Agathe an die Gräfin Ulmenstein

[302] Ich bin die glücklichste Person von der Welt, liebste Mama! Denken Sie doch, eben schickt mir[302] Rosalie durch einen Lakaien von Marienthal, wo der Hof jetzt ist, zwei, in aller Eile mit Bleistift geschriebene Zeilen, in denen sie mir sagt: der Fürst habe ihr bei der Tafel aufgetragen, mich zu avertiren, daß die Cabinets-Ordre so eben ausgefertigt sei, durch welche Curd vom Militär ins Civil versetzt, und als Jägermeister mit angemessener Gehaltserhöhung angestellt sei. Ich dachte, ich solle närrisch vor Freude werden. Gesprungen, gejauchzt habe ich! Stellen Sie sich doch nur die enorme Auszeichnung vor! Das wird wieder lange Gesichter anderwärts geben! Schade nur, daß Curd gerade auf den Einfall kam, einen Abstecher zu seiner Mutter zu machen, und nun nicht hier ist, dem Fürsten seine Danksagung zu Füßen zu legen. Er setzt mich dadurch in ganz ungeheure Verlegenheit. Was soll ich nun Rosalie antworten, da sie mir doch auf höchsten Befehl die erwiesene Gnade mitgetheilt, und ich folglich gegen sie nicht erwähnen darf, daß Curd ohne Urlaub verreiste? Noch ein großes Glück, daß ich wenigstens den Vorschlag, Curd zu begleiten, ablehnte. Im Vertrauen, die brave Landdame soll unglaublich langweilig, und Ort und Haus sehr einfach sein, deshalb wollte ich meine Visite lieber zur gelegenern Zeit verschieben, wenn man[303] einmal eine Parthie mit recht vielen lustigen, jungen Leuten aufs Land machen, und sich um jeden Preis amusiren möchte. Diese kluge Ueberlegung bringt mir den Vortheil, die Nachricht weit früher erfahren zu haben, um Ihnen, beste Mama! die Stafette, da es noch Zeit ist, Ihren Rath zu benutzen, nach Ulmenstein schicken zu können. Sagen Sie mir nun, bitte, recht genau, wie ich nach Marienthal schreiben soll? Machen Sie mir lieber den Brief. Der Fürst verlangt sicher, ihn zu sehen. Er interessirt sich sehr für mich, und ich hätte den Tod davon, wenn ich irgend einen Fehler machte, und er bemerkte es.

Ich küsse Ihnen die Hand schon im Voraus, beste Mama! Ihre glückliche

Agathe.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 302-304.
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