20. Auf Herrn M. Niklas von Höveln und Jungfrauen Elisabeth Niehusens ihre Hochzeit, 1638 Januar 8.

[317] 1638 Juni.


Sagts nun öffentlich und frei,

Liebe sei

eine Sucht, die an kan stecken!

Sagts, sie sei ein starker Gift!

Wen sie trifft,

der muß Ander' auch beflecken.


Zunder ist sie bei der Glut,

bei der Flut[317]

Triebsand, der die Feuchte trinket,

Unsre Jungfrau wird zur Braut,

weil sie schaut,

daß ihr ihre Schwester winket.


Wol denn! Die gesunde Sucht

bringt die Frucht,

die für diese Krankheit dienet.

Ihr seid frisch itzt, die ihr doch

neulich noch

fast wie nicht zu heilen schienet.


Gott, der Liebstern eurer Brunst,

gieße Gunst

in das wolbeflammte Feuer,

und der Himmel, der euch paart,

geb' auch Art

aus der schönen Glut noch heuer!


Wie der trefliche Smaragd

güldner macht

des berühmten Goldes Stralen,

wie der ungeschminkte Wein

seinen Schein

doppelt in Venedigs Schalen:


so vermählt sich Blütt' und Frucht,

Zier und Zucht,

so steht Scham bei schönen Jungen.

Gleiches Paar an beiderlei,

saget frei,

daß euch Freien ist gelungen!


Aller Erden Fruchtbarkeit

liegt verschneit,

Hornung, unter deinen Füßen:

ihr auch deckt euch in der Ruh'

sanfte zu

und erwärmet euch mit Küssen.


See und Luft und Land wird bald

mit Gewalt

zur Geburt und Mehrung eilen;[318]

schauet zu, daß ihr euch denn,

ihr wißt, wenn,

nicht zu lange mögt verweilen!


Hövelt euer neues Haus,

Bräutgam, aus!

Malet, wie sie vor wird reißen,

daß die itzt noch Junge-Frau

hält für rau,

bald gar müsse Mutter heißen!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 317-319.
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