4. Scene.


[13] Vorige. Fritz Baumiller.


BAUMILLER ein Mann in den fünfziger Jahren in halb ländlicher Tracht. Gut'n Abend bei einander!

ALLE. Gut'n Abend!

WIRT. Grüß Gott, Herr Baumiller! Sind's fisch'n g'wes'n?

BAUMILLER. Na, heut hab' i's amal probirt, ob i noch zeichnen kann. I war in Ettal.

TRAUDL zu Lehnl. Sixt es, daß i recht g'seh'n hab'; das is a braverer Mann als du, der geht bet'n. Hab' ihn in der Kirch' drin' g'seh'n.

LEHNL. Hätt' eher denkt im Wirtshaus!

TRAUDL. Was thät' denn i im Wirtshaus?[13]

LEHNL. Was halt ander' Leut' drin thun: eß'n, trink'n und recht g'scheidt red'n.

BAUMILLER zum Wirt. Auf'm Mühlberg hab' i heut' a Platz'l g'fund'n, das mal' i heuer. Und demnächst, Pauli, mußt du mi am Sonnenberg führ'n. Das is der einzige Punkt in der Gegend, von wo i noch net 'runterg'schaut hab'.

PAULI. Recht gern! Mit Ihnen ging' i in d' Höll' auch, wann's sein müßt.

RESL kommt von rechts mit zwei Bierkrügeln. Gruß' Gott, Herr Fritz! Hab' Ihnen auch gleich a Halbe mit'bracht, weil i Ihnen hab' kommen seh'n.

BAUMILLER. Hast recht g'habt, Resl! Thu mir B'scheid.

RESL trinkt. G'segn's Gott Zu Pauli. Da – du – hast dein Bier!

BAUMILLER. Und wie steht's nachher mit dem Ess'n, Mad'l? I hab' an kanibalisch'n Hunger.

RESL. A Bünd'l Moosschnepf'n wär' da; hat's der Jagdg'hilf' erst vor einer Stund' 'bracht.[14]

BAUMILLER. Her damit!

RESL. D'Loni macht's g'rad z'recht. Wenn's fertig sind, bring' i's gleich. Rechts ab.

BAUMILLER indem er sich eine Cigarre anzündet. Also, Pauli, wann steig'n wir 'nauf am Sonnenberg?

PAULI. Von mir aus gleich morg'n! Mein Herrgott hab' i fertig. Jetzt könnt's mi alle Stund' hab'n. Ist an Baumillers Seite getreten und hat in dessen Skizzenbuch geblättert. Wenn i nur auch so zeichnen könnt' wie Sie!

BAUMILLER. 's Talent hast a; brauchst di nur fleißig z'üb'n.

WIRT. Das sag' i auch! Da schaut's nur g'rad den Herrgott an, den er mir wieder g'schnitz'lt hat.

BAUMILLER betrachtet das Crucifix mit steigendem Erstaunen. Das hast du g'macht! Es ist fast net zum glaub'n! Sag' amal, Bua, wo hast denn du das her?

LEHNL. Er is ja a Ammergauer – und in Ammergau kommen die Buab'n schon als Herrgottschnitzer auf d' Welt.[15]

BAUMILLER. Sünd' und Schad' is, wenn du mir net folgst und mit mir net in d'Stadt gehst, um di ausz'bild'n! Schau' nur einer amal die Stellung der Muttergottes an. Wie schön die Arm' g'macht sind, so ungezwung'n – a wahr's Räts'l, wie du das anstellst.

PAULI. No mein, a Räts'l is das net! Habt's ja vorhin selber g'sagt, i soll mi fleißig üb'n. I hab' lang g'nug d'ran 'rumprobirt, bis i's so z'samm'bracht hab'.

BAUMILLER. Du mußt doch a Vorbild g'habt hab'n!

PAULI. A Vordild! Du mein, i hab' mir halt d'Loni vorg'stellt, wie's so dasteht und mit den zwei Händ' den Millikübel am Kopf hebt.

BAUMILLER. So, nach dem Modell arbeitest du? D'rum hast auch das feine G'sicht'l so 'rausg'schnitt'n.

LEHNL der näher gekommen ist und das Muttergottesbild betrachtet hat. Meiner Seel', das is ja d' Loni, wie's leibt und lebt.

BAUMILLER. Du hast den Nagel am Kopf 'troffen. Ruft gegen die Thüre. Loni! Loni! Komm amal 'rein!

WIRT. Seid's so gut, macht's mir mein Deand'l auch noch rebellisch.


Quelle:
Ludwig Ganghofer und Hans Neuert: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Augsburg 21880, S. 13-16.
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