Abendlied

[283] Herr, der du mir das Leben

Bis diesen Tag gegeben,

Dich bet ich kindlich an!

Ich bin viel zu geringe[283]

Der Treue, die ich singe,

Und die du heut an mir getan.


Mit dankendem Gemüte

Freu ich mich deiner Güte;

Ich freue mich in dir.

Du gibst mir Kraft und Stärke,

Gedeihn zu meinem Werke,

Und schaffst ein reines Herz in mir.


Gott, welche Ruh der Seelen,

Nach deines Worts Befehlen,

Einher im Leben gehn;

Auf deine Güte hoffen,

Im Geist den Himmel offen,

Und dort den Preis des Glaubens sehn!


Ich weiß, an wen ich glaube,

Und nahe mich im Staube

Zu dir, o Gott, mein Heil!

Ich bin der Schuld entladen,

Ich bin bei dir in Gnaden,

Und in dem Himmel ist mein Teil.


Bedeckt mit deinem Segen,

Eil ich der Ruh entgegen;

Dein Name sei gepreist!

Mein Leben und mein Ende

Ist dein; in deine Hände

Befehl ich, Vater, meinen Geist.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 283-284.
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