XLIV.


Der Wald-Pfeiffer.

[419] Vor etlichen Jahren / hat sichs zugetragen / daß ein reicher Vieh-Händler / der ehedessen ein Metzger gewesen / nunmehr aber nur / dann und wann / über Land oder Feld ging / um Vieh einzukauffen / nach Bissingen / so nicht übrig weit von seinem Aufenthalt war / gereiset / und allda unter seines Gleichen gerahten / die sich / nach getroffenem Kauff / mit ihm / bey einem Glase / lustig gemacht / wobey ihnen die Pfeiffer / und andre Spielleute / aufgewartet. Indem er nun / von dannen / wieder heimkehren wollte / musste er nothwendig / durch ein Holtz / darinn es nicht allerdings richtig; wie deß Orts sattsam bekandt / und deßwegen Keiner gern so leicht allein / zumal bey Abend-Zeiten / dadurch gehet. Dieser Mann aber / als welcher ziemlich behertzt / scheuete sich im geringsten nicht / ohne Gefährten / seinen Heim-Weg dadurch zu nehmen; ohnangesehn / die Sonne ihre Stralen bereits eingezogen / und der Himmel / von dem Abend-Schatten / sich angebräunet hatte.

Nachdem er nun ein Stuck Weges hinter den Rucken gelegt; vernimt er von fernen / im Walde / eine Schalmey: die gleichwol viel näher lautete / als / daß sie / in irgends einem Dorff / gespielt werden sollte. So gab es / selbiger Gegend / weder Heerden / noch Hirten: und ließ auch die Gelegenheit dieses Orts nicht zu / daselbst einige natürliche Spielleute / vielweniger eine lustige[420] Zech-Zunfft / zu vermuten: Daher ihm die Sache abentheuerlich vorkam.

Einen Weg / wie den andren / setzte er seinen Weg fort: biß / seines Vermerckens / die Schalmey / von der Seiten zu / immer näher kam / und zwar so nahe /daß er endlich ein wenig still stund / um zu erwarten /was daraus werden / und etwan für ein Pfeiffer hervorkommen mögte. Da ward er zuletzt gewahr / daß /zwischen den Bäumen / und durchs Gebüsch / Einer gerad auf die Land-Strasse zu ginge / in welcher er stund / und hart an ihn kam. Derselbe hatte ein grünes Käpplein auf. Wie die übrige Kleidung / oder Gestalt / beschaffen gewest / wusste diejenige Amts-Person /welcher es der Vieh-Händler selbst / ein paar Tage hernach / mündlich erzehlet hat / sich nicht mehr zu erinnern. Es muß aber dennoch dieser Wald-Pfeiffer oder Schalmeyer so seltsamen Musters gewest seyn /daß der Mann denselben für nichts Gutes gehalten. Denn nachdem der Pfeiffer / biß auf drey oder vier Schritte zu ihm getreten / und vor ihm stehen bleibend immerzu / auf der Schalmey lustig fortgepfiffen; hat der furcht-lose und unerschrockene Mann / nach einem kurtzen Zuschauen / denselben angeredt / mit diesen Worten: Du Kerl! laß schauen / kannst du was wackers / so mache mir eins auf die sieben Worte Christi am Kreutz!

Hierauf ist der erbare Pfeiffer / samt dem Schall seiner Schallmeyen / angesichts verschwunden. Das heisst: Ein Wörtlein kann ihn fällen!

Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 419-421.
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