LXXX.


Die angefochtene Einsamkeit.

[865] Der Satan hat das menschliche Hertz / zum Ziel seiner Pfeile / gesteckt: darum spannet er / auf selbiges / seinen Bogen überall / und trachtet ihm allenthalben beyzukommen / auf allerley Weise. Wie nun ein leiblicher Feind diejenige Zeit / und den Ort / gern erwählt / da sein Gegner den wenigsten Beystand um sich hat: also setzt auch der geistliche Feind dem Menschen am vortheilhafftesten zu / zu solcher Zeit und bey solchem Aufenthalt / da derselbe sich / ausser aller menschlichen Gesellschafft / befindt: auf daß er ihn alsdann / mit seiner List / zu zaghaffter Kleinmütigkeit / Furcht / und Mißtrauen an GOTT / bringe. Weil Niemand zugegen / der ihn / mit Trost / aufmuntere / und ihm ein Hertz zuspreche.

Diesem nach macht er es den reissenden Thieren nach / welche sich am grimmigst- und häuffigsten erweisen / in grossen Wildnissen / die von aller Leutseligkeit entfernt sind / da sie ihre meiste Wohnungen und Lager haben: Er begegnet dem Menschen zum öfftersten da / wo er keinen Menschen bey sich hat; nemlich an einsamen und unbewandelten Orten: weil selbige / zum Schrecken / am gelegnesten und furchtsamsten / und er der Furchtsamkeit seine Larven am nachdrucklichsten vorstellen kann. Daher er nicht allein / für diejenige /[866] welche er / mit Verzweiflung /und mißtrauigen Gedancken / ansicht / die Einsamkeit beobachtet; sondern auch / zu seinen gespenstischen Erscheinungen und Erschreckungen / gern wühste Oerter aussucht.

Daß unwandelbare Oerter sein Wandel-Platz / und die unwegsame sein Weg seyen / findt sich / in heiliger Schrifft. Esaias drohet den Feinden der Kirchen eine solche Zerstöhrung / daß nicht nur Dornen / in ihren Palästen / Nessel und Disteln in ihren Schlössern / wachsen sollen; sondern auch ein Feld-Teufel dem andern daselbst begegnen / und der Kobold darinn herbergen / und seine Ruhe daselbst finden werde.1

Dahin kann gleichfalls gezogen werden / die Weissagung Johannis / Babylon sey eine Behausung der Teufel / und Verhältniß aller unreinen Geister worden.2 Denn ob zwar hiedurch fürnemlich eine geistliche Teufels-Behausung bezielet wird / die in unreinen Lehren der Teufel / wie nicht weniger unreinem Wandel / begriffen ist: wird doch zugleich damit auch bestetigt die Gewonheit der bösen Geister; nemlich daß sie gern wühste Oerter / zu ihrer Wohnung / einnehmen / und daselbst / in erschrecklicher Gestalt / denen / so ungefähr dahin kommen / sich blicken lassen.

Zudem giebts das Exempel jenes arglistigen Versuchers / der sich / an den Sohn deß Allerhöchsten / in der unleutsamen Wühsten / machte; der[867] Hoffnung /daselbst am allergelegnesten / Ihn überrittern / und zu fällen / wo die Abgelegenheit selbst / auf deß Versuchers Vorgeben / mit einem stimmen / und nebst dem Holtz auch die Steine zu ruffen schienen / Er / der HERR / wäre von GOTT verlassen / und hette denjenigen für keinen Vater Ihm einzubilden / der Ihm / an stat Brods harte Steine vorlegte.

Deßwegen schreibt auch Cyrillus, aus glaubwürdigem Bericht und Zeugniß andrer Leute über obangezogene Worte Esaiæ: Man sagt die bösen Geister wohnen gern / an wühsten Oerten.3 Welches auch die Erfahrung kräfftiget. Denn wann der unsaubre Geist durch eines frommen Priesters / und andrer gläubiger Christen / kämpffendes Gebet / bestritten und hart gedrungen wird / von einem leiblich-besessenem auszufahren; bittet er jemaln um Erlaubniß / in diesen oder jenen Wald / oder Feld / hinzufahren und daselbst sich aufzuhalten. Massen man insonderheit erzehlet / daß die Teufel den gottselig Bischoff zu Paris / S. German / bittlich ersuchen haben / wann ihnen je verboten seyn sollte / und den Menschen zu wandlen / daß ihnen dann nur doch freygelassen würde / durch eine einsame Wüsteney herumzuschweiffen.4

Daß er / in einer so traurigen Gegend / als ein rechter Traur-Geist / dem / welchen er allein darinn antrifft / sehr molest und beschwerlich falle;[868] vormals mancher Einsiedler wol innen worden; bevorab der gottselige Antonius.

Von diesem schreibt der heilige Athanasius, (wiewol Etliche zweifeln / ob es Athanasii Schrifft / und nicht vielmehr eines andren alten Lehrers sey) er habe gewünscht / GOTT mit reinem Hertzen zu dienen /und gehorsamlich nach seinem Göttlichen Willen zu leben; solchem nach das Exempel Eliœ zum Muster gewählt / und nach solchem Spiegel seine Lebens-Art zu bilden beschlossen: weßwegen er sich nach etlichen Begräbnissen / unferrn von einem Meyerhofe /oder Land-Gut / sich aufgemacht / und eines derselben zur Behausung / oder Hütten / erkoren: Ohne Zweifel / damit ihn solches Moniment seiner Sterblichkeit täglich mögte erinnern; als / zu welchem Ende / die Gräber eigendlich / von den Alten / Monumenta benamset worden. Daselbst verharrete er gantz allein /in einer grossen Marmel-Truhen / und ließ ihm / von einem Bruder / mit dem er wol bekandt / die tägliche Nothdurfft an Speisen bringen.

Dem Teufel / welcher / nach unsers Heilandes Bericht / wüste Stäte oder Oerter durchwandert / (wie denn noch heut / manche Wüsten / mit bösen Geistern / und verführischen Gespenstern / bevorab die Asiatisch-Tartarische / angefüllet sind) gefiel das nicht: er besorgte / diß dörffte Anlaß geben / daß / mit der Zeit / selbige Einöde wohnbar würde. Derhalben versammlete er etliche seiner finstren Rott-Gesellen zu sich / und wischte / eines Tages / über den Antonium, her; schlug und zerkratzte denselben[869] / mit seinen Klauen / so übel / daß ihm / von Schmertzen / schier hören und sehen verging / und er sich weder wenden /noch regen noch reden kunnte. Das war der Willkomm!

Deß andren Tags / kommt besagter sein Provisor /oder Versorger / und Speisebringer / finde ihn / auf der Erden / halb todt ligen / und die Thür zum Eingange der Begräbniß zerbrochen. Weßwegen er ihn auf hebt / und auf seinen Schultern nach dem Meyerhofe trägt. Dahin / von der benachbarten Oertern /viel Volcks zusammen kommet / Willens / dem / in ihrer Einbildung / so gut als schon todtem / Antonio, die letzte Ehren-Dienste zu erweisen.

Indem nun diese Guthertzige / bey dem todt ähnlichem Körper / biß schier nach Mitternacht / gewacht /und zuletzt ihre Müdigkeit vom Schlaf überschlichen wird; ermuntert sich hingegen der in Ohnmacht gelegene Antonius, schöpffet Odem richtet / mit einem starcken Seufftzer / den Kopf empor / schauet sich umher / und weil er mercket / daß Niemand mehr /ohn allein der / welcher ihr daher getragen hatte /wache; fordert er denselben / durch einen Winck / zu sich / und bittet inständigst / er solle der Andren Keinen aufwecken / ihn aber unterdessen wiedrum nach seiner vorigen Grab-Wohnung zuruck bringen. Der ihn auch erhört / und wiedrum dahin trägt.

Also blieb er daselbst / nach voriger Gewonheit /allein: und weil die noch grosse Leibs-Mattigkeit ihm nicht gestattete / auf seinen Füssen zu stehen; lag er /auf seinem Antlitz / und betete. Nach dem Gebet aber / rieff er / mit heller Stimm: [870] Schaut! hie ist der Antonius nun wieder! ich fliehe / für eurem Kampffe /nicht; ob ihr gleich noch schärffer an mich setzer. Niemand kann mich scheiden / von der Liebe Christi. Er sang auch dabey den Psalm: Der HERR ist mein Licht und mein Heil / etc. Ob sich schon ein Heer wider mich legt; fürchtet sich doch mein Hertz nicht. (Ps. 27.)

Diß gesprochen / und gesungen; hörte er gleichsam Jemanden zu Andren also reden: Was dunckt euch? Diesen hat weder der Huren-Geist überwinden /noch die neuliche schmerzhaffte Bläuung mürbe machen können; besondern er noch wol das Hertz / uns auszufordern / und zu trutzen. Wir müssen ihm den Hochmut vertreiben / und ein wenig anders begegnen: daß er innen werde / mit was für Gegenstreitern / seine Künheit es aufgenommen. Auf dieses / vernahm er eine brummelnde Beystimmung der andren Geister.

Gleich damit erhub sich ein gählinges Gekrach /wovon der Grund und Bodem deß Orts selbst erbebte. Die Wände deß Grab-Gewölbs rissen sich von einander: und erblickte er einen grossen Hauffen böser Geister / in Gestalt reissender Thiere / und Schlangen. Uberall ward die Gegend / vor seinen Augen / mit Leuen / Leoparden / und Bären / mit Wölffen / wütig-grimmen Büffel-Ochsen / Schlangen / Ottern / Drachen / Scorpionen / angefüllt: die Alle / Jedes nach seiner Art / einen entsetzlichen Laut von sich gaben. Die Leuen brülleten / und draueten ihm mit ausgebreiteten Klauen. Die Bären brummeten: der zörnig-[871] brummende Stier presentirte die Hörner / zum Stoß: der Wolff heulete: das Pantherthier / oder Pardel /machte sich fertig zum augenblicklichen Ansprunge. Die Schlangen und Ottern zischten und bliesen.

Vor dem blossen Anblick dieser Abentheuren /hette Mancher vergehen mögen; so grausam und entsetzlich waren sie anzusehn! und / vor dem entsetzlich-grausamen Gelaut ihres Gebrülls / sollte auch wol dem Allerbehertzesten das Hertz / natürlicher Weise / enthertzet seyn. Aber S. Antonius / ob zwar sein Fleisch / von der neulichen Verletzung / annoch sehr schwach / war doch im Geist gar starck / standhafft; machte / aus dieser Schreck-Larven seiner Widersacher / nur ein Gespött / und sagte: Hettet ihr einige Macht / oder Gewalt; wäre Einer unter euch mir Feindes genug / zum Kampffe: Weil aber der HERR eure Macht zerbrochen und euch entkräfftet hat; gedenckt ihr / mir durch eure Menge /einen Schrecken einzujagen: da dieses doch eine Entdeckung eures Unvermögens ist / daß ihr euch / in unvernünfftige Bestien / verstellet.

Und bald fing er wiederum an zu reden: Könnt ihr mir was thun / und der HERR hat euch Gewalt über mir gegeben; wolan! hie bin ich / fallet herzu / und verschlingt mich / wanns euch erlaubt ist! So ihr aber dessen keine Macht habt; warum bemühet ihr euch so vergeblich? Denn das Zeichen deß Kreutzes / und der Glaube an der HERRN Christum / ist uns Christen eine[872] unüberwindliche Maur. Sie hingegen droheten / brummten / bissen die Zähne aufeinander / vor rasender Ungedult und Verdruß / daß es / mit ihrer Versuchung / so kahl ablieff /und er ihrer noch dazu spottete.

Hierauf ließ der / welcher sein Schild war / seines Beystandes Gegenwart leuchten. Denn als Antonius seine Augen auf hub / sahe er / daß sich die Spitze deß Dachs voneinander thät / und ein heller Glantz /der alle Finsternissen vertrieb / zu ihm herab fuhr. Worauf nicht allein alle die gespenstische Larven /sondern auch seine Leibs-Schmertzen / alsofort verschwunden. Das Haus / oder die Hütte / so kurtz zuvor / von den Teufeln zerbrochen worden / ist gleichfalls wiederum zur Stunde ergäntzt.5

Wobey ich gleichwol nicht ungemeldet lassen kann / daß / in dieser Erzehlung / so dem heiligen Athanasio fälschlich (wie Einige wollen) zugeschrieben wird / etliche Umstände sich nicht wol miteinander zu vergleichen scheinen. Denn / im Anfange derselben /wird gedacht / er habe sich / in ein Begräbniß / eingequartirt; und zuletzt wird doch ein Haus / das einen Giebel oder zugespitztes Dach gehabt / dafür gesetz. Aber daraus ergeht noch kein Schluß / die gantze Erzehlung sey ein Geticht; sondern nur dieser / daß sie etwas einfältig dißfalls verfasst worden. Zudem kann auch noch wol solche Ungleichheit verglichen werden. Denn die Alten haben manche Grab-Gebäue so raumlich[873] und bequemlich eingerichtet / daß auch die Lebendige darinn wohnen können / wie in einem kleinen Hause: Weßwegen vielleicht der Beschreiber deß Lebens S. Antonii, es sey gleich Athanasius, oder /wie es das Ansehn hat / ein Andrer gewest / den obern Theil solcher Grab-Wohnung einem Giebel / oder Dach-Spitzen verglichen.

In derselbigen Lebens-Beschreibung dieses frommen und gottseligen Einsiedlers / wird auch gedacht /als Antonius durch die Wüsten einsmals gegangen /habe er eine silberne / auf der Erden ligende / Schüssel erblickt: als er aber den Betrug deß Teufels gemerckt / und gesprochen: O du Kerl! das ist eines von deinen Kunststücklein! du solt mich / in meinem Vorhaben / nicht irre machen. Daß du verdammt seyest / mit deinem Gelde! (oder Silber!) sey darauf die Schüssel / vor seinen Augen / verschwunden / wie ein Rauch: Nachmals habe er / auf der Reise / kein ertichtetes / sondern recht wahres grosses Stück roten Goldes ersehn: und weil dasselbe keine Verblendung der Augen / sondern ein natürliches Gold / gewest / sey er in Zweifel gerahten / ob es / wie das vorige Silber / vom Satan / oder etwan von GOtt / ihm zur Versuchung / dahin gelegt wäre; solchem nach eben so schnell davon geloffen / als wie man / heutiges Tages / dem Golde zulaufft.

Der gelehrte und wolberedte Jesuit / P. Engelgrav /erzehlt aus der Lebens-Beschreibung deß Paters Alvarez, daß / als dieser Pater einsmals die Mariam Diatiam besuchet / er / ohn das Bette derselben / auch noch ein andres kleines Bettlein /[874] in einem Winckel ihrer Zellen / erblickt / und derwegen gefragt habe /wozu selbiges Bettlein dienete? Worauf sie ihm aufrichtig bekannt / ein böser Geist hette sie einsmals gar erschreckt und tractirt; seit dem sie sich allezeit so sehr gefürchtet / daß sie nicht / in der Zellen allein /übernachten dörffen / sondern ein Mägdlein zu sich genommen. Hierum hat der Pater Alvarez ihr einen scharffen Verweis gegeben / daß sie / nach so vielen Zeichen der Göttlichen Vorsehung / Krafft welcher Er die höllischen Geister binde / noch so kleinglaubig wäre / und eine so schwache Zuversicht auf GOTT stellete: Welcher doch allgegenwärtig wäre / und sie nicht würde hülfflos lassen. Wann ihr / sagte er / dieses Beystandes ermangelt / was wird euch dann ein solches Kind viel helffen?

Er hat auch eher / aus der Zellen / nicht weggewollt / bevor man solches Bettlein weggenommen / und hinaus geworffen. Wobey er ihr / zum Trost / und Belehrung / diesen Spruch deß Tugendlehrers / Sirach /recommendirte: Wer den HERRN fürchtet / der darff für nichts erschrecken / noch sich entsetzen: denn Er ist seine Zuversicht. Sir. 34. v. 16.

Ist sehr fein und christlich erinnert worden / und sollte sich nicht übel auch der schöne Versicul deß 27 Psalms dazu geschickt haben: Der HErr ist mein Liecht / und mein Heil; für wem sollte ich mich fürchten? Der HErr ist meines Lebens Krafft; für wem sollte mir grauen?6[875]

Es führet hernach bemeldter P. Engelgrave / neben andren / auch den Xaverium an: welcher / zu Nachts /ohn alle Scheu / durch die Wüsten / zu dieser oder jener besonders stehenden / Kirchen / allein gegangen / um daselbst seine Andacht zu verrichten.

Allein die Christen seynd nicht alle / in Glauben /gleich geübt und starck: Zudem ist auch Einer / von Natur / behertzter / als der Andre. Das Frauenzimmer / und die kleine Knaben / werden alle Mal leichter erschrecken / als ein erwachsener Mann: ob sie dennoch auch gleichwol an GOtt gläuben. Ihnen dienet zwar die Belehrung / mit obigen / und andren heiligen Sprüchen / zur Erbauung und Verstärckung ihres Glaubens: aber weil die erste Beweg- oder Entsetzungen den Menschen plötzlich überfallen / und leicht in eine Kranckheit stürtzen: so verdencke ich Keinen /zumal einen Furchtsamen / daß er grauerische Oerter lieber / mit einem Gefährten / als gantz allein / durchwandle. Denn der Satan wird allezeit leichter und viel härter Einen / welcher sich allein befindt / als ihrer Etliche / die beysammen seynd / erschrecken. Weßwegen er auch der Einsamkeit am meisten zusetzt.

Ich gedencke noch vollkömmlich dessen / was mir /da ich noch ein kleiner Knabe war / einsmals widerfuhr. Hinter dem Hause / darinn mein seliger Vater wohnete / war ein langer Garten / welcher / zu beyden Seiten / von unterschiedlichen ziemlich-weit hinaus reichenden Zimmern begleitet ward; biß man endlich /da wo der Garten[876] auf hörte / an ein Hinterhaus gelangte: welches unten einen Stall für Pferde und Gutschen; oben aber unterschiedliche gute Wohnzimmer /und / unter andren / ein langen Saal hatte / darinn /weil dieses Hinterhaus / von etlichen Jahren her / niemand bestanden / anderst nichts / als eine Bettstäte voll Stroh stund.

Gleichwie ich nun daselbst offt / langs dem Garten hinab / allein herum zu lauffen / und zu spielen pflag: also ging ich einst auch gantz allein / mit einem kleinen Stecken in der Hand / die Stiegen dieses Hinterhauses / hinauf / und schauete mich / in denen offenstehenden Gemächern / ein wenig umher; biß ich zuletzt auch in den Saal kam / und allda / wegen der bequemen Breite und Länge / weiß nicht was für ein Spiel trieb. Uber ein Kleines aber ließ sich / unter gedachter Bettstäte / ein solches murren und brummen gar laut / und zwar immer stärcker hören / als ob eine grosse Menge Katzen also murrete / wie sie pflegen /wenn man ihnen Speck giebt / oder sie eine Maus gefangen haben. Ich achtete solches anfänglich nicht besonders viel / in Meynung / es wären rechte Katzen da; ging auch hin / mit dem Stecklein dieselbe zu erschrecken / und hervor zu treiben. Weil aber / ehe dann ich gar die Bettstäte erreichte / das Murren viel stärcker / und gar abscheulich / zu lauten begunnte: bekam ich ein schauren und grauen; ob ich gleich /von Gespenst- und Poltergeistern / annoch nie was hatte reden gehört / noch / was ein Gespenst wäre /verstund: daher ich auch / an nichts dergleichen / gedachte. Nichts destoweniger überfiel mich / samt der Einbildung / daß solches überaus[877] düsterliche Murren kein Katzenhader / sondern gantz was anders seyn müsste / eine grosse Furcht: welche mich endlich bewegte den Rucken zu wenden / und allgemach Fuß für Fuß (angemerckt / ich sorgte / wann ich geschwinde davon lieffe / und mich flüchtig oder furchtsam anstellete / so dörffte mir weiß nicht was / gleich nachsetzen / und in den Rucken eilen) mit einem sumsenden Gesinge / als ob mir nichts drum wäre / die Thüre zu ergehen / und die Stiegen wieder hinab zu treten.

Als ich nun gantz hinunter- und wieder in den Hofplatz / der nechst vor der Stiegen lag / gekommen war; da fing ich erst an / das Hasenpanier aufzustecken / und strich tapffer davon; sahe auch nicht eher hinter mich / ohn biß ich ungefähr dreyssig Schritte zurück gelegt hatte. Da wagte ichs / und wandte mich um; zu sehen / ob mir wer nachfolgte. Indem ich aber also ein wenig still stund; kam geschwinde ein grosser Hund die Stiegen herunter geloffen / dessen Gestalt mir einen desto grössern Schrecken machte / je häßlicher sie war. Denn er sahe als wie halb geschunden; also / daß Wechselsweise bald eine Handbreit mit dem Fell überzogen / bald eben so viel von der Haut gantz entblösst / und blutig-rohes Fleisch war /und demnach vier oder fünff Theile seines Rückens keine Haut hatten.

Ich stund gantz erstaunt / und blickte diesen geschundenen Hund mit erschrockenen Augen an; biß er / von der Erden / hart vor der Stiegen / über sich auf das Dach / womit die Stiege oben / vor dem Regen bedeckt / hinauf sprang / ohngeachtet selbiges Dach gleichwol gern anderthalb Mann[878] hoch von dem Bodem seinen nidrigsten Anfang nahm. Folgends lieff er immer höher das gantze Haus-Dach hinan / biß an die öberste Höhe; richtete sich daselbst auf die Hinter-Füsse / und verschwand im Augenblick.

Darüber gerieth ich in solche Angst / und so harte Entsetzung / als ob ein Blitz vor mir wäre in die Erde geschlagen. Und weil ich förchtete / der schändliche Hund dörffte wiederkommen / mir nachzueilen; kürtzte ich mir die Flucht / und lieff nicht den langen Weg nach dem Vorhause zu; sondern retirirte mich nechstens in die gleich hart bey mir zur Seiten ligende Badstube; Welche doppelte Thüren hatte: und blieb allda zwischen den zweyen Thüren / nachdem ich die vordre hinter mir zugeschlagen / stehen / gantzer zwo-oder dritthalb Stunden. Biß endlich die Meinigen / so mich überall suchten / auch an das Bad kamen. Denen ich / durch ein weinendes Geschrey / zu mercken gab /wo ich steckte / und also endlich solches meines Gefängnisses befreyet ward.

Man bemühete sich mir das / was ich gesehn zu haben / mit Threnen klagte / aus dem Sinn zu reden; labte mich auch mit Sachen / so für den Schrecken dienlich: Nachdem ich aber einen grössern Wachsthum erreicht hatte / bestetigte man mir dieses / daß ich damals müsste ein Gespenst gesehn haben; weil mein Gesicht gantz blaß gewest wäre / und die Augen einen solchen verworrenen / und bestürtzten Angst-Blick gegeben hetten / der einen ungemeinen Schrecken bezeugte.

Fußnoten

1 Esa. 34.


2 Offenbar. Joh. 18.


3 Cyrill. in c. 34. Esaiæ.


4 Fortunat. Episcopus Pictavorum, in Vita S. Germani, c. 30.


5 Vid. Vita S. Antonii, à S. Athanasio, vel quisquis author est, descripta.


6 P. Henricus Engelgrave in Luce Evangelica, Domin. IV. post Epiphan. p. 122.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 865-879.
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