Elise an die Tante

[233] Wie soll ich es denn anstellen, recht aus dem Herzen, recht frei, ganz wie ich bin und denke, zu Ihnen, meine Wohlthäterin, meine beste, liebste, mütterliche Beschützerin, zu reden, ohne Sie zu betrüben, ohne Ihnen von einer Seite wehe zu thun, wo ich Sie immer mit Besorgniß verletzlich fand. Ich weiß wohl, daß Sie himmlisch gut sind, daß Sie Ihr eigenes Interesse willig für Andere opfern. Allein, gute, arme Tante, Sie haben nur den einen Sohn, Sie dachten, Sie[233] hofften für ihn, und machten es, wie man es immer thut, wenn man hofft. Sie waren Ihrer Sache im Stillen gewiß. Es hat mich sehr gequält, Sie in dem Irrthum, dreister als Sie es sonst pflegen, der Zukunft vorauseilen zu sehen. Sie ließen mich es merken, und wenn ich Ihnen widersprach, lächelten Sie mit einer Ruhe, die so aussah, als hätten Sie Gründe und Mittel, meinen Entschluß zu bestimmen, die Sie nur noch geheim hielten. Ich wurde ganz irre an mir, an Ihnen, an meinem Geschick.

Die Angst, liebe Tante, hat mich auch aus Ihrem Hause getrieben. Nachher bin ich tödtlich krank geworden. In der Zeit ist Vieles vorgefallen. Jetzt bin ich mit Hugo verlobt! – O sein Sie nicht böse! Entziehen Sie mir Ihre Liebe nicht. Ich bin so glücklich! wie könnte ich es bleiben, wenn ich Ihren Unwillen zu fürchten hätte?

Sehen Sie, meine beste Tante! mit Curd und mir wäre es doch in meinem Leben zu keiner Verbindung gekommen. Wir passen wirklich nicht für einander. Ich bin ihm gut! O Gott, ja, recht herzlich gut! Aber – nein! – das war unmöglich! Ach, Sie sehen das auch im Grunde wohl ein. Ich bin zu alt für ihn, und dann, eine geschiedene Frau! – Sagen Sie, was Sie wollen,[234] Curd dünkt Ihnen wohl gut genug für eine bessere, die nicht den Tadel der Welt auf sich lud, Niemand erst zu vergessen hat, und froh und stolz an seiner Seite in Gesellschaften auftreten, den Blicken der Menschen gern begegnen mag. Was hätte er nicht Alles meinetwegen bekämpfen müssen! Und wie peinlich wäre Ihnen das gewesen, Sie, gute, sanfte Tante! Ich darf hoffen, daß ähnliche Vorstellungen Ihnen nach und nach kommen, und Sie über meinen Verlust trösten werden. Allein, es ist noch etwas dabei, was Sie und auch Curd nicht verschmerzen werden; das ist der Mann, dem ich meine Hand gebe. Sie haben ihn nie leiden mögen, und wenn ich späterhin seiner erwähnte, so hörten Sie mir stets mit verbissenem Aerger zu.

Das kommt aber nicht aus Ihrem guten Herzen. Sie sind weit entfernt, irgend ein Geschöpf Gottes zu hassen, geschweige denn einen Menschen, den Sie niemals mit Augen sahen. Ich will es ununtersucht lassen, weshalb Sie, zum erstenmale in Ihrem Leben, unbillig erscheinen? das ist eine kitzliche Frage, die zwischen uns unbeantwortet bleiben muß. Allein, weil Ihr Herz doch eigentlich von dem Widerwillen nichts weiß, so schmeichle ich mir, die Zeit und meine Bitten[235] werden ihn überwinden. Sie werden Ihre arme Elise, die soviel litt, soviel bei Ihnen geweint hat, die Sie nicht weinen sehen konnten, Sie werden ihr keine neuen Thränen auspressen wollen!

Nun, ich will Sie auch nicht bestürmen. Ich will geduldig warten, bis Sie mir's endlich einmal sagen: »Sei nur ruhig, Kind. Ich sehe es nun wohl ein, er ist ein braver Mann, und ich wünsche Dir aufrichtig Glück zu der Heirath mit ihm.«

Ach gute Tante! wenn Sie das sagen wollten, Aber Sie können es jetzt noch nicht. Und darum fürchte ich unbescheiden zu sein, wenn ich Ihnen alle Umstände auseinandersetzen, wenn ich Ihnen erzählen wollte, wie es eigentlich so anders, so entscheidend gekommen ist. Zuweilen ist es mir selbst wie ein Traum!

Was Sie doch einigermaßen beruhigen sollte, ist, daß der alte, würdige Comthur so aufrichtigen Antheil an unserm Geschick nimmt, daß er schon lange den Wunsch hegte, ja selbst ihn aussprach, es so versöhnt zu wissen. Er und die Freundin, deren Briefe Ihnen, gute Tante! immer so viel Achtung für die Schreiberin einflößten, die sind es, welche jetzt Hugo's und mei nen Frieden mit den unversöhnlich Gesinntesten machen.[236] Der vortreffliche Oheim hat Eduard geschrieben, ihm in die Seele geredet, und mir wenigstens eine verzeihende Aeußerung von ihm gewonnen. Auch in der Stadt, am Hofe, zeigte sich der würdige Mann unsertwegen. Ihm ward eine lange Unterredung mit der Fürstin Mutter, in welcher diese zuletzt eingestand: Es sei so viel für die Bewahrung der Sitten gewonnen, daß nun jedes andere Gerücht zum Schweigen gebracht werde. Auch hat sie mich grüßen lassen, und geäußert: Der Zutritt an Hof stehe mir frei, wenn ich ihn suchen wollte.

Alles dies schreibe ich Ihnen, weil es auch Sie vielleicht gütiger stimmt. Werden Sie mir wohl antworten? Und sollte ich diese Antwort fürchten müssen? Oder – ich weiß es nicht, aber ich denke manchmal, mein Glück muß Sie rühren! und am Ende, wenn Alle aufhören, mich zu schelten, wollen Sie, die früher Andere, ihrer Strenge wegen, tadelte, jetzt erst anfangen, es diesen gleich zu thun?

Geben Sie mir Ihre Hand, lassen Sie mich sie küssen. Sein Sie wie immer, die Gütige, die nicht zürnen kann.[237]

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 233-238.
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