Siebenter Auftritt.

[67] Das Zimmer der Gräfin Amaldi.

Amaldi heftet den Schattenriß des Karls an die Tapete, indem drängt sich Lottchen zwischen einigen Bedienten herein.


DIE BEDIENTE. Sie will sich nicht abweisen lassen.

AMALDI. Schon gut, laßt sie nur. Die Bediente ab.

LOTTCHEN fällt zu den Füßen der Amaldi. Nein, ich will mich nicht abweisen lassen, will hier liegen bleiben, bis Sie mich erhören.

AMALDI bestürzt. Was will Sie?

LOTTCHEN. O, geben Sie ihn wieder; geben Sie ihn wieder.

AMALDI. Wer denn? was denn?

LOTTCHEN. Ihn, ihn, der über alles ist, mein vor Himmel und Erde, mein.

AMALDI. Wer ist Sie denn?

LOTTCHEN. Nur ein Bürgermädchen, aber die glücklichste unter allen meines Geschlechts, wie ich ihn noch hatte; wie er noch mein war – –

AMALDI. Wer sind denn Ihre Eltern?

LOTTCHEN. Mein Vater, ach Gott! mein Vater, er wird nach mir fragen? – es ist Wermann, ein Maler, herrlicher Vater, – der arme Vater.[67]

AMALDI. Des Malers Wermanns Tochter?

LOTTCHEN. Ja, ich; der einst Karl gehörte, durch den heiligsten Schwur gehörte; Sie haben mir ihn geraubt, geben Sie mir ihn wieder, geben Sie mir ihn wieder.

AMALDI. Bist du rasend?

LOTTCHEN. O, daß ich es wäre, daß alles das, was ist, nur mir so schien; o, was möchte ich nicht alles sein, um Karln nur nicht zu verlieren.

AMALDI. Warum forderst du ihn von mir?

LOTTCHEN. Weil Sie mir ihn entrissen haben. Das ist eine garstige That, einem das Leben rauben, ist wenig; aber rauben, was mehr als Leben, was alles ist – – – O, gnädige Frau, man sagt, Sie wären sonst so eine erhabene Frau: ist das auch groß, einem armen, schwachen Mädchen – – –

AMALDI. Beruhige dich – – –

LOTTCHEN. Ich mich beruhigen? ehe ich noch weiß. – – O, wenn Sie je geliebt haben, – wenn Sie es wissen – – – aber in Ihrem Stande liebt man wohl nicht?

AMALDI. Laß mich, Mädchen – steh auf – oder.

LOTTCHEN. Lassen Sie doch sehen, was Sie für Ansprüche auf Karln haben können: ob Sie was vermögen gegen seine Schwüre, die der Himmel aufnahm, gegen das Klagen einer Verlassenen, gegen das Wimmern eines Geschöpfs, das ich hier unterm Herzen trage. Lottchen dringt noch näher auf Amaldi los, die ganz verwirrt und außer sich ist: sie reißt sich aber los, läßt Lottchen da liegen und eilt zum Zimmer hinaus Lottchen bleibt eine Weile betäubt liegen, dann steht sie auf bemerkt an der Wand Karls. Schattenriß sie fährt wild auf, reißt es los. Was machst du da? Drückt ihn ans Herz. Zu uns, da gehörst du her. Sie besieht es eine Weile. Ha, treulos, – – verlassen – entehrt – – Küßt es, drückt es wieder an das Herz. Kann das Karl?


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 67-68.
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