2.

[141] In diesen Säulengängen,

Wo um vermorscht Gestein

Sich tausend Blüten drängen,

Wie träum' ich gern allein!


Mit rätselhaften Schauern

Beklemmen hier die Brust

Erinnrungsvolles Trauern

Und reichste Jugendlust.[141]


Wohl klagt das Herz bekümmert

Um diese schöne Welt,

Die rettungslos zertrümmert

Gemach in Staub zerfällt;


Doch spür ich, von den Düften

Des jungen Tags umglüht,

Daß auch auf Göttergrüften

Der Frühling wieder blüht.


Granaten bringt und Reben

Versöhnend jedes Jahr,

Und süß ist heut das Leben,

So wie's den Alten war.


Ach, wäre jener Sonnen

Erlauchtes Rosenlicht

Nicht auch in Nacht zerronnen,

So liebt' ich heute nicht.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 141-142.
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