Zweytes Kapitel

[101] Sehen willst du sie wenigstens! – dachte ich; und trat vorn in die Loge. Auch meine Sprecherin näherte sich jetzt; doch so, daß sie mir den Rücken zuwandte. Aber das Gesicht der andern Stimme konnte ich ziemlich genau beobachten.

Es war halb in eine schwarze Florkappe gehüllt; und schien nicht zu den jüngsten zu gehören. Doch war es nichts weniger als unangenehm; und ein Zug von sanfter Melancolie erhob es sogar bis zum Interessanten.

Aber ich hatte nicht lange Zeit; diesen Beobachtungen nachzuhängen. Die außerordentliche Lebhaftigkeit meiner Sprecherin[101] machte mir so viel zu schaffen, daß ich bald nichts mehr sah und hörte als sie.

Mit unbeschreiblichem Muthwillen fiel sie jetzt noch immer über die Männer her; ein Einfall jagte den andern, und es lag so viel wahrer Witz in dem was sie sagte: daß es mehrmals der äußersten Ueberwindung bedurfte, um nicht, auf Kosten meines eigenen Geschlechts, in ein lautes Lachen auszubrechen.

Dabey war der niedliche Körper in unaufhörlicher Bewegung; die schwarzen Locken flogen hin und her auf dem blendenden Halse, und die runden Aermchen gesticulirten so lebhaft; daß ich mich häufig genöthigt sah, ihnen auszuweichen.

Doch vergebens! – indem ich mich, um ein abermahliges Lachen zu verbeißen, auf den Rand der Loge bückte, bekam ich einen so heftigen Stoß in meine Frisur, daß die Sprecherinn und ich, plötzlich in[102] eine kleine Wolke von Puder gehüllt wurde.

Ein so anhaltendes, so sonderbar abwechselndes, aber auch zugleich so unbeschreiblich reizendes Lachen, als worin sie jetzt ausbrach, erinnere ich mich wirklich nicht in meinem Leben gehört zu haben.

Vergebens winkte, ermahnte ihre Begleiterin, vergebens bat ich, ohngeachtet meiner Unschuld, tausendmahl um Verzeihung – es half alles nichts. – Jedes Mahl wenn sie mich wieder ansah, begann es von neuem, und weckte meine Sehnsucht, das reizende Geschöpf in meine Arme zu schließen so sehr, daß ich sie zuletzt äußerst ernsthaft bitten mußte, mich zu verschonen.

Wußte sie was in mir vorging – oder was war es sonst, was sie plötzlich so rührte? mich dünkte, als steige eine Thräne in ihr großes funkelndes Auge, und als[103] zitterte ihre schöne Hand in der Meinigen.

Eben so unbekümmert wie vorhin bey ihrem Lachen, war sie es jetzt bey unsrer gewiß sehr auffallenden Attitude. Schon zweymahl hatte ich ihre Hand geküßt; aber noch immer zog sie sie nicht zurück, und sah mich dabey an, als wolle sie mich bis auf das Innerste der Seele erforschen.

Meine Verwirrung war aufs höchste gestiegen, als der Vorhang aufflog, und sie, wie aus einem Traume erwachend, und mit einem Tone, der eine abschlägige Antwort unmöglich machte, mir sagte: »morgen kommen Sie zu mir. Mein Kammerdiener wird Ihnen meine Adresse bringen.«[104]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 101-105.
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