10. Scene.


[114] Loni. Pauli.


PAULI tritt hastig ein. Jesses d' Loni! Er bleibt bei der Thüre stehen und dreht in peinlicher Verlegenheit den Hut zwischen den Händen.

LONI mit der einen Hand auf den Tisch gestützt, der in der Mitte des Zimmers steht. Grüß' Gott!

PAULI. Grüß' Gott auch. I weiß net, ob i da recht bin? I soll zum Herrn Baumiller kommen!

LONI. Ja, ja, bist schon recht – er hat g'sagt, du sollst da wart'n, er wird gleich kommen – hat er g'sagt.

PAULI. No, da werd' i's wohl thun müß'n. Er setzt sich mit dem Rücken gegen Loni an den rechts an der Wand stehenden Tisch. Verlegene Pause. Loni versucht zu sprechen, vermag aber kein Wort hervorzubringen; die Hände auf dem Rücken, geht sie nun mit dein Anscheine möglichster Gleichgiltigkeit nach dem Hintergrunde. Verstohlens sieht Pauli nach ihr um, dreht aber hastig das Gesicht wieder gegen die Wand, sowie Loni Kehrt macht.[114]

PAULI steht auf. I werd' doch lieber drauß'n wart'n.

LONI. Na, na – so bleib' nur – er kommt gleich! Das heißt – es könnt' ja möglich sein, daß er auch net gleich käm' – aber – wenn du's vielleicht mit der Arbeit recht notwendig hast – i weiß auch, was er dir z'sag'n hat – nachher – wenn du meinst – und wenn du's von mir anhör'n willst – nachher könnt's ja i dir auch sag'n.

PAULI. Schau' Loni, plag' di net. Du hast's schon in Manchem recht weit 'bracht, aber 's Lüg'n bringst doch net recht z'samm'. Druck's nur 'raus, was mir z'sag'n hast; i merk's ja doch, daß a abg'machte Sach' is, daß du mit mir red'n sollst.

LONI. Na, g'wiß net – das heißt –

PAULI. Es is schon gut! Er bleibt regungslos bei der Thüre stehen. Abermals verlegene Pause.

LONI setzt sich zur Seite des mittleren Tisches auf einen Stuhl und beugt sich über dessen Lehne zutraulich gegen Pauli. Wie geht's denn dei'm Mutterl, hab's lang net g'seh'n?

PAULI. I dank', ganz gut!

LONI. I hab' g'hört, sie red't dir all'weil zu, du sollst mit'm Herrn Baumiller in d'Stadt geh'n.[115]

PAULI. Kann schon sein.

LONI. Und du wollt'st net.

PAULI. Is auch möglich!

LONI. Und warum denn net, wenn man frag'n darf?

PAULI. Weil's mi net freut.

LONI. Das is freilich a ganz g'wichtiger Grund. Aber wer weiß, ob dein Mutterl net am End' Recht hat und ob's net dein Glück wär', wenn ihr folg'n thät'st.

PAULI. No also, sixt es, da wär'n wir ja bei der Sach'. Vor einer halben Stund' war dein Vater bei mir und jetzt schicken's di!

LONI steht auf. Ja, Pauli, i will's auch net länger läugnen; der Herr Baumiller hat mir 's Versprech'n abg'nommen, daß i dir zured'n soll, daß du mit ihm in d' Stadt ging'st. A klein's bisl, hat er g'meint, könnt'st doch noch auf das hör'n, was i dir sag' – und nachher hat er g'meint, wenn i dir saget: Pauli, mi leid't's nimmer im Dorf, solang' du da bist – mein' Rast und mein' Ruh is weg – geh' fort von da – so – so thät'st du's auch – hat er g'sagt.[116]

PAULI rauh. Und du schamst di net, mir so 'was in's G'sicht z'sag'n. Mein' Ruh' hast mir g'stohl'n, um meiner Lieb' will'n hast mi b'schand'lt vor alle Leut' und jetzt kommst und willst mein' Lieb z'Hilf' nehmen, um mi von meiner Heimat z'treib'n, von Mutter und Haus. Loni, das is grundschlecht!

LONI. Pauli, i bitt' di um Gott'swill'n, glaub' so 'was net von mir. Wenn i mi hab' überred'n lass'n, daß i dir zured', so war's, weil i überzeugt bin, es wär' besser für di, wenn ging'st – weil du mi dann vielleicht vergeß'n könnt'st und alles, was g'scheh'n is. Und wenn du nachher a berühmter Bildhauer werd'n thät'st und alle Leut' dich gern hätt'n und in Ehr'n halt'n – und wenn du nachher recht reich werd'n thät'st – so hätt' i halt g'meint, könnt'st leicht auch das find'n, was in deiner Heimat umsonst g'sucht hast – die Lieb' von ei'm brav'n Deand'l.

PAULI. Also g'rad weg'n mei'm Glück? Du mitleidig's Deand'l! – I sag' dir, i glaub' dir's net; i glaub' viel eher, daß du jetzt lügst und daß dein' erste Red' Wahrheit war, daß mich blos fort hab'n willst, weil i dir im Weg umgeh'.

LONI. Na, Pauli, g'wiß net!

PAULI. Laß' es gut sein! – Ja, i geh' dir aus'm Weg. Du sollst dein' Ruh' find'n, ob i mein Glück, das is a[117] and're Frag'. Glaub' ja net, daß i mir aus dem Maler sei'm G'schwatz a Hoffnung mach'. I will net berühmt werd'n und brauch' kein' Reichthum – was i brauch', hab' i Gott sei Dank und wollt' i mir mehr wünsch'n, müßt' mi unser Herrgott straf'n. Aber mag's jetzt sein, wie's will – i geh' – und wenn i auch in mein Unglück renn'.

LONI. Ja, wenn du so denkst, Pauli, da wär' mir's gleich lieber, du blieb'st da.

PAULI. Plag' di net, dein Ernst is ja doch net! I bin schon über gar viel weg'kommen und werd' mi auch da durchschlag'n. Freilich, wie schwer als es mir wird, das kann dir gleich sein, wenn's nur nach dei'm Kopf geht.

LONI. Na, Pauli – wenn du mi auch für recht schlecht haltst, so schlecht bin i doch net – und sixt, wenn du meinst, es wär' net so, wie der Herr Baumiller sagt, sondern so wie du sagst – sixt – da mein' i, wär's besser, du gingst net fort, sondern bliebest da und thät'st auch gleich –

PAULI. Geh' sei stad – es is jetzt vorbei! Aber g'rad dadurch, daß i geh', will i dir noch beweis'n, wie gern i di g'habt hab' – und somit b hüt' di Gott. Er wendet sich zum Gehen.[118]

LONI angstvoll. Pauli!

PAULI. Was is? Loni macht vergebliche Versuche, zu sprechen. Wenn noch an Wunsch hast, schenir' di net – jetzt geht's in ei'm hin!

LONI. Wenn's wirklich a b'schloß'ne Sach' is, daß gehst – nachher – nachher könnt'st mir ja doch noch zum B'hüt' Gott dein' Hand geb'n? Sie streckt ihm die Hand entgegen.

PAULI eilt freudig auf sie zu. Loni! Plötzlich hält er inne. Na! Das geht ja doch net, daß i die Hand drück', die nach mir g'schlag'n hat.

LONI. Wenn i dir aber sag', wie weh' mir's schon all'weil g'wes'n is – und wie i schon oft mit naß'n Aug'n die Stund' verwünscht hab', wo i dir so a schwer's Unrecht hab' anthun können – wenn i di so recht von Herz'n um Verzeihung bitt', darfst mir dann dein' Hand auch net geb'n?

PAULI. Ja, Loni, da hast du's! Das Wort laßt viel vergeß'n und wird mir mein' Weg leichter mach'n.

LONI. Und willst denn jetzt auch wirklich fort?[119]

PAULI. Du fragst mit einer Stimm', so gut und lieb, wie i's noch nie von dir g'hört hab' und aus deinen Aug'n schaut's mi an, daß i's fast net für möglich halt'n kann. Loni – meinst net, es könnt' noch anders werd'n zwisch'n uns?

LONI. Meinst du?

PAULI. I schon.

LONI. Ja, wenn du vergeß'n könnt'st, was i dir für a Schand' an'than hab', nachher mein' i auch!

PAULI. A was Schand' – es wär ja gar nie a Schand' g'wes'n, wenn net d' Leut' dabei g'stand'n wär'n. Und du hast es ja blos in der Hitz 'than. Sixt, alles ließ' sich wieder gut mach'n, wenn du nur an fest'n Will'n hätt'st und wenn du di a wenig z'samm' nähmst.

LONI. So sag' mir doch g'rad wie.

PAULI. Wenn du mit mir Hand in Hand in' Kirch'n ging'st und auf die Frag' vom geistlich'n Herrn, ob mi hab'n willst für 's ganze Leb'n, vor all' den Leut'n recht laut sag'n thät'st: Ja! Willst das, Loni?[120]

LONI. Ja – ja – i will! Und so laut will i's sag'n, daß deine geschnitz'n Heilig'n selber a Freud d'ran hab'n soll'n. Ja, dein will i g'hör'n mit Leib und Seel'. Sie fällt ihm um den Hals. Du braver du treuer Bursch!


Quelle:
Ludwig Ganghofer und Hans Neuert: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Augsburg 21880, S. 114-121.
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