LXX. Jor. Din Seel Bewar

[68] DER .LXX. JERIG.

Ich kan dir worlich nit vyl sagen

Du hast dem gseit von kurtzen tagen

Der nim ich worlich wenig acht

Hab ouch nit druff mein rechnung gmacht[68]

Wie wol das ich jetz hab vff mir

Sibentzig ior das sag ich dir

Vnd solt mein seel jetz thun bewaren

So wolt ichs gern noch lenger sparen

Wa mich truckt erst der haß vnd nyd

Kain menschen ich me vmb mich lyd

Wie wol ich bin ein alter gryß

Vnd mir das hor ist grow vnd wiß

Mag ich die zytlich eer nit lon

Ich sich wie mancher me hat gton

Wie wol er was der ioren alt

Noch det im wol der zytlich gwalt

DER EINSIDEL.

Für einen grossen thoren ich dich halt

So du nit btrachtst das aller gwalt

Vnß kumpt allein von oben ab

Von got der dir das läben gab

Vnd bist so gar ein grosser thor

So du bist kon vff dine ior

Wilt stellen erst noch grossem gwalt

Vnd sichst das selten keir wirt alt

Ouch ist geschriben merck mich eben

Ein jeder gwalt eins kurtzen läben

Welcher ouch thůt erhöhen sich

Der wirt genidert von got ich sprich

Die wält soltstu jetzund verlon

Allein bätten vnd zkirchen gon

Vnd sähen an wie schnell der todt

Jetz manchen alten gnomen hott

Der on bycht vnd bůß ist gächling gstorben

Gar wol darffstu auch dran erworgen

DER .LXX. JERIG.

Wa jederman dar an gedächt

I gericht vnd rot man wenig brächt

Wa gunst vnd miet die gond do für

Das selb auch bildet jetz yn mir

So ich nun glert hab schwartz vnd wyß

I i frogen brauch ich gůten flyß[69]

Meins glichen weiß ich vber zkommen

Mein wort machen gar manchen stommen

Die alle volgen miner sag

Wa ich da ainen stüpffen mag

So gib ich i i ain nater stich

Niemandt darff reden wider mich

Drumb ich den gwalt yn henden han

Vyl nüwer satzung foch ich an

Do mit der arm man wirt beschwert

Den witwen weisen bin ich hert

Säß ich nit also nach bim brät

Mancher es nit dest böser hät

Schmeichlen strichen mir wol gfalt

Do mit ich manchen bösen bhalt

Vnd manchen frommen vndertruck

Mein gůter brůder fürbaß ruck

DER EINSIDEL.

Du alter gryß solt wissen das

Nüt grössers ist da nyd vnd haß

Durch nyd der tüfel kam vff erdt

Der jedes menschen seel begärt

Der nyd ain böse wurtzel ist

Durch nyd ward gmartert Jesu christ

Durch nyd ward Abel zdot erschlagen

Grossen nyd dettent Palestini tragen

Drumb Isaac von got den sägen erlangt

Vß nyd Achitophel sich selb erhangt

Darumb ich rat du last dar van

Das dir nit gschäch als dem Aman

Vmb nyd den er zů Mardocheo hat

Durch nyd zerstöret wirt manch stat

Wo nyd den burgern wonet by

Do godt bald ab ir polucy

Der glichnüß wolt ich dir vyl sagen

Den alten narren můß ich ouch fragen


Quelle:
Pamphilus Gengenbach. Hannover 1856, S. 68-70.
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