An Nantchen

[77] Nach einem Brande.


Ich hatte diese Nacht mich kaum

Zum Schlummer hingestreckt,

Da ward ich, ach! aus süßem Traum'

Schon wieder aufgeschreckt.

Die Trommel ging, die Glocke klang,

Der Wächter stieß ins Rohr,

Aus jeder Thür' und Fenster sprang

Ein bloßes Hemd' hervor.

Wie stob ich aus dem Bett' heraus!

Mein süßer Traum verschwand,

Mein Muth dazu, des Nachbars Haus

Stand lichterloh in Brand.[78]

Bild, Lock' und Lieder! bleibt nur mein!

Kommt! folgt mir bis ins Grab!

Und nun, mein Häuschen, muß es seyn,

Nun wohl! so brenn' itzt ab!

Auf unsern Kirchhof lief ich da

Mit meinem Schatz', und stand

Und küßte dein Portrait, und sah

Gelassen in den Brand.

Dein Schutzgeist, welcher über mir

Dein Bild mich küssen sah,

Sprach zu der Flamme: Stehe hier!

Und plötzlich stand sie da!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 77-79.
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