Erste Szene.

[22] Theoda steht im Hintergrunde auf einer Erhebung und späht, die Hand vor den Augen, im grellen Sonnenlicht nach der Seite. Da sie Schritte nahen hört, verbirgt sie sich hinter einem Busche. Wolf kommt hastig von vorne rechts.


WOLF.

Noch steht die heil'ge Königseibe!

Doch weh –! Von rasendem Orkan

Die Bäume, ferner Tage Zeugen,

Die treue Wacht um sie gehalten,

Gleich greisen Helden hingefällt!

Der Erde heil'ger Mutterboden

Ruchlos vom Eisen aufgerissen!

Aus dunklen Wunden strömt ihr Atem,

Und klagt um Rache wider Teut.

THEODA tritt vor.

Du, Wolf, zurück?[22]

WOLF.

Sag, sahst du Teut?

THEODA.

Vom Hügel dort späht' ich nach ihm;

Zu neuer Tat führt er das Volk.

In weitem Bogen streuen sie

In offne Erde gelbes Korn.

Mit Hand und Mund grüßt Teut die Sonne,

Wirft Vögeln lachend Körner zu.

Und hold umkreist von ihrer Schar,

Schreitet er jauchzend in den Morgen,

Und jauchzend folgt zum Werk das Volk.

WOLF.

Teut! Mit seinem Kinderlachen

Vergiftet er das ganze Volk!

THEODA.

Er geht so sicher, fand so viel,

Was wir in Träumen nicht geahnt. –

WOLF.

Du bist vergafft!

THEODA.

Du liebst ihn nicht!

Zum Heil führt er vielleicht noch alles.

WOLF.

Zum Heil? O Heimat, heil'ge Heimat!

In Not und Schande schreit sie auf,

Dem fremden Unhold ausgeliefert!

Was wär' der Fremdling ohne Teut?

Was seines Gottes glühend Drohen?

Teut heißt der Frevler, den wir –


Er führt mit der Faust einen Schlag durch die Luft.
[23]

THEODA.

Nicht du, der König nur darf richten!

WOLF.

Er kommt. Hier fällt der Richterspruch.

Er kann nur lauten: Todeswürdig –

THEODA.

Wolf, halt ein!

WOLF.

– und todverfallen!


Theoda klammert sich bittend und beschwörend an Wolf, der sie rauh von sich schüttelt.


Er übt Verrat – Verräter sterben,

Wie Feiglinge, erstickt im Moor!

THEODA schreit auf und wendet sich heftig zu Wolf.

Erstick du selbst am grimmen Haß,

Der dich dein halbes Leben würgt!

WOLF mit Größe.

Treulos ist Teut! Drum hass' ich ihn.

THEODA.

Ein Leuchten seines trunknen Auges

Wiegt dich samt deiner Treue auf!


Sie eilt davon.


WOLF.

Zeit ist's König, ihn zu richten!


Gemessen schreitet er in den Wald nach rechts.
[24]


Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 22-25.
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