19. Auf Jungfrau Elsaben Niehuß mit Herren M. Salomon Matthias ihre Hochzeit, 1637 Juni 12.

[316] 1638 Juni.


Teurer Bräutgam, mir mehr nicht

als bekant nur vom Bericht',

habt ihr das wol können wagen

und die mittelste der Zahl

dreier Schwestern nach der Wahl

um die Ehe dürfen fragen?


Und getraute sies auch ihr,

einer so zu greifen für,

sie, das Herzblat unter dreien?

Sie, der Eltern wahrer Ruhm

und der Tugend Eigentum,

will und soll alleine freien?


Frei ist Freien, wie es heißt;

frei sein will ein freier Geist.

Freit denn, Freie, nach Belieben,

sie nach Wundsch' und ihr nach Lust!

Freit und liebt, drückt Brust an Brust!

Liebe darf frei Alles üben.


Ich weiß wol, daß diese Schrift

die gesolte Zeit nicht trifft.

Mich hat die Begier zu reisen.

allzuweit von euch geführt,

so daß, wie sichs wol gebührt',

ich euch nichts von mir kan weisen.


Als ich nachzurechnen weiß,

so zerfloß ich fast vor Schweiß

in dem dürren Partherlande,

da der hocherfreute Belt

euch sah' euer Hochzeitzelt

schlagen auf an seinem Strande.
[316]

Meden brachte mir die Post

langsam zwar und doch mit Lust.

Seit der Zeit ich das vernommen,

reis' ich Jahr und Tag nach euch

durch so manches Volk und Reich

und kan noch nicht zu Ruh' kommen.


Wils Gott und hält Reußland mich

nicht zu lange nur in sich,

so verhoff' ich, eh' den Flüssen

ihr gestähltes Band entsteht

und der späte Schnee zergeht,

euch mit Freuden zu begrüßen.


Mittels dessen, trautes Paar,

liebt und freit euch Jahr für Jahr,

Tag für Tag und alle Stunden!

Freien und gefreiet sein,

Lieb- und Gegenliebesschein

haben euch also verbunden.


Schwester Braut, tut, wie ihr wißt,

daß sichs auf das Beste küßt!

Juno schwerts euch zu bei Treuen:

euch soll der getröst'ten Not,

die euch macht bald blaß bald rot,

nun und nimmermehr gereuen.


In Zirkassen geschrieben.

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 316-317.
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