Vorbericht

Seitdem die ersten beiden Ausgaben meiner Gedichte, in Leipzig und Frankfurt am Main fast zu gleicher Zeit gemacht wurden, sind sechs und dreißig Jahre verflossen, und ich glaubte, sie wären vom Publikum ganz vergessen, da ich so selten nur, von weit besseren Gedichten älterer Zeit, jetzt noch reden höre. Von selbst würde ich daher nie darauf verfallen seyn, eine neue Ausgabe zu veranstalten. Die Frankfurter Verlagshandlung hat aber diesen Wunsch seit fünf Jahren so oft wiederholt, daß ich mich dazu entschloß, als ich, auf mein Bitten von allen Geschäften befreit, endlich Muße fand, meine Gedichte durchzusehen und zu verbessern. In einem so langen Zeitraume waren sie mir so fremd geworden, daß ich sie völlig wie die Arbeit eines Dritten betrachten konnte. An meiner Vorliebe liegt es also nicht, wenn mir diese Verbesserung nicht ganz gelungen ist. Will etwa ein künftiger zweiter Ramler diese Gedichte noch von den Fehlern, die er darin findet, befreien, so habe ich nichts dagegen; nur bei meinem Leben habe ich Niemanden damit bemühen mögen.


So wie ich bin, so will ich seyn,

Und so mich meinen Freunden geben.


Aus diesem Grunde habe ich auch meines verstorbenen Freundes Ramler Umarbeitung einiger von den Liedern zweier Liebenden, die in die zweite Leipziger Ausgabe mit aufgenommen waren, jetzt weggelassen.

Manche in den vorigen Ausgaben befindliche Gedichte sind jetzt weggeblieben, weil sie mir[5] nicht mehr gefielen. Andere, später in periodischen Sammlungen gedruckte, die vielleicht der Aufnahme wenigstens eben so werth gewesen wären, als ich es von denen glaubte, welche ich hier dem Publikum vorlege, wird einer oder der andre Leser vielleicht vermissen. Von diesen letztern wußte ich nicht mehr, wo ich sie jetzt suchen solle, und handschriftlich besaß ich sie nicht. Selbst meine Freunde, die in solchen Flugschriften belesener sind, als ich, und denen ich das Wiederauffinden mehrerer Gedichte, die mir entfallen waren, verdanke, konnten sich nicht weiter für mich bemühen, da ich von denen,[6] die ohne meinen Namen gedruckt sind, die darunter gesetzten Zeichen vergessen hatte. Selbst im glücklichsten Falle, kann ich bei meinem hohen Alter nicht hoffen, noch eine neue Ausgabe zu erleben. Wenn aber jemals eine in der Folge gemacht werden sollte, so wünschte ich, daß sie lieber unvermehrt bliebe, als daß man vielleicht Gedichte von mir aufnähme, die es eben so wenig verdienen, als die, welche ich aus den vorigen Ausgaben nicht beibehalten, oder von den später gedruckten mit Bedacht jetzt nicht aufgenommen habe. Weit eher kann ich mir eine Verminderung gefallen lassen, wenn etwa die[7] Kunstrichter in dieser, von mir selbst gemachten Sammlung, noch Gedichte finden sollten, die ihnen nicht werth scheinen, dem Publikum noch einmal vorgelegt zu werden.

Göckingk.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte.Teil 1–4, Teil 1, Frankfurt a.M. 1821, S. V5-VIII8.
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