Neunter Auftritt

[492] Ferdinand. Simon.


SIMON. Wo ist denn meine Braut? Haben Sie noch nicht mit ihr gesprochen?

FERDINAND. Ja, ich weiß nicht, welche Braut Sie meinen; die erste oder die letzte? Ob Christianchen oder Lorchen?

SIMON. Wie können Sie doch fragen? Habe ich denn eine andere Braut als Lorchen?

FERDINAND. Bei Ihnen ist es freilich Lorchen: aber bei meiner Frau Muhme ist es Christianchen. Sie will uns zu Tische behalten, und[492] da soll die Versprechung vor sich gehen. Und wenn Sie Christianchen nicht zur Frau nehmen: so will meine liebenswerteste Frau Muhme in eigener hoher Person ins Konsistorium laufen, all ihr Vermögen daransetzen und, wenn dieses nicht hilft, Sie durch ihr Gebet in das entsetzlichste Unglück beten.

SIMON. Die Frau weiß nicht, was sie will. Sie kann tun, was ihr gefällt. Lorchen ist meine Braut, und Christianchen dauert mich. Sie hat itzt wieder mit mir gesprochen und recht artig getan. Sie ist wirklich nicht sowohl einfältig als furchtsam. Sie hat recht mit mir gescherzt und Lorchen bei mir auf eine lose Weise verklagt. Freilich hat sie mir nichts Sinnreiches gesagt; aber sie wußte es doch mit einer guten Miene vorzubringen. Sie bedankte sich recht zärtlich bei mir, daß ich auf ihr Bitten Lorchen hätte zu meiner Braut erwählen wollen. Ich hätte lieber über ihre Unschuld geweint. Doch, Herr Ferdinand, wo ist denn Lorchen? Haben Sie noch nicht mit ihr gesprochen?

FERDINAND. Hier kommt sie gleich.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 492-493.
Lizenz:
Kategorien: