3. An seinen Herrn Paul Fleming

[657] 1631 Februar.


Wie ohne Mutter Blut Minerva sey empfangen

In Jupiters Gehirn' – vnd wie es zugegangen

Als Jungfraw Danae die güldnen Tropfen fing'

In ihre zarte Schoß, davon sie schwanger ging,

Und ihren Perseus bracht, – auch wie zum Lorberbaume

Die Dafne worden sey, vnd wie aus einem Schaume

Das geile Venus-Weib in kalter Meeresschoß

Empfangen vnd geborn, ja wie sie Segel bloß

Vnd ohne Schiff darzu vf eine Muschel kommen

Vnd ihre Reyse hab' vf Cypern zugenommen, –

Auch wie das Bacchusvaß, der Gott der Schlemmerey

Von Mans- vnd Weibsperson zweymal geboren sey, –

Vnd wie der Jupiter sey aus der Götter Orden

Zu Nießung seiner Lust zu einem Stiere worden, –

Das findet man hier nicht: von solcher Eitelkeit

Vnd blindem Fabelwerk' ist deine Muse weit.

Denn was gleich Pindus selbst vnd Phœbus Leyer klinget,

Vnd aller Musen Schaar vfs lieblichste drein singet,

Wie süß es immer tönt, jedoch es wenig haft,

Wenns nicht belebet wird von einer höhern Kraft.[657]

Der Naso, die Syren' vnd Wunder der Poeten,

Singt schön' vnd meisterlich von Lieb' vnd Liebesnöten,

Doch ist es nur ein Schall, der nur den lüstern Sinn

Vnd schnöden Vorwitz speist, vnd sonst fährt vberhin,

Ja eine Zauberey, die vnsern Sinn bekämpfet

Vnd wie ein schwarzer Rauch vnd dicker Nebel dämpfet,

Daß er nicht über sich zu Gott vnd Himmel an

Vor ihrer schweren Dunst im Geiste kommen kan.

Drumb lestu billich stehn solch' vnbeseelte Lieder

Vnd setzest dich dort hin in Stall zur Krippen nieder,

Die zwar von Ansehn schlecht, doch mehr am Werthe hält,

Als nicht erkaufen kan die ganze weite Welt.

Darumb du Lorbeerlaub vnd frischen Eppich führest

Vnd sie mit allerley Geblüm' vnd Grünem zierest,

Daraus das liebe Kind bey rawer kalter Nacht

So lieblich blicken thut, daß alls für Frewde lacht.

Nun wol, du machst es gut. Was deine Musa singet,

Nicht nur allein im Stall' vnd vmb die Krippe klinget:

Der Schall bricht höher sich, fährt vber allen Neid,

Vnd machet dich bekant der grawen Ewigkeit.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 657-658.
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