Achtzehnter Auftritt

[440] Die Vorigen. Siegmund.


SIEGMUND. Soll ich nunmehr so glücklich sein, Ihr Ja zu erhalten? Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich doch, großmütige Schöne?

LOTTCHEN. Und Sie lieben mich doch auch?

SIEGMUND. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen gewiß, daß mein größter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfüllt worden ist.

LOTTCHEN. Aber ... meine Schwester ... Warum erschrecken Sie?

SIEGMUND. Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen, entschuldigen Sie mich.

JULCHEN. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie, was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn. Alles, was ich tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue zu vergeben.

SIEGMUND. Ich soll untreu sein? ... Ich Er gerät in Unordnung. Ich soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind[440] das für schreckliche Geheimnisse? ... Sie sehn mich ängstlich an, meine Schöne? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine Widerlegungen nicht bewegen? ... Sie hören meine Gründe nicht an? ... Bin ich nicht unschuldig? ... Wer sind meine Feinde? ... Ich berufe mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch mich zu entschuldigen, könnte ein Zeichen des Verdachtes sein. ... Nein, meine Schöne, Sie müssen mir ohne Schwüre glauben. Ich will Sie, ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben?

JULCHEN. Herr Siegmund, Sie schwören?

LOTTCHEN mit Tränen. Er ist wohl unschuldig.

SIEGMUND. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergrößern: so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren, den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das Glück noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?

LOTTCHEN sie sieht ihn kläglich an. Mich? ... als die Ihrige? ... Ja!

JULCHEN. Meine Schwester!

LOTTCHEN. Schweig. Herr Siegmund, ich möchte nur noch ein Wort mit meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschämen.

SIEGMUND. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die übrige Gesellschaft auch mitbringen? Wir müssen doch die gebräuchlichen Zeremonien mit beobachten.

LOTTCHEN. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen. Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 440-441.
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