Fünfter Auftritt.

[52] Karl kömmt.


KARL. Sie waren lange aus, mein Vater.

HAUSVATER. Einige Wohlstandsbesuche.

SOPHIE. Vielleicht brauchen Sie mich zu Ihrer Unterredung nicht. Gehet ab.

HAUSVATER. Ich komme dir bald nach.

KARL. Waren Sie bei Hofe?

HAUSVATER. Ja, mein Sohn, und habe dich in die fürstliche Dienste gebracht.

KARL. Haben Sie? o! tausend, tausend Dank.

HAUSVATER. Sei überzeugt, daß eines Vaters größte Freude ist, seinem Kinde Vergnügen zu schaffen.

KARL. Ich versichre Sie, daß, wenn Eifer und guter Willen etwas vermögen, Sie keine Schande an mir erleben sollen.

HAUSVATER. Das hoffe ich, bin es überzeugt, traue genug auf deinen Eifer, daß du kein Geschäft für klein ansehen wirst; denn die geringste Vernachlässigung kann wichtige Folgen haben.

KARL. Glauben Sie mir, ich fühle es, daß es nichts Geringes seie, zur Ehre seines Fürsten, zum Wohl einer ganzen Nation mit beizuraten.[52]

HAUSVATER. Gewiß ist es eine wichtige Sache; auch damit dein Rat den Umständen angemessen sei, so studiere mit vieler Aufmerksamkeit den Geist deiner Nation; such ihre Fehler, wie ihre Vorzüge auf und schließe dich an diejenige an, die mehr Erfahrungen haben als du; so wirst du nicht Gefahr laufen, deine Theorien unrecht anzuwenden, das Anfängern mit dem besten Willen gemeiniglich geschieht.

KARL. Ich habe mir Grundsätze gebildet – –

HAUSVATER. Bleib ihnen vor allem getreu, nicht mit Eigensinn, aber mit Standhaftigkeit, solange du von ihnen überzeugt bist. Dränge sie niemand auf; findest du aber jemand, der mit dir auf einem Wege geht, auf ihm eben auch das Gute sucht; o! so kette dich mit Bruderliebe an ihn an; suche ja nicht, irgend einen Ruhm ungeteilt genießen zu wollen. Vaterlandsliebe ist, des Vaterlands Beste wollen, befördern helfen, es geschehe auch, durch wen es seie. Es ist nur zu allgemein in unsren Zeiten, daß Eigennutz und Ehrsucht den prächtigen Titel des Patrioten annehmen.

Warum ich dich bitte, dränge dich nicht unberufen in ein fremdes Geschäft, aber das deinige thue von ganzer Seele: hüte dich dabei für Neuerungssucht, aber lasse kein Unrecht, kein Vorurteil in deinem Fache ungerügt; suche es nicht umzustürmen, sondern zu entwurzeln, denn jenes wirst du vergebens unternehmen. Überhaupt mache kein großes Geräusch von deinen Geschäften, baue nicht deinen Ruhm auf andrer Fehler, sei nicht immer bereit zu tadlen, sondern handle und schweige.

KARL. Oft habe ich das schon bemerkt, daß Nachahmungssucht auf der einen Seite und Tadelsucht auf der andern ein sehr gemeiner Fehler ist, und doch mit dem größten Lärm und den prächtigsten Worten unthätig zu bleiben.

HAUSVATER. Das geschehe dir nie: auch wollte ich; aber ich werde schwatzhaft, das überfließende Vaterherz – –

KARL. O, liebster Vater – fahren Sie fort, können Sie wohl Ihrem Sohne auf seinen Weg Geleitsmänner genug mitgeben, denn das sollen mir Ihre Vorschriften sein.

HAUSVATER. Nun, dann, mein Sohn, sei vor allen Dingen in allen Sachen wahr. Es ist der Inhalt aller Vorschriften; suche nichts durch einen Winkelzug zustande zu bringen, selbst nicht der Weg zum Guten sei bei dir krumm. Und sollte hie und da[53] ein Bube auf deinen Weg kommen, der dir glauben mache, das sei nötig, so laß ihn zwar laufen, aber siehe ihn als einen Verleumder deines Herrn an.

KARL. Gewiß. O! Vater, wie ich mich freue, wie ich meine gemachte Beobachtung anwenden will, wie ich gegen jeden Mißbrauch eifern will.

HAUSVATER. Wohl; aber noch einmal, suche nicht umzustürzen, sondern zu entwurzeln; bedenke, daß nach Vollkommenheit Menschen vergebens streben, und die größte Kunst darin bestehe, unter mehrern Übeln das kleinste zu wählen. Besonders, solltest du es auch dahin bringen können, sei nie Urheber, daß eine Anordnung geradezu aufgehoben werde, wäre sie auch noch so schädlich. Man muß den Gedanken der Unfehlbarkeit beim Volk erhalten, sonst verliert man das Zutrauen und hat hiemit alles verloren. Es giebt ja hundert Wege, eine Sache zu ersetzen, die freilich oft nicht so glänzend, aber nützlicher sind. Wie ich es schon einmal gesagt habe, dein Wesen sei stille Thätigkeit: es sei dann, du sehest drohenden Schaden voraus, dann, hört man dich nirgends, dringe mit deinem Anliegen bis zum Fürsten, er wird dir nicht übel dafür wollen.

KARL. Zuversichtlich mit Ihren Lehren, mein Vater, mit Ihrer Unterstützung, werde ich mich bald emporschwingen.

HAUSVATER. Ich wollte, deine Absicht wäre, lieber ein nützlicher Mann zu werden. Das ewige Wegrückenwollen aus dem Stande, wo man oft gut ist, um in einem anderen schlechter zu werden, ist Verrat am Vaterland und Erniedrigung, Herabsetzung seines eignen Wertes. Groß sein, ist nur das ganz sein, was man sein soll. Übrigens laß dir nicht träumen, als würdest du nicht auf diese Art viele Hindernisse auf deinem Weg antreffen; auch wirst du vielleicht unterdrückt, deinem Fürsten unbekannt bleiben, wohl gar bei ihm verleumdet werden. Aber wandle des wegen, wandle deinen Weg getrost fort, die Zeit wird doch kommen, wo man dich finden wird; und ist das auch nicht, so wird immer Zufriedenheit deine Belohnung sein. Aber wirklich, wir verirren uns zu weit, laß uns abbrechen. Du weißt, daß ich dich von jeher zum Stammherrn bestimmte.

KARL. Ja, mein Vater, ich weiß es.

HAUSVATER. Nun, da du eine Bedienung bekömmst, wünschte ich, daß du dir eine Gattin aussuchtest. Wenn sie von Stande[54] ist, so habe ich bei keiner nichts zu sagen, denn so eine wichtige Wahl soll gewiß allein von dir abhängen. Wüßtest du niemand?

KARL betroffen, unruhig und wie nur halb entschlossen. Doch, mein Vater; ich denke die Gräfin Amaldi – eine Partie, wider die doch einmal kein Mensch in der Welt wird etwas einzuwenden wissen. Adel, Reichtum, Protektion, alles, was je Konventionen zur Bedürfnis gemacht haben.

HAUSVATER. Natürlich kann ich da als gewöhnlicher Vater nichts dawider haben; aber als Freund die einzige Bemerkung: ob den stolzen Karl die stolze Amaldi glücklich machen könne? Liebst du die Gräfin Amaldi?

KARL. Ich schätze sie.

HAUSVATER. Und liebst sie nicht?

KARL. Man liebt nur einmal!

HAUSVATER. Und dieses einmal? doch der Freund muß so wenig als der Vater überlästig sein. Eine kleine Pause. Karl, welchen Menschen hat in seiner Jugend die Liebe nicht zu Thorheiten verführt? Also, hast du vielleicht auch welche gut zu machen? Vertraue es mir an. Ich merke, du wirst bei dieser Unterhaltung immer unruhiger: vergiß den Vater und denke in mir nur ganz den Freund. Sitzt vielleicht noch hie und da ein Mädchen, das deines Unterhalts bedarf. – – – Du wendest dich weg? – – willst mir nichts sagen? – – – ist dein Vater nicht wert, dein Freund zu sein? –

KARL. Doch, mein Vater. Nun ja, ich habe ein Mädchen geliebt, eines Malers Tochter, damit ich alles in einem sage, ein Engel unter ihrem Geschlecht. Ich liebe sie noch – – –

HAUSVATER. Das hätte ich ohne diesen Zusatz aus der Beschreibung vermutet.

KARL. Aber, liebster Vater, ich will sie ja lassen, will sie meiden, mich standesmäßig verheiraten, alles dem Herzen zum Trotz, thun, was sogenannte kalte Vernunft haben will.

HAUSVATER. Nenn es immer gute, gesunde Vernunft: denn, was sollte eigentlich aus all der Liebe herauskommen, als eines ehrlichen, rechtschaffenen Bürgers Tochter verführen, um sie einst über kurz oder lang sitzen zu lassen. Denn Heiraten dieser Art, so wenig ich mich auch an Konventionen feßle, sind doch immer schädlich.

KARL. Ich will ja alles, liebster Vater, will sie ja verlassen,[55] will mich durch eine Heirat gegen alles sicher stellen, will sie, um meiner gewiß zu sein, nimmer sehen.

HAUSVATER. Nicht doch, mein Sohn. Du liebst das Mädchen, nicht wahr?

KARL. Wie ich sonst keine liebte, keine mehr lieben werde.

HAUSVATER. Nun wohl, zeig, was wahre Liebe vermag; Aufopferung seiner selbst. Willst du dich dabei mir überlassen?

KARL. Gern, sehr gern.

HAUSVATER. So folge meinem Rat; gehe hin in das Haus des Mädchens; weich nicht von ihr wie ein Meineidiger, sondern zeig dich ihr als Mann; zeig ihr die Wohlthat, die du ihr erweisest, indem du sie nicht deiner Leidenschaft aufopferst, und wenn der Vater ein vernünftiger Mann ist, so zieh ihn selbst zu Hilfe.

KARL. Der Vater, der beste, biederste Mann.

HAUSVATER. Desto besser, du wirst ihn als ein rechtschaffner Mann behandeln; er muß dich dafür erkennen, dir Dank wissen und dir helfen, die Thränen des schwächeren Weibes zu trocknen; ich will ihren künftigen Unterhalt, ihre Aussteuerung selbst besorgen. Geh, mein Sohn, folge meinem Rat unverzüglich: Entschlüsse dieser Art müssen ohne Aufschub unternommen werden, wenn sie zur Wirklichkeit gelangen sollen.

KARL. Gut, mein Vater, ich will's; will's versuchen, ob ein warmes Herz die Vorschläge des kältern Verstandes auszuführen vermag. Geht ab.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 52-56.
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