ALTCHRISTLICHE ERSCHEINUNG

[43] Die weite basilika füllte sich immer dichter mit den gläubigen und zwischen denen die sich am boden beugten oder an den pfeilern standen drängten sich die neueintretenden scharen. Man erwartete die segnung des knaben Elidius. Er mit seiner sündigen schönheit kniete nun nackt und schlicht und als ob er allein wäre auf dem erhöhten vergitterten chor: die stirne in andacht tief geneigt und in einen mantel von schatten und weihrauch gehüllt. Während in der seitenkapelle sich die oberhirten und priester berieten ob ihm die heiligung[43] zu gewähren sei murmelten weisse gestalten an den altären lange litaneien und das volk schaute und harrte unter stummen gebeten. Da öffnete sich die seitentür und eingeleitet und gefolgt von kindern mit brennenden kerzen trat der erzpriester in vollem ornat heraus und auf seiner mitra und auf seinem vorgereckten finger waren grünglühende edelsteine. Alle hielten den atem an bei seinen ersten schritten. Als er aber auf Elidius zugegangen war und die hand auf dessen haupt gelegt hatte: da brach in den vordersten reihen ein verhaltenes jauchzen los das wie von hundert orgeln anschwoll und weiterwuchs .. es sprengte die türen ging wie ein donner durch unabsehliche pfeiler und durch die unabsehliche menge wo keiner sich mehr hörte und fühlte in einem überirdischen und rasenden jubel.[44]

Quelle:
Stefan George: Tage und Taten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 17, Berlin 1933, S. 43-45.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 17: Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
Tage und Taten: Aufzeichnungen und Skizzen