7.

[344] Wohl kenn' ich vom Beginne

Der Neigung Jahreszeiten;

Die Veilchen erster Minne

Brach ich und brach die Rosen dann der zweiten.

Doch seit ich dich erkannt mit Geist und Auge,

War fürderhin kein Streiten

In dieser Brust, was mir zu lieben tauge.[344]


Denn ein Gemüt, tief innig

Und spiegelklar zum Grunde,

Denn einen Leib, so minnig,

Wie Gott ihn schafft in rechter Gnadenstunde,

Dazu den Geist, für jede Weisheit offen,

Die edlen Drei im Bunde

Hab' ich, o Herrin, nur bei dir betroffen.


O dürft' ich all mein Wesen

Ergeben dir, du Hohe,

Wie würde da genesen

Zu süßem Heil dies Herz, das liederfrohe!

Nichts wüßt' ich, was mir beßre Lust gewährte,

Als meines Geistes Lohe

Zu schüren, daß der Schimmer dich verklärte.


Doch runzelst du die Brauen

Und schämst dich meines Strebens;

Ach, darin muß ich schauen

Gerechte Buße frühern Überhebens.

Einst hab' ich, die mich liebte, kalt betrübet,

Nun lieb' ich selbst vergebens –

Das ist die Minne, die Vergeltung übet.


So will vor deinem Zorne

Ich Flucht und Fahrt erküren,

Will mich an fremdem Borne

Erlaben und will ruhn an fremden Türen.

Und statt des lust'gen Spiels der Minnesinger

Die Harfe will ich rühren,

Ein düstrer Pilgersmann, mit rauhem Finger.


Du aber, hörst du ferne

Des Sängers dumpfe Töne,

Nur so viel Huld erlerne,

Daß ohne Haß dein Ohr sich dran gewöhne.

Und so fahr wohl du, die ich trag' im Sinne,

Fahr wohl, du stolze Schöne! –

Dies ist von mir das letzte Lied der Minne.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 344-345.
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