[273] Wahrhaftige Beschreibung des jüngsten Gerichts im Thal Josaphats, wie dasselbe von unserm Herren Jesu Christo gehalten, auch was an demselben für erschreckliche Tag und Wunderzeichen geschehen werden, solches Alles ist uns von den heiligen Propheten und andern Männern Gottes geweissagt, und zur treuherzigen Warnung beschrieben, daß wir von unserm bösen, gottlosen und sündlichen Leben abstehen, rechtschaffene Reu und Buß würken, damit wir nicht an solchem großen und jüngsten Tag, vor dem gerechten Richter Jesu Christo, zu seiner Linken unter die Böcke und Verdammten, sondern zur Rechten unter die Schäflein und Auserwählten Gottes mögen gestellet werden. Gedruckt im Jahr Christi. Nürnb.
Was in der Sybillen Weissagungen gedroht und prophetisch angedeutet wurde, das wird hier episch vorgeführt, und in einem dichterischen Gemählde dargestellt. Das Buch ist in gereimten Versen geschrieben, obgleich wie Prosa gedruckt, wahrscheinlich aus den letzten Zeiten der Minnesänger, nicht ohne[273] Anmuth und Leichtigkeit gebildet, aber wie die meisten Werke dieser Zeit ohne eigentliche Handlung; die Gestalten in großen bauschigten Gewändern mit scharf gebrochenen Falten und schlichtem gescheiteltem Haare, sind mitten im Feuer des Gedichtes in durchhin ruhiger, unverrückter Haltung: was an ihnen sich rührt und bewegt ist gleichsam nur das Auge und die Augenbraune, und ohne sich zu verziehen läßt der Mund ganz unmerklich schöne Sprüche und Sentenzen fahren. Selbst der Teufel verläugnet diese ruhige Ehrenvestigkeit nicht, auch er hat rund verschnittenes, gleichgestrichenes Haar, nur etwas rußig wie ein Schmidtmeister. Und so führt in ruhigem Hin- und Herdiscuriren sich in die große Szene dramatisch wie ein wahres Stillleben auf. Die Propheten Joel, Sophonias, Salomon, Job, Hieronymus thun zuerst ihr Wort, das Gericht müsse nun beginnen, und treten, nachdem sie es gethan, wieder ab. Dann rufen die Engel mit dem großen Zorne zu Gericht, scheiden dann die Bösen von den Guten, und der Herr Jesus Christus spricht zu den Guten; Diese antworten ihm wieder, Replik von Christus: dann nimmt er seine liebe Mutter Maria bei der rechten Hand, und redet die Verdammten an, – Diese bitten um Barmherzigkeit, aber mit Nichten; wiederholte Bitte, abermal versagt; neue Bitte, Replik, Duplik, gänzlich abgeschlagen, die Verurtheilten dem Teufel übergeben. Lucifer äußert seine honette Freude, Maria bittet für die Verdammten, wird aber abgewiesen, die Hölle wird geschlossen, und dann spricht Christus also:
Die Höll hab ich beschlossen
Und den Teufel mit allen Genossen.
Den Schlüssel mag mir niemand stehlen,
Ich will ihn auch keinem Engel befehlen,
Die Höll wird nimmermehr aufgethan,
Zu meinen lieben Heiligen will ich gahn:
Ich hab heut zorniglichen vollbracht
Was ich vor langer Zeit gedacht,
Den Sünder hab ich gefangen,
Ist mir Keiner nicht entgangen,
Die Höll ist wohl beschlossen,
Ich will jetzt lassen den Zornen mein,
Und euch ergötzen aller Pein.
Ihr sollet jetzt fröhlig mit mir gon,
In das ewig Himmelreich schon,
Dasselbig will ich euch geben,
Darinnen sollt ihr immer und ewiglich leben.
Dann stehen die heiligen zwölf Apostel der Reihe nach von ihren Stühlen auf, und sagen unserm lieben Herrn Lob und Dank um seine Gnad und Barmherzigkeit, endlich schließt unser Herr, indem er spricht:
Maria du liebe Mutter mein,
Du solt nehmen die Mägde dein,
Die Engel und heiligen zwölf Boten,
Groß Ehre haben sie mir erbotten.[274]
Nimm hin die Heiligen und Seelen all,
Und führ sie hin mit fröhlichem Schall,
Du solt sie führen maniglich,
Wohl in das schöne Himmelrich,
Da sollen sie mit mir und dir gon,
Mein Vater wird sie empfangen schon,
Ich will euch manche Trachten bringen,
Der heilige Geist woll euch vorsingen.
Die heiligen Engel führen ihr Saitenspiel,
Euer Freud ist aus der Maaßen viel
Mehr denn alle Augen mögen sehen,
Oder alle Mund und Ohren verjähen
Oder aller Menschen Herzen mögen denken,
Das Alles will Euch mein Vater schenken,
Und das Alles hat bereit,
Die hochheilige Dreyfaltigkeit.
Panzer führt in seinem Verzeichnisse ein Gedicht an unter dem Titel: Von Sibilla Weissagung und von König Salomonis Weißheit, was Wunders geschehen ist, und noch geschehen soll vor dem jüngsten Tag. Nürnberg 1518. 8. zwei Bogen stark, das wohl einerlei mit diesem Volksbuch ist. Docen im ersten Bande seiner Miscellaneen erzählt, wie er es in einer Handschrift vom Jahre 1428, schon gefunden; und das wird, wenn sonst die Identität mit dem Volksbuch be wiesen ist, bestätigen, was wir vorher über den wahrscheinlichen Ursprung desselben vermuthet haben.
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Werfen wir einen Blick auf die ganze Masse der Erscheinungen zurück, die wir an uns vorübergehen sahen, dann drängt ein eignes wunderbares Gefühl sich in uns hervor. In unabsehbarer langer Reihe geordnet stehen die Jahrhunderte, die Nächsten mit uns genau befreundet, in Haltung und Gestalt wie wir beschaffen, unsere eigene Sprache uns verständlich sprechend; die Fernern immer seltsamer, immer wunderbarer, immer unverständlicher und geheimnißvoller; in die Weite eingeschleiert, wollen ihre Züge sich nicht erfassen lassen, und die fremden Laute, die von ihnen herübertönen, verklingen und verschweben in die Weite: bei den Fernsten aber ist alle Form in das Wunder aufgelöst, und sie sprechen in dunkeln Hieroglyphen von der Ewigkeit, wie die Elemente sprechen, sinnvoll und bedeutend, aber nicht mit Menschenzungen, nicht mit artikulirten Tönen. Wie Windes Wehen, wie Kindes Lallen ist ihr Reden, das Ohr horcht den wundersamen Klängen, aber dem innern Sinne ist ihr Verständniß nur gegeben. So kreisen sie jenseits, die Gestalten der Vergangenheit, diesseits aber treiben wir selbst in der Gegenwart uns um, und dazwischen ist der bunte Teppich des Lebens ausgespannt, und eilt vorwärts von der Zeit getrieben, wie der Farbenbogen auf der Regenwolke, und kaum daß wir aufgeblickt, sind wir auch jenseits unter den schwebenden Gestalten, und ein anderes Geschlecht spielt außen im Sonnenscheine.[275] Aber es geht ein rascher wunder- und zaubervoller Othem durch die Zeiten durch, gleich den unterirdischen Windeszügen, die kühl und frisch und immer wach aus dunkeln Höhlen brechen; vor sich treibt er seines Hauches Spiel, geheimnisvolle Blätter her, denen die vergangenen Geschlechter ihre Weisheit, und des Herzens Gefühle, und der Andacht stille Begeisterung anvertraut, und des Lebens ernste Regel, und wie die Geschlechter vorüberziehen, und in Erde sich verhüllen, grünt immer von neuem die Palme mit den Blättern wieder, und wenn die neue Gegenwart dann aus der Erde steigt, sind die Hieroglyphen reif geworden; das dunkelkühle Saußen löst sie von den Zweigen ab, und treibt sie still vor sich an der Erde hin; das ganze Geschlecht aber sammelt die Zauberschriften, und erkennt geliebte Züge wieder; in innerer Brust werden dann Geisterstimmen wach, und in leisem Geflüster sprechen sie mit der Vergangenheit, die vernehmlich antwortet in den Zügen, und aus der Erde hinauf in die Erde hinab wechseln die Generationen bedeutend stumme Worte, und das Fernste ist nun nicht mehr zerflossen, und nebelnd und in den Schatten erdunkelt; wie die Zeit unsterblich, so sind es die Zeiten auch geworden. Wie wäre die Welt so arm, wenn jedes Seyn am Kommenden rein gestorben wäre; wenn der Engel des Lebens mit dem Tode nicht zugleich umwandelte, und das Köstlichste ewig jung erhielte! Es ist eine herrliche Gabe, daß, während das Leben unaufhaltsam forteilt, und in wirbelndem Schwunge den Staub immer neu gestaltet, ihm vergönnt wurde, immer das Beste des Erstrebten mit hinüberzunehmen in den neuen Zustand, und mit dem Erworbenen zu wuchern in der Zukunft. Wie die Seelen wandern von Form zu Form, von Gestalt zu Gestalt in fortlaufender Entwicklung, wenn sie anderst diese Entwicklung in eigner Selbstständigkeit in sich wecken und erhalten, so wandert auf die gleiche Weise auch ihr eigenster Besitz mit ihnen; jede neue Generation findet, wenn sie aus der Chrysalide bricht, auch schon die Blüthe blühend und die Nahrung von der Vorhergegangenen aufgehäuft, in der sie in fortlaufender Metamorphose gedeihen soll, und kein Besitz geht unter, wie der eigne Besitz nicht untergegangen ist. So leben die Alten und die Uralten noch unter uns, sie die über den großen Wasserfällen wohnen, wo jung und eng und klein der Zeitenstrom, noch eben aus Himmelswasser in dunkler Quelle erst geronnen, über die grauen, verwitterten, alten Felsen stürzt, und rasch dann durch die wilden Länder eilt: wir aber, die wir unten in der Ebene unsere Heymath haben, wo er in tief gewühltem Bette zum breiten Strom geworden ist, und in vielfache Canäle getheilt dem Verkehre dient, wir werden die Erbe vermehrt, wenn wir gekonnt, den Geistern des Ozeans überliefern, der ihn und uns in ihm aufsaugen wird. Was in Indiens Tempelhöhlen Köstliches, Wundervolles in den grauen Zeiten aus hoher Begeisterung in dem großen Erdensabbath erwuchs, wo noch die Steine sich in frohem Wachsthum drängten, und die Diamanten Mann und Weib sich gatteten, und die geniale Erde nur noch Hymnen und Mythen in die Berge dichtete; was der Sonnentempel in Babylon geborgen, und der Perser unterirdisch im Carfunkelschein und Goldesglanz dunkelglühend Gnomenreich Wunderseltsames gebohren; was die Zauberschlange[276] der Nil, aus dem Paradiese hervorgeschossen, die Aegyptier gelehrt, und diese auf steinernen Tafeln, ein Wunder und ein Räthsel der Zukunft, den Sphinxen zu bewahren übergeben; die ganze Saat von göttlichen Gewächsen, die auf Griechenlands Marmorfeldern geblüht, die der Erdgeist, den der Menschengeist in sich aufgenommen hat, hervorgetrieben, und die wie Naphta brennend, glühend, leuchtend die Begeisterung des Genius in allen Adern durchrinnt; was die Römer gewaltsam von der Natur ertrotzt, sie die mit dem Stoffe und der todten Materie gleich wie mit dem Leben ernst gerungen, und während sie die Völker in Fessel legten, Jene zu brechen sich bemühten, in die sie selbst die Natur geschlagen: Alles ist nicht verloren für die Spätesten, es ist ein Vermächtniß, das die Zeiten einander überliefern. Jede junge Zeit, wenn sie gebohren wird, findet ihre Wiege mit den Gaben umstellt, die die Weissen aus dem Morgen und dem Mittag und dem Abendlande ihr gebracht; der Lebensgeist der nur im Besten kräftig wohnt, bewahrt auch eben das Beste nur vor dem Verderben, wie nur geistreicher Wein den Wechsel der Jahre überdauert; und so gewinnt die Kunst und jedes menschliche Bemühen festen Besitz, und die Erde gewinnt ein Leben und in ihm eine Geschichte und ein Gedächtniß der Vergangenheit. So muß das Schlechte, nachdem es abermal und unzähligemal wiedergekehrt, doch endlich sterben; denn der Teufel ist nicht unsterblich, wohl aber Gott in uns, und wie unser bestes innerstes Wesen unvergänglich ist, so ist auch, was der Genius in diesem Heiligthum gebildet, unverwüstlich, und auch nicht die Gedanken sterben, wenn einmal ächtes gesundes Leben in ihnen lebte. Viele Zeiten sind vor uns gewesen, um zwei Zeichen hat die Geschichte den Thierkreis zurückweichen sehen in langsam zögernder Bewegung, und auf die vierte Morgenstunde deutet der Zeiger an der großen Sternenuhr, der in einem Menschenalter nur um zwey Minuten rückt. Wie der Thau fallend sich in die Berge zieht, und dort zum Strom zusammenrinnt; und wie die Ströme dann wieder als Thau auf in Lüfte steigen, so sind die Generationen vor uns in's Grab hinabgestiegen, und verjüngt wieder aus den Gräbern auferstanden: aber ehe sie der Verwandlung sich hingegeben, ehe sie die Grabeslampe gezündet, haben sie dem Erze, dem Steine und dem Buchstaben anvertraut, was sie gelebt, gebildet, errungen und erfahren; wie die Etrusker haben sie ihre Ruhestätte mit ihrem besten Besitze, Vasen und Geräthe, angefüllt, und wie die Thränengefäße die Symbole dessen, was sie gelitten sammeln, so haben sie ihre Liebe und ihre Hoffnungen und ihr Werthestes in bedeutenden, sinnvollen Zügen den Wänden ihrer Sarcophage eingegraben, und die kommenden Geschlechter sind zu den Gräbern hingeeilt, und haben die verborgenen Schätze dort gehoben, und sie mit dem Ihrigen vermehrt wieder mit hinabgenommen, wenn auch ihre Zeit gekommen war. Und so stehen auch wir vor diesen Sarcophagen undn ehren geheimnisvollen Bildern; längst schon ist die Hand vergangen, die sie gestaltet, und in uns hat ein Auge sie zu betrachten sich geformt, das noch nicht war, als sie geworden; eine dunkle Ahndung ergreift uns mit wunderbarer Gewalt, wenn wir den geheimen Sinn zu entziffern uns bestreben: es ist als ob unsere Erinnerung ihre Mutter gefunden hätte; es ist als ob[277] die Sterne wieder uns erschienen, die in der Dunkelheit geleuchtet, als unsere Kindheit aus der Nacht hervorgegangen war; wir haben den Geist in uns gesogen, so will es im innersten Gemüth uns dünken, der jene Züge formte, wir selber haben sie uns selber zum Andenken in den Stein gegründet; es ist unsere eigene dunkele, verschleierte Vergangenheit, die uns begrüßt; die Aurora des jungen Tages sieht die Abendröthe des Vergangenen noch am westlichen Himmel stehen. Das ist der wundersame Zauber, den das Alte übt, tiefer noch als das Andenken unserer Kindheit regt es uns; wie die ferne Zukunft im Schooße des Weibes dunkel sich und schweigend regt, so liegt auch die Ahndung der Vergangenheit wie ein verborgener Keim in uns, den die Geschichte erst befruchten muß, und das alte Leben durchbricht in ihr des Grabes Schranken und erscheint wie ein abgeschiedner Geist dem neuen Leben, und das alte Leben ist ein Schatten nur, der unten im Hados wohnt, die Seele aber wohnt oben in der Gegenwart, und kämpft rasch und thätig fort. Alle aber drängt die innere bildende Kraft sie weiter, oben in der Blüthe wohnt ewig neu die Jugend, unten aber an der Wurzel arbeiten stumm und still die unterirdischen Naturen, und das Alter ziehen sie zu sich nieder, und zerreiben zu neuem Lebenssafte, was sich selber nicht mehr erhalten mag. Darin liegt der Grund der religiösen Gefühle, die das Alterthum in uns erweckt; auf dem Grabeshügel der Vergangenheit werden wir geboren; wie eine Feuerflamme ist das Leben durch die Erde durchgeschlagen, aber die Tiefe nur giebt der Flamme Nahrung, und unten wohnt in dunkler Höhle die Sybille, und hütet die Mumien, die zur Ruhe gegangen sind, und sendet die Andern hinauf, die auf's neue in des Lebens Kreise treten, und läutet die Todtenglocke, die dumpf aus der Tiefe den Geschlechtern ruft, die niedersteigen sollen in das nächtlich dunkle Reich.
Das sind Betrachtungen, die alle Geschichte in uns weckt, die bescheidene Geschichte, deren Bildersaal wir in diesen Blättern durchwandelt, konnte sie uns besonders nahe legen. Nicht das Leben und das Wircken welthistorischer Momente, Eroberer, großer Persönlichkeiten ist uns aufgestoßen, aber wohl das Thun und Treiben der großen Menge, der Gemeinde, hat sich unserer Betrachtung dargeboten: welche Weltanschauung Diese sich nach und nach gebildet; wie viel sie aus dem Strome des Wissens und der Erfahrung, der durch die Zeiten geht, sich angeeignet; welchen Stock auch sie allmählig sich angelegt, und wie auch bei ihr jede Zukunft mit dem Erwerbe der Vergangenheit gewuchert, das hat sich unserer Anschauung hingegeben. Nicht eng geschlossen war der Kreis der Zeiten, in den diese Bildungen uns eingeführt; wir sahen sie hin bis nach Indien reichen, und wie mit dem Verlaufe der Geschichte die Cultur sich mehr nach Westen zog, ziehen sich auch die Kreise enger um unsere Zeit zusammen: vorzüglich aber das Mittelalter ist die Periode, wo die Gestalten sich am dichtesten aneinander drängen, wo hauptsächlich die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige Generation noch die Zinsen zieht. Welch eine wunderseltsame Zeit ist nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf; wie waren die Völker nicht kräftige junge Stämme noch, nichts Welkes, nichts[278] Kränkelndes, alles saftig, frisch und voll, alle Pulse rege schlagend, alle Quellen rasch aufsprudelnd, Alles bis in die Extreme hin lebendig! Der Norden hatte früher seine kalten Stürme ausgesendet, wie Schneegestöber hatten die mitternächtlichen Nationen über den Süden sich hingegossen, dunkel zog sich's um die bleiche Sonne her, da gieng der Erdgeist zur tiefen Behausung nieder, da wo in gewölbter Halle das Centralfeuer brennt, und legte sich, während außen die Orkane heulten, zum Schlafe nieder; die Erde aber erstarrte, als wäre sie zum Magnetberge geworden, und es wollten nicht mehr die Lebensquellen in den Adern rinnen, und der Blumenflor des Alterthums verwelkte, und die Zugvögel suchten an den Wendekreisen eine wärmere Sonne auf. Aber die Fluthen hatten sich verlaufen, die Stürme hatten ausgetobt, der Schnee war weggeschmolzen, wie die lauen Winde wiederkehrten, und war befruchtend in die Erde eingedrungen; der Archeus war, gewekt von dem harmonischen Zusammenklange der Gestirne, wieder hervorgegangen, und hatte das Leben mit hinaufgebracht in unendlich vielen jungen Knospen und Keimen; und es brauste in allem Geäder wieder, und die Todtenkälte war gewichen, und der Winterschauer, und des Frostes starre Herbigkeit, und es war ein ahndend Sehnen in dem Gemüthe aller Dinge und ein freudig sinnend Verlangen in allem Irdischen, als das Mittelalter begann. Ein großer Erdenfrühling war über den Welttheil ausgebreitet; der schöne Garten in Griechenland, das zweite Paradies, war wohl zerstört, und bald trat ein Cherub mit dem Flammenschwerd von Mahomed ausgesendet vor den Eingang hin; die Palläste der Römerstadt waren wohl geschleift und der große Thurm umgeworfen, der aller Völker Sprachen verbinden sollte: aber der ganze weite Welttheil, der wüst gelegen hatte und verwildert, während jene Kunstgärten blüthen, war nun auch wegsam und zugänglich und angepflanzt geworden, und eine Blüthenwolke hieng berauschend über der weiten Welt, und die Moose sandten oben ihre Düfte dem schwebenden Frühling zu, wie unten die Orangen zu ihm aufdufteten; in dem Meere von Wohlgeruch aber schwebte die Poesie wie über dem Chaos Eros, und bildete Kunstgestalten aus der Aroma und dem Farbenglanz. Und die alten Götter waren gestorben, wie das Laub gefallen war, und wie Grabeshügel lagen die Schutthaufen ihrer Tempel weit umher, und über Tod und Grab erhaben und über Endlichkeit und Zeitlichkeit, war siegreich ein anderer Gott hervorgegangen; er hatte den letzten Athem der Sterbenden aufgeathmet, und alle irdischen Lichter waren in seinem Glanz zerronnen, und das Leben war zu seiner ersten Quelle zurückgegangen; wie es aber durchbrach durch des Grabes Nacht, und glorreich gegen Himmel fuhr, da brachte es die neue Zeit aus der Tiefe mit herauf, Elysium und die Unterwelt entwichen von der Erde, die keinen Raum mehr für sie hatte, und die schöne freudige, alte Sinnlichkeit war nun gebrochen, und die Freundschaft des Menschen mit den Elementen aufgehoben, es war Feindschaft zwischen ihm und der Natur geworden, und er sollte der Schlange den Kopf zertreten. Denn es waren andere Geister in ihm aufgestanden, die ein Anderes wollten als die Sinnenfreuden; es waren Flammen in ihm aufgelodert, die das Irdische verzehren wollten, um Höheres zu erlangen, und[279] hohl von innen aufgerieben schwand die sinnliche Natur in sich zusammen; die plastische Fülle magerte mißgestaltet ab, aber auf den Ruinen der irdischen Herrlichkeit wandelten die freudigen Geister, die das Werk der eignen Hinopferung vollbracht, die sich selbst, ihr Leibliches und alle Lust der Welt dem Ewigen zur Sühne hingeschlachtet, und triumphirend nun über den Gluthen des Scheiterhaufens schwebten, auf den sie selbst freiwillig sich hingelegt. So hatte der Funken, den der alte Prometheus vom Himmel in der Ferula hinweggenommen, des Stengels Mark verzehrt, und wollte nun, leise um die Asche flatternd, sich wieder von der Fessel reißen, in die ihn der Titan gelegt, und wiederkehren zu der Heymath, der ihn die übermüthige Kraft entführt. Das war der Genius, den die neue Religion in die Welt gebohren, und er traf nicht auf ein ermattetes Geschlecht; lebendige Sinne hatten diese Menschen um das Sinnliche zu genießen, und es galt schweren Kampf zwischen den beiden Welten, bis die Höhere siegte. Und das eben macht die Zeiten so unendlich interessant und rührend, diese starken Naturen demüthig, fromm und hingegeben dem Heiligen zu sehen: denn es ist kein erfreulicher Anblick, wenn die Ohnmacht und die Schwäche gebeugt in kraftloser Andacht verschwimmen; aber wenn die Stärke sich selber zwingt, wenn das Colossale den Nacken von Erz und die geharnischten Knie beugt; wenn die Gewalten, die berufen sind, aufrecht und stolz wie Götter über die Erde hin zu gehen, freiwillig dem Unsichtbaren ohne Heuchelei sich neigen, dann ist's ein freudiger Triumph der Idealität im Menschen, und ein schöner Sieg des Göttlichen. So war starker, rascher Heldensinn in dieser Zeit, mitten in dem Feudalsystem, das sie itzt so erbittert schmähen, während sie es doch nur in höherer Ordnung in ihren Institutionen wiederholen, hatte der Geist der antiken Freiheit sich noch erhalten, und die Freyen in einem Ritterthume sich fortgepflanzt, und die ganze Kernhaftigkeit der alten Zeit ruhte auf diesen Rittern, die ganze wilde Kraft der Leidenschaft trieb die rohen in sich ungezügelten Gemüther, und ausgleichend und beschwichtigend und glühend schwebte dann die Religion über dem Toben, und beschwor den Sturm, und führte Ebenmaß zurück und Ruhe in die brausende Gährung. Es war ein metallenes Geschlecht, und das Metall im Menschen wurde in ihm durch Feuers Macht zum reinen Silberblick geläutert, und die Schlacken zogen sich in die Knochenasche des Gemeinen und des Irdischen nieder. Und was das Alterthum in dem Grade nie gekannt, auch in der Weiblichkeit trat ein Priesterthum hervor, das die Prophetinnen der alten nordischen Zeit weissagend vorverkündigt; auch die Schönheit hatte sich von den Schranken des Sinnlichen losgewunden, auch sie war triumphirend und verklärt zum Himmel aufgestiegen, und wohnte nun bey Gott; die Geschlechtsverhältnisse aber, die im Alterthume in sich selbst ihre Bedeutung trugen, waren zu Symbolen nun geworden, emblematisch sollten sie das Höhere deuten, und im Fleische den inneren lebendigen Geist ausdrücken. Und es gieng noch ein anderer Cultus und eine andere Andacht in den Heldengemüthern hervor: auch das Schöne hatte seine Kirche, vor dem zarten, anmuthsvollen Bilde beugte die Gemeinde auch die Knie, und der Weyhrauch dampfte, und die Blumenkränze dufteten, und die Lauten tönten, und die[280] ewige Lampe brannte fort und fort. Die alte, strenge, klare, lichte, plastische Weiblichkeit war im Liebesfeuer zerronnen, und ein Heiligenschein war hervorgequollen und umfieng nun das Wunderbild, und die Züge wichen in ein mystisch glimmend Licht zurück, und wie mildes Oel floß von ihm die Anmuth aus, und sänftigte die Stürme der Zeit. So giengen Andacht, Liebe, Heldensinn in einen großen Strom zusammen, und der Strom gieng durch alle Gemüther durch, und befruchtete die reiche Sinnlichkeit, und es erblüthe der neue Garten der Poesie, das Eden der Romantik. Es war unterdessen aber auch tief im Süden ein anderer Geist und ein ander Gesetz gereift; wie ein sengend, wirbelnd, glühend Feuer, wie ein heißer Samiel war der wilde Mahomed aus Arabiens Wüsten hervorgebrochen; siedend Löwenblut trug dies Geschlecht in seinen Adern; entflammt von der scheitelrechten Sonne, entflammt von innerer Gluth und Enthusiasm kochte das Volk über die Ufer des weiten Welttheils in die Andern hinüber; Afrika war schon überschwemmt, und wie griechisch Feuer brannte die Masse noch auf dem Meere fort, und hatte bald Europa sogar ergriffen. Früher aber schon hatte sie die heiligen Oerter überfluthet, die Geburtsstätte der neuen Zeit, wo sie jung gewesen war, und ein Kind umwandelte unter den Greisen des Alterthums; hier wo wundervoll das große Himmelszeichen stand, an dem alle Völker vom fernen Norden herab aufblickten, und das sie wie eine Oriflamme zu einem Volk vereinigte; hier herrschte ein falscher Prophet, und brütete Gift im innersten Herzen selbst der Christenheit, das dann von dort durch alle Adern sich verbreitend sie zerstören sollte. Das mußte wie Aezstoff wund die stolzen, raschen, nordischen Helden nagen; es war unvergleichlich mehr wie Troja und wie goldnes Vließ, nicht die Schönheit war nur gefährdet, die Religion höher und werther ihnen als alles Irdische flehte um Hilfe und um Rettung ihrer Heiligthümer. Plötzlich fuhren Alle, wie von einem Strahl getroffen auf, es galt das Höchste was den Menschen in enthusiastische Bewegung setzen mag, und was irgend nur der Begeisterung fähig war, nahm Theil an dem großen Zuge um den Glauben und um Rache an seinen Verfolgern; und es wälzten sich Heere zahllos und muthig, alle Lanzen im electrischen Lichte des Enthusiasmus flammend, nach dem heiligen Lande hin. Und es begann der ungeheure Kampf des eisernen nordischen Ritterthums mit den Löwenschaaren, die Asien und Afrika ihm entgegen gesendet hatte: es faßten sich die Kämpfenden mit Kraft, es galt ob Erzes Macht, ob Feuers Gewalt das Stärkere sey; die ganze alte Welt war des Kampfes Zeuge, und viele aufeinanderfolgende Generationen sahen sein Ende nicht. So kehrten die alten mythischen Götterkriege unter den Menschen um die Götter zurück; so war die Geschichte zu einem großen religiösen Epos geworden, zu dem jede Nation ihren Gesang geliefert; der ganze Westen aber hatte zu einem großen Dome sich gewölbt, und nach Osten hin am Hochaltare da brannte umgeben von ernster Stille und verschwiegner Dunkelheit in mystisch wunderbarem Lichte das heilige Grab, und geöffnet war über der wundervollen Stätte die hohe Kuppel, und ein Strahl der göttlichen Glorie fiel auf den geweihten Stein herab, und aus ihm hervor quoll dann der Segen der Gnade über die frommen Pilger nieder,[281] die um das Heiligthum sich drängten, und wer den heiligen Gral erblickt, der veraltete nimmermehr, und kein Bedürfniß mogt ihn drängen, und des Todes Stachel stumpfte ab an ihm: im Chore aber erhob sich der Vatikan, und da saß auf hohem Sitz der Oberpriester und lenkte den Dienst, und herrschte über die Andacht der Gemeinde; und die Ritter kamen und legten ihre Trophäen zu den Füßen des Altares nieder. So war's ein Jauchzen, und ein Jubel und ein freudig Singen diese Zeit; die Pilger zogen in allen Ländern um, und sangen in Chören von den Thaten der Kreutzfahrer, und von der Wildheit der Unglaubigen, und von den Wundern des Landes, und Alles horchte den Gesängen, und den begeisterten Reden der Prediger, und fühlte sich auch erhoben, und wollte auch schauen das Wunderland und die gebenedeyte Erde: das andere Geschlecht aber, was nicht mitwallen konnte auf die weite Fahrt, faßte die Reden und die Lieder um so tiefer im verschloßnen Busen auf, und sie wurden der innerste schlagende Punct des Lebens, und erblühten in dem warmen Reviere schöner noch, wie jene Doppelblumen, die aus Blumenkelchen in die Höhe steigen, denn es war die Liebe, die sie trieb und pflegte. So trieben und drängten sich alle Kräfte zur Entwicklung vor, an der Liebe hatte die Andacht sich gezündet, an Dieser loderte Jene wieder höher auf; rückwärts wie eine Vergangenheit stand den Kämpfenden die Liebe im fernen Vaterlande, und ein inbrünstig Sehnen rief sie dahin zurück, vorwärts aber schwebte mit Zukunft und Ewigkeit die Religion, und die Palme winkte und die Myrthe, und die Liebe winkte der Palme zu, und es riß fort mit Zaubers Gewalt. Und die Quellen der Poesie, die im Orient sprangen, und jene die im Occident und im Norden entquollen waren, hatten sich gemischt, und der Orientalism war tief eingedrungen in die nordische Cultur; der Blüthenstaub der südlichen Poesie ward hinüber geweht in die westliche Welt, und es sprangen seltsame Mischlinge hervor, und es wanderten die Blumen von Süden hinauf, wie früher die Völker von Norden hinuntergewandert waren. Ein üppig Quellen und ein rasches Streben riß daher Alles in dem frohen Rausche hin, das ganze Gemüth war aufgeregt und glühte und schimmerte, und die Kunst war ins Herz des Lebens aufgenommen; und wenn die Sänger von Liebe und von Thaten sangen, und wenn die Ritter von innerer Herzensunruh und Thatendrang getrieben auf Abentheuer zogen, und wenn die Prachtdramen, die Tourniere, sie zum gemeinsamen Wetteifer versammelten, überall war's die innere Begeisterung, die übertrat und die Lebensgluth, die aus allen Pulsen sich ergoß. Ein schöner langer May war über Europa angebrochen, die Auen grünten jung und saftig, der bunte Farbenteppich war darüber hingelegt, und die Nachtigallen schlugen, und die Wohlgerüche zogen mit den Tönen, und in allen Gemüthern war ein tiefes Sehnen nach fremdem Land erwacht und ein kräftig Streben hatten sie aus blauem Aether eingesogen, und gestählt in der Gluth federten die Kräfte, und es trieb der freudige Jugendmuth. Alle europäischen Nationen aber nahmen Theil an diesem Lebensfeste, Alle vereinigte ein einig Band, der gleiche Trieb begeisterte ein jeglich Volk, und es war nur eine Erde und zwei Geschlechter auf dieser Erde. Frankreich, im Herzen Europa's liegend, hatte frühe schon[282] auch des Herzens Dienst versehen, es hatte zum Chorführer in dem Feiertanz der neuern Zeiten sich erhoben. Geschieden noch in eine Reihe selbstständiger Provinzen, deren jede ihrem eignen Genius folgte, und nicht geschmiedet war an gleiches Maaß und Gewicht einer herrschenden Verfassung, hatte es mit allen Völkern dadurch Berührungspunkte; der rege Trieb, der von ihm ausgieng, verbreitete sich daher über die Andern hin, und es faßte schnell wieder die Impulse auf, die von außen ihm geboten wurden. Die lateinische Sprache, in den früheren Zeiten als allgemeine Sprache herrschend, beförderte dabei unendlich diesen wechselseitigen Verkehr, und an ihr cristallisirten sich dann späterhin die einzelnen Idiome, jedes in dem Geiste des bildenden Volkes an, die daher Alle von ihrer Gründung her in diesem Medium zusammenhiengen. So gestaltete sich zunächst in jenem schönen Südlande, das im ältesten Alterthume, wo Griechenland im vollen Sonnenscheine der Poesie und aller Künste stand, an der Dämmerungsgränze lag, und schon an einem Reflexe des Lichtes sich erquickte, als noch der ganze Norden in tiefem Dunkel begraben war, die romantische provençalische Sprache, und gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts, da eben das barbarische Heldenzeitalter für diese Ritter, die zum Theil aus griechischem Blute entsprossen waren, zu Ende gieng, sangen die Troubadours, jene wunderbar begeisterte Generation, der die Natur selbst, wie den Singvögeln, die Gabe des Gesangs verliehen, und die himmelan sich schwingend in den geklärten Aether, zuerst die kommende neue Zeit mit ihrem Morgengesang begrüsten. Wilhelm Graf von Poitou führte den Reigen, nachdem eine Menge minder berühmter Künstler vorangegangen, und es folgte nun ein Drängen und ein feierlicher Zug aus allen Ständen; Priester, Layen, Könige, Herzoge, Ritter, Frauen, alles stimmte in den Dythirambus ein: als hätte ein Zauberstab das ganze Geschlecht berührt, Alle fuhren in schöner Begeisterung auf, und die Chöre zogen jubelnd, den Thyrsus schwingend zwei Jahrhunderte lang durch die Wälder, Burgen, Städte, und alle Echo's waren wach geworden, und alle Stummen der Erde hatten ihre Sprache gefunden, und es war ein Wogen und ein Rauschen und ein Schlagen der Gesanges Wellen, als hätte ein harmonischer Tonsturm die Zeit ergriffen. Es brach das Zarte durch die Rohheit, und die Liebe durch den Sinnestrieb, und die Religion durch die Weltlichkeit und des Lebens Ueberfülle; in freier Ungebundenheit spielte der Witz sein frivoles Spiel, und alle die Richtungen schossen durcheinander, wie bei'm Teppichwürken das Weberschiff durch die aufgezognen Fäden fährt; die bunten Bilder aber, die sich würkten, fielen auf die Erde, und wurzelten in ihr, und wurden neue, phantastisch seltsam zusammengesetzte Blumen. Was so im Uebermuthe der Begeisterung, und im freudigen Lebensrausche sich gebildet, das faßten die Herolde der Dichtkunst auf, und die Conteurs zogen im Lande um, und declamirten die Gedichte, und die Jongleurs stellten sie mimisch und dramatisch dar, die Menetriers aber statteten sie mit dem Zauber der Tonkunst aus. In der Poesie aber hatte sich aller Unterschied der Stände ausgeglichen; die Liebe schlug wie Himmelsblitz aus der Höhe in die Tiefe nieder, und zog sich wie ein Erdenblitz aus den Tiefen funkelnd, sprühend, schimmernd an den erhabnen Gegenständen hinauf,[283] und die Schönheit im Geschlechte fühlte sich eng mit der Schönheit in der Kunst befreundet, und ein Kranz der Freude und der Fröhligkeit schlang sich um den Sänger und seines Herzens Liebe her. Auch die Poesie daher war wieder dankbar und ergeben dem Geschlechte; gern mogte sie der Schönheit, als der höchsten Instanz in Geschmack und Angelegenheiten der Liebe huldigen, und so traten denn die Minnegerichte in der Zeit hervor; und es waren nicht Pedanten, die in critischen Blättern die Kunstgebilde mit plumper Faust zerpflückten, zarten Händen war die Pflege anvertraut, und was aus warmem innerm Leben hervorgequollen war, fand auch wieder warmes Leben außen vor, von dem es freudig aufgenommen und geborgen wurde. So hatte die Sirene der neuen Zeit in diesem Land begonnen, und ob den Tönen erwachten nun auch die Sirenen, die rund umher in den andern Gebürgen schliefen; sie fielen in die Accorde ein, und schwellend erhoben sich die Gesänge, und flutheten, immer weitere Kreise schlagend, über den ganzen Welttheil hin. Jenseits der Pyrenäen hatten die Spanier, ein schwer, gediegen, gemüthvoll, tonreich Volk sich gesammelt; da trugen die Mauren afrikanische Sonnengluth hinüber in die Zaubernacht, und bluthroth begann die Nacht zu flammen, und in dem Brande kämpfte sich der Kampf um den Himmel und den Propheten, und es tönte Schwerdtesschlag heraus und Waffenklirren, Cid's Schlachtruf dem Kriegsgeschrei voran, und wieder tiefe Stille und durch die Ruhe Lautenton und der Romanze wunderbarer, gedämpfter Schall, gleich unterirdischer Wasser Rauschen; dann wieder Glockenruf und Hymnenfeyer, orientalisch Liebesschmachten und Gegirre unter Brunnenrieseln, und wieder Lanzensausen, Todtenklage, Siegsgeschrei. So war das Leben diesem Volke eine große Schule, es hatte ein herrlich, göttlich Heldenthum im Kampfe mit den Heiden sich errungen, damit trat es in sich vollendet in den Völkerkreis, und es klangen die Gesänge mit den Gesängen der Provençalen in eins zusammen; es waren versunken für die Kunst die Pyrenäen, und die Castilianer, und Catalonen und die Arragonier, Alle bildeten sie mit jenen südfranzösischen Dichtern nur einen Chor; und es war ein Leben nur in ihnen und eine Harmonie und ein Wetteifer; und das Reich der Poesie war wie der Kirche Reich nicht an die politischen Gränzen gebunden, sondern reichte hoch oben durch die Lüfte und das Firmament über alle Völker her. Auch im Norden hatte derselbe Geist gezündet, jenseits der Loire in der Normandie und Bretagne war ein eigner Dichterstamm, die Trouveurs, hervorgegangen; und es klangen in ihnen die Töne der südlichen Sänger weiter, aber durch die Töne rauschten hörbar andere Accorde durch, die nordischer Geist ihnen eingegeben hatte: während die Provençalen der Lyrik sich zuwanden, trat hier mehr herrschend das Epische hervor. Denn wie die Provençalen die Spanier in ihren Bund aufgenommen hatten, so kamen diese Dichter unmittelbar von der Hälfte des eilften Jahrhunderts an, nach der Eroberung von England, mit dem Volke dieses Landes in Verkehr, gaben Impulse und empfiengen welche, und dort, wo früher schon die caledonischen Barden gesungen hatten, wo die Poesie vielleicht nie ganz ausgestorben war, blühte sie nun von neuem in den Mynstrels auf, und es war ein neuer Grundton zu dem großen Chorgesang[284] hinzugekommen. Und es drangen die Provençalen auch über die Alpen vor, und trafen in Italien auf einländische, eigenthümliche, genuine Kunst und Poesie, und vermischten sich mit ihr, und wie später die Normannen in Sizilien sich festsetzten, drangen auch die nordischen Radiationen von Süden wieder reflectirt nach Norden hinauf, und über den Trümmern der alten Zeit durchkreuzten sich alle die mannigfaltigen Bestrebungen, und sogen vom Geiste des Alterthumes ein, der noch aus den Ruinen erquickend und belebend dampfte, und es erklang abermal ein neuer Grundaccord, und schmiegte sich den andern bei, und lauter rauschte der Gesang einher. Auch Griechenland war nicht gestorben; die alte Brücke, die Xerxes zwischen Asia und Europa geschlagen, stand noch in diesem Reiche: da wanderten die fantastischen Feuergeburten des Orients in den andern Welttheil hinüber; Susa, Ecbatana, Persepolis, Babylon, Chaldäa und Assyrien, Kleinasien, alle die versunknen Gewalten der untergegangenen Welt gehorchten dem Geisterbann und schritten durch die Kreise, noch einmal hob die uralte Zeit müde ihr eisgraues Haupt aus dem Grab heraus, und sah staunend in die Gegenwart hinein, und die Gegenwart sah staunend die verblichene Gestalt über den Gräbern wankend stehen, wie seltsame Visionen sie umkreisten, und verwitterte Schatten in den Gewölken um sie lagen, und da das alte Haupt zur Ruhe sich hingelegt, und die Schatten versunken waren und die nebelnden Gestalten: da erzählten die Neugriechen in exaltirter nachglühender Phantasie was sie gesehen, wie der Welttheil zur Todtenhalle sich gewölbt, und wie die großen Verstorbnen dort wandelten, und wie ihre Schatten noch umgiengen oben in des Tages Licht als Sagen, und die Völker hörten freudig erstaunt sie reden, und von Munde zu Munde pflanzten sich die Traditionen fort, von den Pilgern und den Kreuzfahrern umgetragen, und auch sie sangen in die Poesie der Zeit hinein. Tief im Norden aber, wo der Himmelsdrache den Scheitel eng umkreist, war der dunkle Bogen aufgestiegen, und es schossen da und dort Blitzlichter heraus, und die Dunkelheit sog sie wieder ein, und sandte neue stärkere hervor; und die Lichtsäulen stiegen an den Sternen auf; und eng durchwebte mit den Strahlenschüssen sich der Himmel, und die fahrenden Lichter zischten, und Geister sausten, und ein unerklärbar Getöne zog durch die Lüfte, wie Pfeilgeprassel und Helmgeklirr, und es öffnete sich der mitternächtlich dunkle Bogen, und es stand im lichten Glanz ein neuer Götterhimmel. Die Feuerbrücke und an ihr die Himmelsburg, Thor's vielgewölbte Halle, die Elfenwelt, Asgard, wo in goldnen und silbernen Pallästen die ewigen Götter und die Göttinnen wohnen, und Walhalla von Gold gebaut, unabsehbar groß, mit fünfhundert vierzig Thoren, mit Lanzenschaften getäfelt, mit goldnen Schilden gedeckt, wo Odin mit den gefallenen Helden schmaust; Ymer aus dessen Fleisch die Erde geschaffen, aus dem Gehirne der Himmel, aus den Knochen die Felsen, und die Eisriesen von Schnee und Reif zusammengeronnen in der Ferne kämpfend; die Nornen, die das Schicksal regeln aus dem Wunderborne steigend. Und die Wolen zogen weissagend um, und die Walkyren webten in dem Hügel das Gewebe der Schlacht mit Gedärmen der Menschen, von Männerschädeln die Fäden gezogen, blutige Lanzen die Tritte, Pfeile die Schiffchen, mit[285] Schwerdtern wird das Todesgewebe geschlagen und schnell fliegen sie dann auf eilenden Rossen hinweg. Oben am Pole aber zuckt an dem Hamen des gewaltigen Donnerers die giftige mitgardische Schlange, und dazwischen tönen Skaldengesänge und Todtengesänge und feiernder Hymnen Schall. So hatten denn die Wechselchöre von allen Seiten her Teutschland umzogen; es konnte nicht stumm bleiben in dem lauten sangvollen Leben: von allen Gebürgen riefen sie in Strophen und Gegenstrophen antwortend einander zu; was klangbar nur in ihm war, mußte wohl sich regen, es mußte resoniren bei so vielfältiger Berührung. Der alte inländische Bardengesang war mit dem in Eindringen des Christenthums verhallt; es erwachte bald ein anderer Dichterkreis; am Rheine und in Schwaben, der Provence von Teutschland, wurden die ersten Stimmen laut, es zündete Stimme sich an Stimme an, durch Franken, Thüringen, Sachsen bis nach Oesterreich rauschte bald der Gesang dahin. Die Minnesänger waren aufgestanden, und es war die weisse Rose, die in ihnen blühte, während die Purpurrose sich in den Troubadours entfaltete. Schuldlos, einfach, herzlich, zart und innig war die Liebe, die sie sangen; würdig, ernst und brav und edel der Ton, in dem sie Thaten prießen und Männerstreben; der Geist des Volkes redete aus ihnen. Es hatte die Nation, nachdem sie eifrig für ihre alten Götter und ihren alten Glauben gekämpft, die neue Religion in ihre gothischen Tempel aufgenommen, und der geheimnisvolle Geist, der unter den hochgewölbten Hallen webte, hatte sich herabgelassen auf die Betenden, und war eingedrungen in die stillen ruhigen Gemüther, und sie waren auch Tempel ihm geworden, und in die Dämmerung goß er seine Strahlen aus. Es war die Gemeinde fromm im Glauben, aber keck und frei im Leben, weil Sinn und Lebensmuth sie trieb. Eine sonderbare Verfassung hatte sie sich zugebildet, verschränkter, durcheinandergewundner Arabeskengeist; ein seltsam, sprossend, rankend Geschlinge vielfach verschiedner Formen, jede fleissig bis in's Einzelne ausgeschnitzt, nirgend Monotonie und herrschende Uebermacht, das Ganze in freier Willkühr erfunden und kunstreich zusammengesetzt. Unabhängiger Sinn war herrschendes Prinzip in der ganzen Construction; während die Ritter daher auf ihren Burgen haußten, und Ritterwerk und Kriegsspiel übten, hatte in den Reichsstädten auch ein Ritterthum der Bürgerlichkeit sich gebildet, und es war ein schönes rasches Leben in diesen nordischen Republiken, ähnlich dem wie es früher in den Griechischen bestanden hatte, und gleichzeitig in den italiänischen Freistädten bestand. Muthiger Sinn für Recht und Ehre trieb diese Heldenbürger, wie Inseln waren ihre Städte reich und blühend über das stürmische Meer der Zeit hervorgetreten, und sie hatten ein Vaterland in ihnen zu bewahren; Jede hatte daher eine Geschichte und ein Ahnenreich gewonnen; kühn kämpften sie jeder Uebermacht entgegen, römischer Geist der bessern Zeit trat in Kriegesläuften, nichts Seltenes, hervor, und in ruhiger Zeit pflegten sie gleich sorgsam alle Friedenskünste, und wie die Hansestädte mit ächter, vielleicht ausgestorbner, Genialität den Handel trieben, und einen mächtigen Bundesstaat bildeten, so waren die Binnenstädte die unmittelbaren Organe des innern Verkehrs, des Kreislaufs und der Assimilation. Selbst der Bauernstand hatte[286] später etwas in der Schweiz Ritterehre sich erkämpft; eine Hirtenrepublik hatte auf ihren Gebürgen sich gebildet, und wenn auch vielleicht ihr Streben für die Poesie unmittelbar verloren war, so war es das doch keineswegs für die Poesie des Lebens. Und auch die Fürsten blieben bei dem allgemeinen Wetteifer nicht zurück; man weiß, wie die Kunstgeschichte teutsche Kaiser und Fürsten jeder Art unter den Sängern dieser Zeit aufführt. Und so mußte denn in diesen Tagen, wo die Nation noch nicht unter fortdauernden Kriegsplünderungen und Friedensdruck verarmt, mit dem Wohlstand auch eine eigene selbstständige Poesie erblühen: es war die Begeisterung der Natur in dem Lande noch nicht erloschen, sie konnte die teutschen Weine treiben; in der Begeisterung, die erwärmend die Kunst anregt, mogte nichts Schlechteres reifen. Während daher die Minnesänger in lyrischem Enthusiasm die Liebe sangen und des Gemüthes Sehnen, und leicht wie den Federball das leichte Wort handhabten, und in zierlich schönen Bogen und reizend gefälligen Formen hin und zurück, sinkend und steigend durch die Lüfte trieben, sangen der Aventüre Meister in größeren Gesängen die epische Kraft, die wie eine Gottheit verborgen in tiefer Menschenbrust wohnt, und That mit That, wie die Natur Welt mit Welt verkettet, bis um den Menschen her sich das Leben wie eine romantische Wildniß zugezogen hat. Und sie boten dem allgemeinen Verein zuerst, was unmittelbar auf ihrem Boden sich erzeugt, das Nibelungen Lied, jenes große Gedicht, wahrscheinlich in naher Berührung mit der nordischen Heldenmythe hervorgegangen, die der Normänner Züge bis nach Italien hinunter frühe schon verbreitet hatten, und die gerade um diese Zeit, im 12ten und 13ten Jahrhundert, Saemund und Snorre in der Voluspa, der Heimskringla, Edda, Rymbegla und so vielen andern Dämosagen sammelten. Ein großes Denkmal hat sich die große Zeit in diesem Werk gebaut, nicht in Marmor rein und in allen Umrissen plastisch vollendet, wie die Ilias, ist das Gedicht gedichtet, sondern eine Rune in festen Granit gedacht, als ob ein ganzes Gebürge, der Athos, zur Bildsäule gebildet wäre, und zum Male einer mächtigen riesenhaften Vergangenheit aufgerichtet, durch den ganzen Welttheil herrschte und durch die ewige unergründlich tiefe Zeit. Und es war das Heldenbuch hervorgegangen, die Gigantomachie der gothischen, vielleicht longobardischen Periode; es hatte in ihm die Poesie den Seidenfaden um ihren Zaubergarten hergezogen, und es freute sich die Nation der rüstigen Kämpfer, die kamen um ihr die Kränze abzugewinnen. Und viel waren deren, die um die Kränze rangen, was die Zeit nur von poetischem Stoffe aus den Tiefen des Gemüths heraufgeworfen hatte, das faßten Diese auf, und eigneten es dem Geiste ihres Volkes an, und sangen es in teutscher Zunge wieder. Die Engelländer boten ihren Artus mit der Tafelrunde, sie und die Franzosen hatten in ihm einen Dichterkreis geöffnet und die Teutschen schlossen in ihren Gebilden ihn wieder. So war der herrliche Titurell unter Albrechts von Halberstadt Pflege hervorgegangen; so der wundersam verschlungene, abentheuerreiche, thumbe Parcifal des Wolfram von Eschenbach; so der Thaten- und zaubervolle Löwenritter des Hartmann von der Aue, Lancelot vom See von Ulrich von Zezinchoven, der Wigolais des Wirich von Grauenberg, Daniel[287] von Blumenthal und so manche Andere, die untergegangen sind. Die Franzosen und die Italiäner aber hatten den Kreis von Carl dem Großen und seinen Genossen gegründet, und die Teutschen nahmen davon Rolands Thaten in ihrem Stricker, und Reinold und Malagis, und Ogier von Dänemark auf. Und während von andern Helden Rudolf von Montfort, und Ulrich von Thürheim, und Conrad von Würzburg und Viele außer ihnen in kräftiger, derber, mannhafter Sprache sangen, dichtete Gottfried von Straßburg nach britunschen Mähren den galanten, zierlichen Tristan, und es gestaltete sich die heroisch kindliche Idylle Flore und Blantschiflor, und Lothar und Maller, das schöne Bild treuer Ritterfreundschaft, und im Freydank und im Renner, und dem welschen Gaste, und dem Windsbeck und der Windsbeckin und vielen Andern hatte die Nation ihre Gnomen und didactische Poesie niedergelegt. So war mit kräftiger, nahrhafter Lebensprosa geistreiche und begeistigende Poesie verbunden, und wie Wetterleuchten schlug dann durch das Alles der muthwillige, kecke Scherz hindurch. Zünftig war der Witz in den Hofnarren geworden, die Zeit hatte den Fürsten den erhaben geschliffnen Spiegel zugegeben, aus dem ihr verkleinertes und verschobenes Bild spöttisch sie an lachte, und was unter der Schellenkappe der freie Geist gestaltete, war als ein bewußtloses Naturproduct anerkannt. Und dramatisch hatte dieser Geist in den vielen seltsamen, barocken Festen, den Narren- und Eselsfeyern sich offenbart, und es hatte darin die Zeit, die nichts was natürlich und menschlich zu unterdrücken wußte, auch dem Harlekin im Menschen freien Lauf gelassen, und er sprang mit raschen Sätzen vor, und trieb sein loses Spiel mit Allem, was auf Ehrwürden Anspruch machen wollte. Er brachte zum Dank dafür die zahllosen Schwänke und komischen Erzählungen und in einer Anwandlung von Bitterkeit und Ernst auch selbst Reinecke Fuchs, jenes große Weltpanorama, mit, und Alle sind als ein Vermächtniß dieser Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Keine Menschenkraft war auf diese Weiße stumm geblieben, Alle sprachen, Alle rangen im gemeinsamen Wetteifer, wie die Sänger auf der Wartburg, im Angesichte der Nationen; und es war ein großer kunstreich verschlungener Tanz, in dem sich die ganze Generation bewegte, und in eine schöne wundersame Arabeske war das Geschlecht verwachsen unten mit dem Blumenreich und oben mit dem Himmelreich, und es sangen alle Vögel in den Zweigen, und die Kinder spielten in den Blumen, und es rührten schöne Frauen die Laute in den Schirmen, und es hasteten geharnischte Ritter durch das Dickigt, und kämpften mit Serpenten, und Eremiten knieten betend, und auf bunten Libellen trieben die Scherze sich umher, es giengen Löwen stolz und freudig an der Minne Zügel, und das ganze Gewächs tränkte Himmelsthau und der Erde Mark, in dem sich auch die Rebe nährt.
Und wo ist all dies freudige Leben hingekommen, hat es in der Erde Klüfte sich gezogen, um zum neuen Springquell sich zu sammeln, sind die Zeiten alt geworden und senken sie kraftlos das graue Haupt der Erde zu? Nachdem jene hochpoetische Zeit vorüber war, da begann noch einmal jener glühende Feuer- und Farbenregen, in den die wiederauflebende Mahlerei in Italien und in Teutschland und den Niederlanden sich aufgelöst; es waren die[288] fallenden Sterne vor dem jüngsten Tag der Kunst, und nachdem die großen Genien der neuern aufgestanden und wieder hingegangen waren, nachdem Shakespeare das offne Himmelsthor geschlossen hatte, da erfolgte Todesstille und Verkehrtheit auf lange hin: der Antichrist war nun gebohren. Denn ewig beherrscht der Kreis alles Menschenthum, es ist eine Achse in die Mitte der Natur eingeschlagen, und der Stolzeste hat sein Band dort festgeknüpft, an dem ihn das Verhängniß in seiner Bahn umtreibt; nur höhere Geister sind freier auch gelassen, und mögen auf des Lichtes Flügeln frei durch die Räume eilen. Mit dem Kreislauf aber ist ewiger Wandel auch und ewige Wiederkehr gegeben; unaufhaltsam dreht sich das Rad der Dinge jetzt durch den Winter durch und dann wieder durch des Frühlings Blüthen; keine Macht kann seinen Schwung aufhalten, keine Kraft es in seinem Umlauf fesseln, daß ewig der Tag am Himmel stehe, und nimmer die Sonne sinkt. Es war der junge Frühling alt geworden, seine Blüthen mußten fallen. Es hatte die Erde sich an den Himmel angelegt, wie der Säugling an die Mutterbrust, und sich freud- und lebenvoll gesogen; sie war erstarkt und sollte sich entwöhnen; die Reformation strebte auf eigene Füße sie zu stellen. Um die gleiche Zeit war die entlassene Erde auch zum vollen Selbstbewußtseyn erst gekommen; sie hatte sich in ihrer Kugelform erkannt, es hatte der spähende Verstand eine neue Welt entdeckt, und in ihr das Brod der irdischen Natur, das Gold, Nahrung für das Geschlecht und Ersatz für jene Schätze, denen es entsagt. So wandte der Erdgeist sich vom Aether ab, er kehrte in sich selbst zurück, und suchte in der Tiefe andere Gaben, als jene die der Himmel spendet; es mußte die Poesie entfliehen, Alles mußte gegen die Industrie sich wenden; von dem was früher geblüht, suchte man die Früchte itzt am Boden auf. So ist denn unsere Zeit, nachdem es Abend vielmal und Morgen geworden, auch geworden, und Gott sah, daß sie gut war in ihrer Schlechtigkeit. Kraftlos nicht, aber unendlich betriebsam und verständig hat in ihr der Erdgeist zwischen Gold und Eisen sich getheilt; mit dem Stahle wühlt sie in den eignen Eingeweiden nach dem Bezoar, der sie heilen soll; denn Leichenblässe liegt auf ihrem Angesicht, und Krämpfe durchzucken ihr Gebein; wie sollte sie Gesang und Saitenspiel da mögen! Und es ist rührend, wie immer noch nicht die Sänger weichen wollen; alles Laub ist gelb geworden, jeder Windhauch löst mehr und mehr der dürren, verspäteten Blätter ab, und sie fallen langsam traurig zu den andern Leichen nieder; immer aber sitzen Jene noch auf den kahlen Zweigen, und singen unverdrossen fort, und hoffen, harren, klagen, und immer tiefer sinkt die Sonne, länger weilt nach jedem Tag die Nacht, und die kalten dunkeln Mächte greifen immer tiefer in das Leben ein. Fliegt nach ihren Städten, laßt euch haschen, singt im Käfig, sie streuen euch dafür euer Winterfutter. Nachdem wir viel Hoffarth und Uebermuth getrieben, nachdem wir in Opium unseres Lebens innern Stoff versoffen, ist die Zeit der elegischen Stimmung nun gekommen, und wir werden viel thun in der Gattung, ohne daß es irgend besser würde. Aber das werden wir gewonnen haben, daß wir in der Zerknirschung wieder achten lernen die Zeiten und die Geister, die vor uns gewesen, die auch gestritten und getrachtet und gekämpft, und die uns[289] unter andern auch die Ehre zum Erbtheil hinterlassen haben, die uns verkommen ist. Wir standen so hoch und warm in unserer Höhe von Wonneseligkeit so trunken; es war eine gesegnete Zeit, an der alle vorhergegangenen Jahrhunderte keuchend trugen, wie Atlas an der Himmelskugel; es war so dunkel, ach so fürchterlich dunkel hinter uns in diesem Mittelalter, und um uns her so licht und unaussprechlich klar; es war ein so stolzes Gefühl mit den Ueberbleibseln dieser barbarischen Zeit unser eigen Werk zu vergleichen, und das kindische Lallen der rohen ungeschliffenen Naturmenschen anzuhören, und wie sie schwer und mit gebundenen Füßen nach der Schönheit giengen, die unsere Journale in kinderleichtem Spiel wegpflücken; wir wußten Alles und aus allen Zeiten besser und dauerhafter in unserm eigenen Vaterlande zu vollenden, und konnten unsern poetischen Staat zum geschlossenen Staate machen: da kam der Widersager und versuchte uns, das war ein greuelvoller Anblick, der uns versinken machte, und wir schielen nun nach dem Himmel hin, ob der sich nicht erbarmen mögte. So ist die Hoffart zu Fall gekommen, und so wird's ewig seyn, bläht euch, treibt euch hohl von innen auf, ihr gewinnt an Breite wohl, aber alle Gediegenheit ist hin, und ein Spott der Winde schwankt ihr ängstlich da: reißt gewaltsam aus dem Leben euch heraus, es wird euch verlassen, wenn es am nöthigsten euch thäte, und wenn ihr eben gerüstet steht zum Kampfe um Alles und um euere Existenz, dann wird der fatale Schwindel kommen, und ihr seyd impotent und lahm.
So wäre es daher verständig wohl, nicht ferner mehr so sehr zu pochen auf das was wir geleistet, und bey unsern Vätern anzufragen, daß sie in unserm Misere uns ihren Geist nicht vorenthalten, und uns erquicken in unserer Noth, mit dem was Gutes und Schönes sie gebildet: sie sind immer die Nächsten uns, und werden es uns nicht entgelten lassen, was wir in den Tagen unseres Stolzes gegen sie verbrochen haben. Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, sie herabzusetzen so ganz und gar gegen die alte classische Zeit in Griechenland; die Griechen mögten sonst, wenn wir so gar knechtisch von unserm und unserer Väter Naturelle denken, uns wohl für Heloten nehmen, die sich mit ihrer Herren Sitte und ihrer Art nach gemeiner Sclaven Weise blähen wollten, und das würde uns wieder sehr empfindlich fallen. Es war wohl allerdings eine herrliche Zeit, diese Griechische, gerade deswegen weil sie Alles hatte, was uns nach und nach hingeschwunden ist: Lebensmark, und Trotz und freie Besonnenheit im raschen Thun und Treiben: sie mußte Treffliches wohl bilden, und das Trefflichste im engsten Kreise concentrirt mußte classisch werden. Diese Concentrirung war nicht in der neuen Zeit, dagegen trat das Unendliche ein in sie, und mit dem Uebergang in's Geisterreich konnte nun physische Geschlossenheit nicht mehr bestehen; im Uebersinnlichen sind nicht begränzte, scharf geschnittne Crystalle, aber es ist unendliche Crystallisirbarkeit, ein schwebend Formenreich, das nur mehr Magnet bedarf, um anzuschießen in die einzelne besondere Gestalt. So war die Aufgabe der neuen Zeit eine Unendliche, ihr könnt von einem endlichen Zeitraum nicht fodern, daß er das ganze Problem nett und rein auf einmal euch löse. Das Mittelalter hat kein rein classisches Werk hervorgebracht, aber[290] es hat die Schulschranken der alten sinnlichen Classicität durchbrochen, und eine Andere, Höhere begründet, an der alle Zeiten zu bauen haben, weil in keiner einzeln die Quadratur des Zirkels gefunden werden kann. Denn herrlichen Torso der Kunst hat die alte griechische Zeit gebildet; aber blind war wie die alte Plastik die treffliche Gestalt, das tiefe, schwärmerisch versunkene Auge hat erst die Romantik ihm gegeben, und die nordische Schaam hat freilich dafür den schönen Körper in die Drapperie des Gewands verhüllt, das symbolisch nur die Formen der Gliedmaßen anzudeuten hat. Lassen wir so jeder Zeit ihr Recht, die Zukunft wird uns auch das Unsrige lassen; jede schnöde Herabwürdigung, jede einseitige Aufgeblasenheit ist verwerflich in sich selbst, und muß endlich am eignen Selbstmord sterben. Es würde kläglich seyn, wenn je die Achtung und die Liebe für griechischen Sinn und griechische Kunst unter uns aussterben sollte, besonders itzt, wo beide Nationen sich wenigstens im Unglück gleich geworden sind: aber wenn wir selbst unsere Eigenthümlichkeit nicht geltend zu machen verstehen, dann laßt uns vor allem doch nicht so leichtsinnig das Andenken an Die hingeben, die recht gut die Ihrige zu vertheidigen wußten. Wenn es uns gelingt, einen Theil des Geistes, der in ihren Werken lebt, in uns einzusaugen; wenn wir unsere Frivolität umtauschen gegen den gediegenen Sinn, in dem sie handelten; wenn wir versuchen, da wir nun so vernünftig sind, auch verständig endlich einmal zu werden, um nicht so gar plumb und ungeschickt durch's Leben durchzustolpern: wenn wir endlich einen Theil unserer übermäßigen Fügsamkeit ablegen und unseres taubensinnigen Langmuths, der Alles wohl sich gefallen läßt, und dann plötzlich und spröde ohne Uebergang und Besonnenheit reißt und bricht: dann mag Alles sich wohl noch zum Besten wenden. Nur wer es werth ist, daß die Geister ihm erscheinen, dem mögen sie sich helfend nahen!
Es führt ein leichter Uebergang zu dem Gegenstand zurück, dem uns jener Anflug von Begeisterung entführt: aus dem Zeitalter, das wir prießen, sind die Volksbücher meist hervorgegangen, mit deren Anschauung wir uns beschäftigt haben; was wir über sein Wesen ausgesprochen, gilt auch von ihnen, die sie Kinder sind von dieser Zeit und noch stehende Ruinen. Es war die ganze Masse der Nation so bis in's Innerste erregt, das bis zu den untersten Classen die Begeisterung drang, und wenn die große Menge einmal schwankend sich bewegt, dann legen sich sobald nicht die Wellenschläge wieder: bis heute sind jene Gesangeswellen dem Volke nicht zergangen, während zu ihrer Schande, Jene die sich die Gelehrten nennen, rein das Andenken verloren hatten an die ganze Zauberwelt, in der ihre Vorfahren gewandelt waren. Und so reich war diese Welt, daß nicht die Vornehmen blos reiche, zierliche Kleider zu ihrem Antheil bekommen hatten, und schöne, goldgestickte Wat, in dem sie prangen mogten; auch der gemeinste im Volke erhielt ein weisses reines Gewand zum Feierkleid, und man muß dem Volke Zeugniß geben, daß es die Gabe wohl bewahrt, sorgfältig sie in seine Schränke eingeschlossen, und noch jetzt ihrer an seltnen Tagen sich erfreut; während die höheren Stände alle ihre Pracht sündlich versäumt und hingegeben haben, weil sie immer nur der Mode fröhnend, kein Herz für den alten Plunder haben konnten. So hat die alte[291] Zeit verbannt bei'm Volke sich verbergen müssen, und das Volk ist rein auch allein vom Schimpfe der bösen Zeiten geblieben, die sie verdrängten. Wollt ihr sie suchen die Verwiesenen, ihr müßt sie bei'm Volke suchen, wo sie noch im Leben gehen, und im Staube der Bibliotheken, wo sie schon viele Jahrhunderte den Winterschlaf gehalten haben! Wecken wir sie denn aus dem langen Schlummer auf, sie werden Wunder staunen, in welchem Zustand sie die Enkel finden; die kleine Schaamröthe mögen wir immerhin über uns ergehen lassen. Und wenn sie denn nun wachen, und wenn sie unserer sich angenommen haben: dann um's Himmels Willen! laßt uns das alte Affenspiel nicht wieder auch mit ihnen treiben, und wie Knaben hinter ihnen ziehen, und grimassirend, voll Affectation und hohlem, taubem Enthusiasm, ihre Haltung und ihr Geberdenspiel und Alles ihnen nachstümpern, daß es ein kläglicher Anblick für Götter und Menschen ist. Ernst und würdig sind die Gestalten, zu edel für eine solche Mummerey; wenn wir sie dafür mißbrauchen wollen, dann lassen wir sie lieber unten schlafen. Nimmer läßt sich, was eigenthümlich einer Zeit und einer Bildungsstufe ist, in einer Andern unmittelbar objectiv erreichen. Es kann wohl das Genie das Vergangene eben auch zum Objecte seiner bildenden Thätigkeit erwählen, es wird alsdann das Wesen des Alten in die Form des Neuen umgebildet oder auch hinwiederum das Wesen des Neuen in die alte Form übertragen, und es entsteht eine halbschlägige Natur, die aber immer ihre innerste Wurzel in der Gegenwart hat. Das aber ist's nicht, was vor der Hand uns noth thut, nicht daß wir das Alte umbilden nach uns selbst, wird an uns gefordert, sondern daß wir uns in etwas nach dem Alten bildeten; daß wir an ihm aus der Zerflossenheit uns sammelten, in der wir zerronnen sind; daß wir einen Kern in uns selbst gestalten und einen festen Widerhalt, damit in uns nicht das eigene Selbst fernerhin verloren bleibt, das wird uns angemuthet. Ernst sollen wir und Würde von diesen ernsten Gestalten lernen, die uns Beide so unendlich im Leben fehlen: im Vertrauen auf uns selbst sollen wir unsere Eigenthümlichkeit ausarbeiten, wie sie die Ihrige ausgearbeitet haben, aber wir selbst aus unserm eignen innern Lebensgrund hervor, nicht wie dummes Blei uns abermal in ihre Formen umgiessen lassen; in unser Inneres sollen wir einkehren, und dort wo's bei'm Anschlagen so hohl und hölzern klingt, wieder Natur und Innigkeit und gediegene Festigkeit zurückrufen; jenes unmäßigen Affengenie's sollen wir in ihrem Angesicht uns schämen und unserer leeren Ziererei, unseres prahlerischen Renommirens: dann werden auch die Götter gnädig seyn, und bessere Zeiten senden.
*
Was hier als ein kleines, selbstständiges Werk erscheint, sollte Anfangs nur als abgerissener Aufsatz in einem periodischen Blatte seine Stelle finden. Gewohnt indessen, was ich ergreife, mit Ernst und Liebe zu umfassen, gab ich bald dem Interesse des Gegenstands mich hin, und die Blätter fügten sich von selbst zu einem Buch zusammen. Es wird sich indessen bei näherer Ansicht wohl ergeben, daß nicht ein Wort zuviel im Buch[292] geschrieben ist. Wohl aber mögen Manche, die sich darin finden sollten, fehlen. Ein Gegenstand, der tief in die Literatur des fernen Mittelalters greift, fordert, wenn er für die Betrachtung völlig erschöpft werden soll, ungewöhnliche Hilfsmittel, die mir keineswegs zu Gebothe standen. Es war keine öffentliche, große Bibliothek, die ich zu dem Zwecke benutzen konnte: blos eine Privatsammlung, die des Herausgebers vom Wunderhorn, die aber freilich gerade für meinen Zweck vollständiger gesammelt hatte, als wenige Oeffentliche wohl mögen, hat mir meist Alles das geboten, was ich in meiner Schrifft verarbeitet habe. Es ist wohl möglich, das ganze Gebiet des menschlichen Wissens in seinen allgemeinen, großen Massen zu überschauen; es ist möglich, mit dieser großen Weltanschauung auch noch die besondere spezielle Anschauung eines einzelnen Faches bis in seine untersten Elemente zu verbinden, aber dies Detail bis in alle Fächer hin zu verfolgen, übersteigt eines Menschen Kraft. Darum ist die Einrichtung getroffen, daß mehrere Menschen sich in die einzelnen Zweige theilen, und Alle zusammen nun diese Atomistik der Wissenschaft zu vollenden streben. Der strenge Literator wird daher in meinem Buche nicht jene elementarische Vollständigkeit suchen dürfen. Ich habe zwar auch darin nichts von dem aus der Acht gelassen, was mir irgend zugänglich war, und Mancher mögte denn doch hie und da durch Resultate sich überrascht finden, zu denen ihm gerade die Thatsachen nicht vorgekommen waren. Aber im Gebiethe der Gelehrsamkeit ist's wie in dem des Reichthums, ein guter Wohlstand will neben Millionen nichts bedeuten, weswegen denn auch die Gelehrten und die Kaufleute im Hochmuth und im Dünkel sich oft so ähnlich sehen. Ich nähere mich daher von der Seite nur mit großer Bescheidenheit den Bänken unserer gelehrten Wechsler; ich kann nur auf eine honette bürgerliche Wohlhabenheit Anspruch machen. Es ist aber ein Anderes noch im Buche, aus dem aber gerade Jene sich nicht viel zu machen pflegen, das ich etwas höher halte, obgleich ganz moderat, wie sich's gebühren will. Wenn es darauf ankömmt, aus dem eignen Leben etwas in's Nachgebildete überzutragen, wenn es darauf ankömmt, das Einzelne jedesmal in der Gattung zu sehen, die großen Umrisse durch alle scheinbare Verwirrung zu verfolgen, jedes aus dem richtigen Gesichtspunkte anzuschauen, Allem sein Recht widerfahren zu lassen, und von jeder kleinlichen Beschränkung fern, das Ganze recht ganz und unzerstückt aufzufassen: dann mag ich keineswegs mich unter die Letzten stellen. Aber Das wünschte ich, daß Diejenigen, die sich für unsere alte Literatur, und insbesondere für diesen Zweig derselben interessiren und die an größeren Bibliotheken auch größere Instrumente ihrer Wirksamkeit besitzen, darauf achteten, was ihnen zur weitern Aufklärung dieses Gegenstandes vorkommen mag. Die Heymonskinder, Siegfried und Andere bedürfen noch sehr weiterer Beleuchtung. Der Literarische Anzeiger würde ein bequemes Medium der Mittheilung des Aufgefundnen seyn, und die Verlagshandlung würde es allenfalls auch gern als Anhang zu meiner Schrifft übernehmen.
Am Schlusse wünschte ich, daß man meinem Buch das thun mögte, was ich an Diesen Büchern gethan.
Heidelberg im July 1807.[293]
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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro