7. Auf Herrn Adam Zeidlers und Jungfrau Esther Webers Hochzeit

[298] Frühling.


Sieh sie an, die Weberin,

fromme Zynthie, und höre!

Du auch, züchtige Zythere,

unsrer Nächte Heroldin,

trit herfür und gieb dein Zeichen,

daß die kühlen Schatten streichen!


Ja, ihr tuts. Der schöne Tag

ist der schönen Nacht gewichen.

Was ists, das dort kommt geschlichen,

was ists, daß ich fragen mag,

das aus jenen Hörnern lachet

und der Braut solch Sehnen machet?


Lune ists, der Tag der Nacht,

und die Herrscherin der Flammen,[298]

so die Lieben fügt zusammen,

hat sich neben sie gemacht,

neben sie, dieweil sie beide

Gleiches tun bei solcher Freude.


Sie stehn nun und sehn mit Lust

ihre güldnen Ritter ringen,

daß die süßen Bahnen klingen

einen Ton uns unbewußt.

Was sie mit dem Winken wollen,

ist, daß wir nun schlafen sollen.


Die verjüngte Frülingswelt

eilet, was sie kan, zu Bette.

Alles eilet um die Wette

und verbirgt sich in sein Zelt.

Alles hat sich schon geleget,

was Wald, Luft und Wasser heget.


Alles braucht sich seiner Ruh'.

Sehet, wie die Saat sich bücket,

die verwachte Rose nicket

und tut wie ihr Auge zu,

und die taumelnden Zypressen

haben ihrer selbst vergessen!


Die gekühlte Luft schleicht aus

und haucht auf die trucknen Matten

tauende gesunde Schatten,

und das frohe Sternenhaus

geußt den schlummernden Gewächsen

neue Kraft in ihre Flechsen.


Was ist mehr froh als die Braut,

daß der Lauf der hohen Sonnen

nun hat seinen Zweck gewonnen,

daß nun Alles, was sie schaut,

ist mit dicker Nacht begossen

und die Augen zugeschlossen?


Mahl und Tanz sind gleich nun aus.

Die bezechten Gäste wandern

immer einer nach dem andern;

Iederman der sucht sein Haus.[299]

Nun vermeint sie sich zu laben,

erst recht satten Fug zu haben.


Sie umfängt des Liebsten Leib.

Wahr ists, daß in süßem Zagen

sie einandern selbst verklagen,

sie ihn Man und er sie Weib,

daß mit halbgeweintem Lachen

sie so neue Namen machen.


Lieben, redet nicht zu viel!

Denn die abgeführten Sternen,

die behorchen euch vom Fernen

und verraten dieses Spiel.

Alle Götter wissen morgen,

was ihr meintet ganz verborgen.


Was ihr sonsten tut, das tut!

Nehmt und gebet, gebt und nehmet,

dessen sich kein Herze schämet,

dem es wird wie euch so gut!

Schaffets, daß sich selbsten müssen

die geküßten Küsse küssen!


Dieser angenähme Streit,

der aus Einigkeit entspringet,

bringt euch, was er Allen bringet,

die so sein, als wie ihr seid.

Was durch Streiten wird verloren,

wird durch Streiten auch geboren.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 298-300.
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