6. Scene.


[132] Pauli. Lehnl, später Loni.

Schon während Muckl nach dem Hause schreitet, hört man die Stimmen Paulis und Lehnls.


LEHNL. So laß' mi doch geh'n und zwing' mi net.

PAULI. Gar nix sagst und gehst mit 'rein. Er zieht ihn durch die Thüre des Gitters. Du hast am allererst'n a Recht und a Pflicht, daß da bist.

LEHNL. Wenn du wiß'n thät'st, wie's bei mir da drin ausschaut, nachher sähest ein, daß i in kein' lustige G'sellschaft paß'.

PAULI. A was da! Du hast all'n Grund, lustig z'sein, jetzt wo dein Lieblingswunsch in Erfüllung geht, daß d' Loni und i a Paar werd'n.

LEHNL. Ja – früher – da hab' i's mir ausg'mal'n in Gedank'n, wenn mein Deand'l amal an richtig'n Bursch'n zum Mann krieget und wie i nachher ganz glückselig wär', wenn i mit anseh'n könnt', wie das Deand'l so mitten drin sitzt im Wohlsein und in der Zufried'nheit.

PAULI. Und warum soll das net sein? Wir hab'n uns gern, und was an mir liegt, das weißt, wird auch g'scheh'n.[133]

LEHNL. Eb'n weil i das weiß, wird mir der Abschied lichter, als eigentlich für an Vater recht ist.

PAULI. Geh', red' kein so dalket's Zeug, du wirst fortgeh'n – wo willst denn du alter Zwick'l noch hin. A überspannte G'schicht' is, weiter nix.

LEHNL. I will di net von dei'm Glaub'n abbring'n, aber es wird doch so sein müß'n, daß i geh'. Du weißt, daß der Muckl damals alles g'hört hat, was auf der Alm zwischen uns g'red't word'n is.

LONI tritt hastig aus dem Hause, bleibt aber bei'm Anblicke der beiden plötzlich stehen und zieht sich unter die Thüre zurück.

LEHNL. Und wenn der was weiß, so weiß es auch's ganze Dorf.

PAULI. Und was is nachher? I bin der erst', der vor der ganz'n G'meind' dir die Händ' entgeg'nstreckt und sagt, daß i di mein' Vater heiß'n und als solch'n halt'n will. Und grad so wie i wird auch d' Loni –

LEHNL. Sei stad – sei stad – du weißt net, wie das Deand'l über ihre Eltern denkt. Wenn d' Loni je erfahret, daß i ihr Vater bin – so gern's mi bis jetzt g'habt hat – mit dem Wort bin i ihr z'wider bis in d' Seel' 'nein. Und erfahr'n muß sie's, denn wenn der Muckl bis jetzt auch g'schwieg'n hat, so war das nur die Angst vor'm G'richt.[134]

PAULI. I hab' von der Loni an bessern Glaub'n. Weißt was – jetzt hol' i's 'raus, nachher red'st off'n mit ihr.

LEHNL. Na, Pauli, na! Um Gott'swill'n net! Sie könnt mir's nie verzeih'n, daß i sie weg'geb'n hab', wenn's auch nur g'scheh'n is aus Lieb' und in der G'fahr. Mir druckt's fast 's Herz ab, daß i 's Deand'l von jetzt ab nimmer seh'n soll, aber es geht net anders. I geh' in mein' Heimat z'rück, die paar Jahr'ln, wo ich noch z'leb'n hab', werd'n meiner G'meind' net z' viel sein. Halblaut erklingt aus dem Hause die Melodie der Hochzeitsg'stanz'ln. A Bitt' hätt' i aber noch an di. Sixt, da hab' i mir a bisl was erspart. Es könnt' g'rad so viel sein, daß man von da bis in mein Dorf amal dafür hin und herfahrt. Wenn nachher amal hörst, daß i g'storb'n bin, so laß' mi um das Geld mit'm Wag'n hol'n und laß mi eingrab'n an ei'm Platz'l, wo i mir denk'n dürft', 's Mad'l kommt amal neb'n mir z'lieg'n. Und jetzt laß mi geh'n.

PAULI. Na, Lehnl – na – du darfst net geh'n. Bleib' da – bei uns!

LEHNL. Es geht net und kann net sein!

LONI tritt über die Stufen der Veranda. Auch net, wenn i di bitt'?

LEHNL fährt zusammen und wankt mit einem bangen Aufschrei auf Loni zu. Loni![135]

LONI. Mein Vaterl! Mein lieb's Vaterl!

LEHNL. Loni – du sagst zu mir lieb's Vaterl –

LONI. No freilich, i weiß ja, daß du's bist. 's is noch kein' Viertl'stund' her, daß sich der Muckl gegen mi verschnappt hat. Aber was hab' i von dir hör'n müß'n? Du willst deine Kinder verlaß'n? Untersteh' di – du – da müßt' i ja gleich in der erst'n Stund', wo i mein' Vater find', 's Greinen anfang'n.

LEHNL. Kannst mir denn verzeih'n, was i dir –

LONI. Red' net vom Verzeih'n. Im erst'n Aug'nblick, wo i g'hört hab', daß du mein Vater bist, is mir mit ei'm Schlag' alles Liebe eing'fall'n, was i von dir erfahr'n hab' seit dem Tag', wo du zum erst'nmal mein klein's Kinderhanderl 'druckt hast. Mein arm's Vaterl, was mußt du g'litt'n hab'n, wo du mich so gern g'habt hast. Aber jetzt soll dir's auch von uns zwei vergolt'n werd'n. Gelt, Pauli?

PAULI. Deand'l, was fragst noch?

LEHNL. O mein lieber Herrgott – die Freud' – i könnt' jetzt gleich an Juhschrei mach'n, daß alle Berg' zum wak'ln anfang'n. Wenn i mir denk', daß wir alle mit einander in Fried'n haus'n – daß i noch Enk'ln am[136] Arm 'rum trag' – und wenn's größer sind, auf die Knie' reit'n laß' – und die Kindswäsch' – und die Dutz'ln – Pauli, halt' sonst mach' i an Kreuzsprung!

PAULI. Nur zu, wenn kannst!

LEHNL. Aber d' Leut' – Kinder – was werd'n d' Leut dazu sag'n?

PAULI. Laß' sag'n, was woll'n – was kümmern wir uns d'rum?

LONI. Jawohl – und damit 's net lang Zeit zum tratsch'n hab'n – am nächst'n Sonntag, wenn i und der Pauli 's erstemal in der Kirch'n aufbot'n werd'n so soll der Herr Pfarrer mi gleich bei'm recht'n Namen ruf'n. Mit mei'm Pflegevater und mit deiner Mutter red'n wir heut' noch sobald die Gäst' fort sind. Is dir's so recht, Pauli?

PAULI. Alles, was du willst.

LONI fällt ihm um den Hals. Du bist halt doch a lieber, guler Bua!


Quelle:
Ludwig Ganghofer und Hans Neuert: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Augsburg 21880, S. 132-137.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Herrgottschnitzer von Ammergau
Der Herrgottschnitzer von Ammergau und andere Hochlandgeschichten
Ausgewählte Romane und Erzählungen: Der Herrgottschnitzer von Ammergau , Der laufende Berg , Die Martinsklause , Das Schweigen im Walde .4 Bücher
Der Herrgottschnitzer von Ammergau.
Der Herrgottschnitzer von Ammergau
Der Herrgottschnitzer von Ammergau

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon