Zwanzigstes Capitel.

Ankunft.

[50] Unser Rad wurde vor Mittag nicht fertig, zum Glück war der Tag trübe und wir konnten daher um ein Uhr aufbrechen. Gretchen hatte sich den[50] ganzen Morgen nicht sehen lassen. Aber kurz ehe wir fortfuhren, erwischte sie mich hinter der Thüre und herzte mich noch einmal ab. Ich empfand nichts dabey, wie man glauben kann; indessen schmeichelte es dennoch meiner Eitelkeit.

Als wir im Wagen saßen, fing die gnädige Frau ein kleines Examen mit mir an. Ich mußte ihr erzählen, wer? woher ich wäre? was ich verstünde? wenn und wie wir abgebrannt wären? Es war kein Wort davon wahr, aber ich konnte so natürlich lügen, daß kein Mensch daran zweifelte. Nach einigem Besinnen hub sie folgendergestalt an:

»Gustel, ich sehe, daß er ein ordentlicher Bursche ist, und ich habe Mitleiden mit ihm. Will er bey mir bleiben und meinem Neffen aufwarten, so soll es ihm an nichts fehlen, und mit der Zeit werden wir sehen, was weiter zu thun.« –

Ich war außer mir vor Freude, und küßte ihr die Hände. Lorchen lächelte still vor sich,[51] und trat mich sanft auf den Fuß. Im Gefühl meiner Dankbarkeit erwiederte ich's, und sie wurde feuerroth. Alle meine Gedanken waren nun auf die Zukunft gerichtet, ich sahe mich von allen Sorgen befreyt, und hielt mich für die glücklichste Creatur in der Welt.

Wir hatten nur drey kleine Meilen zu machen, die Thürme des Dörfchens wurden daher im kurzen sichtbar. Es lag romantisch in einer fruchtbaren Aue, durch welche ein schöner Strom hinfloß. Mein Herz klopfte vor Lust und Erwartung. Lorchen brachte ihre Figur in Ordnung, die gute gnädige Frau redete mit ihrem Mopse, und Andres sang aus vollem Halse.

So näherten wir uns dem Herrnhause, das am Ende einer schönen Castanienallee lag. Der Knecht trieb die Pferde rascher an, die Gatterthore öffneten sich und in wenig Minuten hielten wir vor dem Hause.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 50-52.
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