Fünftes Capitel.

Der Pips.

[12] Den andern Tag kam mein Vater zu Hause. Das wüthige Weib hatte mich so übel zugerichtet, daß er die Spuren ihrer Expedition auf meinem Gesichte fand. – Als er mich um die Ursachen fragte, erzählte ich ihm Alles. –

»Was der Henker« – sagte er – »Operirt? – Wie machte er's denn? Beschreib mir's doch!«

»Ha ha!« – sagte er, als ich fertig war, – »er wird ihr wohl den Pips genommen haben.« –

»Den Pips, Vater? Kriegen den die Weiber auch den Pips?«[13]

»Ja freilich! 'S geht'n wie den Hühnern, wenn sie nicht genug Wasser haben!« –

»So? – und das thut wohl recht weh, wenn einem der Pips genommen wird?« –

»Erschrecklich! Das wollt' ich meynen, wenn sie dir so ein glühendes Instrument ins Maul stecken!«

»Nun darum stöhnte die Stiefmutter auch so, als sie der Herr Feldscheer operirte.«

Mein Vater antwortete nichts; ich nahm mir aber heilig vor, mich vor den Pips zu hüten. –»Pfui« – dacht ich – »das muß eine abscheuliche Krankheit seyn! Einem ein glühendes Instrument in den Mund stecken! Nein, ehe ich den Pips kriegen soll, lieber will ich an was anders sterben. – Du meine Güte, ein glühendes Instrument! Das muß einem ja das ganze Maul verbrennen.« –

Unter diesen Betrachtungen war ich zu Bette gegangen, als ich meinen Vater heftig[14] sprechen hörte. Gleich darauf fing auch meine Mutter zu kreischen an. – »Ha ha,« – dacht ich. – »er fühlt ihr vermuthlich nach der Wunde, und sie wird's nicht leiden wollen!« – Ich wünschte ihr in diesem Augenblicke den warmen und kalten Brand, denn mein blutrünstiges Auge ließ mich vor Schmerzen kaum einschlafen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 12-15.
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