Vorrede.

[343] Obwohl gewiß ist, daß die meisten Krankheiten von natürlichen sowohl innerlichen als äusserlichen Suchen ihren Anfang hernehmen und entspringen; da nemlich ihrer viele von übler Diät und unrichtiger Lebensart im Essen und Trinken, dessen sie bald zu viel, bald zu wenig thun, bald was nützliches, bald was schädliches oft auch zur Unzeit geniessen, und sich der übrigen sogenannten nicht natürlichen Dinge, als der Luft, der Ruhe und Bewegung, des Schlafens und Wachens, der Gemüthsanleitungen, der behaltenden und fortzubringenden Säfte und Excremente, der Gesundheit nach, nicht recht bedienen, in diese und jene Krankheit gerathen, oder durch unartigen Gebrauch der sonst nützlichen, vielmals aber auch schädlichen, theils innerlichen, theils äußerlichen Arzneien, wie auch durch unzeitiges Schröpfen, Aderlassen und dergleichen sich in eine Unpäßlichkeit stürzen oder gestürzt werden. So ist doch hingegen[343] auch wahr, daß es viele Krankheiten gibt, die zwar öfters vor Natürliche gehalten, angesehen und traktirt werden, in der That aber rechte Zauberkrankheiten sind. die von dem Teufel und seinem Anhang, den Hexen und Unholden, ihren Ursprung entlehnen. Denn ja unläugbar und es die tägliche Erfahrung bezeugt, daß auf Gottes gerechte Verhängniß und Zulassung zur Strafe der sündigen Welt entweder der Teufel selbst, als der beste Naturkundige, auch durch natürliche Sachen, durch des Himmelsgestirns Einfluß und Constellation, durch alle Elemente, durch die von der Erde in die Luft aufsteigenden Dämpfe, durch allerlei Kräuter und Gewächse, die er schon vorher schädlich weiß oder schädlich machen kann, den armen Menschen, wie nicht minder das unvernünftige Vieh bezaubern, vergiften, ja gar tödten thut oder solches durch sein Hofgesind, die Hexen und Unholde, verrichten läßt. Daß daher die Zauberkrankheiten nicht unbillig könnten beschrieben werden, daß sie eine Plage seyen, die durch Gottes Zulassen von dem Teufel und durch seine Hilfe, von bösen Leuten, einestheils sowohl den frommen und unschuldigen, als auch gottlosen Menschen, jenen zu einer leiblichen Strafe und Sündenabhaltung, diesen aber zur Besserung und Bekehrung,[344] obschon vielmals zu des Leibes Gebrechlichkeit, Verderben, auch wohl Tod und Sterben, doch beiden zur Erlangung der dermaleins künftigen Seligkeit, andern zum Exempel, anderntheils auch den unvernünftigen Thieren, zu des Menschen Verdruß und Schaden, auf allerlei auch wunderbare Art und Weise vielfältig wider die Natur angethan und beigebracht wird. Wie der geneigte Leser in diesem Anhang, darin von den Zauberkrankheiten, derer wahren Erkenntniß, Unter schied und Kur absonderlich gehandelt wird (welches alles uns die beigefügten, wahrhaftigen Zauberbegebenheiten, wie auch Herrn Myllii, hochgelehrtes und bisher unbekannt gewesenes Traktätlein von eben diesen Krankheiten, und Herrn Dr. Carrichteri, weiland Ihro Kais. Maj. Maximilian II. Leib- und Hof-Medici, hochvernünftige Kurart eben derselbigen, die alle in diesem Anhang enthalten, mit mehrern lehren), etwas weitläufiger ersehen und die darin begriffenen vielfältigen Arten der Zauber-Verhexungen, die der arme Mensch durch des Teufels List und dessen Unholden ungezähmte Bosheit fast täglich erfahren muß; da nämlich etliche durch wächsene Bildlein, etliche durch der Hexen Betastung, etliche durch deren Beschreiung und Berufung, etliche durch[345] eingegebene Gifte und dergleichen also verhext werden, daß sie theils als vom Teufel besessen, rasend oder kleinmüthig, theils ganz contract, lahm und krumm, theils ganz thöricht verliebt, theils ganz dürr und mager, ihrer vielen auch ganz ungewöhnlichen Suchen: als Messerspitzen, Dornspitzen, Nadeln, Fäden, Haare, Nestel, Gläser, Eierschalen, wie auch allerlei Gewürm, als Nattern, Regenwürmer, Asteln, Spinnen, Frösche, Kröten, Eidechsen und anderes Ungeziefer, welche die Kranken nachmals sowohl durch den Mund, After und Urin von sich gehen, als aus ihren Eitergeschwären dort und da von sich stossen, daran nicht wenig gar den Geist aufgeben, in den Leib gezaubert werden, theils Weiber auch vor der Zeit von ihrer Leibesfrucht kommen, oder ungestalte, kranke oder todte Kinder auf die Welt bringen; wie auch das unvernünftige Vieh dadurch in fast eben dergleichen Zustände verfällt, daß es ausdorren, die Milch verlieren, lahm und krumm werden oder gar abstehen und verderben muß, nicht unbillig sehr bewundern und bejammern wird.[346]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 343-347.
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