[758] Paris, im Eismond, 2.
Es gab eine Zeit, wo man sich in Deutschland mit einer Art von Siegwarts-Empfindsamkeit über die Harmlosigkeit unsrer Revolution hoch erfreute; alles schien so gelassen, so friedlich abzulaufen, daß man Frankreich für das glückliche Schlaraffenland hielt, wo einem die – Freiheit? von selbst in den Wurf käme. Ein Paar Köpfe, auf Piken gespießt, ließ man uns hingehen; ja, man verzieh uns sogar die Aufknüpfung des armen Schluckers Favras, wodurch einer vornehmeren Kehle6 geschont wurde. Als nun gar unsre Verfassung von 1791 zu Stande kam: wer hätte da noch an der Wiederkehr des goldenen Zeitalters gezweifelt? Diese utopischen Träume mußten bei der Wendung, die hernach die Sachen nahmen, eine höchst nachtheilige Wirkung thun; man ließ es uns entgelten, daß man sich in seinen Hoffnungen so verrechnet hatte. Als am 10ten August die Absetzung des Königs Blut kostete, da kündigten uns Eure Revolutionsfreunde schon Hut und Weide auf; und bald hernach verglichen sie unsre unseligen Septembernächte mit Karls des Neunten und seiner Mutter Bartholomäusnacht. Seitdem ist es so revolutionsgemäß bei uns hergegangen, daß man von dem ersten Vorurtheil endlich zurückgekommen ist. Man hat Zeit gehabt, die Geschichte andrer Revolutionen mit der unsrigen zu vergleichen. Ihre Würgengel mögen sich unter einander um den Vorrang streiten; und da unsre Rechnung vielleicht nicht so bald abgeschlossen werden kann, so müssen jetzt die Revolutionen überhaupt, und ohne Rücksicht auf ihren Zweck, vorläufig ihr Verdammungsurtheil empfangen. – O über die Kinder, die sich die Nase an einer Stuhlecke stoßen, und den Stuhl dafür peitschen! – O über die Klügler, die, wenn das Gewitter, das die Saaten erquickte, zugleich Dörfer in Brand steckt, Menschen und Heerden erschlägt, nicht wissen, ob sie es Wohlthat oder Plage nennen sollen![758] Den Weibern, deren gutmüthige Schwärmerei so gern eine Unschuldswelt hervor zaubern möchte, ist es zu verzeihen, wenn sie über den Punkt das All vergessen. Sie sind gewohnt, das Schauspiel der Weltbegebenheiten nur in dem Einen Gegenstande, der ihr Herz erfüllt, zu erblicken; und alles um sie her ist Nacht, wenn dieser Spiegel zerbricht. »Die Guillotine«, sagte mir neulich eine Pariserin, »wird noch alle Regungen der Menschlichkeit ersticken. Selbst meine Kinder sprechen schon davon in ihren Spielen und die Straßenjungen haben längst manche Katze guillotinirt; ja, es heißt sogar, daß sie in einem gewissen Städtchen das Experiment an einem aus ihrer Mitte hätten probiren wollen.« – Mir machten diese Beispiele von angeblicher Verwilderung um so weniger bange, da ich wußte, daß diesmal einige der neuesten Auftritte die gute Frau außer Fassung gebracht hatten. Am wenigsten durfte sie für ihre eigenen Kinder besorgt seyn, bei denen man den glücklichsten Übergang kindlicher Triebe in das zarte sittliche Gefühl unmöglich verkennen konnte. Warum sollte auch Fühllosigkeit gerade das Hauptresultat einer Revolution seyn, worin so manche Triebfedern wirken? Wer hält die Engländer darum für fühlloser als andre Menschen, weil man in London wöchentlich ganze Galgen voll Diebe, Räuber und Mörder aufhängen sieht?
Wahr indessen oder nicht; jene Besorgniß verräth immer ein schönes Gefühl, und der echte Büger, der Mensch im größten Sinne des Worts, leidet tief bei der traurigen Erfahrung daß ohne ganze Ströme Bluts die Vortheile der Revolution deren die Welt so nothwendig bedarf, ihr nicht zu Gute gekommen wären. Ja es trifft sich zuweilen, (und dies ist unstreitig das Niederschlagendste von Allem) daß der Verbrecher im politischen Sinn, als Mensch, als Hausvater und Freund, von Hunderten die ihn kannten, betrauert wird. Bei Ihnen dürfte mancher auch noch fragen: ist denn das politische Verbrechen allemal so ausgemacht? Eigentlich sind wir zur Beantwortung dieser Frage noch nicht hinlänglich unterrichtet. Welcher Dritte kann jetzt noch darüber urtheilen, ob die Systeme und Regierungsplane der einen oder der andern Parthei den Vorzug verdienten? Allein, so bald es zwischen ihnen so weit gekommen war, daß keine Aussöhnung mehr[759] möglich blieb und es einen Kampf auf Tod und Leben galt; so konnte nur der Ausgang über die Straffälligkeit entscheiden und die siegende Parthei fand ihre Rettung einzig und allein in der Vertilgung der andern. Was die Leidenschaften hier unter dem Mantel der unerbittlichen Nothwendigkeit gewirkt haben mögen, wird der Vergeltung nicht entgehen, wenn es auch eben kein Thurm von Siloah wäre, der über den Schuldigen zusammenstürzte; aber die Moralität jener blutigen Rache gehört wenigstens für jetzt vor keinen menschlichen Richterstuhl.
Es ziemt uns, wenn wir kaltblütig forschen wollen, die Ursachen nicht zu übersehen, die allem Thun der Menschen so viel Unwillkührliches beimischen, daß das Wenigste zuletzt, sey es lobens- oder tadelnswerth, ihnen eigen gehört. Die gewaltsamsten Erscheinungen unserer Revolution entsprangen aus dem Widerstand und Aneinanderreiben der Kräfte. Die konstituirende Nationalversammlung wurde durch kleine Hindernisse gereitzt, die ihr der Blödsinn in den Weg legte; und täglich gewann sie dadurch ein vollkommneres Bewußtseyn ihrer Überlegenheit. In der zweiten ward die Reibung stärker: der Hof strebte nach seiner alten Macht; die Minorität gönnte ihm auch die nicht, die er vermöge der neuen Verfassung hatte, und in dieser Minorität lag eine andere noch ungeborne, die auf kürzerem aber halsbrechendem Wege, per saxa, per ignes, zur Republik gelangen wollte. Dessen ungeachtet blieben die furchtbarsten Krämpfe noch für die jetzige Versammlung aufbewahrt. In den Waffenkreis der auswärtigen Mächte gebannt, stürmten die los gebundenen Leidenschaften durch einander, und die Wuth der Partheien entbrannte in lichten Flammen. Unstreitig hat der gewaltsame Druck, womit man unsere Gährung dämpfen wollte, die Hitze auf den höchsten Punkt gebracht, und die heftigsten Anstrengungen in uns hervorgerufen.
Jetzt haben wir indessen unter einander ausgekämpft; alles kommt gegenwärtig darauf an, jenen zusammendrückenden, ehernen Kreis zu zersprengen. Wie mag es aber gekommen seyn, daß Europa so gegen uns sein ganzes Spiel auf Eine Karte setzt? Wer hat die Elasticität des gährenden Stoffes so genau berechnet, daß man von seiner Kraft nichts zu befürchten[760] haben sollte? Wer kennt den Grad der Verstärkung, den unsere Gährung durch die von außen hinein gemischten Mittel noch erhalten kann? Wenn die Bombe zerplatzt, wird sie nicht alles umher zertrümmern? Ist überhaupt ein überlegter, ruhiger, fester Gang der Vernunft in diesem Plane zu suchen, oder ist es überall Leidenschaft gegen Leidenschaft, und Würfel gegen Würfel? Führen Könige und Republikaner nur Krieg mit einander, oder schlägt ein Gott die Menschengattung in Scherben, um sie im Tiegel neu umzugießen? –
Ich kann nicht glauben, daß vorsetzliche Verblendung so weit gehen könne, das Schauspiel der Revolution, das nun ins fünfte Jahr fortdauert, und die Resultate desselben, die so klar vor Augen liegen, gänzlich verkennen und für etwas anderes als sie sind, halten zu wollen. Wahrscheinlich glaubt man daher, auf die Verderbtheit der menschlichen Natur sicher und zuverlässig Rechnung machen zu dürfen; wahrscheinlich hofft man mehr vom Spiel der zügellosen Leidenschaften, als noch am Tage ist, und lächelt meiner zu frühzeitigen Behauptung: wir hätten untereinander ausgekämpft. Ich mag nicht rügen, welch eine gräßliche Verläugnung aller Gefühle von Menschlichkeit, und aller in der Politik jetzt mehr als jemals zum Vorwand und zur Larve gebrauchten Grundsätze der Sittlichkeit, aus jener eigennützigen Berechnung unserer Untugend hervorleuchtet. Jeder Rechtschaffene schaudert vor dem Gedanken, daß jemand auf eine solche Hoffnung Plane gründen und den Umsturz eines politischen Systems durch die teuflischste Verrätherei an der Menschheit bereiten könne. Allein den schlimmsten Fall vorausgesetzt, und also einmal angenommen, daß die Zerstörung, nicht etwa der Republik, sondern des in der Wage von Europa so mächtigen Französischen Staatskörpers überhaupt, wirklich bei dem ersten Ausbruch der Revolution, von den beiden Mächten, denen am meisten daran gelegen war, von Östreich und England, insgeheim beschlossen, die Ausführung dieser tiefen politischen Verschwörung systematisch entworfen, und dergestalt eingefädelt worden sei, daß jede neue Entwickelung der Revolutionskräfte dabei benutzt werden konnte, und die Absichten der beiden Verbündeten ihrer Reife nur um so viel näher brachte –: so müßte doch der Erfolg, im Ganzen genommen,[761] jetzt gegen die Erfüllung ihrer noch so kühnen, noch so fein gesponnenen Entwürfe einen leisen Zweifel bei ihnen selbst aufsteigen lassen; so müßte doch der schnelle Umschwung des Revolutionsrades bei ihnen die Hoffnung schwächen, es noch nach ihrer Willkühr gegen den Felsen, an welchem es zerschellen sollte, richten zu können. Wenn es buchstäblich wahr wäre, wessen sich die redseligen Emigrirten so ungescheut rühmen, daß nehmlich alle die heftigen Krämpfe unserer Gährung nur Minen sind, die Östreichs, Englands und ihrer eigenen Brüderschaft Agenten springen lassen; daß fremdes Gold uns die Kriegserklärungen entlockt, fremdes Gold sodann Ludwigs Enthauptung bewirkt habe, um die Parthei der Kriegserklärer selbst zu stürzen; fremdes Gold endlich noch jetzt wirksam sei, um neue Spaltungen im National-Convent zu Stande zu bringen, und die Häupter der Revolution durch einander aufzureiben; wenn es wahr wäre, daß nach allen wachsamen Vorkehrungen und Verhaftnehmungen, noch zehntausend Emigrirte, Englische und Kaiserliche Emissarien in Paris unter mancherlei Verlarvungen das große Geheimniß der Bosheit gar kochen7, hier Anklagen schmieden, dort Armeen desorganisiren, am dritten Orte Plünderungen veranstalten, in den Volksgesellschaften und selbst in der Commüne von Paris übertriebene Maßregeln erzwingen oder erschleichen, gegen unsere wenigen noch übrig gebliebenen Alliirten beinahe offenbare Feindseligkeiten verüben lassen, die Übergabe unserer Festungen erhandeln, und, mit einem Worte, die Beweglichkeit der Volksregierung und die geringe Einsicht des großen Haufens mißbrauchen, um alles durch einander zu peitschen, und das oberste zu unterst zu kehren: wie ist man nicht hellsehend genug, um die wenigen Vortheile, die man durch diesen Macchiavelismus etwa wirklich errungen hat, mit dem riesenmäßigen Fortschritte der Revolution, der dadurch selbst befördert werden mußte, zu vergleichen? Was ist in Zeit von einem Jahr, oder seit der Stiftung der Republik, gegen uns geschehen? Man hat uns einige Festungen durch Einverständniß mit den Besatzungen,[762] und Eine durch Hunger abgewonnen; man hat einige Tausend Menschen ins Gefängniß werfen, etliche Hundert enthaupten, und ein paarmal hunderttausend im Kriege – Sie sehen, ich nehme die auswärtigen Zeitungen hier zu Hülfe in Stücken hauen, und in der Gefangenschaft verschmachten lassen; man hat uns gezwungen, vielen Bequemlichkeiten zu entsagen; man hat die Sicherheit jedes einzelnen Bürgers durch das herrschend gewordene Mißtrauen und die Vervielfältigung der Verräthereien untergraben. Sehr wahr! und sehr wenig, oder gar nichts, wenn man dagegen nur einen Augenblick erwägen wollte, daß man, um diese Wirkungen hervorzubringen, den Geist der Revolution erst recht hat entflammen müssen, und daß sein verzehrendes Feuer jetzt ohne Ansehen der Person alles einschmelzt, was ihm vorkommt, ja, trotz den noch ferner angelegten und von Zeit zu Zeit springenden Minen, schneller über die Gränze zu gehen droht, als irgend eine kleine Explosion im Innern den Gang unserer bürgerlichen und politischen Einrichtungen hemmen kann.
Elend wäre der Kunstgriff und noch elender die Hoffnung derer, die, um Frankreich zu zerrütten und zu zerstückeln, den Koloß der öffentlichen Meinung aufrichten geholfen hätten. Ich will das Unmögliche denken; ich will annehmen, daß die Bestechung, deren man sich so dreist, oder wenigstens so unvorsichtig, rühmt, bis ins innerste Heiligthum gedrungen, daß die Hand, die das Staatsruder führt zum schwärzesten Verrath gewonnen sey: wie behutsam, wie ängstlich, wie unmerklich muß sie es nicht zum Verderben lenken! Die geringste Übereilung wäre Tod! Nur durch unumschränktes Vertrauen könnte der Verräther sich auf den gefährlichen Gipfel der Macht emporschwingen, wo die Möglichkeit, den Staat den Feinden unwiederbringlich in die Hände zu spielen, an die Wahrscheinlichkeit der Ausführung gränzte. Allein jenes Vertrauen kann ja nur durch Mittel erworben werden, welche dem Zwecke der verbündeten Höfe gerade entgegengesetzt sind' nur durch die Rettung von unsern Übeln, und die Demüthigung aller unserer Feinde. Ich habe Ihnen schon gesagt, – und lassen Sie es mich jetzt wiederholen – kein einzelner Mann in Frankreich besitzt in sich allein die Kraft, die zu diesen großen Wirkungen erfordert wird; keiner ist teuflischgroß[763] genug, um sie in sich zu verschließen, während er seine Gehülfen als Werkzeuge und die Volksmasse als bildsamen Stoff gebrauchte. – Wenn es aber dennoch einen solchen Wundermann unter uns geben sollte, den – um das Maß der Wunder in diesen ungläubigen Zeiten voll zu machen – den unsere Feinde jetzt schon genauer als wir selbst kennten; ist es möglich, die Selbstgefälligkeit bis zu dem Grade des Widersinnes zu treiben, daß man sich schmeicheln dürfte, dieser Cäsar, dieser Cromwell unseres Jahrzehends werde sich begnügen, nur Andrer Marionette zu bleiben? Wahrhaftig, so kann nur die unverbesserliche Plattheit eines gemeinen Intriganten die Menschengröße berechnen!
Es ist indeß noch eine andere Auskunft im Reiche der Möglichkeiten, wobei die politische Rechenkunst unserer Feinde weniger ins Gedränge kommt. Es hieße gar zu wenig Zutrauen zur Verschmitztheit der neueren Macchiavellen äußern, wenn man zweifeln wollte, daß sie bei einem tiefangelegten Vergrößerungsplane, nicht auch jene Ereignisse im Voraus in Anschlag gebracht haben sollten, die den Laien als Wirkungen des unbeständigen Glücks, oder gar als unvermeidliche Folgen der Revolution, erscheinen. Also könnte es vielleicht doch in ihren Plan selbst gehört haben, diesen ganzen Feldzug hindurch Europa und Amerika in dem Wahne zu lassen, daß gegen die Republikaner auf keinem andern Wege, als durch Verrätherei, etwas ausgerichtet werden könne? Vielleicht hat man unsere undisciplinirten Truppen und unsere Feldherren eines Augenblicks nur dummdreist machen wollen, indem man sich das Ansehen gab, ihnen nicht widerstehen zu können; die Engländer haben vielleicht die Belagerung von Dünkirchen nur deshalb aufgehoben, um im künftigen Feldzuge sicherer zu zeigen, daß unsere Sache auf den Muth unserer Krieger gar nichts wirkt; und der Held von Martinestje wird nun ehestens beweisen, daß seine Niederlage bei Maubeuge eine glänzende Kriegslist war, wodurch der Sanskülotte Jourdan unfehlbar ihm ins Garn laufen muß; ja, wer steht dafür, daß Wurmser nicht noch dieses Jahr das Elsaß räumt, um unsere Truppen zu ihrem gewissen Verderben in den anscheinenden Vortheil des Besitzes von Zweibrücken und der Pfalz am Rhein zu setzen? – Wie wird[764] Ihnen, mein Freund? Fangen Sie nicht an neue Hoffnung zu schöpfen? Bedauern Sie mich nicht ein wenig, daß ich mich unvermuthet auf einen Gesichtspunkt gestellt habe, der für das Schicksal der Republik so bange macht? Es ist wahr, wenn man die Sachen auf diese Art ansieht, gewinnen sie eine ganz andere Gestalt, und alles, worauf wir diesseits uns freuen zu können glaubten, wird Ihnen jenseits zur Bestätigung der tiefen Weisheit des Londoner und Wiener Kabinets!
Ach ja! Wir armen Republikaner! Es wird uns theuer zu stehen kommen, daß wir uns die Königswürde, die Prinzen, den Adel, die Priester vom Halse geschafft haben! Die eingezogenen Kron-Domainen, die Güter der Geistlichkeit und der Emigrirten, das sind ungeheure Bissen, an denen wir noch ersticken werden! Die verdammten Assignate kommen zuletzt doch wohl unseren Feinden zu Gute! Was nun gar die Consolidation der Staatsschulden, und die heillose Zwangsanleihe für ein Ungewitter über unseren Köpfen zusammenziehen wird! Wie werden wir uns retten können, wenn unser baares Geld wieder zum Vorschein kommt! Ist wohl das Unglück zu berechnen, welches hunderttausend Reiche arm, und vier und zwanzig Millionen Arme wohlhabend machen wird! Wenn uns das Sparen und Entbehren, die Verbannung des Luxus und die Einführung der strengsten Sitteneinfalt nun auf den breiten, geraden Weg des Verderbens führen! Das Glockenmetall zu Kanonen umgeschmolzen, was mag nicht dahinter für ein feindseliger Östreichischer Anschlag stecken! Und unsere Waffenfabriken in Paris, die hat gewiß Pitt zu unserm Untergang erfunden!
Unsere Armeen waren schon viermalhundert tausend Mann stark; und nun kommen noch achtmalhunderttausend gesunde junge Bursche und vierzigtausend Pferde hinzu; unstreitig hat uns die schwärzeste Bosheit unserer Feinde zu dieser verkehrten Maßregel verleitet! Die armen Jungen, wenn sie erst in die Fußangeln fallen, die wahrscheinlich rund um unsere Gräme, und besonders auf dem Meere, gelegt sind! Die Nordgränze ist gedeckt, Lyon erobert, Marseille gerettet, die Vendee zerstört, Straßburg gesichert; – wir sind augenscheinlich verloren! Das katholische Heidenthum ist in ganz Frankreich wie durch einen Zauberschlag durch den Volkswillen[765] verschwunden, und das Reich der Vernunft ist angegangen, – ach! wer hätte es sich träumen lassen, daß wir diesem tödtlichen Streiche der superfeinen Römischen Politik nicht entgehen würden! In Paris und dem ganzen Inneren unserer großen Republik herrscht die tiefste Ruhe; wer aber nicht wüßte, daß England und Östreich dahinter stecken! – O lieber Freund, wie stürmen alle diese ominösen Bilder auf mich ein! Ich muß inne halten, und mich auf mein Schicksal vorbereiten. Bleibt mir noch etwas andres übrig, als der tiefen Weisheit Ihrer Politiker zu huldigen? Scherz bei Seite, leben Sie für diesmal wohl, und
Grüßen mir Zenidens Papageyen!
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