Sechstes Kapitel

[154] Röschens Verzweiflung, meine Angst – – ach ich muß davon schweigen! – ich ertrage die Erinnerung nicht! –

Noch immer hoffte ich, daß die unglückliche Stunde keine weitern Folgen haben würde, und brachte es endlich dahin, Röschen das nemliche glauben zu machen.

Aber leider sahen wir nur zu bald, daß wir uns geirrt hatten, und daß es nothwendig war, Röschen auf das schleunigste vor den Beobachtungen der Bedienten zu schützen.

Der Nachsicht meiner Tante gewiß, wollte ich ihr alles entdecken. Aber Röschen[154] versicherte: daß sie lieber in den Tod gehen, als sich dieser Schande aussetzen würde.

Vielleicht wäre es noch möglich gewesen, sie zu bereden, wenn nicht gerade jetzt Friedrichs eifersüchtige Tücke sie aufs Aeußerste gebracht hätte. –

Schon lange war unser Einverständniß von ihm bemerkt worden, und er hatte nur bis jetzt den Unwissenden gespielt, um sich plötzlich auf das Empfindlichste zu rächen.

Erbittert, daß die Gelegenheit dazu noch immer nicht erschien, konnte er sich nicht enthalten, Röschen mit äußerst kränkenden Anmerkungen zu verfolgen.

Das unglückliche Mädchen, war ihrer Schuld sich bewußt, und hatte stillschweigend alles erduldet. Aber das war Friedrichs Plane zuwider. Er wünschte zu größern und öffentlichern Mißhandlungen[155] berechtigt zu werden, und da er sich hierin getäuscht fand; so beschloß er auf eine andere Weise – es koste was es wolle, seine Rache zu befriedigen.[156]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 154-157.
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