Fünftes Kapitel

[111] Wir traten in eine Gallerie, welche mit Gemälden von den besten italiänischen Meistern geziert war.

»Sehen Sie!« sagte sie; indem sie mich auf einige der vorzüglichsten aufmerksam machte – »das hat mich ein ganzes Jahr lang beschäftigt. Hier saß ich und zeichnete vom Morgen bis in die Nacht, vergaß Essen und Trinken, Schauspiel, Spaziergänge, Bekannte und Freunde darüber.«

»Aber endlich – nun ja endlich ward ich es müde. – Ach es war doch alles todt! konnte mir nicht antworten, konnte mich nicht verstehen!« –[111]

»Nun warf ich mich auf die Musik. Mich dünkte die Töne nannten das was mir fehlte. – Ja sie nannten es wohl; aber das machte mir schmerzhafte Empfindungen; und die hasse ich nun ein für alle Mahl. Können Sie es mir verdenken, daß ich die Musik verließ?«

»Hinaus in die schöne große Natur – dachte ich; und ging auf meine Güter. Stellen Sie sich um Gotteswillen vor! ich hielt es ganzer zwey Jahre aus, und brachte eine Menge Pflanzen, Steine und andere Kramereyen mit, die mich noch volle sechs Monate beschäftigten.«

»Hierauf legte ich eine kleine Menagerie von Federvieh an; und ich versichere Sie, das war wirklich amüsant!«

»Aber endlich« – sagte ich lächelnd. »Nun ja!« – antwortete Sie – »endlich ward es mir langweilig. Aber bedenken Sie auch! es war immer das ewige[112] Einerley. Die Dinger legten Eier, brüteten, pflegten ihre Jungen; und jedes Frühjahr ging die ganze Geschichte von vorn wieder an!«

»Aber jetzt« – fuhr sie fort – »will ich Sie überzeugen: daß ich wirklich einer dauernden Anhänglichkeit fähig bin.

»Milly! Milly!« – rief sie zur Thüre hinaus – »wo ist Hannibal? laß ihn geschwinde einmal herkommen!«

»Hannibal!« – dachte ich – »was Henker!« –

Indem trat Milly, eine hübsche Blondine, mit einem ungeheuren, aber sehr schön gezeichneten Hunde herein.

Hannibal machte anfangs Miene nicht viel von mir übrig zu lassen; aber auf einen Wink seiner Gebieterin lag er zu ihren Füßen.

»Sehen Sie« – sagte sie – »diesen Hund habe ich nun schon fünf Jahre,[113] und halte noch außerordentlich viel auf ihm. Es ist ein Landsmann von Milly, ich habe ihn mit aus England gebracht, nachher hat er mit uns die Reise nach Westindien, und durch den südlichen Theil von Europa gemacht.

»Nach Westindien?« – wiederholte ich.

»Ach es ist ja wahr!« – fuhr sie fort – »das habe ich Ihnen noch nicht gesagt. Nun, morgen sehen wir uns wieder.« –

Jetzt reichte sie mir die Hand zum Kusse, Hannibal sah mich sehr tückisch an, und Milly begleitete mich wehmüthig lächelnd bis zur Thüre.[114]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 111-115.
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