Scena II.

[18] Wendelgard. Salomon.


WENDELGARD.

Ach lieber GOTT, Himmlischer Vatter,

Der menschen ein reicher wolthäter,

Wie offt ich denck an mein Gemahl,

Graff Vlrich selig mit vnfahl,

So in einr Schlacht vmkommen ist,

Durch der Gottlosen Vngar List,

Muß ich von hertzen trawrig sein,

Ach GOTT wie ist es mir ein Pein,

Die ich nu trag in diesen tagen.

SALOMON.

Hab ich nit gsagt, sie werd jhn klagen?[18]

WENDELGARD.

Vier Jahr jetzt hingeflossen seind,

Als vberfielen vns die Feind,

Vnd kompt heut eben dieser Tag,

Das er in einer Schlacht erlag.

O GOTT, wie leid ist mir geschehen,

SALOMON.

Das kan ich bey der Wahrheit jehen.

WENDELGARD.

Zu leben mich damals verdroß,

Mich bald in diese Clauß ein schloß,

Zog von der Welt behend vnd schnell,

Vnd kam in S. Wibraten Zell,

Legt ab mein Kleider vnd mein zier,

Zog an den Weyler mit begier,

Mit Bischoff Salomons erlauben,

SALOMON.

Darumb solt jhr mir gwißlich glauben.

WENDELGARD.

Bin also kommen in den Orden,

Vnd in der Zell ein Cläußnerin worden.

Hab doch zuuor mein frommen Herrn,

Ein Jartag gstiff zu Lob vnd Ehrn,

Wol in dem Stättlin Buchhorn gnant,

Wie solchs an diesem Ort bekant.

Denselben Tag hab ich fürgnommen,

So bald ich werd gen Buchhorn kommen,

Gleich heut zuhalten guten Wohn,

Wann mir allein Abt Salomon,

Erlaubnuß giebt, wie ich verhoff,

SALOMON.

Bey mir stehn alle thüren off.

Wil jhr gleich hie entgegen gahn,

WENDELGARD.

Dort sieh ich jhn den heilgen Man.

Wirdiger Herr, ein kleine Bitt,

Die wöllet mir versagen nit.[19]

SALOMON.

Andächtige Fraw, was ligt euch an?

WENDELGARD.

Vor Leyd ich kaum erzehlen kan.

Dann mir der heutig leidig Tag,

Ernewern thut mein alte Klag,

Da ich meins frommen Herrn gedenck,

Deß vnfals mich noch stätigs krenck.

SALOMON.

Ihr solt euch klagen nit zu hart,

Andächtige Fraw, mein Wendelgart.

Wer in Gott gstorben seliglich,

Der lebt in Gott auch ewiglich.

Ist kommen auß dem Jamerthal,

Ins ewig Reich vnd Himmels Saal.

Wer auff den Herren stetigs bawet,

Vnd Ihm allein von hertzen trawet,

Der vberwind all Kümmernuß,

WENDELGARD.

Ich dessen mich auch trösten muß.

SALOMON.

Wer gscheiden ist von diesem Leben,

Dem kan mans hie nicht wider geben.

Drumb kümmert nun euch nit so sehr,

WENDELGARD.

Allein ist jetzund mein beger,

Dieweil sein Jartag kommen ist,

Ihr wöllet mir zu dieser frist,

Ein Reiß gehn Buchhorn gern zulohn,

Daß ich sein Tag da mög begohn,

Wie ich dann selbs geordnet hab,

SALOMON.

Kein mangel hab ich jetz darab.

Vnd wöllent jhr dahin den Tag?

Mit meim willen es gschehen mag.

Drumb geht nur hin, verzieht nit langk,

WENDELGARD.

Ehrwürdiger Herr ich sag euch danck.[20]

SALOMON.

Ein solche Fraw ist Ehren werd,

Vnd vber alles Gold auff Erd,

Die auch jhrs todten Mans gedenckt,

Vnd den in kein vergessen senckt.

Wie viel seind deren hin vnd wider,

Da noch nit kalt des todten Glider,

Sie nach eim andern Heurat trachten,

Vnd den Ehestand so gar ring achten.

Ihn wird aber gemeinlich der Lohn,

Daß sie bald grahten in Spott vnd Hohn,

Daruon ist gnug, ich geh daruon.

Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 18-21.
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