16. Hirten-Brautlied auf H. Neumans von Görlitz seine Hochzeit, zum Guben

[665] Weil es denn in ewren Haynen

Noch so grün vnd lustig steht,

Hirt- vnd Heerden wol ergeht,

Muß euch ia die Sonne scheinen,

Pan muß selbst nit weit von hinnen,

Wohnen mit den Schäferinnen.


Reine Quelle, schöne Brunnen,

Labung nach der Hitze Last,

Frisches Gras für gute Rast,

Grüne Schirme für die Sonnen,

Wird man hier vmb diese Linden

Häufig vmb vnd vmb befinden.


Seht doch, wie die geilen Geißen

An den Rinden nagen stehn,

Theils am Berge klettern gehn,

Vnd von Haselstauden reißen,[665]

Theils auch dort im kühlen Schatten

An den iungen Eichen blatten.


Wo der Klee am dicksten blühet,

Auch die andern Heerden gehn,

Die so tief im Grase stehn,

Daß man kaum die Ohren siehet,

Sein so schwer auf ihren Füßen,

Daß sie sich auch legen müßen.


Wolt ihr denn was Liebes suchen,

Wie die ganze Schäferey

Ihnen liebbeflißen sey,

So beseht nur iene Buchen.

An der nächsten Bürken Rinden

Ist Dorindens Ruhmb zu finden.


Hört wie fein es hier erklinget,

Wenn aus trewem Liebessinn

Auf die schönste Schäferin

Tityrus ein Liedlein singet,

Wie es an die Bäwme hallet

Vnd in Gründen widerschallet.


Seht auch wie sich dorte strecken

Corydon vnd Galathee

In den dicksten tiefsten Klee

Vnd mit kühlen Schatten decken.

Seht wie sie so freundlich scherzen

Vnd einander immer herzen.


Denen der verliebte Westen

Nichts nicht nach in Wollust giebt,

Herzt sich auch, vnd buhlt, vnd liebt

Mit den iungen zarten Ästen,

Heißt sie fein zusammenrücken

Vnd einander Mündlein drücken.


Wie in ihren grünen Häusern

Sich das Federvölklein part,

Vnd sich freyet Art zu Art,

Macht die Brautbett' auf den Reisern;

Sonderlich die Ringeltaube

Dringt sich selbst zur Weiberhaube.


Hört ihrs, wie sie herzlich lachet,

Wenn sie Morgens ihren Mann[666]

Wil vmb Hochzeit schnäbeln an,

Der es denn aufs Beste machet,

Daß eh es kan dreymal tagen,

Sie zu Neste müssen tragen.


Pan weiß selbst auch nicht vor Frewden,

Was er nur beginnen soll,

Es gefällt ihm gar zu wohl,

Daß so fein die Lämmer weyden,

Bläst in seine siben Röhren,

Daß es Hirt vnd Hirtin hören.


Die denn sich nicht lange säumen,

Wenn sie da beysammen sein,

Stimmen wohl das ihre drein,

Mit den süßen Liebesreimen.

Auch die Nymfen bey den Tänzen

Rüsten sich mit ihren Kränzen,


Die sie nächten bey den Hirten,

Mit gedrückter fester Hand

Als der trewen Liebe Pfand,

Zugesaget ihren Hirten,

Die sich wol hiermit ergetzen,

Vnd der Gaben selig schätzen.


Jene sich was abzukühlen

Setzen sich dorthin zur Ruh,

Sehn den iungen Lämmern zu,

Wie sie mit einander spielen,

Spielen gleichsfalls ohne Sparen,

Was vns kömmt von iungen Jahren.


Summa; was man hier nur sihet,

Berg vnd Thal sind auch wol auf,

Lust ist hier in gutem Kauf.

Alles grünet, alles blühet,

Hirt vnd Hirtin, Schaf vnd Weyde

Weiß von keinem Winterleyde.


Ihr geparten lieben Herzen,

Ihr ein Willen, Seel vnd Sinn,

Machet euch doch auch dorthin,

Helfet in die Wette scherzen,

Nehmet an, dieweil ihr könnet,

Was euch ewer Glücke gönnet.
[667]

Tretet mit an ienen Reyen,

Weil die Heerde stille steht,

Vnd in guter Weide geht,

Hört, sie blasen die Schalmeyen.

Geht doch, geht doch euch zu laben,

Geht, ihr solt den Vortanz haben.


Immer dran! Zu euren Frommen

Ist die edle Schäferey

In gesammter Companey

Heute hier zusammen kommen:

Wollen sich mit euch ergetzen,

Vnd mit einem Tanze letzen.


Nun die Nacht hebt an zu feuchten,

Luna zeucht die Hörner ein,

Kan euch nicht mehr dienstlich sein,

Vnd zum Abendtanze leuchten.

Treibet immer, treibt von hinnen

Ewre Heerde zu den Rinnen.


Auf ihr Hirten, singet alle;

Ein, ihr Lämmer, immer ein,

Die vorangehn pfeifen drein,

Daß es in den Klüften schalle,

Phyllis aus dem Hirten Orden

Ist zu einer Braut geworden.


Singt: Glück zu, Glück zu, zur Sache!

Zündet Hochzeitsfackeln an,

Wündschet das der newe Man

Mit der Braut es also mache,

Daß, eh Morgen ihre Heerde

Ausgeht, sie zur Männin werde.


Wenn sie sich hierzu bekennet,

Vnd den Namen gehet ein,

Kann sie eh des Merzen Schein

Wider hier vorüber rennet,

Sich mit allen guten Ehren

Eine Mutter heißen hören.

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 665-668.
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