27.

[54] O laßt mir meine stille Weise,

O reißt mich nicht hervor ans Licht!

Mich dürstet nicht nach eurem Preise,

Und eure Bahn ist meine nicht.


Dem Sänger sind genug der Schlingen

Vom eignen heißen Blut gelegt;

Es frommt das Maß in allen Dingen

Und doppelt, wo man Geister wägt.


Ist dieser Brust ein Ton beschieden,

Der stimmt in eures Herzens Schlag:

Wohlan, so gönnt mir Rast und Frieden,

Daß ich ihn voll verströmen mag!


Doch nicht, wo bei der Kerzen Funkeln

Den Reigen wilde Laune führt, –

Der Gott hat immer nur im Dunkeln

Die Seele tönend mir berührt.


Er flieht die Stätten, wo die Menge

Sich Götzen formt und dann zerbricht;

Drum laßt mich wert sein seiner Strenge

Und reißt mich nicht hervor ans Licht!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 54.
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