gabelen sind nicht all zweizinckig: Liß das Wunderbuch, liß Trallian von Mirabilibus unnd langlebigen, Appolon, und Antigon von Mirabilischen Narrationen: du findst meh dann einmal, das ein Baur ein Igel geschissen hat: daß man in Indien den Eseln auff den ohren reut: daß einer auff eim halben Pferd, welches ein fallender Schußgatter entzwey getheilet, noch etlich Meilen sey geritten, unvermerckt biß ers gedummelt: daß einem Feldflüchtigen im Sprung über ein Zaun mit eim Schlachtschwerd unversehrter füß alle vier schuhlümmel seien hinweg gehauen worden: daß einer solchen starcken Brantenwein getruncken, daß ihm Nachts vom Athem das Bett angangen, und wann er nicht ungefehr im Schlaf drein geseycht, drinn verbrunnen wer. Aber genug, wann Urganda nicht im Amadis wer, was wer es? was weren die Caballistische Bücher nutz, von den obgehülten der Natur und Naturmachei, wann man nicht einen andern verstand darhinder sucht? Man muß nicht bei einerley Ovidischen und Liberalischen verformungen bleiben, die Legend muß auch etlich schreiben, und wir auch etlich dutzend treiben.
Aber was darff es der Mäuß, wann Katzen da sind: ich bitt euch, stichelgrüblet und wannereuteret euere Mollenköpff nicht mit disen eitelen gedancken. Was? ist nicht Bachus unser Landbruder dem Jupiter nah bei dem Geseß herauß geschloffen, unnd auß der hufft erzeuget. Daher noch das sprüchwort kompt, wann einer eim änlich sicht daß man[149] spricht, Er ist ihm so gleich, als wer er ihm mit der leyter auß dem Arß gestigen, der Pyrgopolinitisch Rocketeyllad oder Spaltdieburg vom Rogenstück, war er nit auß seiner Mutter Fersen geboren? der Crockemuschisch Muckenkracher von Krichenknack auß seiner Säugammen Pantoffel? Papentap auß seiner Großmutter Schlapphaub? Finckenritter im Lautenstern. Ja war nit Minerva inn Jupiters hirn durch orenöffnung des Vulcan Achßt erzeuget? Erichtthon der Athener König auß Volckans Schüttdensamen? Adonis durch des Mirrenbaums rinde? Castor unnd Pollux auß den Eierschalen, die Leda außbrütet? der Sicilisch Ertzräuber Selvus auß dem feurspeienden Etna? der groß Alexander auß dem Hammonischen Lindwurm? Goffroi auß eim Melusinischen Mörwunder? welches Paracels für warhafft im Onomastico mit dem exempel der geschicht des von Stauffenberg bekräfftiget: die ersten Menschen auß Pyrrhe steinwurff? Cadmi gesellen auß Trachenzänen? der Engellendisch Prophet Merlin, auß zwey bösen, eim Nachtgeyst unnd eim alten Weib? gleich wie auch Plato auß eim Geyst und einer Jungfrauen soll hindersich kommen sein? und wie ein Kartentäuscherischer saurer Laur, sampt eim Schneckenfresser schreibt, soll auch der heut verrufft Luther von eim Auffhocker außgeheckt sein: eben wie ein Predigkautzischer Brieffmaler malet und dicht, das der Teuffel die Mönch von eim Galgen hab geschissen, unnd den hindern mit Nonnenkutten gewischt: aber der Socius machts zu grob, man solt ihm das Maul mit eim handvölligen Baurenkegel wischen: der machts höflicher, der sie auß verlegenem Korn malet? Was sind nit die Mirmidonische Völcker auß Aumeysen? die Gothier auß den Panischen Waldwundern? Was? wirfft nicht das Wisele seine jungen durchs Maul: Kriechet nit auß des Phönichs Aeschen ein anderer Phönichs? auß verfaulten Küen, Binen? auß den Binen würmlein? auß dem Mist die Mäuß? auß dem Chamelstreck ein Machometisch Sau? auß eim Löwen ein Katz? auß eim Hanen ein Basilisc? auß meim unnd deim Fleysch Schlangen? auß den vergrabenen KrebsSchwäntzen Scorpionen? Was? sind Marx Curio und Marx Kolencarbo nicht mit zänen gleich auff Erden kommen, als ob sie gleich dem brot träueten? haben wir nit im Wunderbuch erlebt, daß die[150] Kinder, alsbald sie auß Mutterleib kommen, gepredigt haben? Schreibt doch Donatus, der Vergilius hab auch nicht geweynt, als er geboren ward, Es lehrt doch der Obercelsisch Theophrastus in seiner Metaformirung, wie man Riesen unnd Zwerglin soll im Perdsmist außbrüten, und Kinder ohn Weiber machen, Ja Eyer unter den Uchssen außbrüten, ja auch im Latz, den Hennen unnd Weibern zu tratz: Dise Spagirische Kunden werden bald neben den Buberonen unnd Geysseronen ein Weibsparkunst erfinden, wie jene die Holtzsparkunst. Hierzu werden die Weiber keim Privilegy geben: O auff ihr Weiber, schlagt tod die loidigen Göcken Spatzen und Hasen, die es beides mit einander versehen wöllen. Dann diß ist keine Spanische sparsamkeit, da ihren zwen oder drey wol an einer Huren und an eim Mantel genug können haben: Was auch der Han könn.
Aber was bemühe ich mich lang, die frembd Geburt zubewehren, ihr werden euch noch mehr verwunderen, wann ich euch jetz des Plinii Capitel außleget, inn welchem er von den frembden widersinnischen Mißgeburten handelt: ob ich wol nicht so ein Glaubgesicherter, gewisser und standhaffter Lugener bin, als er gewesen. Liß das sibend Buch in Natürlichen Historien am vierten Capitel: Und laßt mich damit unbekümmert, verrucket mir forthin nicht mehr also meine gute gedancken.
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Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
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