1769

[185] 1/50.


An Anna Katharina Schönkopf

Franckfurt am 31. Jan. 1769.

Heute oder Morgen, es ist einerley wann ich schreibe, wenn Sie nur erfahren wie's mit mir ist. Es muss besser in Leipzig seyn als hier. Es schreibt[185] weder Horn noch Sie, noch ein andrer; vielleicht habt ihr Bälle und Fassnachts Schmäusse, zu der Zeit da ich im Elend sitze. Traurig Carnaval. Seit vierzehn Tagen, sitz ich wieder fest. Im Anfange dieses Jahrs, war ich auf Parole losgelassen, das bissgen Freyheit ist auch wieder aus, und ich werde wohl noch ein Stückgen Februar im Käfigt zubringen. Denn Gott weis wenn's alle wird, ich binn aber ganz ruhig darüber, und ich hoffe, Sie werden es auch seyn. Den dritten März binn ich schon ein Halbjahr hier, und auch schon ein Halbjahr kranck; ich habe in dem Halbenjahr viel gelernt. Ich dencke Horn soll die Zeit über auch mehr gelernt haben, wir werden einander nicht mehr kennen, wenn wir einander wiedersehen. Gewiß Horn hat nicht halb so viel Lust mich zu sehn als ich ihn. Der gute Mensch soll aus Leipzig, und hat kein Blut gespien. Das mag, schwer seyn. Sie sind so lustig, sagte ein sächsischer Officier zu mir, mit dem ich den 28. Aug. in Naumburg zu Nacht ass, so lustig und haben heute Leipzig verlassen. Ich sagte ihm, unser Herz wisse offt nichts von der Munterkeit unsers Bluts. Sie scheinen unpässlich, fing er nach einer Weile an. Ich binn's würklich, versetzt ich ihm, und sehr, ich habe Blut gespien. Blut gespien, rief er, ia, da ist mir alles deutlich, da haben sie schon einen grosen Schritt aus der Welt getahn, und Leipzig musste ihnen gleichgültig werden, weil sie es nicht mehr geniessen konnten. Getroffen,[186] sagt ich, die Furcht vor dem Verlust des Lebens, hat allen andern Schmerz erstickt. Ganz natürlich, fiel er mir ein, denn das Leben bleibt immer das erste, ohne Leben ist kein genuss. Aber fuhr er fort, hat man ihnen nicht auch den Ausgang leicht gemacht.

Gemacht? fragt' ich, wie so. Da ist ia deutlich, sagte er, von Seiten der Frauenzimmer; Sie haben die Mine, nicht unbekanndt unter dem schönen Geschlecht zu seyn. – Ich bückte mich für's Compliment – Ich rede wie ich's meyne, fuhr er fort, sie scheinen mir ein Mann von Verdiensten, aber sie sind kranck, und da wette ich zehen gegen nichts, kein Mädgen hat sie beym Ermel gehalten. Ich schwieg, und er lachte. Nun sagte er und reichte mir die Hand übern Tisch, ich habe zehen Thaler an sie verlohren, wenn sie auf ihr Gewissen sagen: Es hat mich eine gehalten! Top sagt ich Hr. Captain und schlug ihm in die Hand, Sie behalten ihre Zehen Thaler. Sie sind ein Kenner, und werfen ihr Geld nicht weg. Bravo, sagt er, daran seh ich dass sie auch Kenner sind. Gott bewahre sie darinn, und wenn sie wieder gesund werden, so werden sie Nutzen von dieser Erfahrung haben. Ich – und nun ging die Erzählung, seiner Geschichte los die ich verschweige, ich sass und hörte mit Betrübniss zu, und sagte am Ende, ich sey confundirt, und meine Geschichte und die Geschichte meines Freunds Don Sassafras, hat mich immer mehr von der Philosophie des Hauptmans überzeugt.[187] Unglücklicher Horn! Er hat sich immer so viel auf seine Waden eingebildet, jetzt werden sie ihm zum Unglück gereichen. Lasst ihn nur lebendig weg. Satt sehen könnt ihr euch noch an ihm, denn er ist der letzte Franckfurter in Leipzig, der gerechnet wird, und wenn der fort, da könnt ihr warten biss ihr wieder einen zu sehen kriegt. Doch tröstet euch, ich komme bald wieder.

Du lieber Gott, jetzt binn ich wieder lustig, mitten in den Schmerzen. Wenn ich auch nicht so munter wäre wie wollt ich's aushalten? fast zwey Monat, an einem fort ganz eingesperrt.

Leben Sie wohl beste Freundinn, grüssen Sie Ihre Eltern, und ihre Freundinn, und wenn Sie einmal schreiben, so berichten Sie mir wie die Glieder der ehemahligen Sonntägigen Gesellschafft jetzt unter einander stehen. Lieben Sie mich.

kranck ober gesund

biss an den Todt

Ihr Freund Goethe


1/51.


An Friederike Oeser

Mademoisalle,

Sie ist lang ausgeblieben, die Antwort! soll ich Sie wohl um Vergebung bitten? Nein gewiss, wenn ich das dürfte; Wenn ich sagen dürffte: Mamsell, verzeihen Sie, ich hatte viel, viel Geschäffte, daran[188] sich Herckules den Arm aus der Pfanne hätte heben mögen, ich konnte ohnmöglich, die Tage waren kurz, mein Gehirn, wegen der Einstrahlung des Steinbocks und Wassermanns, etwas kalt und feucht, und noch die ganze Reihe von alletags Entschuldigungen, um nicht auf sich kommen zu lassen, man sey faul, dazugerechnet; Sehen Sie, wenn ich in Umständen wäre, so was zu sagen, ich schreib lieber in meinem Leben nicht. O Mamsell, es war eine impertinente Composition von Laune meiner Natur, die mich vier Wochen an den Bettfus, und vier Wochen an den Sessel anschraubte, dass ich eben so gerne die Zeit über, hätte in einen gespaltnen Baumwollen eingezaubert seyn. Und doch sind sie herum, und ich habe das Capitel von Genügsamkeit, Geduld, und was übrigens für Materien ins Buch des Schicksaals gehören, wohl und gründlich studiert, binn auch dabey etwas kluger geworden; Sie werden mir also verzeihen wenn dieser Brief, mehr ein Commentar zu dem Ihrigen, als eine Antwort darauf wird; denn so viel Freude ich über das Blätgen gehabt habe, so viel habe ich auch dawider einzuwenden, und – Honneur aux Dames – aber wahrhafftig, Sie haben unrecht.

Wir müssen uns besser verstehn, eh wir uns weiter heraus lassen. Vorausgesetzt, dass ich nicht mit Ihnen zufrieden binn! Und nun will ich anfangen, von Anfang biss zu Ende, ordentlich wie ein Cronickenschreiber;[189] der Brief wird so lang werden, wie die Glosse eines Dompfaffen, über einen kleinen, leichten Text.

Sie wissens von Alters her, – wenigstens ist es meine Schuld nicht, wenn Sie es nicht wissen – Sie wissen, daß ich Sie für ein sehr gutes Mädgen hatte, die schon, wenn Ihr dran gelegen wäre, einen ehrlichen Menschen mit dem weiblichen Geschlecht wieder versöhnen könnte, und wenn er aufgebracht wäre wie Wieland. Wenn ich mich irre, so ist das wieder meine Schuld nicht. Zwey Jahre beynahe, binn ich in Ihrem Hause herumgegangen, und ich habe Sie fast so selten gesehen, als ein Nachtforschender Magus einen Alraun pfeifen hört.

Von dem also zu reden was ich gesehen habe – die Kirche urtheil nicht übers Verborgne, sagte Paris – So versichre ich Sie, dass ich davon bezaubert binn; aber wahrhafftig die Philosophen von meiner Art, haben meist Ulysses Kräuterbüschel, unter den andern Galanterien, in einem Sachet bey sich, dass Ihnen die stärckste Bezauberung nicht mehr schadet als ein starcker Rausch, Kopfweh den andern Morgen, aber die Augen sind doch wieder helle. Dieses wohl begriffen, damit wir uns nicht missverstehen.

Sie sind glücklich, sehr glücklich; wenn mein Herz nicht jetzt für alle Empfindung, todt wäre, ich wolle es Ihnen vorerzählen, vorsingen wollt' ich's Ihnen. Das möglichste von Gessners Welten; wenigstens bild[190] ich's mir so ein. Und Ihre Seele hat sich sehr nach dem Glück gebildet, Sie sind zärtlich, fühlbaar, Kennerinn des Reitzes, gut für Sie, gut für Ihre Gespielen; aber nicht gut für mich; und Sie müssen doch auch gut für mich seyn, wenn Sie ein ganzrechtgutes Mädgen seyn wollen. Ich war einmal kranck, und ward wieder gesund, eben genug, um mit Bequemlichkeit meinem letzten Willen nachdencken zu können. Ich schlich in der Welt herum, wie ein Geist, der nach seinem Ableben manchmal wieder an die Orte gezogen wird, die ihn sonst anzogen, da er sie noch körperlich geniesen konnte, iämmerlich schlecht er zu seinen Schätzen, und ich demütig zu meinen Mädgen, und zu meinen Freundinnen. Ich hoffe bedauert zu seyn; unsre Eigenliebe muss doch was hoffen, entweder Liebe oder Mitleiden. Betrogner Geist bleib in deiner Grube! Du magst noch so demütig, noch so flehend im weissen Rocke flehen und jammern, wer todt ist ist Todt, wer kranck ist, ist so gut wie todt; geh, Geist, geh, wenn sie nicht sagen sollen, du bist ein beschweerlicher Geist. Die Geschichten, die mich auf diese Betrachtungen führten, gehören nicht hier her. Nur eine will ich Ihnen ausführlich erzählen, wenn ich mich sie noch recht besinne. Ich kam zu einem Mädgen, ich wollte drauf schwören, Sie wären's gewesen, die empfing mich mit grossem Jauchzen, und wollte sich zu Todte lachen, wie ein Mensch die Carickaturidee haben konnte, im 20sten Jahre an der[191] Lungensucht zu sterben! Sie hat wohl recht, dacht ich, es ist lächerlich, nur für mich so wenig, als für den Alten im Sacke, der für Prügeln sterben mögte, über die eine ganze Versammlung fast für lachen stirbt. Wie aber alle Sachen in der Welt zwey Seiten haben; und einem ein schönes artiges Mädgen, leicht schwarz vor weis verkaufen kann; und ich überhaupt leicht zu bereden binn, so gefiel mir das Ding so wohl, dass ich mir einbilden liess, es wäre alles Einbildung, und man wäre glücklich, so lang man vergnügt wäre, und so weiter; und da erzählte sie mir wie sie auf dem Lande so vergnügt gewesen wären, wie sie blinde Kuh gespielt, nach dem Topfe geschlagen, geangelt, und gesungen hätten, dass mir's ward wie's einem jungen Mädchen wird die den Grandison liesst; das ist ein feines Bissgen von einem Menschen, so einen möcht'st du auch haben, denckt sie. Wie gern hätte ich auch mitgemacht, und meine Kranckheit verschlimmert. Dem sey wie ihm wolle, Mamsell, es ist nichts so schlimm, dass das Schicksaal nicht zum Guten machen könnte, Ihre Unbarmherzigkeit in den letzten Tagen, gegen den armen Verurteilet, machte ihn starck; Glauben Sie mir, Sie sind alleine Schuld, dass ich Leipzig ohne sonderliche Schmerzen verlassen habe. Freudigkeit der Seele, und Heroismus ist so communicabel wie die Elecktricität, und Sie haben so viel davon, als die Elecktrische Maschine Feuerfuncken in sich enthält. Morgen seh ich[192] sie wieder! ein Abschiedsgruss zu dem, den man auf die Galeeren schmieden will, ist wahrhafftig nicht der zärtlichste. Es sey! Mich hat er starck gemacht; und doch war ich nicht mit zufrieden. Die Grösse der Seele, ist meist unempfindlichkeit, unter uns gesagt. Wenn ich's wohl betrachte, so handelten Sie ganz natürlich, mein Abschied musste Ihnen gleichgültig seyn, mir war er's warrlich nicht. Ich hätte gewiss geweint, wenn ich nicht gefurcht hätte, Ihre weissen Handschuhe zu verderben; eine überflüssige Vorsicht, ich sah erst am Ende, dass sie gestrickt und von Seide waren, da hätte ich immer weinen können, doch da war's zu spät. Dass ich ein Ende mache. Ich ging aus Leipzig und Ihr Geist begleitete mich, mit der ganzen Munterkeit seines Wesens. Ich kam hier an, und sing an Betrachtungen zu machen, dazu ich bissher nicht Zeit gehabt hatte. Und sah mich hier nach Freunden um, und fand keine; nach Mädgen, die waren nicht so specificirt wie ich's liebe, und war im Jammer, und klage Ihnen das, in wunderschönen Reimen, und dencke, ob Sie denn wohl dich bedauern wird, und den unglücklichen Schwanen durch ein Briefgen trösten wird! Da kam ein Brieflein! Nun das ist wohl wahr, erquickt war ich; denn Sie stellen sich die Trockenheit nicht vor, in der man hier, von Seiten einer angenehmen Unterhaltung lechzt; aber getröst war ich nicht; Ich sah dass Sie meynten, Poesie und Lügen wären nun Geschwister, und der[193] Hr. Briefsteller könnte wohl ein sehr ehrlicher Mensch, aber auch ein starcker Poete seyn, der aus Vorurteil für das Clair obscür, offt die Farben etwas stärcker, und die Schatten etwas schwärzer aufstriche, als es die Natur thut. Bon, Sie sollen recht haben, wo Sie's haben. Nur, das ist doch zu arg, Sachen bey mir zu supponiren, die ich doch so wenig besitze, als den Stein der Weisen. Einen gesunden Kropf, ein gutes Herz, nun dazu liess ich mich noch wohl bereden, zu glauben dass ich das hätte; aber gelehrige Schülerinnen, Freunde, wie sich's gehört, daraus wart ich noch; wenn ich sie erwischt habe, die Paradiesvögel, da will ich's Ihnen schreiben. Dass Sie also unrecht hatten, mir ein Rezept zu verschreiben, wozu die Species in Leipzig waren, dass mich das nothwendig kräncken musste, das sehen Sie nun wohl ein. Es ist sehr unbillig; Sie haben mein Herz gegen den Abschied von Leipzig unempfindlich gemacht, Sie wollen gar haben daß ich es vergessen soll! O Sie kennen Sich und Ihre Landsmänninnen zu wenig! Wer die Minna hat zu Franckfurt aufführen sehen, der weiss besser was Sachsen ist. Sie haben also unrecht! Ich wiederhole es noch einmal, ob ich gleich in dem Augenblicke nicht weiss warum; denn ich habe so viel davon geschrieben, dass ich's drüber vergessen habe, wovon eigentlich die Rede war. Es mag nun seyn wie's will, so war die ganze Sache eine unparteiische, uneigennützige Erinnerung, an ein gewisses Frauenzimmer;[194] dass zum rechten guten Herzen auch Mitleiden gehört; dass das noch lange nicht der höchste Grad von Empfindlichkeit ist, wenn man arme Leute und Lerchen füttert. Dass das Lachen gegen das reelle Unglück, so wenig eine gute Cur ist, als das aus dem Sinnschlagen. Dass wir wenn wir satt sind, eine Rede von Genügsamkeit sehr schlecht bey einem Hungrigen anwenden, und endlich, dass der liebenswürdigste Brief, nicht das hundertste Theil von dem Reiz der Unterredung enthält. Denn Sie hätten mir alles das, und noch mehr, und nicht einmal so schön, vorreden dürfen, so wäre ich confundirt gewesen, und hätte mich nie unterstanden, die geringste von diesen impertinenten Anmerckungen zu machen. Wenn die Frauenzimmer immer wüssten, was sie könnten, wenn sie wollten! – Es ist gut dass es ist wie's ist, ich will zufrieden seyn, dass sie unsre Schwächen nicht ganz kennen. Nun genug von dieser Materie, von der ich so viel geschrieben habe, weil ich nie wieder davon zuschreiben hoffe. Möchte ich doch einem Unglücklichen gedient haben, den etwa das Schicksaal künftig in Ihre Hände übergiebt, die ie niedlicher sie sind, desto grausamer peinigen können. Ich hoffe künftig Ihnen mit keinen Klagen, mit keinem Jammer beschweerlich zu fallen, ich hoffe das Mitleid nicht nötig zu haben, wo zu ich Sie ermahne. Trutz der Kranckheit die war, trutz der Kranckheit die noch da ist, binn ich so vergnügt, so munter, offt so lustig[195] dass ich Ihnen nicht nachgäbe, und wenn Sie mich in dem Augenblicke jetzt besuchten, da ich mich in einem Sessel, die Füsse wie eine Mumie verbunden, vor einen Tisch gelagert habe, um an Sie zu schreiben.

Hierher gehört auch dass ich in diesem neuen Jahre, eine Farçe gemacht habe, die ehstens, unter dem Titel: Lustspiel in Leipzig erscheinen wird. Denn die Farçen sind ietzt auf allen Parnassen contrebande, wie alles aus der Zeit Ludwigs des vierzähenden.

Es lebe Ihre Connexion in der Sie mit dem Schicksaale stehn, ich werde mich auch auf den Fus mit ihm setzen; und Ihr Wahlspruch, möchte auch noch hingehn, und gut und artig seyn, wenn er nur nicht eben vom Rhingluff, oder Gotteweis wie er heisst, genommen wäre, zwanzig Dichter haben es eben so gut, und besser gesagt, warum muss nun eben der Mensch, mit dem Barbarischen Namen, die Ehre haben; Denn unter uns gesagt ich binn keiner von seinen Freunden. Ich kenne ihn weiter nicht, aber seine Verse die ich kenne, dementieren den ehrwürdigen Bart, und das feyerliche Ansehn das ihm Herr Geyser gegeben hat; ich will darauf schwören, in der Natur sieht er iünger aus. Sind denn die Gesänge schlecht?

Wer wird gleich solche Gewissensfragen thun! Genug ich weis nicht was ich mit machen soll. Mamsell, Sie sollen wenn Sie's verlangen, meine Meynungen über allerley Dinge wissen, sagen Sie mir die Ihrige, und[196] es wird die angenehmste, fruchtbaarste Materie, für unsern Briefwechsel seyn; aber Erfahrung macht Misstrauen. Ich rede frey vor Ihren, wie ich vor wenigen in Leipzig reden würde, nur lassen Sie niemanden sehn wie ich dencke. Seitdem Clodius freundschafftlichere Gesinnungen gegen mich blicken lässt, ist mir ein grosser Stein vom Herzen; ich habe mich steets vor Beleidigungen gehütet. Rhingulff ist ohne Zweifel in Leipzig, vielleicht kennen Sie ihn. Ich weiss nichts, denn ich binn ausser aller Connexion, mit allen schönen Geistern. Ich dencke so vom Rhin gulff wie von allen Gesängen dieser Art. Gott sey Danck, dass wir Friede haben, zu was das Kriegsgeschrey. Ja wenns eine Dichtungsart wäre, wo viel Reichtum an Bildern, Sentiments oder sonst was länge. Ey gut da fischt immer! Aber nichts, als ein ewig Gedonnere der Schlacht, die Glut die im Muth aus den Augen blitzt, der goldne Huf mit Blut bespritzt, der Helm mit dem Federbusch, der Speer, ein paar Dutzend ungeheure Hyperbeln, ein ewiges Ha! Ah! wenn der Vers nicht voll werden will, und wenns lang währt, die Monotonie des Sybenmaases, das ist zusammen nicht auszustehn. Gleim, und Weisse und Gessner in Einem Liedgen, und was drüber ist hat man satt. Es ist ein Ding das gar nicht interessirt, ein Gewäsche das nichts taugt als die Zeit zu verderben. Forcirte Gemälde weil der Herr Verfasser die Natur nicht gesehen hat, ewige egale Wendungen; denn[197] Schlacht ist Schlacht, und die Situationen die es etwa reicht sind sehr genützt. Und was geht mich der Sieg der Teutschen an, dass ich das Frohlocken mit anhören soll, eh! das kann ich selbst. Macht mich was empfinden, was ich nicht gefühlt, was dencken was ich nicht gedacht habe, und ich will euch loben. Aber Lärm und Geschrey statt dem Pathos, das thuts nicht. Flittergold, und das ist alles. Hernach sind im Rhingulff Gemälde ländlicher Unschuld; sie möchten gut seyn, in Arckadien angebracht zu werden; unter Deutschlands Eichen, wurden keine Nymphen gebohren wie unter den Myrthen, im Tempe. Und was an einem Gemälde am unerträglichsten ist, ist Unwahrheit. Ein Mährgen hat seine Wahrheit, und muss sie haben, sonst wär es kein Mährgen. Und wenn man nun das Süjet so chiffonirt sieht, so wird's einem bang. Da meynen die Herren das fremde Costume sollte was thun! Wenn's Stück schlecht ist, was sind des Ackteurs schöne Kleider! Wenn Ossian im Geiste seiner Zeit singt, so brauche ich gerne Commentars, sein Costume zu erklären, ich kann mir viele Mühe darum geben; nur wenn neuere Dichter sich den Kopf zerbrechen, ihr Gedicht im alten Gusto zu machen, dass ich mir den Kopf zerbrechen soll, es in die neue Sprache zu übersetzen, das will mir meine Laune nicht erlauben. Gerstenbergs Skalden hätt ich lange gern gelesen, wenn nur das Wörterverzeichniss nicht wäre. Er ist ein groser Geist, und hat aparte[198] Prinzipia. Von seinem Ugolino soll mann gar nicht urteilen. Ich sage nur bey der Gelegenheit; Grazie und das hohe Pathos sind heterogen; und niemand wird sie vereinigen dass sie ein würdig Süjet einer edlen Kunst werden, da nicht einmal das hohe Pathos ein Süjet für die Mahlerey dem Probierstein der Grazie; und die Poesie hat gar nicht eben Ursache ihre Gränzen so auszudehnen, wie ihr Advocat meynt. Er ist ein erfahrner Sachwalter; lieber ein wenig zu viel als zu wenig; ist seine Art zu dencken. Ich kann, ich darf mich nicht weiter erklären, Sie werden mich schon verstehen; Wenn man anders als grosse Geister denckt, so ist es gemeiniglich das Zeichen eines kleinen Geists. Ich mag nicht gerne, eins und das andre seyn. Ein grosser Geist irrt sich so gut wie ein kleiner, jener weil er keine Schrancken kennt, und dieser weil er seinen Horizont, für die Welt nimmt. O, meine Freundinn, das Licht ist die Wahrheit, doch die Sonne ist nicht die Wahrheit, von der doch das Licht quillt. Die Nacht ist Unwahrheit. Und was ist Schönheit? Sie ist nicht Licht und nicht Nacht. Dämmerung; eine Gebuhrt von Wahrheit und Unwahrheit. Ein Mittelding. In ihrem Reiche liegt ein Scheideweg so zweydeutig, so schielend, ein Herkules unter den Philosophen könnte sich vergreiffen. Ich will abbrechen; wenn ich in diese Materie komme, da werd' ich zu ausschweifend, und doch ist sie meine Lieblings Materie. Wie möchte ich in Paar hübsche[199] Abende, bei Ihrem lieben Vater seyn; ich hätte ihm gar so viel zu sagen. Meine Gegenwärtige Lebensart ist der Philosophie gewiedmet. Eingesperrt, allein, Circkel Papier, Feder und Dinte, und zwey Bücher, mein ganzes Rüstzeug. Und auf diesem einfachen Weege, komme ich in Erkenntniss der Wahrheit, offt so weit, und weiter, als andre mit ihrer Bibliothekarwissenschafft. Ein groser Gelehrter, ist selten ein grosser Philosoph, und wer mit Mühe viel Bücher durchblättert hat, verachtet das leichte einfältige Buch der Natur; und es ist doch nichts wahr als was einfältig ist; freylich eine schlechte Rekommendation für die wahre Weisheit. Wer den einfältigen Weeg geht, der geh ihn, und schweige still, Demuth und Bedächtlichteit, sind die nothwendigsten Eigenschafften unsrer Schritte darauf, deren jeder endlich belohnt wird. Ich dancke es Ihrem lieben Vater; Er hat meine Seele zuerst zu dieser Form bereitet, die Zeit wird meinen Fleis seegnen, dass er ausführen kann was angefangen ist.

So ist's mit mir, wenn ich ins schwätzen komme, so verliere ich mich wie Sie; nur dass ich mir nicht sobald helfen kann. Wenn ich sagte, ich habe viel geschwätzt so passte das eher hierher, als es zu Ihrem Brief passte. Er war ein wenig kurz.

Lassen Sie sich durch mich zum Schreiben aufmuntern! Sie wissen nicht, wieviel Sie für mich thun, wenn Sie für mich, sich nur einige Zeit beschäfftigen.[200] Und nur des seltsamen wegen, sollten Sie den Briefwechsel ins Reich unterhalten.

Noch einige Kleinigkeiten eh ich schliesse. Meine Lieder, davon ein Teil das Unglück gehabt hat, Ihnen zu missfallen, werden mit Melodien auf Ostern gedruckt ich würde mich vielleicht unterstanden haben, Ihnen ein unterschriebnes Exemplar zu wiedmen, wenn ich nicht wüsste, dass man Sie durch einige Kleinigkeiten, leicht zum schimpfen bewegen könnte, wie Sie selbst zu Anfange Ihres Briefs sagen; den ich wohl glaube verstanden zu haben. Es ist mein Unglück dass ich so leichtsinnig binn, und alles von der guten Seite ansehe. Dass Sie meine Lieder von der bösen angesehen haben; Ist das meine Schuld. Werfen Sie sie ins Feuer, und sehen Sie die gedruckten gar nicht an; nur bleiben Sie mir gewogen. Unter uns, ich binn einer von den gedultigen Poeten, gefällt euch das Gedicht nicht, so machen wir ein anders.

Von Wielanden möchte ich gar zu gerne was noch schreiben, fürchtet ich nicht die Weitläuffigkeit. Es giebt Materie zu einem andern Brief genug. Sie haben mir ia auch noch viel zusagen, sagen Sie in Ihrem letzten Brief; |: der der erste war :| ey, nehmen Sie sich nur alle acht Tage eine Stunde, einen Monat will ich gerne warten, und da hoff' ich, wird ein freundschafftlich Packetgen mich trösten. Unter andern würden Sie mir eine sonderbaare Gefälligkeit erweisen,[201] wenn Sie mir von den neusten, artigen und guten Schriften Nachricht gäben; hier erfährt mann's immer erst ein Vierteljahr nach der Messe. Ob ich gleich fast ganz auf die neue Literatur jetzo renuncirt habe, und keine Verse mehr, ausser wenn mich ein Räuschgen ermuntert, fliessen wollen, so mag ich doch den Neologismus nicht ganz auf einmal verlassen. Es hängt einem immer noch an, das Skarteckgenlesen, das in Leipzig offt für Gelehrsamkeit passirt.

Wie gern käm ich auf Ostern zu Ihnen, wenn ich könnte; wissen Sie was kommen Sie zu mir, oder schicken Sie mir den Papa. Wir haben Plaz für Sie alle wenn Sie kommen wollen. Es ist mein ganzer Ernst. Fragen Sie nur den Meister Junge, der wird Ihnen sagen dass das wahr ist. Und unser Tisch lässt sich so gut anstossen, wenn Gäste kommen, wie der Ihrige. Sie werden freylich diese Invitation nicht annehmen, die sächsischen Mädgen sind etwas delicat. Gut, zwingen will ich Sie nicht. Aber wenn Sie mich böse machen, so komm ich selbst, und invitire Sie in eigner Person. Wollen Sie es hernach auch nicht annehmen?

Ich binn

Ihr ergebenster Freund

Franckfurt,

und Diener,

am 13. Febr. 1769

Goethe.[202]


1/52.


An Adam Friedrich Oeser

Frankfurt am 14. Februar 1769.

Theuerster Herr Professor.

Endlich ein Brief! Er ist lang ausgeblieben und hätte noch länger außenbleiben müssen, um Ihnen die Nachricht einer völligen Wiederherstellung zu überbringen. Ich bin würcklich noch ein Gefangener der Krankheit, obgleich mit der nächsten Hoffnung, bald erlöst zu seyn. Dieses neue Jahr hat mir die erste Aussicht in's Leben, seit dem traurigen August, geöffnet, und es scheint, als wenn der Winter meiner Natur mit diesem Winter einerley Epoque haben sollte. Also soll ich gegen Ostern gesund seyn, und doch nicht zu Ihnen kommen? Ich komme nicht, Herr Professor. Aus Ostern nicht, auf Michael nicht, vielleicht in einem Jahr nicht, so lieb Sie mich auch haben. Sie wollten mich jetzt gleich haben, auf Ein Jahr, auf zwey. Was wäre das, daß ich noch einmal so Abschied nehmen müßte! Nein, wenn ich komme, will ich kommen, bei Ihnen zu bleiben eine hübsche Zeit, da das Ende mit dem Anfang nicht so nah verwandt ist, wie Zwey mit Eins. Und was könnte ich Ihnen auch jetzt nutzen! Verzeihen Sie mir die Eitelkeit, die Danckbarkeit (wie Sie's nennen wollen) daß Ihr Schüler gerne was zu Ihrer Freund beytragen möchte. Frankreich und Spanien schicken Astronomen[203] nach Californien, den Spaziergang der Venus zu betrachten. Wenn Sie an mich dencken, so dencken Sie wie Frankreich an die Astronomen. Wenn Sie von mir reden, so reden Sie so von mir. Sie haben viele Schüler, die Sie nie wiedersehen, in die Welt gestreut, und sich so viel Freunde gesät; sie werden alle Frucht bringen. Erlauben Sie mir einen Vorzug vor vielen! Nennen Sie mich keinen Weggegangenen, nennen Sie mich einen Verschickten. Wenn Sie jemand fragt: Wie steht um ihn? So sagen Sie: Gut! Ich hab' ihn mit allem verstehen, was er braucht an Kenntnissen und Instrumenten, um die Welt zu nutzen, und hab 'en auf Reisen geschickt, daß er allerley Erfahrungen macht, allerley Seltenheiten auftreibt und sie endlich mit der Zeit in mein Cabinet bringt. »Wo ist er denn jetzt?« Seit dem August in seiner Stube, bey welcher Gelegenheit er biss an die große Meerenge, wo alles durch muß, eine schöne Reise gethan hat. Er wird uns Wunderdinge davon erzählen können.

Ja Herr Professor, wenn's nach meinem Herzen gehen will, was in der Welt geschehen soll mit uns, so komm ich wieder. Nur werden Sie nicht ungeduldig, wenn ich lang ausbleibe, und bleiben Sie immer hübsch auf Ihrem Schlosse. Und wenn Sie an einem hübschen Sommerabend am Fenster stehen, und ein Mensch in seltsamem Aufzug über die Brücke getrabt kömmt, so binn ich's, der irrende Ritter, der[204] von den Abentteuern Rechnung zu geben kömmt, die er bestanden hat.

Ich scherze und allegorisire, und habe schon meine Freude daran. Was wird's erst werden, wenn wir wieder in Leipzig um's Tohr gehn! Vor der Hand hat mir's nun freilich mein Medicus als etwas, wodurch ich in ein Recitiv fallen könnte, verboten. Nächstens vielleicht etwas deutlicher von diesen Dingen.

Ich danke ergebenst für die Nachricht vom Steinschneiden; sie hat mir die Sache klaar gemacht. Lessing! Lessing! wenn er nicht Lessing wäre, ich möchte was sagen. Schreiben mag ich nicht wider ihn, er ist ein Eroberer und wird in Herrn Herders Wäldchen garstig Holz machen, wenn er drüber kömmt. Er ist ein Phänomen von Geist, und im Grunde sind diese Erscheinungen in Teutschland selten. Wer ihm nicht alles glauben will, der ist nicht gezwungen, nur widerlegt ihn nicht. Voltaire hat dem Schäkespeare keinen Tort thun können, kein kleinerer Geist wird einen größeren überwinden. Emile bleibt Emil und wenn der Pastor zu Berlin verrückt würde, und kein Abbé wird den Origines verkleinern.

Ende Jetzt oder ich fange noch ein Blat an, und es ist spät. Empfelen Sie mich denen Herren Kreuchauff, Weisse, Clodius, Huber, Hardenberg, Gravinus, besonders Ihrer Frau Gemahlinn. Meine Eltern sind ganz Ihre Freunde. Bei Herr Weissen entschuldigt[205] mich meine Krankheit. Das Verlangte wird erscheinen. Ich binn mit der unerschöpftichsten Schwatzhafftigkeit dennoch

Ihr

treuster und ergebenster Schüler

Goethe.


1/53.


An Friederike Oeser

Franckfurt am 8. Apr. 1769.

Nun was ist das denn für ein gros Unglück, wenn ich Sie bitte, ein wenig zu plaudern? Wie kommen Sie drauf, einen ehrlichen Menschen der an nichts denckt, für einen Bösewicht anzuschreien, weil er einem Mädgen das Seine Zunge geläuffig und artig zu gebrauchen weiss, zu erkennen giebt, dass er diese vorzügliche Gabe Ihres Geschlechts zu schätzen weiss. Mich treffen alle Ihre vehemente Beschuldigungen, gar nicht; und Sie hätten besser gethan, wenn Sie nicht böse geworden wären.

Ich soll eine üble Idee vom schönen Geschlecht haben. Auf gewisse Art, ja! Nur müssen Sie mich verstehn, und meine Worte, nicht jedesmal mit einer schlimmen Glosse erklären.

Was ich erfahren habe, das weiss ich; und halte die Erfahrung für die einzige ächte Wissenschaft. Ich versichre Sie, die Paar Jahre als ich lebe, habe ich von unserm Geschlecht eine sehr mittelmässige Idee[206] gekriegt; und wahrhafftig keine bessre von Ihrem. – Nehmen Sie das nicht übel. – Sie haben mir's darnach gemacht; und selbst Sie, geben Sie mir nicht Anlass, in meiner Verstockung so fortzufahren. Sie wollen mir Ihr Geschlecht, auf einer andern Seite zeigen! O, hätten Sie's bey der ersten gelassen, und Ihre Sache würde schlimm geblieben seyn, ohne schlimmer zu werden. Wie vortheilhafft ist denn diese neue Seite? Wir wollen sehen! – Dass jedes iunge, unschuldige Herz, unbesonnen, leichtgläubig, und desswegen leichtzuverführen ist, das liegt in der Natur der Unschuld. Läugnen Sie mir das! Und heisst denn das beschuldigen, wenn man die Sache sagt wie Sie ist. Und ist es denn Ihrem Geschlecht eine Schande leichtgläubig zu seyn? Es scheint als ob Sies glaubten. Sie widersprechen mir, und wollen Ihr Geschlecht vertheidigen. – Dass nicht alle Mädgen Leichtsinnig sind das haben Sie bewiesen; ich muss es gestehen; Aber Sie haben mir zu einer gefährlichen Meynung geholfen: Der Klügere Theil ist also misstrauisch. Denn Misstrauen ist die Laune Ihres ganzen Brief's. Wodurch hab ich das verdient? O der Argwohn liegt in Ihrem Herzen, und da müssen nonchalante, grande, ehrliche Stellen meiner Briefe, boßhaffter Scherz seyn. Meine Blätter sind in Ihren Händen, und ich trutze drauf; Sie werden keine Bosheit drinne finden, die Sie nicht drinne suchen.

Das Urteil eines Frauenzimmers, über Wercke des Geschmacks ist bey mir wichtiger als die Kritick des[207] Kritickers, die Ursache liegt am Tage, und alle Ihre Beredsamkeit soll mir meine Ehrlichkeit nicht verdrehen. Was ich sage, wenn Sie bekennen, dass das Versgen von Rhingulffen, aus List hingesetzt war? Das werden Sie wohl rahten können. Ich werde sagen, dass Sie Ihre Mausfallen gut zu stellen wissen, und dass mir's lieb ist, daß ich mich habe fangen lassen. Sie können sehn, wie ehrlich ich binn wären Sie grad gewesen, und hätten mich gefragt, ich würde nicht mehr und nicht weniger gesagt haben. Wäre Hr. Gervinus nicht bey mir gewesen, so wüste ich gar nicht wie ich dran wäre. Aus seiner Erzählung habe ich weg; dass der Barde in Leipzig wohl aufgenommen worden, dass er durchgehendes gefallen hat; und ich sehe wohl dass er auch Ihnen gefallen hat, und dass ich übels von Ihrem Freund geschrieben habe. Es sey! Was ich geschrieben habe das habe ich geschrieben. Schreiben Sie's auf; Rechnung des Brodneids, oder der wenigen Empfindung, dass mir der Barde nicht behagt. Mir ist's eins. Genug, ich kann nichts empfinden, wo nichts gedacht ist. Und der Republikanische Geist verläugnet sich nicht; Sachsen hat seine Wildheit und Kühnheit gemässigt, aber zu dem Concert des Lobs hat es ihn nicht stimmen können. Ich dancke Ihrem Vater, das Gefühl des Ideals; und die gedrehten Reitze des Franzosen, werden mich so wenig exstasiiren machen, als die platten Nymphen von Dietrich, so nackend und glatt sie auch sind. Jede[208] Art hat ihre Verdienste, nach ihrem Maasstab; ich binn ihr gehorsamer Diener allerseits, aber, wir wollen uns desswegen nicht entzweyen, Mamsell; seyn Sie immerhin nicht so streng gegen die Autoren, nur seyn Sie auch nicht so streng gegen mich. Wie soll ich mich mit Ihrem Geschlecht aussöhnen, wenn Sie so fortfahren wie Sie angefangen haben. Und doch, wenn es Ihnen nicht anders möglich ist, so zancken Sie nur, Sie sind doch immer hübsch, Sie mögen freundlich, oder böse seyn.

Ihre Bäume in Delis fangen nun bald an auszuschlagen, und solang sie grün sind, hoffe ich auf keinen Brief von Ihnen. Unterdessen will ich Sie schon zwingen, manchmal an mich zu dencken; mein Geist soll so hefftig an Ihre Büsche dencken, dass er Ihnen erscheinen wird eh Sie Sich's versehen; und meine Briefe, sollen Sie auf die Reitze des Landlebens, in Prosa und Versen aufmercksamer machen, trutz Hirschsfelden dem Anatomicker der Natur; wenn keine andre Materie vorkommen sollte. Hr. Regis wird schweerlich mit uns zufrieden seyn können, es thut mir weh, daß ein so angenehmer Mann, hier so einen unangenehmen Acceuil zum erstenmal gefunden hat.

Ich binn – ich weiss selbst nicht recht, was – Aber doch so gut als jemals, von ganzem Herzen

Ihr

Freund und Bewundrer,

Goethe.[209]


1/54.


An Anna Katharina Schönkopf

Franckf. am 1sten Juni, 1769.

Meine Freundinn,

Aus Ihrem Brief an Hornen habe ich Ihr Glück, und Ihre Freude gesehen, was ich dabey fühle, was ich für eine Freude darüber habe, das können Sie Sich vorstellen, wenn Sie Sich noch vorstellen können wie sehr ich Sie liebe. Grüssen Sie Ihren lieben Docktor, und empfelen Sie mich Seiner Freundschafft. Warum ich so lange nicht geschrieben habe das könnte wohl strafbar seyn wenn Sie meine Briefe mit Ungeduld erwarten hätten; das wusste ich aber, und drum schrieb ich nicht, es war bissher eine Zeit für Sie, da ein Brief von mir sowenig Ihrer Aufmercksamkeit werth war als die Erlanger Zeitung, und alles zusammengenommen so binn ich doch nur ein abgestandner Fisch, und ich wollte schwören – Doch ich will nicht schwören, Sie möchten glauben es wäre mein Ernst nicht. Horn fängt an sich zu erholen, wie er ankam, war gar nichts mit ihm zu thun. Er ist so zärtlich, so empfindsam für seine abwesende Uranie, dass es komisch wird. Er glaubt im Ernste was Ihr Brief ihm versichert das Constantie bleich für Kummer geworden wäre. Wenns auf's bleich werden ankommt, so sollte man dencken er liebte nicht starck denn er hat röthere Backen als iemals. Wenn[210] ich ihm versichre: Fieckgen würde sich an ihrer Freundinn Exempel spieglen, und nach und nach einsehen lernen pp, so flucht er mir den Hals voll; und schickt mich mit meinen Exemplen zum Teufel; er schwört dass die Buchstaben der Zärtlichkeit die seine mächtige Liebe in ihr Herz geschrieben unauslöschlich seyn. Der gute Mensch bedenckt nicht das Mädgen Herzen nicht Marmor sind, und daß sie auch nicht Marmor seyn dürffen. Das liebenswürdigste Herz ist das welches am leichtsten liebt, aber das am leichtesten liebt vergisst auch am leichtsten. Doch er denckt daran nicht, und hat recht, es ist eine grässliche Empfindung seine Liebe sterben zu sehen. Ein unerhörter Liebhaber ist lange nicht so unglücklich als ein verlassener, der erste hat noch Hoffnung, und fürchtet wenigstens keinen Hass, der andre, ja der andre – wer einmal gefühlt hat was das ist aus einem Herzen verstossen zu werden das sein war, der mag nicht gerne daran dencken geschweige davon reden.

Constantie ist ein gutes Mädgen, ich wünsch ihr einen Tröster; keinen von den leidigen, die sagen: Ja, es ist nur einmal so, man muss sich zufrieden geben; sondern so einen Tröster, der einem durch die Sache tröstet, indem er einem alles wieder ersetzt was man verlohren hat. O sie wird nicht lange eines mangeln. Geben Sie drauf acht liebe Freundinn, wenn Sie jemanden sehen der sie so führt, und mit ihr spazieren geht, und – nun das wissen Sie ja[211] was alles dazugehört, woran man merckt, dass es nicht iust ist; so schreiben Sie mir's, Sie können Sich leicht vorstellen, warum es mich freuen wird.

Meine Lieder sind immer noch nicht gedruckt, ich wollte Ihnen gerne wenn sie fertig wären, ein Exemplar davon schicken; aber ich habe nur niemanden in Leipzig dem ich es auftragen könnte. Wenden Sie die Paar Groschen die sie kosten werden an mich, und lassen Sie manchmal Petern eins spielen, wenn Sie an mich dencken wollen. Wie ich die Lieder machte, da war ich ein andrer Kerl als ich ietzt binn. Das arme Füchslein! Wenn Sie sehen sollten was ich den ganzen Tag treibe, es ist ordentlich lächerlich.

Das Schreiben wird mir sauer, besonders an Sie. Wenn Sie es nicht aparte befehlen so kriegen Sie keinen Brief wieder vor dem October. Denn meine liebe Freundinn ob Sie mich gleich Ihren lieben Freund und manchmal Ihren besten Freund nennen, so ist doch um den besten Freund immer ein langweilig Ding. Kein Mensch mag eingemachte Bohnen solang man frische haben kann. Frische Hechte sind immer die besten, aber wenn man fürchtet dass sie gar verderben mögen, so salzt man sie ein, besonders wenn man sie verführen will. Es muss Ihnen doch komisch vorkommen wenn Sie an all die Liebhaber dencken, die sie mit Freundschaft eingesalzen haben, große und kleine, krumme und grade, ich muß selbst[212] lachen wenn ich dran dencke. Doch Sie müssen die Correspondenz mit mir nicht ganz abbrechen, für einen Pöckling binn ich doch immer noch artig genug.

Apropos dass ich's nicht vergesse, da schicke ich Ihnen was, machen Sie mit was Sie wollen, entweder für Sie auf den Kopf, oder für jemand anders um die Hände. Das Halstuch und der Fächer sind noch nicht um einen Fingerbreit weiter. Sehen Sie, ich binn aufrichtig, wenn ich was mahlen will so bleibt mir's im Halse stecken. Nur in Frühlingstagen schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze, verzeihen Sie mir, die Erinnerung ist mir zu traurig, wenn ich das für Sie thun soll was ich gethan habe, ohne mehr zu seyn als ich binn.

Ich habe Ihnen immer gesagt dass mein Schicksaal von dem Ihrigen abhängt. Sie werden vielleicht bald sehn wie wahr ich geredet habe, vielleicht hören Sie bald eine Nachricht die Sie nicht vermuthen. Grüßen Sie Ihre lieben Eltern, und wer zu Ihrer Familie gehört. Empfelen Sie mich dem Obereinnehmer. Ich binn so viel als möglich

Ihr ergebenster Freund

G.[213]


1/55.


An Anna Katharina Schönkopf

F. d. 26. Aug. 1769

Meine liebe Freundinn,

Ich dancke Ihnen für den Anteil den Sie an meiner Gesundheit nehmen, und ich muß Ihnen zum Troste sagen, dass das letzte Gerücht von meiner Kranckheit, eben nicht so ganz gegründet war, ich befinde mich erträglich, freylich manchmal weniger als ich es wünschen mögte. Sie können Sich vorstellen dass es nichts als Indisposition war, warum ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe, vielleicht werden bald andre Ursachen Sie abhalten mir zu schreiben. Es ist sonderbaar, heut vor einem Jahre sah ich Sie zum letztenmal, es ist ein närrisches Ding um ein Jahr, was alles sein Gesicht in einem Jahre verändert; ich wette wenn ich Sie wiedersehen sollte, ich kennte Sie nicht mehr. Vor drey Jahren hätte ich geschworen es würde anders werden als es ist. Man soll für nichts schwören behaupt ich. Es war eine Zeit da ich nicht fertig werden konnte mit Ihnen zu reden, und ietzt will all mein Witz nicht hinreichen, eine Seite an Sie zu schreiben. Denn ich kann mir nichts dencken was Ihnen angenehm seyn könnte. Wenn Sie mir einmal schreiben, dass Sie glücklich sind, dass Sie ohne Ausnahme glücklich sind, das wird mir angenehm seyn. Glauben Sie das? Horn[214] lässt Sie grüssen, er ist unglücklicher als ich. Wie aber alles wunderlich ausgetheilt ist, so hilft ihm seine Narrheit sehr zur Cur von seiner Leidenschafft. Leben Sie wohl liebe Freundinn, Grüssen Sie mir die liebe Mutter und Peter. Ich binn heute unerträglich. Wenn ich in Leipzig wäre, da sässe ich bei Ihnen und machte ein Gesicht. Wie Sie sich dergleichen Specktackel noch erinnern können. Doch nein, wenn ich ietzt bey Ihnen wäre, wie vergnügt wollte ich leben. O könnte ich die dritthalb Jahre zurückrufen. Käthgen, ich schwöre es Ihnen liebes Käthgen ich wollte gescheuter seyn.

G.


Ich gehorche Ihrem Befehl, hier ab ich die Fehler Ihres Briefes angemerkt; wenn Sie diese Kleinigkeiten vermeiden wollen; so werden Sie inskünftige die besten Briefe schreiben


erinnere mich daßund nichterinnere mich das

gespielt– –gespiehlt

es war– –es wahr

Prophezeihung– –Profezeihung

Gnade– –Genade

Plätze– –Blätze

fade– –fate

Leidwesen– –Leutwesen

reitzenden– –reitzenten

Eindruck– –Eintruck

geschickt– –geschückt[215]

freilig– –freilich

schicken– –schücken

man wird– –man würd

übrig– –übrich

bekommt– –bekombt

Comödienzettel– –Comoetigen Zettel

so bald– –so balt

sagten– –sagden


1/56.


An Johann Gottlob Immanuel Breitkopf

[Frankfurt, August 1769.]

Gebe dir Gott einen guten

Abend Bruder Gottlob.

Daß du ein rechtschaffner Mensch bist, und brav und dich herausmachst, das sagen mir alle Leute die von Leipzig kommen, und das freut mich höchlich, daß du dich nicht außer zu deiner Avantage änderst, du warst von ieher ein guter Junge, und hattest Menschenverstand, und Gedancken wie ein Mensch der eine Sache begreifft, und Einfälle nicht wie ieder; besuche uns doch einmal, die Mädgen sind hier sehr auf deiner Seite, ich hab ihnen so allerley von dir erzählt, und es sind einige muntre Köpfgen unter ihnen, die meynen es wäre was mit dir anzufangen; schreibe mir doch einmal lieber Bruder, in was für Umständen du ietzo bist.

[216] Ich lebe erträglich. Vergnügt und still. Ich habe ein halb dutzend englische Mädgen die ich offt sehe, und binn in keine verliebt, es sind angenehme Kreaturen, und machen mir das Leben ungemein angenehm. Wer kein Leipzig gesehen hätte, der könnte hier recht wohl seyn; aber das Sachsen, Sachsen! Ey! ey! das ist starcker Toback. Mann mag auch noch so gesund und starck seyn, in dem verfluchten Leipzig, brennt man weg so geschwind wie ein schlechte Pechfackel. Nun, nun, das arme Füchslein, wird nach und nach sich erholen.

Nur eins will ich dir sagen, hüte dich ia für der Lüderlichkeit. Es geht uns Mannsleuten mit unsern Kräfften, wie den Mädgen mit der Ehre, einmal zum Hencker eine Jungferschafft, fort ist sie. Man kann wohl so was wieder quacksalben, aber es wills ihm all nicht thun.

Adieu lieber Bruder. Habe mich lieb, und vergiss mich nicht. Auf's Frühjahr geh ich nach Strasburg. Wer weiß wann wir da wieder was von einander hören. Schreibe mir doch die Zeit einmal, und wenn Bruder Bernhard nicht schreiben will, so lass dir sagen, ob er mir was zu melden hat und setze es mit in deinen Brief. Grüsse Stocken und seine Dame, und sag ihm er machte recht artige Sachen.

Goethe.[217]


1/57.


An Anna Katharina Schönkopf

Franckfurt am 12 Dec 1769.

Meine liebe, meine theure Freundinn,

Ein Traum hat mich diese Nacht erinnert, daß ich Ihnen eine Antwort schuldig binn. Nicht als wenn ich es so ganz vergessen hätte, nicht, als wenn ich nie an Sie dächte, nein meine Freundinn, ieder Tag sagt mir was von Ihnen und von meinen Schulden. Aber es ist seltsam, und es ist eine Empfindung die Sie vielleicht auch kennen werden, die Erinnerung an Abwesende, wird durch die Zeit, nicht ausgelöscht, aber doch verdeckt. Die Zerstreuungen unsers Lebens, die Bekanntschafft mit neuen Gegenständen, kurz jede Veränderung unsers Zustandes, thun unserm Herzen das was Staub und Rauch einem Gemählde thun, sie machen die seinen Züge ganz unkenntlich, und die starcken weniger sichtbaar, und das so unmercklich, dass man nicht weiss wie es zu geht. Tausend Dinge erinnern mich an Sie, ich sehe tausendmal Ihr Bild, aber so schwach, und offt mit so wenig Empfindung, als wenn ich an iemand fremdes gedächte, es fällt mir offt ein, dass ich Ihnen eine Antwort schuldig binn, ohne dass ich den geringsten Zug empfinde Ihnen zu schreiben. Wenn ich nun Ihren gütigen Brief lese, der schon etliche Monate alt ist, und Ihre Freundschafft sehe, und Ihre Sorge für einen Unwürdigen da erschröcke ich vor mir selbst,[218] und empfinde erst, was für eine traurige Veränderung in meinem Herzen vorgegangen seyn muss, dass ich ohne Freude dabey seyn kann, was mich sonst in den Himmel gehoben haben würde. Verzeihen Sie mir das! Kann man einem Unglücklichen verdencken dass er sich nicht freuen kann. Mein Elend hat mich auch gegen das Gute stumpf gemacht, was mir noch übrig bleibt. Mein Körper ist wieder hergestellt, aber meine Seele ist noch nicht geheilt, ich binn in einer stillen unthätigen Ruhe, aber das heisst nicht glücklich seyn. Und in dieser Gelassenheit, ist meine Einbildungskrafft so stille, dass ich mir auch keine Vorstellung von dem machen kann was mir sonst das liebste war. Nur im Traum erscheint mir manchmal mein Herz wie es ist, nur ein Traum vermag mir die süssen Bilder zurückzurufen, so zurückzurufen dass meine Empfindung lebendig wird, ich habe es Ihnen schon gesagt, diesen Brief sind Sie einem Traume schuldig. Ich habe Sie gesehen, ich war bey Ihnen, wie es war, das ist zu sonderbaar als dass ich es Ihnen erzählen möchte. Alles mit einem Wort, Sie waren verheurahtet. Sollte das wahr seyn? Ich nahm Ihren lieben Brief, und es stimmt mit der Zeit überein; wenn es wahr ist, o so möge das der Anfang Ihres Glückes seyn.

Wenn ich uneigennützig darüber dencke, wie freut das mich, Sie, meine beste Freundinn, Sie, noch vor jeder Andern, die Sie beneidete, die Sich mehr dünckte[219] als Sie, in den Armen eines liebenswürdigen Gatten zu wissen, Sie vergnügt zu wissen, und befreyt von jeder Unbequemlichkeit, der ein lediger Stand, und besonders Ihr lediger Stand ausgesetzt war. Ich dancke meinem Traum dass er mir Ihr Glück recht lebhafft geschildert hat, und das Glück Ihres Gatten, und seine Belohnung dafür dass er Sie glücklich gemacht hat. Erhalten Sie mir seine Freundschafft, dadurch dass Sie meine Freundinn bleiben, denn auch biss auf die Freunde müssen Sie jetzt alles gemein haben. Wenn ich meinem Traum glauben darf, so sehen wir einander wieder, aber ich hoffe noch sobald nicht, und was an mir liegt will ich seine Erfüllung hinauszuschieben suchen. Wenn anders ein Mensch etwas wider das Schicksaal unternehmen kann. Ehmals schrieb ich Ihnen etwas räthselhafft, von dem was mit mit werden würde. ietzt läßt sich's deutlicher sagen, ich werde den Ort meines Aufenthalts verändern, und weiter von Ihnen wegrücken. Nichts soll mich mehr an Leipzig erinnern, als ein ungestümmer Traum, kein Freund der daher kömmt, kein Brief. Und doch mercke ich, dass mich es nichts helfen wird: Geduld, Zeit und Entfernung, werden das thun was sonst nichts zu thun vermag, sie werden ieden unangenehmen Eindruck auslöschen, und unserer Freundschafft, mit dem Vergnügen, das Leben wiedergeben, dass wir uns nach einer Reihe von Jahren, mit ganz andern Augen, aber mit eben dem Herzen wiedersehen[220] werden. Biss dahin leben Sie wohl. Doch nicht ganz biss dahin. Binnen Einem viertel Jahre, sollen Sie noch einen Brief von mir haben, der Ihnen den Ort meiner Bestimmung, die Zeit meiner Abreise melden wird, und Ihnen das zum Ueberfluss noch einmal sagen kann was ich Ihnen schon tausendmal gesagt habe. Ich bitte Sie mir nicht mehr zu antworten, lassen Sie mir's durch meinen Freund sagen, wenn Sie noch was an mich haben sollten. Es ist das eine traurige Bitte, meine beste, meine Einzige von Ihrem ganzen Geschlechte, die ich nicht Freundinn nennen mag, denn das ist ein nichts bedeudtender Tittul gegen das was ich fühle. Ich mag Ihre Hand nicht mehr sehen, so wenig als ich Ihre Stimme hören mögte, es ist mir leid genug dass meine Träume so geschäfftig sind. Sie sollen noch Einen Brief haben; das will ich heilig halten, und von meinen Schulden will ich einen Theil abtragen, den andern müssen Sie mir noch nachsehen. Dencken Sie, wir kämen ja aus aller Konnexion wenn ich diesen letzten Punckt noch richtig machte.

Das grosse Buch das Sie verlangen sollen Sie haben. Es freut mich dass Sie dieses von mir verlangt haben, es ist das herrlichste Geschenck das ich Ihnen geben könnte, ein Geschenck das mein Andencken am längsten, und am würdigsten bey Ihnen erhalten wird.

Kein Hochzeitgedicht kann ich Ihnen schicken, ich habe etliche für Sie gemacht, aber entweder, druckten Sie meine Empfindungen zu viel oder[221] zu wenig aus. Und wie konnten Sie von mir zu einem freudigen Feste ein würdiges Lied begehren. Seit – ia seit langer Zeit, sind meine Lieder so verdrüsslich, so übel gestellt als mein Kopf, wie Sie an den meisten sehen können, die schon gedruckt sind, und an den übrigen auch sehen werden, wenn sie gedruckt werden sollten.

Hagedornen und einige andere Bücher werde ich Ihnen ehstens schicken, möchten Sie ein Gefallen an diesem liebenwürdigen Dichter finden wie er es verdient. Uebrigens empfehlen Sie mich Ihrer lieben Mutter, dem nunmehr nicht mehr kleinen Bruder, der ohnezweifel ein starcker Musickus geworden seyn wird. Grüßen Sie mir alle lieben Freunde, und erneuern Sie mein Andencken, einigermassen um Sich her.

Leben Sie wohl, geliebteste Freundinn, nehmen Sie diesen Brief, mit Liebe und Gütigkeit auf, mein Herz musste doch noch einmal reden, zu einer Zeit, wo ich nur durch einen Traum von der Begebenheit benachrichtiget war, die mir es hätte verbieten können. Leben Sie tausendmal wohl, und dencken Sie manchmal an die zärtlichste Ergebenheit

Ihres

Goethe.[222]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 1, S. 185-223.
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