Hie facht an die vorred in die zehen alter.

DER EINSIDEL.

Nvn hören zů mein lieben fründ

Wz ich eüch kürtzlich hie verkünd

Darzů mich bwegt all mein gemüt

So ich betracht die groffe gůt

Die vnß gott selber hat gethon

Als er bschůff Hymel, Erd, Su , Mon

Vnd köstlich ziert das Paradyß

Den menschen macht mit gantzem flyß

Das doch der selb wenig ansach

Durchs teüfels rot er gar bald brach

Die gbot gots, nämendt eben war

Do vnß kumpt da die erbsünd har

Vnd do mit vnderwürfflich gmacht

Dem teüfel vnd auch siner macht

Das hat gewert vyl tausent jor

Biß das ain iunckfraw rein vnd clor

Vnß gbar Jesum das kindlin gůt

Das vnß erlost mit sinem blůt

Das er vergoß vmb vnser sünd

Noch sind wir also toub vnd blind.

Vnd wend von sünden noch nit lon

All vppigkait thůt jetz vff ston

Sicht man bim kind bis an den alten

Wie sich ain jeder jotz thůt halten

Paulus vnß das gar clorlich schreibt

So sich nohen die letsten zeit

Werden gar vyl vom glouben wichen[54]

Den tüfelschen leren sich verglichen

Kain warheit wirt man da nit finden

Als Petrus vnß auch thůt verkünden

Judas deßglich fürt auch ain clag

Wa sich nohen die letsten tog

Wirt vyl geuärlicheit vff stan

All tiranny wirt fohen an

Vnd halten nüt vff gottes gbot

Allein so wirt das gelt sin gott

Vbermütig hoffertig vnd ouch schweren

Vnghorsam vatter můter nit eren

Vndanckbar, vnkeüsch, kain friden haben

Nach frumkait man wirt wenig fragen

Rouben brennen ist da recht

Da reckt sich das magogisch gschlecht

Die boßhafftigen man da thůt loben

Ouch werden die bösen fürhär zogen

Gerächtigkait wirt vndertruckt

All fromkait můß da sein geschmuckt

Der gaistlich stand der wirt veracht

Hoffart wirt han allein den bracht

Vnküscheit v auch vbermůt

Nyd, haß vnd vnfertig gůt

Wirt gantz vnd gar da sin gemein

Ein jeder da betracht allein

I sinen sack das er vol werd

Da ist kain trüw vff diser erd

Deß gmeinē nutz man da nüt acht

Darumb ain jeder selber btracht

Eygentlich yn sin gwisne gang

Ob noch biß vff die zeit sey lang

Die vnß sant Paulus hat erklärt

Welcher das selb zů wissen bgårt

Der merck vff diß zehen person

Wie sie da nach ain ander ston

Sind jetz die alter dyser welt

Merckt eben wie sich jedes helt

Ouch war vff es doch sy geneigt[55]

Sähen wie sich das kind erzeigt

Wie üppiglichen es do stott

Leider es niemandt zů hertzen godt


Quelle:
Pamphilus Gengenbach. Hannover 1856, S. 54-56.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die zehn Alter dieser Welt
Die zehn Alter dieser Welt

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon