1776

[13] 3/377.


An Johann Gottfried Herder

Stetten bey Erfurt d. 2ten [Januar] 76.

Heut kann ich dir schon Hoffnung geben, was ich vorgestern nicht konnte. Und das thu ich gleich, nicht um dein, sondern der Frau willen. Ich bin mit Wielanden hier bey liebenden Menschen. Du musst ihm auch helfen seinen Merckur stärcken davon sein Auskommen und seiner Kinder Glück abhängt. Er wünscht dich her, hatte eh die Idee als ich. Weis aber nicht was iezt vorgeht. Ich hoffe du sollst allein durch mich, und aus freyer Wahl des Herzogs haben; – der Stadthalter von Erfurt hat das beste von dir gesagt, und bestätigt dem iungen Fürsten deinen Geist und Kraft, ich habe für deine politische Klugheit in geistlichen Dingen gut gesagt, denn der Herzog will absolut keine Pfaffen Trakasserien über Orthodoxie und den Teufel, und da haben die Bahrdte euer Geschlecht stinckend gemacht – Ich wünsche dich meinem Herzog und ihn dir. Es wird euch beyden wohl thun, und – ia lieber Bruder, ich muss das stifften eh ich scheide. Leb wohl! Wie die Sache rückt sollst du Nachricht haben. Zerreiss meine Zettel wie ich gewissenhaft die deinigen.

G.[13]


3/378.


An Charlotte von Stein

[Anfang Januar 1776?]

Ebendesswegen! – –

– – Und wie ich Ihnen meine Liebe nie sagen kann, kann ich Ihnen auch meine Freude nicht sagen. – Was ich auch meiner Schwester gönne das ist mein, in mehr als Einem Sinne mein! – Aber – Ebendesswegen – werd ich nie mit siegeln – und ich wäre das nicht werth wenn ich das nicht gefühlt hätte –

G.[14]


3/378a.


An Philipp Erasmus Reich

Weimar d. 4. Jan. [1776]. Ich melde Ihnen nur daß Sie gewiß mit der Montag von hier abgehenden Post, gewiß ein Packet Phisiognomick erhalten werden. Ich weis noch nicht ob ich und in welchen Verhältnißen ich etwa nach Leipzig komme, drum danck ich gegenwärtig nur für die gütige Einladung.

Goethe.[7]


3/380.


An Johann Heinrich Merck


[Nachschrift zu einem Briefe Wielands

Weimar, 5. Januar 1776.]

Ist mir auch Säu wohl geworden, Dich in dem freiweg Humor zu sehn. Ihr werdet wohl zusammenfahren, und so auch was singen, daß der König und die Königin .

Ich treib's hier freilich toll genug und denk oft an Dich, will Dir auch nun Deine Bücher schicken, und bitte Dich, Vater und Mutter ein bissel zu laben. Habe Dich auch herzlich lieb.

Wirst hoffentlich bald vernehmen, daß ich auch auf dem Theatro mundi was zu tragiren weiß und[15] mich in allen tragikomischen Farcen leidlich betrage. Addio. Ich hab meiner Mutter ein Geschäft an Dich aufgetragen. Ich höre, Ihr seyd leidlich zu Rande. Verlaß Dich, daß ich Dir nicht fehle.

G.[16]


3/380a.


An Johann Georg Zimmermann

Wenn ich Euch nicht gleich antworte lieber Freund und Herr, kriegt Ihr wohl schweerlich vorm iüngsten Gericht Nachricht von mir. Also heut den ganzen Tag auf dem Eis, nach Tische ein Packet von Franckf. darinn auch euer Brief und nun an der Fr. v. Stein Schreibtisch und einen guten Abend. Sie kommt eben herein, hat eine grose Sozietät Kinder, die heut Abend Comödie probirt haben, und Streiche treiben. Ich[7] bin anders wo hin geladen und versprochen werd aber wohl dableiben.

Danck Euch für alles! für die Silhouetten! Lotten hab ich nicht erkannt und nachher herzlich über ihr statliches Unterkinn gelacht. Dancke für den Chymischen Brief. Grüsen Sie den Schreiber herzlich. Die Antworten haben mich in vielem bestärckt, und ich spüre wohl dass Chymie mir eine herrliche Aussicht bleibt.

Mit Lavatern steh ich Lakonisch, also auch Danck dafür.

Hier bin ich herzlich wohl.


1776. Weimar


Weis Gott wann ich das Vorige schrieb. heut ist aber d. 5. Jan. Und ich treibe was tüchtigs auf dem Erdboden hin und her.

Schritt und Schlittenbahn.

und Phisiognomick


Schreiben Sie mir hierher. Wieland Grüsst ich schreib bey ihm. Addio.

Grüssen Sie Lotten. O ich bitte noch um ein Schattenbild von ihr. Wies von der Wand kommt. Die taugen all nichts.[8]


3/381.


An Johann Gottfried Herder

[Weimar, 7. Januar 1776.]

Lieber Bruder. nenne mir nur einen einzigen Theologen, der rechtgläubigen Nahmen hat und gut für dich ist. der wenn man ihn fragte, guts von dir sagte. denn in meiner politischen Chrie gilts hier §um a testimonio. befolge was ich dir schreibe püncktlich als Commando und glaub dass alles durchgedacht – durchempfunden ist.

ich hab mir bey der Schlittenfahrt mit der Peitsche höllisch übers Aug gehaun – drum schreib ich so quir.


3/382.


An Charlotte von Stein

[Weimar, etwa 8. Januar 1776.]

Ich muss Ihnen noch einen Danck für das Wurst Andencken und eine Gute Nacht sagen. Mein Peitschen Hieb übers Aug ist nur allegorisch wies der Brand an meinem Billet von heut früh auch ist. Wenn man künftig die Fidibus hier zu Lande so galant[16] kneipen wird wie ein süss Zettelgen, wirds ein trefflich leben werden.

Ich bin geplagt und so gute Nacht. Ich hab liebe Briefe kriegt, die mich aber peinigen weil sie lieb sind. Und alles liebe peinigt mich auch hier ausser Sie liebe Frau, so lieb Sie auch sind. Drum das einaugige Gekrizzel zu Nacht.

G.


3/383.


An Johann Gottfried Herder

[Weimar, 15. Januar 1776.]

Antworte mir schnell wie stehst du mit Jerusalem, ein guter Brief von ihm würde viel thun. Lieber Bruder, wir habens von ieher mit den Scheiskerlen verdorben, und die Scheiskerle sizzen überall auf dem Fasse. Der Herzog will und wünscht dich, aber alles ist hier gegen dich. Indess ist hier die Rede von Einrichtung auf ein gut Leben und 2000 Thlr. Einkünfte. Ich lass nit los, wenns nit gar dumm geht. Leb wohl und schreib und siegle die Briefe wohl und gieb auf die Siegel der meinigen acht.


3/384.


An Philipp Erasmus Reich

Ich hoffe Sie werden die d. 5. Jan. abgegangne Phis. Papiere richtig erhalten haben. Hier abermal[17] ein Stück, und in wenig Tagen den Rest des ersten Abschnittes. Seyn Sie so gütig mir iederzeit einen Aushängebogen hierher zu schicken, und was sonst vorfiele zu melden.

Weimar d. 15. Jan. 76.

Senden Sie mir doch auch Hamanns hierophantische Briefe.

Goethe.


3/385.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 15. oder 16. Januar 1776.]

Es ist mir lieb dass ich wegkomme, mich von Ihnen zu entwöhnen. Hier haben Sie die Briefe wieder und ein Paar neue dazu. Ich wollt in meinem Herzen wärs so hell da, dass ich gleich der göttlichen Thusnelda, Sie zu lachen machen könnte. Aber all meine Thorheit und all mein Wiz sind, Gott weis wohin! – Ich nehme den Homer mit und will sehn was der an mir thut. Treiben Sie brav dass der Westindier gelernt wird, ich will auch lernen! – Ah von oben biss unten nichts als gute Vorsäze, klingts doch fast als wär ich ein iunger Herzog. Geduld liebe Frau, ach und ein bissgen Wärme wenn Sie an ihren Gustel dencken. es verschlängt Sie ja nichts – Doch ich habe mich nicht zu beklagen, Sie sind so lieb als Sie seyn dürfen um mich nicht zu plagen. Sie könnten den einfältigen Vers: O Freundschafft[18] Quell erhabner pp. hier anbringen. Passte aber doch nicht ganz und sagt im Grunde nichts. Adieu.


3/386.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 16. Januar 1776.]

So gehts denn liebe Frau durch Frost und Schnee und Nacht. Es scheint sich unser Beruf zu Abentheuern mehr zu bekräfftigen. Ein Bisgen ungern bin ich aufgestanden denn um 12 erst kam ich zu Bett. Es ist mir als wenn mich's muntrer machte Ihnen zu schreiben, denn gewiss wenn's nach Kochberg ginge wär ich muntrer. – – Ich hab meine Weinsuppe gessen – Liebe Frau ich weis auch Zeiten wo ich früh aufgestanden bin, und aufwachen und aufspringen eins war – aber wenn man in der weiten Welt nichts aufzutreiben weis als Hasen. – Ich versäume mein Anziehen – Und wenn ich's nicht als Vorbild künftiger Abenteuer ansähe, und der Mensch nun doch einmal nichts taugt der nicht geschoren wird – Es ist fünfe dencken Sie an mich und Ade.

G.


3/387.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Einen guten Morgen liebste Frau. Herzogin Louise lässt Ihnen sagen: Sie möchten bald wieder gesund[19] werden, denn ohne Sie sey kein Auskommens. Hier der Brief an meine Schwester. Sehen Sie in die Comödie? Ich bitte nur um ein Wort, Besänftigerinn! Ich komme wahrscheinlich heute noch, denn mir ist's nicht wie Ihrem Friz. Addio.


3/388.


An Johann Kaspar Lavater

Der Herzog hat mir sechs Schädel kommen lassen, habe herrliche Bemerkungen gemacht die Ew Hochwürden zu Diensten stehn, wenn dieselben sie nicht ohne mich fanden.

Grüs Bäben und alles.

Wenn ich ihn ein andermal um etwas frage; so antwort er mir! – Warum wegen Herders an Louisen?!!! – Transeat cum ceteris propheticis erroribus – – – –

Schick nur immer was du hast. ich kann auch nicht auf den Stuz arbeiten.

Haben so viel Krieger im Kupfer das Schwerdt in der lincken Faust – Mag wohl unser Engel den Stern auf der rechten Brust haben.

Immer die Briefe an mich hierher.

Weimar

Wielands Stube d. 22. Jan. 76.[20]


3/389.


An Johann Heinrich Merck

Weimar, den 22. Januar 1776.

Ich hab das Geld, lieber Bruder, erst den 19. Januar kriegt! Was Du mir länger als März lassen kannst, das thu; was Du aber wieder brauchst, sollst Du haben. Hier hast Du einen Schein.

Ich bin nun ganz in alle Hof- und politische Händel verwickelt und werde fast nicht wieder wegkönnen. Meine Lage ist vortheilhaft genug, und die Herzogthümer Weimar und Eisenach immer ein Schauplatz, um zu versuchen, wie einem die Weltrolle zu Gesichte stünde. Ich übereile mich drum nicht, und Freiheit und Gnüge werden die Hauptconditionen der neuen Einrichtung seyn, ob ich gleich mehr als jemals am Platz bin, das durchaus Scheisige dieser zeitlichen Herrlichkeit zu erkennen. Eben drum Adieu! – Ich hab einen Streich gemacht, der hoffentlich durchgeht und Dir hoher Spaß seyn wird.

Lieber Bruder, freue Dich der Beilage, schick's aber gleich mit dem Brief, auf reitender Post, an meine Schwester.


3/390.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Januar? 1776.]

Mit Ihnen unter Einem Dache! Ich fange wieder an zu schreiben, es wird eine Billets Kranckheit unter[21] uns geben, wenn's so von Morgen zu Nacht fortgeht. Der Herzog lässt mich und Wedeln hier oben sizzen, und steht hinter Ihrem Stuhle schwör ich – – Er kommt Wir haben heute viel guts gehandelt über der Vergangenheit und Zukunft – Geht mir auch wie Margreten von Parma: ich sehe viel voraus das ich nicht ändern kann. Gute Nacht, goldne Frau.


3/391.


An Johann Gottfried Herder

[Weimar, 24.? Januar 1776.]

Bruder sey ruhig, ich brauch der Zeugnisse nicht, habe mit trefflichen Hezpeitschen die Kerls zusammengetrieben, und es kann nicht lang mehr stocken so hast du den Ruf. Ich will dir ein Pläzgen kehren, dass du gleich hier sollst die Zügel zur Hand nehmen. Vielleicht bleib ich auch eine Zeitlang da. – Wenn ich das ins rein hab, dann ist mirs auf eine Weile wohl; denn mit mir ists aufgestanden und schlafen gangen, das Projekt, und durch die besten Weege. Eh du herkommst Bruder, muss noch erst bellus modus vieler Sachen verabredt werden. Unser Herzog ist ein goldner Junge. Die Herzoginnen wünschen dich auch. schreibt mir doch einmal weitläufig. – – Es geht nichts in der Welt mit coups de baguette – und doch auch – Vielleicht kriegst du den Ruf mit dieser Post schon.[22]


3/668.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Januar 1776]

Ich bin zur verwittweten Herzoginn gebeten, sonst wär ich grade zu Ihnen essen gekommen. Allein darf ich noch nicht seyn, und möcht auch niemand sehn als Sie. Heut Nacht verschwand ich, mir war's länger auszuhalten ohnmöglich. Sie sind nun da um geplagt zu werden. Liebe Frau werden Sie's nur nicht überdrüssig. Louise schien offen zu seyn. Der Teufel hatte die K. geritten ein Kleid wie Sie an zu haben, das mich etlichmal betrog. Mein Miseln hat mich gestern auch ganz kalt gelassen. Ausser Ihnen und Ernsten war gar nichts für mich da. Adieu. Ich seh Sie wohl nicht! – Adieu Adieu.

G.


3/669.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Januar 1776]

Hier noch zur guten Nacht, ein Ragout. – – Allerley – –! Gewürzt –! Sie fühlen mit was!

G.


3/670.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Januar 1776]

Hier liebste Frau mit gutem frohen Herzen wieder was. Auch der Handschu. Ich bitte um sechs Paar[209] mit Fingern und drey Paar nur mit dem Daumen und Läppgen. Noch hab ich Ihre Zeichnung nicht Wieland das Ungeheuer hats verlegt.[210]


3/392.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Januar oder Februar 1776?]

Ich war auf der Gallerie und habe Nobodys Galanterien gegen Sie und seine Impertinenzen gegen seine Untergebne gesehen, es war ein Haupt Spas. Die Junge Herzoginn war heut hoben ganz in Gestalt und Wesen eines Engels, sie waren lieb zusammen, sie war auch lieb mit mir. Gute Nacht liebste Frau. Ich habe nicht erkennen können ob Sie meinen Straus vorhaben, doch glaub ich's, wie ich manchmal auch nur glauben muss – Gute Nacht liebe! liebe! Noch unter Einem Dach mit Ihnen Gute Nacht.

G.


3/393.


An Charlotte von Stein

Liebe Frau ich war heut Nacht von einem Teufels Humor zu Anfange. Es drückte mich und Louisen dass Sie fehlten. Die Keller und die niedliche Bechtolsheim konnten mich nicht in Schwung bringen. Carl gab mir das Zettelgen, das machte die Sache ärger, mich brannt es unter den Sohlen zu Ihnen zu laufen. Endlich fing ich an zu miseln und da gings besser. Die Liebeley ist doch das probatste Palliativ in solchen Umständen. Ich log und trog mich bey allen hübschen Gesichtern herum, und hatte den Vorteil,[23] immer im Augenblick zu glauben was ich sagte. Das Milchmädgen gefiel mir wohl, mit etwas mehr Jugend und Gesundheit wäre sie mir gefährlich. Die Niedlichkeit der Italiänischen Blumenkränze stand der Gräfin Görz nicht besser zu Gesicht und Taille, als die Festigkeit und Treue Coucis ihrem Manne. Die Herzoginn Mutter war lieb und gut, Louise ein Engel, ich hätte mich ihr etlichemal zu Füssen werfen müssen! Aber ich blieb in Fassung und krämte läppisches Zeug aus. Sie widersprach über eine Kleinigkeit dem Herzog hefftig – doch macht ich sie nachher lachen. Wir dachten an dich liebe liebe Frau. Kommst doch heut Abend.

G. [Weimar] 27. Jan. 76.


3/394.


An Charlotte von Stein

Lieber Engel, ich komme nicht ins Conzert. Denn ich bin so wohl, dass ich nicht sehen kann das Volck! lieber Engel Ich lies meine Briefe holen und es verdross mich dass kein Wort drinn war von dir, kein Wort mit Bleystifft, kein guter Abend. Liebe Frau, leide dass ich dich so lieb habe. Wenn ich iemand lieber haben kann, will ich dir's sagen. Will dich ungeplagt lassen. Adieu Gold. du begreiffst nicht wie ich dich lieb hab.

G. [Weimar] d. 28. Jan. 76.[24]


3/395.


An Charlotte von Stein

Liebe Frau. Um fünfe seh ich Sie, kann Ihnen iezt nichts von mir sagen. Auf der Gallerie war mir's wunderlich, habe nachher allerley Schicksaale ausgestanden. Lindau ist fort. – Vielleicht mach ich mir auch weis, dass ich sehe wenns Tag ist, dass ich mich wärme an der Hizze und friere am Frost. Es kann all Grille sein – genug vor der Hand ist mir's so, wenn mir's anders wird, wird sich's zeigen. Meine Stella ist ankommen gedruckt, sollst auch ein Exemplar haben. Sollst mich auch ein Bissgen liebhaben. Es geht mir verflucht durch Kopf und Herz ob ich bleibe oder gehe.

G. [Weimar] 29. Jan. 76.


3/396.


An Charlotte von Stein

[Weimar, Ende Januar? 1776.]

Das schrieb ich gestern Nacht, und iezt einen guten Morgen, und Stella. Ich habe gut geschlafen, und meine Seel ist rein, und voll frohen Gefühls der Zukunft. Kommen Sie heut nach Hof? Louise war gestern lieb. Groser Gott ich begreife nur nicht, was ihr Herz so zusammen zieht. Ich sah ihr in die Seele, und doch wenn ich nicht so warm für sie wäre, sie[25] hätte mich erkältet. Ihr Verdruss über's Herzogs Hund war auch so sichtlich. Sie haben eben immer beyde unrecht. Er hätt ihn draus lassen sollen, und da er hinn war hätt sie ihn eben auch leiden können. Nun liebe Frau bewahr dich Gott, und hab mich lieb. Ist doch nichts anders auf der Welt.


3/397.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Eins nach dem andern! schön! sehr schön! und nun noch gar die Briefe. Ein halb duzzend Thorheiten stecken in dem Einfall Ihnen das Packet zu schicken. Lachen Sie nicht etwa heimlich über mich, ich versichre ich kenne sie alle. Dass es nur niemand erfährt, niemand davon zu sehen kriegt. Adieu.

G.


3/398.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Liebe Frau ich werde wieder weggerissen und hab dir so viel zu sagen. Heut hab ich wieder Wieland viel meiner lezten Jahrs Geschicht erzählt und wenn ihr mich warm haltet; so schreib ichs wohl für euch ganz allein. Denn es ist mehr als Beichte wenn man auch das bekennt worüber man nicht Absolution[26] bedarf. Adieu Engel, ich werde eben nie klüger, und muss Gott dancken dafür. Adieu. Und mich verdriessts doch auch dass ich dich so lieb habe und just dich!


3/399.


An Gottfried August Bürger

Dein Brief L. Bruder that mir weh da er mich in einer glücklichen Stimmung traf. – Da ich iezt in einer Lage bin da ich mich immer von Tag zu Tage aufzubieten habe, tausend grosem und kleinem, Liebe und Hass, Hundsfütterey und Kraft, meinen Kopf und Brust entgegen sezzen muss so ist mir's wohl. O du lieber einsamer! – Hätt ich ein Weib und Kind für das alles was dünkt ich mir zu seyn – So sind wir, und so müssen wir seyn. Hier was süser Junge das dir soll Liebes und Lebens Wärme in den Schnee bringen. Lies lass dir wohl werden. Herz die deinen und denck mein. Den 2. Febr. im Augenblick des Empfangs deines Briefs. 76. Weimar.


3/400.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

Könntest du mein Schweigen verstehen! Liebes Gustgen! – Ich kann, ich kann nichts sagen!

Weimar d. 11. Febr. 76.

G.[27]


3/401.


An Charlotte von Stein

Hier ein Buch für Ernsten, und die Carolin. Ich fühle wohl dass ich selbst werde kommen müssen, denn ich wollte gar vielerley schreiben, und fühle doch dass ich nichts zu sagen habe, als was Sie schon wissen.

[Weimar] d. 12. Febr. 76.

G.


3/402.


An Johanna Fahlmer

Liebe Tante, ich höre nichts von Ihnen, wie Sie nichts von uns, doch Sie müssen bey der Frau Ana manches vernehmen, und ich dächte, Sie schrieben mir manchmal aus Ihrem Herzen, dass ich nicht so ganz fremd würde mit euch. Ich richte mich hier in's Leben, und das Leben in mich. Ich wollt ich könnt Ihnen so vom innersten schreiben das geht aber nicht, es laufen so viel Fäden durch einander, so viel Zweige aus dem Stamme die sich kreuzen, dass ohne Diarium, das ich doch nicht geschrieben habe, nichts anschaulich's zu sagen ist. Herder hat den Ruf als Generalsuperintendent angenommen.

Ich werd auch wohl dableiben und meine Rolle so gut spielen als ich kann und so lang als mir's und dem Schicksal beliebt. Wär's auch nur auf ein paar Jahre, ist doch immer besser als das untätige[28] Leben zu Hause wo ich mit der grössten Lust nichts thun kann. Hier hab ich doch ein paar Herzogthümer vor mir. Jezt bin ich dran das Land nur kennen zu lernen, das macht mir schon viel spaas. Und der Herzog kriegt auch dadurch Liebe zur Arbeit, und weil ich ihn ganz kenne bin ich über viel Sachen ganz und gar ruhig. Mit Wieland führ ich ein liebes häusliches Leben, esse Mittags und Abends mit ihm wenn ich nicht bey Hofe bin. Die Mägdlein sind hier gar hübsch und artig, ich bin gut mit allen. Eine herrliche Seele ist die Frau von Stein, an die ich so was man sagen mögte geheftet und genistelt bin. Louise und ich leben nur in Blicken und Sylben zusammen. sie ist und bleibt ein Engel. Mit der Herzoginn Mutter hab ich sehr gute Zeiten, trieben auch wohl allerley Schwänck und Schabernack. Sie sollten nicht glauben wie viel gute Jungens und gute Köpfe beysammen sind, wir halten zusammen, sind herrlich un[ter] uns und dramatisiren einander, und halten den Hof und vom Leibe. Schicken Sie mir doch bald möglichst von den grosen Dames Federn, Sie wissen ia solche Hahnenkämme 2 Rosenrothe. 3 Weise so schön Sie sie haben können, und den Preis. Sie sollen das Geld gleich haben. Friz u. alle meine Freunde klagen über mich! [Weimar] d. 14. Feb. 76.[29]


3/403.


An Johanna Fahlmer

Liebe Tante ein politisch Lied! Wären Sie hier, könnten Sie die Ehre alle Tage haben. Es ist nun wohl nicht anders ich bleibe hier und nun muß ich euch auf einen Besuch vorbereiten. Beherzigen Sie diesen Brief mit der Mama. Der Oberstallmeister v. Stein geht ehstens durch Frankfurt und wird Vater und Mutter besuchen. Es ist ein braver Mann, den ihr wohl empfangen mögt, nur muss man über meinen hiesigen Zustand nicht allzu entzückt scheinen. Ferner ist er nicht ganz mit dem Herzog zufrieden, wie fast all der Hof weil er ihnen nicht nach der Pfeife tanzt, und mir wird heimlich und öffentlich die Schuld gegeben, sollt er so was fallen lassen, muß man auch drüber hingehn. Überhaupt mehr fragen als sagen, ihn mehr reden lassen als reden, das übrige lasse ich euren Klugheiten. Ich wollt die Geschichte meiner vier letzten Monate lies sich schreiben, das wär ein Fras für ein gutes Volk. Lebt wohl und schreibt mir dass Euer Andenken erhalten wer[de] für und für.

[Weimar] 19. Febr. 76.

G.[30]


3/404.


An Johann Gottfried Herder

[Weimar, kurz vor 20. Februar 1776?]

Hochwürdiger

's ist eine alte Schrift

Dass die Ehen werden im Himmel gestifft

Seyd also vielmehr zu eurem Orden

Vom Himmel grad rab gestifftet worden.

Es uns auch allen herzlich frommt

Dass ihr bald mit der Peitsche kommt –

Und wie dann unser Herr und Crist

Auf einem Esel geritten ist

So werdet ihr in diesen Zeiten

Auf hundert und funfzig Esel reiten

Die in Ew Herrlichkeit Diöces

Erlauern sich die Rippen stös.

Wollten euch nun bewillkommen bass,

Bereiten euer Haushalt trocken und nass

Welches fürwahr wird besser seyn

Als thäten wir euch die Kleider streun.

Derhalb zuförderst woran die Welt

Ihre Achse gebunden hält

Wornach Sonn Mond und Stern sich drehn,

All Sinnbäu rüber hinüber gehn,

Wie nehmlich iedes Ding sich puzt

Vors andern Augen pfauisch stuzt,

[31] Dran da sich zeigt eines ieden Gab

Ein Pfau ein Pfau, ein Rab ein Rab.


Ihr der ihr seyd in unserm Gart

Eben wie der Messias erwart

Wo eben keiner weis was der sollt

Aber doch immer was er wollt,

Mögt sich aber immer mit leisen Schritten

Vom Messias ein Vizdum erbitten.

Also ohneracht all der ehr auf Erd

Dass der Herr nicht selbst gekreuzigt werd

Wollen erscheinen schön und züchtig

Sind hernach zu allem andern tüchtig.

Denn wie im Buche geschrieben steht

Dass der Wolf in Schaafskleidern geht,

So würd es euch gar übel stehn

Als Schaaf in Wolfskleidern zu gehn.

Ihr habt darum ein schwarzes Kleid

Einen langen Mantel von schwarzer Seid,

Ein Kräglein wohl in Saum gelegt

Das nun keiner läng breiter trägt.

Schick euch ein Muster zur nächsten Frist

Weils immer doch die Hauptsach ist.

Dürft auch den Mantel wie vorzeiten

In Sack nein stecken vor allen Leuten.

Wenn euch nun erst der Rath der Stadt

Zum Oberpfarr berufen hat

Werd ihr vom Fürsten dann ernennt

Hofpredger General Superndent

[32] Mögt auch immer Rückantwort schreiben

Wie ihr an den Lyncker thätet treiben

Weil wir doch in der Fassnachts spiel

Haben Razzen und Frazzen gar viel,

Und im Grund weder Luther noch Crist

Im mindesten hier gemeynet ist

Sondern was in dem Schöpsen Geist

Eben Lutherisch und kristlich heist.[33]


3/421.


An Johann Kaspar Lavater

[Weimar, 20. Februar 1776.]

Ich hab mich über deine Plans Wirthschafft ein bissel geärgert, ich sah lang dass du meinen nicht befolgen würdest, nun auch gut wenn du deinen hast und ihn ohne mich ausführen kannst. Nur kommt iust alles was ich gemacht habe nicht in den Theil. Hamann mach ich nicht. Das versprech ich dir aber dass ich biss zu Ende will alles ordentlich halten und besorgen. Nur schick alles und wie du's förderst an Wieland. Wir machen vielleicht eine Reise der Herzog und ich es soll aber doch nichts hindern. Hast du Aristoteles über die Phisiognomik gelesen. eine Stelle daraus wird über den Thierschädeln paradiren vielleicht ein Auszug am Ende des zweyten Theils, leb wohl und liebe.

Herder wird General Superndent pp. – –

Wenn ich dich künftig frage so antworte mir – es kann all gut seyn was du dir denckst und wähnst, aber wenn ich frage musst du nie Weibern antworten. Wie man auch dem nie schreiben soll als dem mit dem man gelebt hat und nur im Maas als man mit ihm gelebt hat. – Ich hoffe und fühle[42] der Ton deines dritten Theils wird weniger zitternd und bebend seyn. Ich wollte das ausstreichen. Aber wenn du's schreiben konntest, mags auch gedruckt werden.

NB. Du nimmst in Liebe † zu mir ab. – –

Schreibst mir nur wenn du mich brauchst! –

Merck dir das und gönne mir auch eine gute Stunde.

† i.e. Ausdruck der Liebe – Nothwendige Wort und Sprach Coexistenz, d. heist ich bin dir nun abgethanes Ding. – Amen.[43]


3/405.


An Johann Kaspar Lavater

Alle deine Ideale sollen mich nicht irre führen wahr zu seyn, und gut und böse wie die Natur.

[Weimar] 22. Februar 1776. [?]


Goethe.


3/406.


An Charlotte von Stein

Wie ruhig und leicht ich geschlafen habe, wie glücklich ich aufgestanden bin und die schöne Sonne gegrüst habe das erstemal seit vierzehn Tagen mit freyem Herzen, und wie voll Dancks gegen dich Engel des Himmels, dem ich das schuldig bin. Ich muss dir's sagen du einzige unter den Weibern, die mir eine Liebe in's Herz gab die mich glücklich macht. Nicht eher als auf der Redoute seh ich dich wieder![33] Wenn ich meinem Herzen gefolgt hätte – Nein will brav seyn – Ich liege zu deinen Füssen ich küsse deine Hände.

[Weimar] d. 23. Febr. 1776.

G.


3/407.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 24. Febr. 1776.]

Ich musste fort aber du sollst doch noch eine gute Nacht haben. Du Einzige die ich so lieben kann ohne dass mich's plagt – Und doch leb ich immer halb in Furcht – Nun mag's. All mein Vertrauen hast du, und sollst so Gott will auch nach und nach all meine Vertraulichkeit haben. O hätte meine Schwester einen Bruder irgend wie ich an dir eine Schwester habe. Denck an mich und drück deine Hand an die Lippen, denn du wirst Gusteln seine Ungezogenheiten nicht abgewöhnen, die werden nur mit seiner Unruhe und Liebe im Grab enden. Gute Nacht. Ich habe nun wieder auf der ganzen Redoute nur deine Augen gesehn – Und da ist mir die Mücke um's Licht eingefallen. Ade! Wunderbaar gehts in mir seit dem gestrigen lesen. Morgen zu Pferd.

Febr. d. 23. Nachts halb 1 Uhr.[34]


3/408.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 2. März 1776.]

Wie leben Sie liebste Frau! Ich sehe Sie noch. Hier indessen was –

Jezt gehts nach Erfurt.

G.

Antworten Sie nicht ich bin schon weg wenn Sie das kriegen.


3/409.


An Charlotte von Stein

Ich bitte dich doch Engel komm ia mit auf Ettersburg. Du sollst mir da mit einem Ring ins Fenster, oder Bleistifft an die Wand ein Zeichen machen dass du da warst – du einziges Weibliches, was ich noch in der Gegend liebe, und du einziges das mir glückwünschen würde wenn ich was lieber haben könnte als dich. – – Wie glücklich müsst ich da seyn! – oder wie unglücklich! Adieu! – komm! und lass nur niemand meine Briefe sehen – Nur – NB das NB will ich dir mündlich sagen weils zu sagen eigentlich unnötig ist – Ade Engel – Montag d. 4. Merz 76. Erfurt.

G.[35]


3/410.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Hier durch Schnee und Frost eine Blume. Wie durch das Eis und Sturmwetter des Lebens meine Liebe. Vielleicht komm ich heute. Ich bin wohl und ruhig und meyne ich hätte Sie um viel lieber als sonst, das doch immer nur ieden Tag meist so vorkommt.

G.


3/411.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ich weis kein Wort von! Geben Sie sie auch nicht, wärs auch nur darum weil das Exemplar nicht gebunden ist.

Mir ists heiter und wovon ich heut Nacht träumte müssen Sie fühlen. Ich schickte Ihnen gern meine Matinees aber Einsiedel solls selbst thun.

Adieu liebe Frau.


3/412.


An Johann Kaspar Lavater

Lieber Bruder sey nur ruhig um mich, und ermatte dich nicht Müdling ohne Noth ich hab all deine Phisiognomik. Aber der 2. Theil wird zuviel stärker[36] wie ich's iezt überlege, und will drum mit Reichen reden dass das auch gut werde. Verlass dich – Ich bin nun ganz eingeschifft auf der Woge der Welt – voll entschlossen: zu entdecken, gewinnen, streiten, scheitern, oder mich mit aller Ladung in die Lufft zu sprengen. Aber lass mich von dir hören! es ist nicht genug dass du mich liebst. Ob das gleich alles ist. auch durch Amanuenses ist schon gut. d. 6. Merz 76. Weimar.

G.


3/413.


An Johanna Fahlmer

Liebe Tante. Schreibt mir und liebt mich. Sorgt nicht für mir. Ich fresse mich überall durch wie der Schmirmer[?] sagt. Jezt bitt ich euch beruhigt euch ein vor allemal, der Vater mag kochen was er will, ich kann nicht immer darauf antworten nicht immer die Grillen zurecht legen. Soviel ists: Ich bleibe hier, hab ein schön Logis gemieth, aber der Vater ist mir Ausstattung und Mitgift schuldig das mag die Mutter nach ihrer Art einleiten, sie soll nur kein Kind seyn, da ich Bruder und alles eines Fürsten bin. Der Herzog hat mir wieder 100 Dukaten geschenckt. Gegeben Wie ihr wollt – ich bin ihm was ich ihm seyn kann, er mir was er seyn kann – das mag nun fortgehn wie und so lang das kann. Ich bin noch allerley Leuten schuldig das thut mir[37] nichts – Aber die Mutter soll nur ihre Schuldigkeit thun, und sehn was auf den Vater möglich ist ohne sie zu plagen! – Wenn sie allenfalls Geld braucht und kanns vom Vater nicht haben: so will ichs ihr schicken.

[Weimar] d. 6. Merz [1776.]

G.

Das Guld[!] für die Federn schick ich nächstens.[38]


3/413a.


An Johann Georg Zimmermann

Mir ist wohl drauf verlass dich. Von meinen Wahren Verhältnissen, wird dir kein Reisender was erzählen können, kaum ein Mitwohnender. Ich bin fest entschlossen nichts zu hören, was man von mir sagt, noch was man mir rathen kann – – Wie's ausgeht daran ist auch nichts gelegen. Der Pöbel sieht auf den Ausgang sagt ein Grieche. Und die Glücklichen scheinen weise den Menschen.

d. 6 Merz 76 Weimar

G.[9]


3/414.


An Johann Heinrich Merck

Lieber Bruder hast du das Geld so gieb der Mutter einen Schein. Schick mir die Matinees wieder, so kriegst du mehr, wir machen des Teufels Zeug, doch ich weniger als der Bursche, der nun ein herrlich Dram auf unsern Leib schreibt. Es geht mit uns allen gut, denn was schlimm geht lass ich mich nicht anfechten. Den Hof hab ich nun probirt nun will ich auch das Regiment probiren, und so immer fort. Ich bin gesund, biß auf 'n Einfluss des fatalen Wetters, streiche was ehrlichs in Thüringen herum und kenne schon ein brav Fleck davon. Das macht mir auch spaas ein Land so auswendig zu kennen. Ade grüs alles. Wieland ist in deiner Gemeinschafft höchst glücklich.

[Weimar] 8. März 76.

G.[38]


3/415.


An Philipp Erasmus Reich

Das noch zu Beendung des XXII fragments abgehende Blat sende nächstens. Bitte mir zu melden wie viel Bogen abgedruckt sind und wieweit Sie mit dem Manuskript kommen sind. Ich habe noch sehr viel in Händen und fürchte der zweyte Theil möge zu starck werden.

Weimar d. 10. Merz 1776.

Goethe.


3/416.


An Charlotte von Stein

Wenn's Ihnen so ums Herz wäre wie mir, und sonst nichts entgegenstünde; so käm ich heut mit Ihnen zu essen. Ich hab bey Hofe abgesagt, denn auf's gute Leben das ich wieder gestern im Wasser getrieben habe mag ich daoben nicht im Sande herumdursten. Wie stehts sonst. Ein Wort Antwort, liebe theure Frau. Die paar Tage die wir noch beysammen sind wollen wir wenigstens geniessen.

[Weimar] d. 17. Merz 76.

G.


3/417.


An Johanna Fahlmer

Liebe Tante übermorgen reisen wir ab nach Dessau, ich sehe also Leipzig wieder, wird wunderbaare Empfindung[39] seyn. Sagen Sie niemand nichts. Die Mama mag wenn der Vater sich erklärt hat was er mir zur Austattung geben will, vorzüglich mich mit grosem Geräthe und noch einigen guten Manschetten, |: versteht sich recht guten :|, versehen. Alle meine Meubles hat der Herzog heimlich befohlen mir machen zu lassen um mir ein Geschenck mit bey unserer Rückkunft zu machen. Das braucht aber der Vater auch nicht zu wissen. Lebt wohl ich schreib noch von Dessau aus vielleicht.

d. 18. Merz 76.

G. Weimar.


Die Mama soll nur auch an ihre Casse dencken ich hab sie rasend ausgeben gemacht. Es ist auch noch ein Conto an Schneider Eberhard zu bezahlen. Ferner soll sie nur alle Kleider die von mir zurück sind verkaufen.


3/418.


An Charlotte von Stein

Ich muss Ihnen noch ein Wort sagen liebe Frau. ich bin heute Nacht kranck worden und zwar toll, habe mich wieder zusammen genommen. Muss aber noch hier bleiben. bin zu Wielanden geflüchtet weil ich ganz allein zu Hause wär. Wollte heut zu Ihnen. Hufeland verbietet mir auszugehn. Ade. Nur eine Zeile von Ihrer Hand. Gute Nacht Engel. Friz war bey uns den hab ich viel geküsst. Ade. [Weimar] d. 19. Merz 1776.

G.[40]


3/419.


An Charlotte von Stein

Sie irrten sich Engel. Unter allem was mir auf Erden schädlich und tödlich seyn könnte ist Ärgerniss das lezte. An Stoff dazu fehlts freylich niemals, nur verarbeit ich ihn nicht. Wie befinden Sie Sich beste Frau, heute wär ich schon weit von Ihnen ohne den Zufall, und der ist mir auch lieb in dem Augenblick weil ich Ihnen noch nah bin – Lassen Sie's gut seyn, weil ich doch nun einmal die Schwachheit für die Weiber haben muss, will ich sie lieber für Sie haben als für eine andre. Adieu Engel. [Weimar] Mittw. d. 20. Merz 76.

G.


3/420.


An Charlotte von Stein

Dass doch Worte einen um das bringen müssen was man am sehnlichsten wünscht! Ich sagte heut zu mir wenn sie wohl wäre, sie käme vielleicht! Nachher redt ich mir auch das aus, und sezt mich gelassen ans Klavier. – Nun denn liebe Frau was Sie thun ist mir recht. Denn mir ists genug dass ich Sie so lieb haben kann, und das übrige mag seinen Weeg gehen. Dass ich von meiner Gesundheit nichts schrieb merckt ich da das Billet wegging. Natürlich wars, aber so natürlich dass Sie's unnatürlich auslegen[41] mussten. Dancke für die Äpfel. Ich hätte heute doch noch ein Billet von Ihnen erzwungen. Ade.

[Weimar] d. 20. Merz 76.

G.[42]


3/422.


An Charlotte von Stein

Noch Einen Adieu – Ich seh wohl liebe Frau wenn man Sie liebt ist's als wenn gesät würde es keimt ohnbemerckt, schlägt auf und steht da – – und Gott gebe seinen Seegen dazu – Amen. [Weimar] Abends 7 d. 24. Merz 76.


3/423.


An Charlotte von Stein

[Auerstädt, 24. März 1776.]

Nachts halb zwölfe Auerstät. Unter allerley Gedancken über Schicksaal und Grillen und träumen bin ich hier angekommen. Auf halbem Weege fand[43] ich noch eine Orange in meinem Sack, und ob mir sie gleich sehr wohl that in der Nacht und dem Frost: so verdross michs doch dass ich sie Ihnen nicht mit den andern geben hatte. – Auch hab ich eine Erscheinung gehabt von all den Prügeln die Nobody schon verdient hat, das ein höllisches Heer war – Eh ich ging war ich auf der Gallerie konnt Sie aber nicht sehen. Gute Nacht Engel, ich dencke mir dich iezzo schlafend.


3/424.


An Charlotte von Stein

[25. März 1776.]

Naumburg früh 5. mit Tags Anbruch komm ich an. Ein wunderbaares liebes Dämmerlicht schwebt über allem. Ich habe viel gefroren und was das beste ist auch viel geschlafen. Jezt schläffst du auch! vielleicht wachst du einen Augenblick auf und denkst an mich. Ich bin ruhig, dencke an dich, und von dir aus an alles was ich lieb habe. – Wie anders! Lieber Gott wie anders! als da ich vor zehen Jahren als ein kleiner, eingewickelter, seltsamer Knabe in eben das Posthaus trat – Wie viel hat nicht die Zeit durch den Kopf und das Herz müssen, und wieviel wohler, freyer, besser ist mir 's nicht. –[44]


3/425.


An Charlotte von Stein

[25. März 1776.]

Vormittag halb 10 Rippach in der Chaise vorm Posthause. Biss die Pferde kommen ein Wort. Hinter Naumburg ging mir die Sonne entgegen auf! Liebe Frau ein Blick voll Hoffnung Erfüllung und Verheisung – die Morgenlufft so erquickend, der Dufft zwischen den Felsen so schauerlich. Die Sonne so golden blickend als ie. – Nicht diesen Augen nur, auch diesem Herzen – Nein! es ist der Born der nie versiegt. Das Feuer das nie verlischt keine Ewigkeit nicht! beste Frau auch in dir nicht, die du manchmal wähnst der heilige Geist des Lebens habe dich verlassen. Ich will nun ganz den Eintritt in Leipzig geniessen.


3/426.


An Charlotte von Stein

Leipzig d. 25. [März 1776.] Nachts 10.

Nun hier! – Nur mündlich unaussprechliche Worte. Alles ist wies war, nur ich bin anders – Nur das ist geblieben was die reinsten Verhältnisse zu mir hatte damals – Mais – ce n'est plus Julie – Adieu. – Ich bin dumpf im Schlaf – Die Schröter ist ein Engel – wenn mir doch Gott so ein Weib[45] bescheeren wollte dass ich euch könnt in Frieden lassen – Doch sie sieht dir nicht ähnlich gnug. Ade. – –


3/427.


An den Herzog Carl August

Lieber Herre, da bin ich nun. in Leipzig, ist mir sonderlich worden beym Nähern, davon mündlich mehr, und kann nicht genug sagen wie sich mein Erdgeruch und Erdgefühl gegen die schwarz, grau, steifröckigen, krumbeinigen, Perrückengeklebten, Degenschwänzlichen Magisters, gegen die Feyertags berockte, Allmodische, schlanckliche, vieldünckliche Studenten Buben, gegen die Zuckende, krinsende, schnäbelnde, und schwumelende Mägdlein, und gegen die Hurenhaffte, strozzliche, schwänzliche und finzliche Junge Mägde ausnimmt, welcher Greuel mir alle heut um die Thoren als an Marientags Tags Feste entgegnet sind. Dagegen preservirt mein äuseres und inneres der Engel die Schrötern von der mich Gott bewahre was zu sagen. Sie grüsst und Steinauer nach Maasgabe ihres Beyleyds über Hochdero Ausenbleiben und so weiter. Ich bin seit vier und zwanzig Stunden |: denn es ist netto Abends Achte :| nicht bey Sinnnen, das heisst bey zu vielen Sinnen, über und unsinnlich. Habe die Nacht durch manches Knäulgen Gedancken Zwirn auf und abgewickelt, diesen Morgen stieg mir die göttliche Sonne hinter Naumburg auf. Ade lieber gnädiger Herr! – Und somit können Sie nie aufhören zu fühlen, dass[46] ich Sie liebhabe. NB. Bleibe das wahre Detail zur Rückkunft schuldig, als da sind pp. Leipzig d. 25. Merz 76.

G.


3/428.


An den Herzog Carl August

Lieber Herr ich mag nicht viel schreiben. dass ich alles erzählen kann! gelitten hab ich doch heute viel von Erinnerungen. Glückliche Augenblicke aber auch gehabt. Die Schrötern ist gar lieb und gut. Ihr Pick wider Oesern thut mir iezo doppelt leid da ich wieder ganz den alten lieben guten Menschen, und wahrhafften Künstler wieder gefunden habe. Gute Nacht bester Herr.

Leipzig d. 26. März 76.

G.


3/429.


An Charlotte von Stein

Beste Frau, mir ist immer Sie sind in Gotha wenn ich wieder komme. Ich habe heut viel viel gelitten, aber auch Einen Moment! – O ich will nichts davon schreiben daß ich seine Ganze Fülle erzählen kann. – Ich bin bey der Schrötern – ein edel Geschöpf in seiner Art, – ach wenn die nur ein halb Jahr um Sie wäre! beste Frau, was sollte aus der werden! Gute Nacht. Und bleiben Sie mir immer was Sie mir iezt sind.

Leipzig d. 26. Merz 76.

G.[47]


3/430.


An Charlotte von Stein

Liebe Frau. Ihr Brief hat mich doch ein wenig gedrückt. Wenn ich nur den tiefen Unglauben Ihrer Sele an sich selbst begreifen könnte, Ihrer Seele, an die tausende glauben sollten um seelig zu werden. – Man soll eben in der Welt nichts begreifen, seh ich ie länger ie mehr. – Ihr Traum Liebste! und Ihre Trähnen! – Es ist nun so! das Würckliche kann ich so ziemlich meist tragen; Träume können mich weich machen wenns ihnen beliebt. – Ich habe mein erstes Mädgen wieder gesehen – Was das Schicksal mit mir vorhaben mag! Wie viel Dinge lies es mich nicht auf dieser Reise in bestimmtester Klarheit sehn! Es ist als wenn diese Reise sollt mit meinem vergangenen Leben saldiren. Und gleich knüpfts wieder neu an. Hab ich euch doch alle. Bald komm ich. Noch kann ich nicht von der Schrötern weg. Ade! Ade!

d. letzten Merz 76. Leipzig.

G.[48]


3/430a.


An Gottfried August Bürger

[Weimar, März 1776.]

Da hast du wieder ein Paar Briefe. Lass dirs in deinem Wesen leidlich seyn dass dirs auch einmal wohl werde. Freu dich der Natur, Homers und deiner[354] Teutschheit. Uebersezz wenn dirs recht behaglich ist. Es ist alles übrigens Stückwerk in der Welt ausser der Liebe, wie St. Paulus spricht 1. Cor. 13. Cap.

Goethe.[355]


3/430b.


An Christian Wilhelm Steinauer

[Weimar, Anfang April 1776?]

Hier lieber Steinauer Danck für alles. Die Silh. kann ich noch nicht sehn – Sie kriegen noch einen Brief – Mit dem Kleid bleibts bey der Abrede, auch könnte Sie ihr holländisch schön Tuch zu 12 Schnupftüchern kaufen und es ihr auf eine Art geben die bunt und drollig ist. Addio – schicken sie mir die Messe meine Rechnung. haben Sie mich lieb – für der Schrötern Schicksaal ist mirs nicht bange es ist mit dem meinen verbunden

Nach Tische

G.[9]


3/431.


An Charlotte von Stein

Da haben Sie ihn schon wieder. Liebste Frau, darf ich heut früh mit Lenzen kommen. Wie fatal waren mir die Meerkazzen gestern, iust im Augenblick da ich so viel so viel Ihnen zu sagen hatte. Adieu[48] beste. Sie werden das kleine wunderliche Ding sehen. Und ihm gut werden. Doch – Sie sollen was Sie wollen und wollen was Sie werden. Ade. [Weimar] d. 5. Apr. 76.

G.


3/432.


An Adam Friedrich Oeser

Ich bin verschwunden wie ich erschienen bin. Liebster Mann tausend Danck für alles, und unveränderliche Liebe in saecla saeclorum. Grüsen Sie Ihre ganze Famielie und Beckern. Vergessen Sie die Abgüsse nicht und schicken sie bald. Der Herzog hat auf meine Beschreibung Lust zu den Snayers gekriegt, man muss sehn wie sie ihm gegenwärtig behagen. Drum bitt ich Sie, mir sie wohl gesäubert und wohl gepackt mit dem Postwagen zu übersenden. – Ich habe Leipzig ungern verlassen, – Magister Becker soll mir manchmal schreiben.

Weimar d. 6. Apr. 1776.

Goethe.


3/433.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

Kranck Gustgen! dem Todte nah! Gerettet liebster Engel, und das mir alles auf einmal – zu einer Zeit wo ich immer dachte warum scheibt Gustgen nicht? Ist sie nicht mehr wie sonst, hat ihr Stella nicht gezeugt dass ich ihr alter bin obschon ich nicht[49] schreibe, denn wie ich jezt lebe – Ach Engel es ist Lästrung wenn ich mit dir rede! ich will lieber gar nicht beten als mit fremden Gedanken gemischt – Auch dies schreib ich in des Herzogs Zimmer den ich fast nicht verlasse. Mein Herz mein Kopf – ich weis nicht wo ich anfangen soll so tausendfach sind meine Verhältnisse und neu, und wechselnd aber gut- Gustgen nur Eine Zeile von deiner Hand, nur Ein Wort dass du auch mir wieder lebst. Adieu Liebe! Liebe. [Weimar] Mittwoch nach Ostern [10. April] 76.

G.


3/434.


An Johanna Fahlmer

[Weimar, 10. April 1776.]

Liebe Tante lohn euch alles Gott. Mir ist wieder hier ganz wohl. NB. Brauchte ein schön Duzzend Holländische Schnupftücher recht gros, und ein Paar recht gute Manschetten – Mittel forte hab genug. Lebt wohl und froh.

Von Lili nichts mehr, sie ist abgethan, ich hasse das Volck lang im tiefsten Grunde. Der Zug war noch der Schlussstein. Hol sie der Teufel. Das arme Geschöpf bedaur ich dass sie unter so einer Race gebohren ist. Adieu Tante du bist immer die liebe, gleiche! – Grüs Frizzen. Nächstens einen Brief von mir an den Vater von erhabner Composition.[50]


3/435.


An Charlotte von Stein

[Weimar, April? 1776.]

Dass Sie uns doch noch entdecken mussten gestern. Der Herzog ist besser ich blieb heut Nacht hoben. Heut muss ich Sie sehn wärs nur ein Augenblick. Addio Beste Frau.

G.


3/436.


An Charlotte von Stein

Liebe Frau hier ein Zettelgen da ich selbst nicht komme. Wie haben Sie geschlafen auf das gestrige Schwärmen? Mir ists wohl, und im Herzen, dass ich's nicht sagen kann, voll Ahndung und Hoffnung im gegenwärtigen. Doch wollt ich dass mich einmal wieder was zu lachen machte, und dass mir ein Affisches Wesen wieder ins Blut käm. Addio. Zeichnen Sie brav ich will auch heut an Sie dencken. Nur hierauf ein Wort, bitte bitte.

[Weimar] d. 13. Apr. 76.

G.


3/437.


An Christoph Martin Wieland

[Weimar, April 1776?]

Ich kann mir die Bedeutsamkeit – die Macht, die diese Frau über mich hat, anders nicht erklären[51] als durch die Seelenwanderung. – Ja, wir waren einst Mann und Weib! – Nun wissen wir von uns – verhüllt, in Geisterduft. – Ich habe keine Namen für uns – die Vergangenheit – die Zukunft – das All.


3/438.


An Christian Wilhelm Steinauer

[Weimar, April? 1776.]

Trösten Sie den Engel. Wär' ich nur eine Stunde bei ihr. Ich danke für alles. Lieben Sie mich.


3/439.


An Charlotte von Stein

Der Herzog war die ganze Nacht ruhig, er schläfft noch halb neun wie es ist. Hier ist Lavater. Wieland sagte mir gestern wodurch ich Sie beleidigt hätte. Mir ists lieb dass ich's weis – Sie thun mir Unrecht, ich weis dass ich's gesagt habe, erinnre mich aber nicht mehr auf was, wie mich dünckt war's in Wind, um was zu reden da oben herunter. – An Sie hab ich nicht gedacht, da wär's schändlich Adieu liebe Schwester weils denn so seyn soll. Haben Sie eine Ahndung mich heut zu sehen? Hier ist was für die Grasaffen! –

Wenn's Ihnen einmal so ist schreiben Sie mir[52] doch mein Gedicht ab, ich habs nicht mehr, möchts von deiner Hand – sollst auch Ruh vor mir haben.

[Weimar] d. 16. Apr. 76.

G.

Der Herzog ist munter aufgewacht.


3/440.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ich bin noch eben so ungewiss ob ich recht hatte zu gehen, als ich gestern unentschlossen war. Nur ein einzig Wort ich bitte Sie. Wenn Sie wollen nur Ihren Nahmen auf ein Zettelgen dass ich nur was von Ihnen sehe. Sie fühlen dass ich heute kommen muss.

G.


3/441.


An Charlotte von Stein

Biss iezzo hofft ich noch immer Sie zu sehen, und weis noch nicht wie Sie sich befinden. Hier ein Zeichen dass ich lebe, dass ich Sie liebe. Und immer Ihr voriger, gegenwärtiger, und zukünftiger bin. [Weimar] d. 22. Apr. 76.

G.


3/442.


An Charlotte von Stein

Wahrscheinlicher Weise ess ich heut mit Ihnen, um Ein uhr bin ich da, so mich nicht ein Fluss oder[53] ein Berg abhält. Liebe Frau gestern hatt ich einen guten Tag. Addio.

Lenzens Eseley von gestern Nacht hat ein Lachfieber gegeben. Ich kann mich gar nicht erhohlen.

[Weimar] d. 25. Apr. [1776.]

G.


3/443.


An Philipp Erasmus Reich

Hier schick ich Titelblat, Dedikation, Beschluss und Innhalt, und wünsche Glück, zu dem nun auch vollendeten zweyten Theil. Viel Glück zur Reise! – Sehen wir Sie nicht vorher. Weimar d. 25. Apr. 76.

G.


3/444.


An Charlotte von Stein

Heut will ich Sie nicht sehn. Ihre Gegenwart gestern hat so einen wunderbaaren Eindruck auf mich gemacht, dass ich nicht weis ob mir's wohl oder weh bey der Sache ist. Leben Sie wohl. Liebste Frau.

G. [Weimar] d. 1. May [1776.]


3/445.


An Charlotte von Stein

[Weimar] d. 1. May abends. Du hast recht mich zum heiligen zu machen, das heisst mich von deinem[54] Herzen zu entfernen. Dich so heilig du bist kann ich nicht zur heiligen machen, und hab nichts als mich immer zu quälen dass ich mich nicht quälen will. Siehst du die terffliche Wortspiele. Also auch Morgen. Gut, ich will dich nicht sehen! – Gute Nacht.

Hier auch eine Urne, wenn allenfalls einmal vom Heiligen nur Reliquien überbleiben sollten.


3/446.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen. Mir fiels schweer liebe Frau gestern mein Gelübde zu halten, und so wird mir's auch heut mit Ihrem Verlangen gehn. Doch da meine Liebe für Sie eine anhaltende Resignation ist, mag's denn so hingehn. Dencken Sie mein. [Weimar] d. 2. May [1776.]

G.


3/447.


An Charlotte von Stein

Ilmenau Sonnabend d. 4. May 76.

Eilf uhr V.Mittag.

Um diese Zeit sollt ich bey Ihnen seyn sollte mit bey Kalbs essen und sizze aufm Thüringer Wald wo man Feuer löscht und Spizbuben fängt, und bin, bey beydem entbehrlich aber doch da. Die Gegend wie die Kochberger! – Der Weeg hierher ganz herrlich[55] – Und mir ist lieb dass ich weg bin. Ich weis nicht gestern früh! was es machte mir ward weh bey Ihnen – Nun weis ich nicht wann ich wiederkomme! Vielleicht Montag. Adieu Beste grüssen Sie mir Ihre Grasaffen, und auch den Grasaffen im Schatten. Und dencken Sie an mich und schreiben Sie mir was das Sie mir geben wenn ich zurück komme. Ade.

G.


3/448.


An den Herzog Carl August

[Ilmenau, 4. May 1776.]

Wie mir's gangen ist müssen Sie gleich wissen, Sonnabend früh 11 Uhr schreib ich dies Ilmenau im Amthause. Ich bin keine sechs Stunden geritten, also wie sich's gehört, des Husars Pferd wollte nicht mehr fort gegen das Ende, und hinter Büchenloh auch mein's nicht mehr. Da kam ich in ein sehr spizzigs Nachtrieseln das grad vom Wald kam, und traf endlich glücklich betreckt ein. Der Brand war lange nieder, wie Sie einen Boten müssen gegen 7 Uhr gehabt haben. Ich muss die Anstalten die dabey vorgekehrt wurden rühmen, wie die Obern die Bereitwilligkeit und Ausdauer der Subalternen loben, eine Gasse mit dürren Schindeldächern wurde mit groser Arbeit gerettet, woran die Erhaltung des Oberntheils der Stadt, des Amt und Rathhauses hing, es sind nur geringe Häuser[56] und arme Leute verunglückt, die doch wenig gerettet haben, Bergleute Leineweber, Taglöhner.

Von dem Raub haben Sie nun den Bericht wohl gesehn. Man hat gestreift, nichts gefunden – die 6 Husaren sind heut eilfe hergekommen, durchs Arnstädtische visitierend. Und wollen morgen auf Frauenwalde ich will mit. Man trägt sich mit Historien vom Teufel, entkleideten Weibern, Drohungen, auf die Frauenwalder, es sollen vier hagere Kerls seyn, einer im rothen Rocke, und ein Schüler von Schleusingen soll da bey seyn, in Eisfeld haben sie einen erwischt sagt man – das mag denn nun seyn, wie die Gerüchte gewöhnlich.

Hernach hab ich noch eine Lecktion für Sie! – da ich so auf dem Weeg über Ihre allzugrose Hizze bey solchen Gelegenheiten dachte, dadurch Sie immer im Fall sind, wo nicht was unrechts doch was unnötigs zu thun und Ihre eignen Kräffte und die Kräffte der Ihrigen vergebens anzuspannen, drum hab ich auch Staffen und Wedeln gebeten zurück zu bleiben, da ich selbst mehr da bin um Ihnen vom Ganzen Nachricht zu geben und mich zu unterrichten als etwas zu nuzzen. Bey der Gelegenheit, zieh ich von manchem Erkundigung ein, habe traurig die alten Ofen gesehen. Aber die Gegend ist herrlich herrlich! –

NB. Es waren 19 Sprüzen und sehr treue Hülfe der Benachbaarten hie. Seyn Sie hübsch ruhig so viel's[57] seyn kann, leben Sie als homme de lettres und Privatmann, schonen Sie die Hüffte bey dem Wetter, hier ist schon den ganzen Morgen Schnee. Addio. Mein Andencken der Chère Mama. Seyn Sie mir lieb.

G.


3/449.


An Charlotte von Stein

Nur eine gute Nacht! Treff ich dich noch wenn ich zurückkomme! – Mir gehts zu wunderbaar.

Hab mich nur ein bissel lieb. Ich erzähl dir auch viel und hab dich lieber als du magst. [Ilmenau] d. 6. May 76.

G.


3/450.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ein Ragia und ein Brame die von den Dews verfolgt werden, bitten um ein Mittagsmahl heute in dem Quell Ihres reinen Lichtes. Wenns ia ist antworten Sie nicht, denn schon führt uns die Begier auf die Jagd der zweyfüsigen Schlange und des vierfüsigen Wolfs.

G.[58]


3/451.


An Henriette Luise von Oberkirch

Je vous envoie ma Claudine, puisse-t-elle vous faire passer un moment agréable! Dans ma vie d'auteur (hors cela un triste métier) j'ai été assez heureux pour rencontrer et apprécier beaucoup d'honnêtes gens, beaucoup de belles âmes parmi lesquelles j'aime à vous classer. Pour celles-là particulièrement j'aime à décrire ce qui me va le plus à l'esprit et au coeur. D'après cela, vous comprendrez que j'écrive pour vous. Je crois aussi pouvoir vous adresser ce bout de lettre, que vous accueillerez avec indulgence.

Vivez aussi heureuse qu'on puisse l'être avec un coeur comme le vôtre, et veuillez toujours me compter parmi les plus dévoués de vos serviteurs.

Weimar, 12. mai 1776.

Goethe.


3/452.


An Christian Wilhelm Steinauer

[Weimar, 1. oder 13. Mai 1776.]

Dank, lieber Steinauer – So seys dann – laßt die Schnupftücher! und kauft das Kleid allein. Habt mich lieb. Die Wagen rasseln schon, die Pferde klappen, es geht nach Tiefurt.

Schicken Sie aber auch der Schröter Briefe grad an mich. – Sonst macht's auch Aufenthalt.[59]


3/453.


An Charlotte von Stein

Wieland bey dem ich bin hat heute veranstaltet in seinen Garten zu gehn. Drum lassen wir Sie fragen ob Sie nicht statt dahin dorthin gehen wollen, hoffe es soll auch recht seyn. So hohlen wir Sie ab. Mein Garten sieht so noch raupig aus – Es war nur weil ich Sie heut in freyer Lufft sehen mußte. Wir haben was von Lenz vorzulesen. Ade – Engel glück zum Bad! treiben Sie's nur nicht zu arg. Addio. [Weimar] d. 14. May 76.

G.


3/454.


An Christian Wilhelm Steinauer

Ich hab Ihre Rechnungen verlegt. Hier sind 20 Louisdor, was restirt schreiben Sie fürs Neue an, melden mirs aber. Danck dass Sie Cröngen so erwischt haben, Sie sind ein ganzer Mann. Leben Sie recht wohl. [Weimar] d. 16. May 76.

G.


3/455.


An Philipp Erasmus Reich

[Weimar, 16. Mai? 1776.]

Ich empfange ein Exemplar 2ten Theils. Ist es für mich? – und lassen Sie das Dedikations Exemplar binden? – Ausser dem seyn Sie so gütig mir[60] 2 komplete Exemplare dieses Wercks baldigst zu übermachen. Donnerst. G.

Mir fehlt auch zu dem geringen Exemplar Beschluss.


3/456.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

Ach Gustgen! Welcher Anblick! so viel von deiner Hand! – der ersehnten, erflehten – noch heut Abend! – du Liebe nur dies! eh ich anfange zu lesen.


Und da ich gelesen habe eine solche gute Nacht wie sie der Himmel der Erde bietet! – Engel – Ja Gustgen Morgen fang ich dir ein Journal an! – das ist alles was ich thun kann – denn der Dir nicht schrieb bisher ist immer derselbe.


[Weimar] Nachts eilf den 16. May 76.

G.


3/457.


An Charlotte von Stein

Dancke beste für den guten Morgen. Ich komme mit Ihnen zu essen und bring allerley mit. Ich hab unter dem Druck neuen Muth zu Leben und eine neue Art von Hoffnung gekriegt, Obgleich das arme Herz viel drunter leidet. Addio beste.

[Weimar] d. 17. May 76.

G.[61]


3/458.


An Charlotte von Stein

Eh ich in den Garten gehe einen guten Morgen, und Spargel von Kalbsrieth. Der schöne Tag macht mir auch wohl ums Herz, so wohl es mir seyn kann. Zu Tisch werd ich wieder beym Herzog seyn. Aber heut nach mittag ober gegen Abend wenn Sie mich mögen. [Weimar] d. 18. May 76.

G.


3/459.


An Charlotte von Stein

Zum erstenmal im Garten geschlafen, und nun Erdtulin für ewig. Da sind Spargel, erst iezt gestochen, lassen Sie sie nicht unter die andern kommen, essen Sie sie allein da Sie doch einmal das glückliche Vorurtheil dafür haben; wie mir's eben am besten schmeckt, wenn ich sie mit Ihnen esse. Sagen Sie mir wie's Ihnen heut Mittag ist. Ob ich kommen darf? Die Ruhe hierhaussen ist unendlich. Und wenn Sie erst einmal werden abgeschieden seyn – Ich mag dadran nicht dencken Ade. [Weimar] d. 19. May Sonntag [1776.]

G.[62]


3/460.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 20.? Mai 1776.]

Hier einen Brief von meiner Schwester. Sie fühlen wie er mir das Herz zerreisst. Ich hab schon ein Paar von ihr unterschlagen um Sie nicht zu quälen. Ich bitte Sie flehentlich nehmen Sie sich ihrer an, schreiben Sie ihr einmal, peinigen Sie mich dass ich ihr was schicke. Leben Sie wohl. –

G.


3/461.


An Charlotte von Stein

Da liebe Frau wieder Spargel ich esse heut mit Ihnen. Gestern als ich zu Bette gehn wollt und ihr Armband mir in die Hände kam macht ich mir Vorwürfe. Guten Morgen beste. [Weimar] d. 21. May 76.

G.


3/462.


An Friedrich Gottlieb Klopstock

Weimar d. 21. Mai 1776.

Verschonen Sie uns ins Künftige mit solchen Briefen, lieber Klopstock! Sie helfen nichts, und machen uns immer ein paar böse Stunden.

Sie fühlen selbst daß ich nichts darauf zu antworten habe. Entweder müsste ich als Schul Knabe[63] ein pater peccavi anstimmen, oder mich sophistisch entschuldigen, oder als ein ehrlicher Kerl vertheidigen, und dann käm vielleicht in der Wahrheit ein Gemisch von allen Dreien heraus, und wozu?

Also kein Wort mehr zwischen uns über diese Sache! Glauben Sie, daß mir kein Augenblick meiner Existenz überbliebe, wenn ich auf all' solche Briefe, auf all' solche Anmachungen antworten sollte. – Dem Herzog thats einen Augen Blick weh, daß es von Klopstock wäre. Er liebt und ehrt Sie. Von mir wissen und fühlen Sie eben das. – Graf Stolberg soll immer kommen. Wir sind nicht schlimmer, und wills Gott, besser, als er uns selbst gesehen hat.

G.


3/463.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

[Weimar, 17. – 24. Mai 1776.]

d. 17. May. Morgens 8. Guten Morgen Gustgen. Nichts als dies zur Grundlage eines Tagbuchs für dich. Ach du nimmst an dem unsteten Menschen noch Theil, der seit er dir nichts von sich schrieb, seltsame Schicksaale gehabt hat. Ich fühle dass ich dir nicht alles sagen kann drum mag ich nichts sagen. Adieu! –

In meinem Garten Gustgen gegen 10. Hab ein liebes Gärtgen vorm Thore an der Ilm schönen Wiesen in einem Thale. ist ein altes Hausgen drinne,[64] das ich mir repariren lasse. Altes blüht alle Vögel fingen. Gustgen und Du bist kranck! –

d. 18. May. Gestern konnt ich dir nichts mehr sagen. Der Husarn Rittmeister kam in meinen Garten, ich ritt um eilf nach dem Lustschloss Belvedere wo ich hinten im Garten eine Einsiedeley anlege, allerley Pläzgen drinn für arme Krancke und bekümmerte Herzen. Ich ass mit dem Herzog, nach Tisch ging ich zur Frau v. Stein einem Engel von einem Weibe, frag die Brüder, der ich so offt die Beruhigung meines Herzens und manche der reinsten Glückseeligkeiten zu verdancken habe. der ich noch nichts von dir er zählt habe, das mir viel Gewalt gekostet hat, heut aber will ich's thun will ich tausend Sachen von Gustgen sagen. Wir gingen in meinen Garten spazieren. Ihr Mann, ihre Kinder, ihr Bruder. ein paar Fräulein Ilten. es kamen mehr zu uns wir gingen spazieren, begegneten der Herzoginn Mutter und dem Prinzen, die sich zu uns. Wir waren ganz vergnügt. Ich verlies die Gesellschafft, ging noch einen Augenblick zum Herzog und ass mit Frau v. Stein zu Nacht. Nun ists wieder schöner heitrer Tag. Soviel iezt. halb 9.

12 Uhr in meinem Garten. Da lass ich mir von den Vögeln was vorsingen, und zeichne Rasenbäncke die ich will anlegen lassen, damit Ruhe über meine Seele komme, und ich wieder von vorne mög anfangen zu tragen und zu leiden. Gustgen könnt ich Dir von[65] meiner Lage sagen! die erwünscheste für mich, die glücklichste, und dann wieder – Ich sagte immer in meiner Jugend zu mir da so viel tausend Empfindungen das schwankende Ding bestürmen: Was das Schicksal mit mir will, dass es mich durch all die Schulen gehen lässt, es hat gewiß vor [mich dahin zu stellen wo mich die gewöhnlichen Qualen der Menschheit gar nicht mehr anfechten müssen. Und iezt noch ich seh alles an Vorbereitung an!] Ich hab das ausgestrichen weils dunkel und unbestimmt gesagt war. Nach Tische mehr.

Sonnabends Nachts 10 in meinem Garten. Ich habe meinen Philipp nach Hause geschickt und will allein hier zum erstenmal schlafen. Und so meinen Schlaf einweichen dass ich dir schreibe. Die Maurer haben gearbeitet biss Nacht ich wollt sie aus dem Haus haben, wollte – o ich kann dir nicht ins Detail gehn. Den ganzen Nachmittag war die Herzoginn Mutter da und der Prinz und waren guten lieben Humors, und ich hab denn so herum gehausvatert, wie alles weg war, ein Stück kalten Braten gessen und mit meinem Philipp, (lass Dir von den Brüdern was von ihm erzählen) von seiner und meiner Welt geschwäzzt, war ruhig und bin's und hoffe gut zu schlaffen zu holdem Erwachen. Gute Nacht beste. – Es geht gegen eilf ich hab noch gesessen und einen englischen Garten gezeichnet. Es ist eine herrliche Empfindung dahausen im Feld allein[66] zu sizzen. Morgen frühe wie schön. Alles ist so still. Ich höre nur meine Uhr tackcken, und den Wind und das Wehr von ferne. gute Nacht. – Sonntag früh d. 19. Guten Morgen! ein trüber aber herrlicher Tag. Ich habe lang geschlafen, wachte aber gegen vier auf, wie schön war das grün dem Auge das sich halbtruncken aufthat. Da schlief ich wieder ein.

Nachts 10. Im Garten versteht sich iezt von selbst. ging um eilf heut früh in die Stadt steckte mich in erbaare Kleider, machte eine Visite, ging zum Herzog, einen Augenblick zur Herzoginn Mutter, wir haben Italiäners hier die uns gute Güsse der Antiken schaffen, dann bey Frau v. Stein zu Tisch, wir hatten tust uns zu necken, um vier zu Wieland in Garten wo der Mahler Kraus dazu kam. Beyde mit mir in meinen Garten. Sie verliesen mich ich las Guiberts Tacktick, da kam der Herzog und der Prinz mit noch zween Guten Geistern. Wir schwazzten und trieben allerley. Frau v. Stein mit ihrer Mutter kam von Oberweimar herunter spazieren wir begleiteten sie, kehrten um, der Prinz verlies uns auch, ich erzählte dem Herzog eine Geschichte eines meiner Freunde der sich wunderlich durch die Welt schlagen musste, begleitet ihn nach der Stadt, und kam allein zurück. Hier treu mein Tag. lieb Gustgen. Ich hab so viel gedacht! dass ich's doch nur nicht so hinsagen kann.

[67] Montag d. 20. Süsser Morgen. Arbeiter in meinem Garten. Allerley Beschäfftigungen! – – – –

Bei der Herzoginn Mutter gessen. Nach Tische ging alles nach Tiefurt wo der Prinz sich hat ein Pachtgut artig zurecht machen lassen. Die Bauern empfingen ihn mit Musick, Böllern, ländlichen Ehrenpforten, Kränzlein, Kuchen, Tanz Feuerwerkspuffen, Serenade und s. w. Wir waren vergnügt ich hatte das Glück alles sehr schön zu sehen. Und nun bin ich im Garten hab eine Viertelstunde nach dem Feuerzeug getappt und mich geärgert und bin so froh dass ich iezt Licht habe Dir das zu schreiben. Dadrüben auf dem Schlosse sah ich viel Licht indess ich nach Einem Funcken schnappte, und wusste doch dass der Herzog gern mit mir getauscht hätte, wenn er's in dem Augenblick hätte wissen können. Es ist ein trefflicher Junge und wird wills Gott auch ausgähren. Friz wird gute Tage mit uns taten, so wenig ich ihm ein Paradies verspreche. Gute Nacht. Eine grose Bitte hab ich! – Meine Schwester der ich so lang geschwiegen habe als dir, plagt mich wieder heute um Nachrichten oder so was von mir. Schick ihr diesen Brief, und schreib ihr! – O dass ihr verbunden wärt! Dass in ihrer Einsamkeit ein Lichtstral von dir auf sie hin leuchtete, und wieder von ihr ein Trostwort zur Stunde der Noth herüber zu dir käme. Lernt euch kennen. Seyd einander was ich euch nicht seyn kann. Was rechte Weiber sind sollten keine[68] Männer lieben, wir sinds nicht werth. Gute Nacht halb eilfe.

Dienstag d. 21. früh 6 aufgestanden herrlicher kühler Sonnenmorgen. Arbeiter im Garten. Ein Jäger bringt mir einen iungen Fuchs.

Mittwoch d. 22. um 10 Uhr. Gestern wieder nach Tiefurth die regierende Herzoginn war dort. Der Herzog und noch einige blieben die Nacht drausen, heut früh ritten wir herein dem Maneuvre der Husaren zuzusehn und nun bin ich wieder in meinem Garten.

Freytag d. 24. Morgens eilf in der Stadt. Habe viel ausgestanden die Zeit. Mittwoch Nachmittag brach ein Feuer aus im Hazfeldischen 5 Stunden von hier der Herzog ritt hinaus biss wir hinkamen lag das ganze Dorf nieder, es war nur noch um Trümmern zu retten und die Schul und die Kirche. Es war ein groser Anblick ich stand auf einem Hause wo das Dach herunter war und wo unsre Schlauchsprizze nur das untre noch erhalten sollte, und sieh Gustgen und hinter und vor und neben mir feine Glut, nicht Flamme, tiefe hohlaugige Glut des niedergesuncknen Orts, und der Wind drein und dann wieder da eine auffahrende Flamme, und die herrlichen alten Bäume um's ort inwendig in ihren hohlen Stämmen glühend und der rothe dampf in der Nacht und die Sterne roth und der neue Mond sich verbergend in Wolcken. Wir kamen erst Nachts zwey wieder nach Hause.

[69] Gestern Donnerstag d. 23. ist mir auch wieder wunderbaars Wesen um den Kopf gezogen – Was wirds werden, ich hab eben noch viel auszustehen, das ists was ich in allen Drangsaalen meiner Jugend fühlte, aber gestählt bin ich auch, und will ausdauern bis ans Ende. Adieu. Nun hörst du wieder eine Weile nichts von mir. Schreib mir aber wann dichs freut. Friz soll kommen wann er gerne mag der Herzog hat ihn lieb wünscht ihn ie eher ie lieber, will ihn aber nicht engen. Adieu. Ich bin ewig derselbe

G.

An meine Schwester die Addresse. Frau Hofrath Schlossen fr. Rheinhausen nach Emmedingen im Brisgau.


3/464.


An Charlotte von Stein

Also auch das Verhältniss das reinste, schönste, wahrste, das ich ausser meiner Schwester ie zu einem Weibe gehabt, auch das gestört! – Ich war drauf vorbereitet, ich litt nur unendlich für das Vergangne und das Zukünftige, und für das arme Kind das hinausging das ich zu solchen Leiden in dem Augenblick geweiht hatte. Ich will Sie nicht sehn, Ihre Gegenwart würde mich traurig machen. Wenn ich mit Ihnen nicht leben soll, so hilft mir Ihre Liebe so wenig als die Liebe meiner Abwesenden, an der ich so reich bin. Die Gegenwart im Augenblicke[70] des Bedürfnisses entscheidet alles, lindert alles, kräfftiget alles. Der Abwesende kommt mit seiner Sprüzze wenn das Feuer nieder ist – – und das alles um der Welt willen! Die Welt die mir nichts seyn kann will auch nicht dass du mir was seyn sollst – Sie wissen nicht was sie thun. Die Hand des Einsam verschlossen, der die Stimme der Liebe nicht hört, drückt hart wo sie aufliegt. Adieu beste. [Weimar] d. 24. May 76.


3/465.


An Charlotte von Stein

Sie sind sich immer gleich, immer die unendliche Lieb und Güte. Da sind die zwey Köpfe für Kestner. Den von mir wird er morgen kriegen, sagen Sie noch nichts von. Vielleicht komm ich nach Tiefurt, es wird – das weis Gott – Verzeihen Sie, dass ich Sie leiden mache, ich wills künftig suchen allein tragen zu lernen. Ich wohne in tiefer trauer über einem Gedicht, das ich für Gluck auf den Todt seiner Nichte machen will. Adieu beste. [Weimar] d. 25. May 76.

G.


3/466.


An Charlotte von Stein

Hier liebe Frau ein Büschel eignen Gewächses ists Ihnen nach der gestrigen Thorheit wohl geworden. Ich war heut in mich gekehrt. Bleiben Sie mir lieb.

G. [Weimar] d. 26. May 76.[71]


3/467.


An Charlotte von Stein

Ich habe gestoppelt, da ist noch ein Büschelgen. Man will mir glauben machen ich dürfe heut mit Ihnen essen. Ists wahr?

G. [Weimar] d. 27. May 76.


3/468.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ich kann nichts thun als Sie im stillen lieben. Ihr Betragen zu denen andern sachen die mich plagen macht mir so einen seltsamen Druck auf die Seele dass ich muss suchen mich loszureisen. Adieu ich geh sehr ungern fort, hoffte heut auf einen guten Abend mit Ihnen. Leben Sie wohl.

G.


3/469.


An Charlotte von Stein

Ich bin wieder da, wär so gern gekommen als ich lebe – aber es soll nicht seyn – meine Abwesenheit wird die Welt einigermaßen konsolirrt haben. Ich bring Grüsse von der Guten Werthern. Auch das Zettelgen u.s.w.

[Weimar] d. 1. Jun. 76.

G.[72]


3/470.


An Charlotte von Stein

Mir war's so wohl gestern in Ihrem Zimmer ich eilte nur dass Sie mich nicht wieder finden sollten. Kestners theilnehmung fachte das Feuer an und so haben Sie Glut gefunden wie Sie nach Hause kamen. Ich aber hatte mich über dem Zeichnen erhizt, dass ich einen wunderbaaren Krampf am Herzen bekam wie ich ging. Adieu Engel ich lass ein Paar Rahmen bestellen dass das Feuer nicht verlösche. [Weimar] d. [2. oder 3.] Jun. 76.

G.

Beygehendes machen Sie nicht eher auf biss ich komme.


3/471.


An Charlotte von Stein

Hier liebe Frau den Tribut. Ich will sehn ob ich aushalte nicht zu kommen. Ganz sind Sie nicht sicher von mir. Gestern hatt ich wieder einige Augenblicke in denen ich recht fühlte dass ich Sie lieb habe. [Weimar] d. 4. Jun. 76.

G.


3/472.


An Charlotte von Stein

Sie sind lieb dass Sie mir alles gesagt haben! – man soll sich alles sagen wenn man sich liebt. – Liebster Engel und ich habe wieder drey Worte in[73] der Hand Sie über alles zu beruhigen aber auch nur Worte von mir zu Ihnen! – – Ich komme heut noch! – Adieu.

[Weimar] d. 7. Jun. [1776.]

G.


3/473.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ich dancke Ihnen dass Sie soviel besser gegen mich sind als ich's verdiene, ich hoffte nichts von Ihnen zu sehen. Wenn ich mein Herz gegen Sie zuschliesen will, wird mir's nie wohl dabey. Hier die Phisiognomik Gestern Nacht hab ich noch gebadet aber nicht am Wehre, und herrliche Wahrzeichen gesehen. Addio Gold.

G. d.


3/474.


An Charlotte von Stein

Ich wills überwinden und Sie heut nicht sehn wenn's hält biss Abend. Hier die Stücke, das Portefeuille, die Muschel – – – Was brauch ich mehr zu sagen. Sie wissen alles. [Weimar] d. 13. Jun. 76.

G.


3/475.


An Charlotte von Stein

Also gestern wollte der Himmel nicht. Ich hatte einen übeln Tag. konnte Gestern Nacht für Hoffnung[74] und Furcht nicht schlafen, der anhaltende Regen machte mich toll, und ich war dumpf biss Nacht. Aber heute kommen Sie doch mit der Schwester! Ich hoffe das Wetter soll bleiben. Adieu Beste. Kommt Stein auch? [Weimar] d. 18. Jun. 76.

G.


Wenn's regent, wie ich fast fürchte; so wird heute wieder nichts draus. Vielleicht lauf ich auf die Nacht alsdenn zu Ihnen. Sagen Sie mir Ein Wort. Grüsen Sie die Schwester.


3/476.


An Johann Gottfried Herder

Hier Bruder ein Brief von Mosern. Schreib mir doch einmal. die Schinderey wird auch bald zu End gehn – es zerrt die Pfaffen verflucht dass das was so lang unter sie vertheilt war, einer allein haben soll. Wie geht dirs sonst. Schreib mir doch und. . . und schier und treib mich, denn weil deine Sach gewiss ist, und also das andre all eins ist, und ich nicht pressirt bin dich hier zu sehn so lass ich alles laufen. Ade. Mir ist wie dem zweyten im Königreich so scheisig als dem ersten und die Verantwortung dazu, ob ich gleich mich nicht verantworte.

G. [Weimar] d. 18. [Juni 1776.][75]


3/477.


An Charlotte von Stein

Wie kann ich seyn ohne Ihnen zu schreiben. Wenigstens hört ich gestern durch Lenz was von Ihnen. Hier ein Erwin. Schicken Sie das Ihrige der Werthern. Wieland hat mit Ihrer Frau Mutter von einer Französin gesprochen die Kinder unterrichten will. Wird noch was draus? Was macht Friz? Gezeichnet hab ich nichts. Meiner Schwester mögt ich eine Abschrifft der neuen Melodie schicken. Addio. Vielleicht komm ich heute noch und bring die Rahmen zu den Feuer Stücken. Die Banck steht prächtig in dem ihr geweihten Heiligthum. Adieu. Seyn Sie mir lieb wie immer, ich will auch seltner schreiben und kommen.

[Weimar] d. 2. [20.?] Jun. 76.

G.


3/478.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 21. Juni 1776.]

Das konnten Sie mir also thun, und gestern von Tiefurt bleiben. Freylich was Sie thun muss mir recht seyn!! Es machte mich nur traurig. – Hier sind die Rahmen, bewahren Sie sie biss ich komme die Bilder einzumachen. Heut mag ich nicht aus meinem Garten. Leben Sie wohl und seyn Sie so glücklich als Sie lieb mir sind. Was macht Friz.[76]


3/479.


An Charlotte von Stein

Du hast gestern Steinen lahm nach Hause kriegt, sonst wär ich noch einen Augenblick kommen, denn ich bedarf auch einiger Pflege; da ging ich zu Wieland und ward mir wieder freyer. Liebste Frau ich darf nicht dran dencken dass Sie Dienstag weggehn, dass Sie auf ein halb Jahr hinaus von mir ab sind. Denn was hilft alles! Die Gegenwart ists allein die würckt, tröstet und erbaut! – Wenn sie auch wohl manchmal plagt – und das plagen ist der Sommerregen der Liebe. Ich hab Sie viel lieber seit neulich, viel theurer und viel werther ist mir deine Gutheit zu mir. Aber freylich auch klarer und tiefer ein Verhältniss, über das man so gerne wegschlüpft, über das man sich so gerne verblendet. Der Herzoginn Mutter entging nicht dass ich mich auf einmal veränderte. Adieu! Hier eine Rose aus meinem Garten, hier ein Paar halbwelcke, die ich an einer Hecke, gestern zurückreitend dir abbrach. Leb wohl bestes. Der Schwester einen guten Morgen. Addio. [Weimar] d. 22. Jun. 76.

G.


3/480.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 23. oder 24. Juni 1776.]

Ich hab meine Glieder in Stern geschleppt, Sie noch zu sehn und Einen Tropfen Anodynum aus[77] Ihren Augen zu trincken. Sie waren nicht da und ich zog mich zu Wieland und nach Haus, nun fühl ich dass ich müd bin. Ach Ihre Gesandten! – Liebe Frau. Lenz hat die Kirsche verwahrlost! hat mir sie nicht gegeben, mir nicht den Kern nicht den Stiel gegeben. Mir der ich in all dem Tumult so offt an Sie gedacht habe. – Hat mir nichts davon gesagt biss heute – Gute Nacht. Bleiben Sie mir immer die liebe, unveränderliche von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.


3/481.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 23 oder 24. Juni 1776.]

Ich werde Sie nichts mehr sehen. Adieu. Ich habe kein Adieu zu sagen denn Sie gehn nicht fort. Hier was von meiner Schwester. NB. [Auch das Portefeuille.] für Ihre Matinnees danck ich herzlich, ich habe mich herzlich drüber gefreut, ich bin weidlich geschunden, und doch freut michs dass es nicht so ist. Adieu. Schicken Sie mir die Grose Silhouette. Schicken Sie mir sonst noch was Sie mir gönnen. Adieu – Ich habe keine Idee von dem was das heisst: dass Sie gehn. Grüsen Sie die Schwester. –

NB. Warum Sie das Portefeuille nicht kriegen und an dessen Statt einen schlechten Pappedeckel, auf dem ich reisend nach Leipzig die Zettelgen unterweegs an Sie schrieb, und mit unter das Gedicht auf Hans[78] Sachsen anfing, und dabey allerley Zeichnungen vergangener Zeiten hiermit erhalten; das ist zu heilig fürs Papier, da Sie mir nicht einmal geben können, was Sie schreiben konnten.[79]


3/481a.


An Jakob Michael Reinhold Lenz

[Sommer: 1776.]

Hier ist der Guibert die andern Bücher sind nicht zu haben.

Da ist eine Louisdor.

Deine Zeichnungen sind brav fahre nur fort wie du kannst.

Leb wohl und arbeite dich aus wie du kannst und magst.

G.[355]


3/482.


An Johann Gottfried Herder

Lieber Bruder heut war ich in der Superintendur, wo Hr. Consistorial Rath Seidler mit einem Schwanz von 10 Kindern nach und nach ausmistet. Ich hab gleich veranstaltet dass wenigstens das obre Stock reparirt werde, und so eingerichtet dass ihr einziehen, und deine Frau Wochen halten könne. auf die Woche wird angefangen. Ihr müsst euch indess gefallen lassen wie ich euch die Zimmer anlege.


1776


Es müssen noch Öfen gesezt werden Fenster gemacht, angestrichen, geweisst und so weiter.

[79] Berechne nur was dich Reise und Transport kostet, es wird dir alles ersezt. sie wollten dir 200 Thlr. schicken weil du aber schriebst du brauchsts nicht so hab ich sie hier gelassen.

Kommt also sobald ihr könnt und wollt. Behelfen müsst ihr euch freylich im Anfange, sollts aber gar nicht fertig werden können so habt ihr immer meine Wohnung und Plaz genug drinn. und ich möcht wohl ein Faunchen in meinem Schlafzimmer gebohren haben.

Lieber Bruder der Augenblick des Zeugens ist herrlich, das Tragen und Gebähren beschweerlich, so aber geboren ist, Freude. So wird's auch seyn wenn du als General Superintendent gebohren bist. Leb wohl. Du findst viel liebes Volk hier das dein offen erwartet. Du brauchst nur zu seyn wie du bist, das ist iezt hier Politik.

[Und sinn dir eine Predigt aus zum Antritt plan und gut so als wie du sie ex tempore -] Ich hab das falsch gesagt. NB das gemeine Volck fürchtet sich vor dir es werde dich nicht verstehen; drum sey einfach in deiner ersten Predigt. Sag ihnen das gemeinste mit deiner Art, so hast du auch die. Die Geistlichen sind alle verschobene Kerls. Sind aber die iungen dir nicht ganz gram.

Das ist wohl alles für dies mal. Bester Bruder der Kopf ist mir manchmal toll genug doch hab ihn Gott sei danck noch immer oben behalten.

[80] Der Stadtrath hat schon seine Denomination eingereicht. Die Confirmation wird erfolgen gleich, das wirst du hier finden. Gute Nacht. Dir wird hoffentlich wohl mit uns werden. Wieland grüst dich.

[Weimar] den 5. Jul. 76.

G.


3/483.


An Johann Christianund Charlotte Kestner, geb. Buff

Liebe Kinder. Ich hab so vielerley von Stund zu Stund das mich herumwirft, ehmals warens meine eigne Gefühle, iezt sind neben denen, noch die Verworrenheiten andrer Menschen die ich tragen und zurecht legen muss. So viel nur: ich bleibe hier, und kann da wo ich, und wie ich bin meines Lebens geniessen, und einem der edelsten Menschen, in mancherley zuständen förderlich und dienstlich seyn. Der Herzog mit dem ich nun schon an die 9 Monate in der wahrsten und innigsten Seelen Verbindung stehe, hat mich endlich auch an seine Geschäffte gebunden, aus unsrer Liebschafft ist eine Ehe entstanden, die Gott seegne.

Er hat mir Siz und Stimme in seinem Geheimen Rath, und den Titel als Geheimer Legationsrath geben, und wir hoffen das beste.

Viel gute liebe Menschen giebts noch hier mit deren Allgemeiner Zufriedenheit ich da bleibe, ob ich[81] gleich manchem nicht so recht anstehe. Addio behaltet mich lieb. d. 9. Jul. 76. Weimar.

Schreibt mir was von euern Kindern. Mathäi hat mir einen Brief bracht.

G.


3/484.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 25. Juni – 9. Juli 1776.]

d. 25. Nachts. sagt ich's nicht! kaum sind Sie weg, schon so ein Tag, ein unendlich verwickelter Tag, dass ich kaum schreiben, und eigentlich gar nichts schreiben kann. Was sich nur sagen liesse – Kaum sagen liesse. – – Gute Nacht Beste.


d. 27. Jun. Nachts. Ich schlafe beym Herzog und eh ich mich auf's Canapee streiche nur ein Wort Dancks für die Zeichnung! Sie ist ganz herrlich, ganz wahr, und deine ganze Seele in der Wahrheit, das Gefühl des Friedens der mit dir geht an den Bauer Schwellen. Liebe, allen Danck und gute Nacht.


d. 28. Morgends! schon in Fränzgen und schwarzem Rock, erwartend, des Conseils erhabene Sizzung. liebe Frau und dann bey Tisch. Die Zeichnung freut mich! – Weil ich ganz überzeugt bin Sie werden in kurzem Ihrem Gefühl zu Danck und Liebe fürtragen können. Ich zeichne iezt leider nichts, doch wird hoff ich etwas fertig für Sie.[82]


Guten morgen liebe Frau, alle Geister der Berge, der Schlösser, der Morgen und Abenddämmerung seyen Ihre begleiter. Dencken Sie an mich; Ich treibe mich ietz mit Göthen ins Conseil. Wan Sie in Pirmont ist liebe Frau, so trincke Sie ja wenn der Morgen hübsch ist das erste glas auf Göthens, und meine Gesundheit.

C. A.


Als ich für dich zeichnete an der Ilm. d. 29. Jun. 76. Zwischen Mittag und 1.


Hier bildend nach der reinen stillen

Natur, ist ach mein Herz der alten Schmerzen voll

Leb ich doch stets um derentwillen

Um derentwillen ich nicht leben soll.


Sonst hab ich noch allerley Ihnen geschrieben. Der Herzog nahm mir neulich was weg und wollt was drunter schreiben. Es war danck für Ihre herzliche Zeichnung. Brauch ich zu sagen dass ich Sie vermisse. – Es ist Prüfung dass Sie weg sind. Engel ade. d. 2. Juli 76.


d. 2. Juli. Es ist und bleibt Gegenwart alles! – Was hilft mich's dass Sie in der Welt sind, dass Sie an mich dencken. Sie fehlen mir an allen Ecken, ich schleiche meinen Tag herum und es ist mir eben weh bey der Sache. Mit Wielanden hab ich göttlich reine Stunden. das tröstet mich viel. Ihre Schwester ist gut, sie kommt wohl einmal vor meinem Garten vorbey und guckt ob ich drinn bin. Hinein ist sie[83] noch nicht kommen. Ich hab ihr Rosen geschickt und hab sie lieb. Dass Sie für mich zeichnen macht mir Hoffnung. der kleine ruhige Land Blick hat mir gar wohl am Herzen gethan. – Sie werden noch herrlich zeichnen lernen. Nur immer das Datum an ein Ecken ganz klein. Addio.

Nachts halb eilf. der Mondschein war so göttlich ich lief noch ins Wasser. Auf der Wiese und Mond. Gute Nacht.

In deinem Zimmer schreib ich das. Habe mit den Grasaffen gessen. Hudan und der kleine Lauf haben sich im Bassin gebadt und allerley Possen gemacht – hier siz ich auf deinem Canapee. Adieu Engel –


5. Jul.

Wielands Garten auch am 5. Jul. ich komm von deinem Zimmer. Noch ein Wort. Ich hab deine Briefe bestellt. Grüs Zimmermannen, sag ihm ich hab ihn nicht verkannt aber ich hab einen Pick auf all meine Freunde die mich mit Schreiben von dem was man über mich sagte wider ihren Willen plagten. Du kennst meine Lage am besten, also sag ihm was dir's Herz sagt. Sag ihm er solls für sich behalten, soll mich lieb behalten. Addio beste. Gestern hatt ich mit Louisen einen lieben Augenblick. Leb wohl denck mein wie sonst. Zeichne mir was.

[84] Mir ist ein Streich mit der Zeichnung für dich begegnet schadt aber nichts. du kriegst sie doch. Adieu.


Abends 9.

Im Welschen Garten getanzt. Deine Schwester war da. Sie lachte mich aus da ich um weege machte ihr zu sagen was ich von dir wüßte. Addio Engel.


d. 9. Juli.

Gestern Nachts lieg ich im Bette schlafe schon halb, Philip bringt mir einen Brief, dumpfsinnig les ich – dass Lili eine Braut ist!! kehre mich um und schlafe fort. – – Wie ich das Schicksaal anbete dass es so mit mir verfährt! So alles zur rechten Zeit – – Lieber Engel gute nacht.

Übrigens gehts so entsezlich durcheinander mit mir dass es eine Freud ist. Ade.

Die Imhof kriegt manchmal was von Intressen davon ich die Quittungen aufweisen kann.

Dein Tagbuch!!!


3/485.


An Johann Gottfried Herder

Hier ein Brief. Schreib mir doch lieber Bruder wie du kommst, schreib mir wie dirs mit Meubels gehn wird du kommst in ein leer Haus. Es ist noch ganz gut gebaut, hat einen grosen Garten in dem[85] aber die Igel brüten. mit dem Detail der Reparatur schinden sie mich noch was ehrlichs. Da hat der Gottskasten kein Geld, da sollen die Alten Fenster bleiben, da ist der ein Schlingel und iener ein Maz. Und so gehts durch – der Präsident hat den besten Willen – Gestern hatt ich alles dort und wird schon gehn – Und, Bruder, war auch zum erstenmal in der Kirche. Ich dacht schon dir wirds doch wohl werden Alter wenn du da oben stehst, und rechts in dem Chor des unglücklichen Johann Friedrich Grab, und seinen Nachkommen den besten iungen gegen dir über, der wohl die Chur werth wäre, werth dass das schicksaal dem wieder gäb was es ienem nahm. und Herzog Bernhards Grab in der Ecke und all der braven Sachsen Gräber herum und auf des Altar Blats Flügel den Johann Friedrich wieder in Andacht und die seinen von seinem Cranach und in der Sacristey Luther in drey Perioden von Cranach, immer ganz Luther und ein ganzer Kerl. ganz Mönch, ganz Ritter und ganz Lehrer – – Das wusch mich wieder von allem Staub und so reinige uns der heilige Geist von allem Skwal eh er fingers dick auf uns sizt wie auf den Gräber der Helden. Addio.

[Weimar] den 10. Jul. 76.[86]


3/486.


An Charlotte von Stein

Nur Ein Wort beste Frau. Ich hab den Kopf die Queere sizzen und kann nichts sagen. Wir gehn übermorgen nach Ilmenau, und wollt Sie wären in Kochberg. Sie fehlen mir an allen Ecken und Enden und wenn Sie nicht bald wiederkommen, mach ich dumme Streiche. Gestern auf dem Vogelschiesen zu Apolde hab ich mich in die Cristel von Artern verliebt ppp. Ich habe gar nichts was mich in linde Stimmung sezt. Wieland thut mir noch am wohlsten. Der Herzog und ich theilen unsre Dumpfheit wenigstens, alles andre hezzt mich und ich kann mich nicht zu Ihnen flüchten. Sonst ist nicht leicht ein glücklicher Geschöpf als ich, wenn ich dich nur wieder hätte. O Schick mir was! grüs Zimmermann.

[Weimar] d. 16. Jul. 76.

G.


3/487.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 16. und 17. Juli 1776.]

Abends d. 16. Noch ein Wort. Gestern als wir nachts von Apolde zurück ritten, war ich vorn allein bey den Husaren die erzählten einander Stückgen, ich hörts, hörts auch nicht, ritt so in Gedancken fort.

[87] Da fiel mirs auf wie mir die Gegend so lieb ist, das Land! der Ettersberg! die unbedeutenden Hügel! und mir fuhrs durch die Seele – Wenn du nun auch das einmal verlassen musst! das Land wo du so viel gefunden hast, alle Glückseeligkeit gefunden hast die ein Sterblicher träumen darf, wo du zwischen Behagen und Mißbehagen, in ewig klingender Existenz schwebt – wenn du auch das zu verlassen gedrungen würdest mit einem Stab in der Hand, wie du dein Vaterland verlassen hast. Es kamen mir die Trähnen in die Augen, und ich fühlte mich starck genug auch das zu tragen – Starck –! das heisst dumpf.


Gegen neun! ich wollt du wärst hier! ich hab dir was zu sagen das fürs Papier zu gut ist. Mit denen Grasaffen habe heute gessen. zu fehlst Allen. Hab den Friz gefüttert. Deine Schwester seh ich nicht. Es ist ein liebes Geschöpf wie ich eins für mich haben mögte, und dann nichts weiter geliebt. ich bin des Herztheilens überdrüssig.


den 17. Adieu! Wir gehen heute Abend. Dein Mann hat heut Reuter Künste getrieben und deiner Schwester schick ich noch eine Rose eh ich geh. Leb wohl. Ich komm wieder ferner von dir und wenn du zurück kommst bin ich nicht da. Adieu. – Wenn ich nur leben könnte ohne zu lieben.[88]


3/488.


An Charlotte von Stein

Ich hab auf der andern Seite angefangen was zu zeichnen es geht aber nicht drum will ich lieber schreiben in der Höhle unter dem Hermannstein meinem geliebten Aufenthalt wo ich möcht wohnen und bleiben. Liebste ich habe viel gezeichnet sehe nur aber zu wohl dass ich nie Künstler werde. Die Liebe giebt mir alles und wo die nicht ist, dresch ich Stroh. Das mahlerischte Fleck geräth mir nicht, und ein ganz gemeines wird freundlich und lieblich. Es regnet scharf im tiefen Wald. Wenn du nur einmal hier seyn könntest es ist über alle Beschreibung und Zeichnung. Ich hab' viel gekrizzelt seit ich hier bin, alles leider nur von Auge zur Hand, ohne durchs Herz zu gehen, da ist nun wenig draus worden. Es bleibt ewig wahr: Sich zu beschräncken, Einen Gegenstand, wenige Gegenstände, recht bedürfen, so auch recht lieben, an ihnen hängen, sie auf alle Seiten wenden, mit ihnen vereinigt werden, das macht den Dichter den Künstler – den Menschen –

Addio, ich will mich an den Felsenwänden und Fichten umsehn. – Es regnet fort –

Hoch auf einem weit rings sehenden Berge.

Im Regen fizz ich hinter einem Schirm von Tannenreisen. Warte auf den Herzog der auch für[89] mich eine Büchse mit bringen wird. Die Thäler dampfen alle an den Fichtenwänden herauf. (NB. das hab ich dir gezeichnet)

In der Höhle unter dem Herrmanstein 22. Juli 1776.


[Weimar] den 24. [Juli 1776.]

Ich muss das schicken. vorgestern schrieb ich das Addio. Dachtest du an mich wie ich an dich dencke! Nein ich wills nicht! – Will mich in der Melankolie meines alten Schicksaals weiden, nicht geliebt zu werden wenn ich liebe.


3/489.


An Johann Heinrich Merck

Ilmenau, 24. Juli 1776.

Wir sind hier und wollen sehn, ob wir das alte Bergwerk wieder in Bewegung setzen. Du kannst denken, wie ich mich auf dem Thüringer Wald herumzeichne; der Herzog geht auf Hirsche, ich auf Landschaften aus und selbst zur Jagd führ ich mein Portefeuille mit. Geht aber auch bald wie sich's gehört. – Laß den Wein nur liegen bis zur rechten Zeit, und schicke den Rest auch mit. Denk doch an ein Stück hübschen Tischwein, einen Sechziger etwa, eine Mittelforte. Wenn wir auf dem Land sind, führen wir die Wirthschaft selbst, und befinden uns besser dabei. – Hab mich immer lieb, glaub, daß ich mir[90] immer gleich bin, freilich hab ich was auszustehen gehabt; dadurch bin ich nun ganz in mich gekehrt. Der Herzog ist eben so, daran denn die Welt freilich keine Freude erlebt; wir halten zusammen und gehen unsern eignen Weg, stoßen so freilich allen Schlimmen, Mittelmäßigen und Guten für'n Kopf, werden aber doch hindurchdringen, denn die Götter sind sichtbar mit uns. Addio! Grüß die Mutter.

Lenz ward endlich gar lieb und gut in unserm Wesen, sitzt jetzt in Wäldern und Bergen allein, so glücklich als er seyn kann. Klinger kann nicht mit mir wandeln, er drückt mich, ich hab's ihm gesagt, darüber er außer sich war und's nicht verstund und ich's nicht erklären konnte, noch mochte.


3/490.


An Charlotte von Stein

Ich habe mit Zittern deinen Zettel aufgemacht, in Freude dass du nur wieder nah bist. Ich dachte du wärst in Weimar. Liebste Frau wir sind wohl noch in Ilmenau komm nur. Hunderttausendmal bist du um mich gewesen ich hab nur für dich gezeichnet. Zwar wenig, aber mein Herz drinne. Adieu Engel. Ich geh nach Stüzerbach um für dich eine Zeichnung zu endigen. Liebe du giebst mir ein neues Leben dass du wieder kommst. Ich kann dir nichts sagen. den Herzog freuts. Addio. [Ilmenau] d. 2. Aug. 1776.

G.[91]


3/491.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Aus bem geliebten Stüzzerbach schick ich Ihnen bester Herr Geheimder Rath die unterschriebnen und vollzognen Papiere zurück, fahren Sie fort mir das nötige zuzufertigen, und ich will meine Expedition ambulante bestmöglichst besorgen. Ich hab einen freundlich herzlichen Grus von Ihro Durchlaucht an Sie; wann wir zurückkommen ist ungewiss, wir sind ziemlich eingewildert. Trebra wird bey Ihnen seyn, es ist ein ganz herrlicher Mann, der Stadthalter von Erfurt war einige Tage bey uns und ist auch nicht ohne Erdgeruch entlassen worden. Unser College Schnaus wird auch von Ihro Durchlaucht gegrüsst und mich empfehlen Sie ihm vielmals. Seyn Ihro Excellenz so gütig bey künftigen Sendungen sich des ledernen Sacks mit dem Riemen des bequemeren Transports wegen zu bedienen. Behalten Sie mich lieb, seyn Sie meiner versichert. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Stüzzerbach d. 3. Aug. 76.

Goethe.


3/492.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Es war Ihro Durchlaucht des Herzogs eigenster Gedancke, da er fühlte, sich noch sobald von den Wäldern nicht losmachen zu können, dass auch Sie lieber[92] Herr Geheimderath der guten Jahrszeit geniesen mögten. Er lässt Ihnen also mit dem gnädigsten ad petita, eine glückliche Reise und frohe Brunnenkur anwünschen, und hofft Sie frisch und zufrieden wiederzusehen. Hizze und langsame Gewitter drücken uns seit einigen Tagen, übrigens geht unser Leben im Alten fort. Ich dancke Ihnen für alle Gütige Gesinnungen. Leben Sie recht wohl. Ilmenau d. 5. Aug. 76.

Goethe.


3/493.


An Charlotte von Stein

Deine Gegenwart hat auf mein Herz eine wunderbaare Würckung gehabt, ich kann nicht sagen wie mir ist! mir ist wohl und doch so träumig. Zeichnen konnt ich gestern nicht. Ich sass auf Wizlebens Felsen, die herrlich sind und konnt nichts hervorbringen da schrieb ich dir:


Ach wie bist du mir,

Wie bin ich dir geblieben!

Nein an der Wahrheit

Verzweifl ich nicht mehr.

Ach wenn du da bist,

Fühl ich, ich soll dich nicht lieben

Ach wenn du fern bist,

Fühl ich ich lieb dich so sehr.


Heut will ich auf den Hermanstein, und womöglich die Höhle zeichnen hab auch Meisel und Hammer die Inschrifft zu machen die sehr mystisch werden[93] wird. Ihr Zettelgen hab ich kriegt, hab mich viel gefreut – Ich schwöre dir ich weis nicht wie mir ist. Wenn ich so dencke, dass Sie mit in meiner Höhle war, daß ich ihre Hand hielt indeß sie sich bückte und ein Zeichen in den Staub schrieb!!! Es ist wie in der Geisterwelt, ist mir auch wie in der Geisterwelt. Ein Gefühl ohne Gefühl. Lieber Engel! Ich hab an meinem Falcken geschrieben, meine Giovanna wird viel von Lili haben, du erlaubst mir aber doch dass ich einige Tropfen deines Wesen's drein giesse, nur so viel es braucht um zu tingiren. Dein Verhältniß zu mir ist so heilig sonderbaar, daß ich erst recht bey dieser Gelegenheit fühlte: es kann nicht mit Worten ausgedrückt werden, Menschen könnens nicht sehen. Vielleicht macht mir's einige Augenblicke wohl, meine verklungenen Leiden wieder als Drama zu verkehren. Adieu liebe. d. 8. Aug. 76. Ilmenau.


Auf dem Gabelbach. Es ist bald 3. der Herzog ist noch nicht von der Jagd er wird hier essen. Von meinem Morgen auf dem Hermannstein sollst du was sehen, vielleicht auch was lesen. Addio. Du bist immer bey mir.


Stüzzerbach Nachts bey Tisch. Ich hab heute den ganzen Tag für dich gezeichnet, nicht immer glücklich, aber immer warm. Heut aber sass ich wieder hier[94] auf dem Schloßberg und hatte einen guten Augenblick. Wie erwünscht lag eben der Sonnenblick den Moment da ich aufstieg im Thal wie ich ihn aufs Papier fesseln mögt. – Ich muss nur für dich zeichnen, du thust das dazu was ich nicht machen kann.

Von heute früh, von heut dem ganzen Tag! kann ich nichts sagen! Engel – Geh nur in die Schweiz – Gute Nacht. gute Nacht.

G.


3/494.


An Johann Gottfried Herder

Lieber Bruder, wir sind in Ilmenau, seit 3 Wochen wohnen wir auf dem Thüringer Wald, und ich führe mein Leben in Klüfften, Höhlen, Wäldern, in Teichen, unter Wasserfällen, bey den Unterirdischen, und weide mich aus in Gottes Welt. – Das Gefrage um dein Kommens gleich ich aus, sey ohne Sorgen Bruder, alles nach deiner Bequemlichkeit, indess hat auch die Ölfarbe in deinem Hause verrochen. Und wir sind auch mit allerley Wirthschafft in Ordnung, und wir treffen uns neu und ganz. Den Engel die Stein hab ich wieder, sie ging über Meiningen und Ilmenau zurück nach Weimar. Einen ganzen Tag ist mein Aug nicht aus dem ihrigen kommen, und mein gnomisch verschlossen Herz ist aufgethaut. Adieu.

Grüs dein Weib und seyd lieb. [Ilmenau] d. 9. Aug. [1776.]

G.[95]


3/495.


An Charlotte von Stein

Liebste Frau. Ich schick Ihnen die Stüzzerbacher Zeichnung unvollendet, denn ich fürcht ich verderb sie. Gestern versuchte mich ein böser Geist, dass ich in liebeleerem Augenblick drüber kam, und um ein Haar war sie verpudelt, und ich wäre rasend geworden. Auch haben Sie da noch ein ander Stück, das ich nur in Ihrer Gegenwart auszeichnen kan. Legen Sie beydes in eine leere Comod Schublade, dass es sich linde von selbst aufrollt, dass es nur keine Brüche kriegt. Adieu Engel ich mag dir nichts weiter sagen, du hast alles was ich gethan habe von dir loszukommen, wieder zu Grunde gerichtet. – Die Rolle schick mir wieder. Addio.

[Ilmenau] d. 10. Aug. 76.


3/496.


An Charlotte von Stein

Vergebens hab ich auf ein paar Worte von dir gewartet! Hier hast du die Aussicht aus dem Pachthose zu Unter Pörliz wo wir zusammenstanden als Kraus zeichnete. Ich hab am Falcken geschrieben und hoffe was zusammen zu bringen.

[Ilmenau] d. 12. Aug. 76.

G.[96]


3/497.


An Charlotte von Stein

Lieber Engel wir kommen. Der Herzog will seinen Fus in des Prinzen Constantin leeren Zimmern warten. Ich werde dich wieder sehn. und geh alles wie's kann! [Ilmenau] d. 13. Aug. 76.

G.


3/498.


An Philipp Christoph Kayser

Wir gehn nicht nach Italien. Dies zu deiner Beruhigung. Ich trag dich immer am Herzen. Schick mir offt was. Bleib ruhig in Zürch! So ihr stille wäret, würde euch geholfen – – –

Schick mir doch das:

Ihr verblühet süse Rosen

Nach der französchen Melodie die du zugerichtet hast. Grüss Beckern. Lenz ist hier. Leb wohl. es wird uns allen noch gut seyn.

[Weimar] d. 15. Aug. 76.

G.[97]


3/498a.


An Charlotte von Stein

[Mitte August 1776.]

Hier einige Knospen und Blüten die der Frühling 1769 trieb. Schicken Sie mir die Phisiognomick wieder, Ich will sie binden lassen.

Gestern Nacht wurd ich von Ihnen ausgehend von Vagabunden attakirt. Adieu. Leibste Frau, mein Herz sagt mir nicht ob ich Sie heute sehn werde, es ist einmal wieder in Bewegung und weis nicht warum. Wie aber geschrieben steht, so ihr stille wärt würde euch geholfen, so will ich still seyn.

G.[288]


3/499.


An Charlotte von Stein

Ich hoffte Ihr Herz sollte Ihnen sagen über die Oberweimarer Wiesen zu gehn. Es hats nicht und[97] ich bin umsonst bey schönem Sonnen Untergang in meinen Garten gangen. hier die Silhouette. Viel Grüse Ihrer Hohenlohe. Morgen bin ich bey Ihnen.

[Weimar] d. 23. Aug. 76.

G.

Beym Monde dencken Sie mein.


3/500.


An Charlotte von Stein

Diese Briefe krieg ich heut, und ich dencke es macht Ihnen Freude guter Menschen Stimme zu hören. Hier auch Engel einige Melodien. Adieu. Ich hab Ihnen nichts zu sagen denn mein ganzes Herz ist vor Ihnen. [Weimar] d. 26. Aug. 76.


3/501.


An Charlotte von Stein

Mir war's schon genug beste in Ihrer Stube zu seyn gestern. Ich fühlte ganz wie lieb ich Sie hatte und ging wieder. Dancke für den guten Morgen. Heut kriegen Sie mich nun freylich auf einen Augenblick. Ich bin in liebevoller Dumpfheit der Ihre.

[Weimar] d. 29. Aug. 76.

G.


3/502.


An Charlotte von Stein

Wie haben Sie geschlafen beste. Mir wars gestern sehr wohl um Sie! Es war Ihnen auch lieb ums[98] Herz, dünckt mich. Sagen Sie mir ein Wort. Ich lies gestern bey Ihnen Papiere, schicken Sie mir sie doch versiegelt.

[Weimar] d. 30. Aug. 76.

G.


3/503.


An Johann Kaspar Lavater

[Weimar 25. – 30. August 1776.]

Sonntag Nachts. Ich will wenigstens wieder einmal einen Brief an dich anfangen, dass wir uns nur einmal wieder berühren. Eine herrliche Mondennacht! ich bin über die Wiese nach meinem Garten eben heraus gegangen, habe mich in Nacht Dämmer gelezt und dencke an dich. – Lieber Bruder dass du iust so geplagt seyn must zur Zeit da ich so glücklich bin. Da mir das Schicksaal einen ganz reinen Moment bereitet, dass ich nicht müsig sey eine würckende Entfaltung für die Zukunft. Gute Nacht.

Montag d. 26. Heut ist deine Büste von Frankfurt angekommen glücklich. Hat mir viel Freude gemacht. Hier hast du einen Schatten vom Herzog. – Ich fühl erst iezo wie weit wir aus einander kommen sind, ich kann dir nichts schreiben. Resultate und Abstracktionen mag ich nicht, Geschichten und Einzelnheiten kann ich nicht.

Freytag d. 30. Ich will dir nur das grade schicken. Denn mehr kann ich doch iezt nicht sagen.

[99] Grüs Bäben danck der herzlichen für Ihren Brief. Hier ein paar Zeilen reinen Gefühls auf dem Türinger Walde geschrieben d. 3. Aug. Morgends unter dem Zeichnen.


Dem Schicksaal.

Was weis ich was mir hier gefällt

In dieser engen kleinen Welt

Mit leisem Zauberband mich hält!

Mein Carl und ich vergessen hier

Wie seltsam uns ein tiefes Schicksaal leitet

Und, ach ich fühls, im Stillen werden wir

Zu neuen Scenen vorbereitet.

Du hast uns lieb du gabst uns das Gefühl:

Dass ohne dich wir nur vergebens sinnen,

Durch Ungeduld und glaubenleer Gewühl

Voreilig dir niemals was abgewinnen.

Du hast für uns das rechte Maas getroffen

In reine Dumpfheit uns gehüllt,

Dass wir, von Lebenskrafft erfüllt,

In holder Gegenwart der lieben Zukunft hoffen.


Ade grüs Kaysern danck ihm für die Musick. Denckt denn dein Wibele noch an mich und hat sie mich noch lieb. Der Gräfinn Wartensleben hab ich gerathen ihren Sohn nach Dessau zu thun. Hier ihre Silhouette.

Schreib mir doch!

G.


Was sagst du zu dieser, durchs verkleinern und ausschneiden noch unendlich verrenkten Weiblichkeit?[100]


3/504.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

[Weimar, 28. – 30. August 1776.]

28. Aug. Guten Morgen Gustgen! Wie ich aus dem Bette steige guten Morgen. Ein herrlich schöner Tag aber kühl. Die Sonne liegt schon auf meinen Wiesen! Der Thau schwebt noch über dem Fluss. Lieber Engel warum müssen wir so fern von einander seyn. Ich will hinüber ans Wasser gehn und sehn ob ich ein Paar Enten schiesen kann.

Gegen 12. Ich verspätete mich auf der Jagt. Erwischte eine Ente. Kam drauf gleich in das Getreibe des Tags und bin nun ganz zerstreut. Adieu indess.

Nachmittag 4. Ich erwarte Wielands Frau und Kinder. Habe heut viel an dich gedacht.

Abends 7. Sie gehn eben von mir weg! – Und nun nichts mehr. – Gott sey Danck ein Tag an dem ich gar nicht gedacht, an dem ich mich blos den sinnligen Eindrücken überlassen habe. Nun Adieu für heut bestens.

den 30. Es geht mir wie dir Gustgen, ich hab auch was auf dem Herzen, also heraus damit.

Von Friz hab ich noch keinen Brief. Der Herzog glaubt noch er komme, und man fragt nach ihm und ich kann nichts sagen. Lieb Gustgen mir ist lieber für Frizzen dass er in ein würckendes Leben kommt,[101] als daß er sich hier in Cammerherrlichkeit abgetrieben hätte. Aber Gustgen – er nimmt im Frühjahr den Antrag des Herzogs an, wird öffentlich erklärt, in allen unsern Etats steht sein Nahme, er bittet sich noch aus den Sommer bey seinen Geschwistern zu seyn, man lässt ihm alles, und nun kommt er nicht. Ich weis auch dass Dinge ein Geheimniß bleiben müssen – Aber – Gustgen ich habe noch was auf dem Herzen das ich nicht sagen kann – – – – Und die, die man so behandelt, ist Carl August Herzog zu Sachsen, und dein Goethe Gustgen. Lass mich das iezt begraben, wir wollen dran wegstreichen. Adieu Engel ich muss den Brief schliessen. Ich mach eine kleine Reise sonst kriegst du ihn wieder lang nicht.

G.[102]


3/675.


An Charlotte von Stein

[Weimar, August oder September 1776.]

Schicken Sie mir den 2. band Phisiognomick! – haben Sie etwa noch einige Bogen des schlechten Exemplars mir fehlen sie. Wie ist Ihnen liebste. Hier hausen ists sehr schön.

G.[211]


3/505.


An Charlotte von Stein

Wenn das so fortgeht beste Frau werden wir warrlich noch zu lebendigen Schatten. Es ist mir lieb dass wir wieder auf eine abenteuerliche Wirthschafft ziehen, denn ich halts nicht aus. So viel Liebe so viel Theilnehmung! So viel treffliche Menschen und so viel Herzensdruck. Leben Sie wohl. Lassen Sie sich die Grasaffen, besonders die Imhof was vorschäckern. Fühlen Sie dass ich an Sie denke, und dass ich wieder einen Theil des Weegs reiten werde den ich mit Ihnen gefahren bin. Steinen hab[102] ich das Zettelgen gegeben. Louisen nur eine Verbeugung gemacht. Sagen sie Ihr daß ich sie noch lieb habe! versteht sich in gehörigen termes. Addio. Addio. [Weimar] d. 1. Sept. [1776] Nachts im Garten.

So offt Sie Selzer Wasser trincken gedencken Sie an mich![103]


3/738.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, 2. September 1776.]

Da sind die Schlüssel. Brauch alles nach Lust. Vergiss nicht meinen Fuchs gleich heute früh. Gieb das der Stein. Du wirst noch einen Rest Selzer Wasser finden u.s.w. Addio.

G.[244]


3/506.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Warum soll ich dich plagen! Liebstes Geschöpf! – Warum mich betrügen und dich plagen und so fort. – Wir können einander nichts seyn und sind einander zu viel – Glaub mir wenn ich so klar wie Faden mit dir redte, du bist mit mir in einem einig. – Aber eben weil ich die Sachen nur seh wie sie sind, das macht mich rasend. Gute Nacht Engel und guten Morgen. Ich will dich nicht wiedersehn – Nur – du weißt alles – Ich hab mein Herz – Es ist alles dumm was ich sagen könnte. – Ich seh dich eben künftig wie man Sterne sieht! – denck das durch.


3/507.


An Charlotte von Stein

Ich war gestern sehr traurig und wusste nicht warum. Es war mir als wenn ich Sie heut nicht[103] sehen sollte, ich lies mir die Clarinettisten kommen, ging in meinem Garten herum, sie bliesen bis acht. Es war alles so herrlich aber mein Herz thaute nicht auf. Eben da ich im reinen Morgen umgehe kommt Ihr Zettelgen. Ich habe vor einer Stunde Wielanden sagen lassen er möchte kommen, es war auch Ahndung dass ich iemand brauchen würde. Adieu, ich bin dem Schicksaal zu viel schuldig als dass ich klagen sollte, und doch für meine Gefühle kann ich nichts. Adieu, ich werde nicht nach Kochberg kommen denn ich verstund Wort und Blick. Adieu. [Weimar] d. 8. Sept. 76.

G.


3/508.


An Anna Luise Karsch

Ich gedenk an meine Sünde! Liebe Frau, in dem Gewürge des Lebens vergess' ich Alles. Zwar doch nur zu schreiben; denn eh' Ihr letzter Brief kam, dachte ich, ich hätt' Ihnen und Ihrer Tochter geantwortet. So manchmal hatt ich im Stillen mit Ihnen gesprochen, auf irgend einer Wandrung, und dachte: wenn ich nach Hause komme, schreibst du, und schrieb nicht. Meine Lage hier ist die glücklichste, die eine menschliche Einbildung sich kaum zu wünschen wagt, dafür hat ich aber nun auch freilich alle Zulagen zu genießen, die das Schicksal an seine Gaben anzuhäckeln pflegt. Bleiben Sie mir lieb! Schicken Sie mir[104] oft was. Machen Sie mir einmal einen Pack Impromtüs zusammen, die Sie nicht mehr achten. Und gehn Sie doch einmal zu Chodewiecki, und räumen Sie bei ihm auf, was so von alten Abdrücken seiner Sachen herumfährt. Schicken Sie mir's, und stehlen ihm etwa eine Zeichnung. Es wird mir wohl, wenn ich ihn nennen höre, oder ein Schnizzel Papier finde, wo er das Zeichen seines lebhaften Daseins drauf gestempelt hat.

Weimar, den 11. September 1776.

Goethe.


3/509.


An Karoline Luise Hempel

[Weimar, 11. September 1776.]

Ich hab' Ihnen noch nicht geschrieben, und schreibe Ihnen auch jetzt nichts, als daß ich den 11. September, Abends zwischen 9 und 10, ganz auf einmal sehr lebhaft an Sie und Ihre Mutter gedacht habe. Es ist mir das schon mehr vorgekommen; aber diesmal überfiel's mich just, da ich die Feder in der Hand hatte, und ich eilte, es Ihnen zu sagen.

Goethe.


3/510.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 10. – 12. September 1776.]

Ich schick Ihnen Lenzen, endlich hab ich's über mich gewonnen. O Sie haben eine Art zu peinigen[105] wie das Schicksaal, man kann sich nicht drüber beklagen so weh es thut. Er soll Sie sehn, und die verstörte Seele so in Ihrer Gegenwart die Balsamtropfen einschlürpfen um die ich alles beneide. Er soll mit Ihnen seyn – Er war ganz betroffen da ich ihm sein Glück ankündigte, in Kochberg mit Ihnen seyn, mit Ihnen gehen, Sie lehren, für Sie zeichnen, Sie werden für ihn zeichnen, für ihn seyn. Und ich – zwar von mir ist die Rede nicht, und warum sollte von mir die Rede seyn – er war ganz im Traum da ich's ihm sagte, bittet nur Geduld mit ihm zu haben, bittet nur ihn in seinem Wesen zu lassen. Und ich sagt ihm dass er es, eh er gebeten, habe. Ich schicke einen Schäckespeer mit, schicke hoffentlich den Wäckefield nach. Geniessen Sie rein der lieben Herbst Zeit, es scheint als wollt Sie der Himmel mit lieben Tagen seegnen. Ade. von mir hören Sie nun nichts weiter, ich verbitte mir auch alle Nachricht von Ihnen oder Lenz. Wenn was zu bestellen ist mag er's an Philip schreiben.

d. 10. Sept. 76.

G.


Lenz will nun fort, und ich hatte Bedencken Ihnen die vorhergehende Seite zu schicken, doch Sie mögen sehn, will mirs im Herzen manchmal aussieht, wie ich auch ungerecht gegen Sie werden kann. Ich danck Ihnen fürs erste Andencken von Ihrem Schreibtisch den ich damals wohl nicht wieder zu sehen hoffte,[106] aber nicht so. Gestern war ich in Belveder. Louise ist eben ein unendlicher Engel, ich habe meine Augen bewahren müssen nicht über Tisch nach ihr zu sehn – die Götter werden uns allen beystehn – die Waldnern ist recht lieb, ich war früh bey ihr, wir haben uns herumgeschäckert. Abends alle Durchlauchten in Tiefurt. Ihr Mann war guter Humor, machte possierliche Streiche mit der Oberhofmeisterinn. Ich hab die Hofleute bedauert, mich wundert dass nicht die meisten gar Kröten und Basilisken werden.

Addio, mein Herz ist doch bey Ihnen, liebe einzige die mich glücklich macht ohne mir weh zu thun. doch – freylich auch nicht immer ohne Schmerz. Ade. beste. d. 12. Sept. 76.

G.

Eben krieg ich noch der Wartensleben Brief. Dancke herzlich. es ist eine werthe Frau und thut recht wohl so dran. Sie hat ihre eigne feste Vorstellungs Art, und wer der nachhandelt, ist mir werth, wenn sie zugleich so liebevoll und so rein ist, wie die ihrige. Grüsen Sie sie in meinem Nahmen und sagen ihr ich würde künftig um ihrentwillen mehr auf die Philantropins aufmercken, dafür bät ich aber auch um die Nachricht die sie von Dessau erwartete.

Leben Sie wohl, dencken Sie mein. Ich sizze offt unter meinem Himmel in Gedancken an Sie, Sie helfen mich abwesend zeichnen, und einen Augenblick wo ich Sie recht lieb habe seh ich die Natur auch[107] schöner, vermag sie besser auszusprechen. Adieu. Wieland sagt meiner Zeichnung die iezt mache säh man recht an wen ich lieb hätte.


3/511.


An Charlotte von Stein

Dancke tausendmal beste Frau. Die Zeichnungen sind herrlich, tuschen Sie nur mehr, es ist ein erstaunend Gefühl in dem Getuschten. Lohns Gott was Sie für Lenzen thun. Ich bin in einem unendlich reinen Mittelzustand ohne Freud und Schmerz, zusammengepackt von Tausenderley Umständen ohne gedrängt zu seyn. Der Herzog wird kommen und wird ihm wohl bey Ihnen werden und ich werde nicht kommen, er wird etwa Einsiedeln mitbringen denn iemand muss er bey sich haben. Drey holde Stunden hab ich für Sie gezeichnet, und noch nichts fertig gebracht. Die Imhof hab ich auf der Redoute gesprochen, auch war sie in meinem Garten einen Abend, mit der Ilten. Das holde Geschöpf ist gedrückt – Lieber Gott -ich mag über die Menschen gar nichts mehr sagen.

Lavater schreibt mir heute »die Gräfin v. Wartensleben wird in Dessau die Religion nicht finden, die sie sich für ihren Sohn wünscht und die unser Häfelin in Marschlinz ihn lehren würde.« Schreiben Sie ihr das, ich mag gern dass sie alles höre.

[108] Adieu. Hängen Sie dem Unglauben nicht so nach! Mein Herz ist nicht so unzuverlässig als Sie dencken.

Ich habe noch so viel zu sagen – Aber Adieu.

[Weimar] d. 16. Sept. 76.

G.


3/512.


An Charlotte von Stein

Soll der Herzog ohne ein Wort von mir zu Ihnen gehn! Gestern war ich bey der Imhof einen stillen Abend, es war doch Ihrer Schwester Hand die ich küsste. Der Vicar of Wakefield ist heute von Leipzig ankommen ich will ihn geschwind hefften lassen und dann sollen Sie ihn haben. Adieu liebe. Ich bin ganz still und stum.

[Weimar] d. 16. S. 76.

G.


3/513.


An Johann Kaspar Lavater

Weil ihr lieb wart und habt mir gleich geschrieben, so auch von mir hier eine Ejakulation die ihr freundlich mögt aufnehmen.

Lieber Bruder dass du nicht willst Ständigkeit kriegen, nicht kannst kriegen ängstigt mich manchmal wenn ich peccata mundi im Stillen trage. Ich bin nun seit einem Jahr in ganz dezidierten moralisch[109] politischen augenblicks Verhältnissen und mein Herz ist mir so treu und du – Nun es soll so seyn – über Carl und Luisen sey ruhig, wo die Götter nicht ihr Possenspiel mit den Menschen treiben, sollen sie noch eins der Glücklichsten Paare werden sie eins der besten sind, nichts menschliches steht dazwischen nur des unbegreifflichen Schicksaals verehrliche Gerichte. Wenn ich dir erscheinen und dir erzählen könnte, was unschreibbaar ist, du würdest auf dein Angesicht fallen und anbetenden der da ist, da war und seyn wird. Aber glaub an mich, der ich an den Ewigen glaube. Grüs Bäben und alles und Kaysern. Lenz ist unter uns wie ein kranckes Kind, und Klinger wie ein Splitter im Fleisch, er schwürt, und wird sich heraus schwüren leider. [Weimar] d. 16. Sept. 76.

G.


Schick mir zeitig was zum dritten Theil. Gern sollst du haben was ich geben kann in der unendlich beweglichen Welt in der ich lebe tausend beobachtungen! und in einem guten Augenblick schöpf ich dir die Butter ab! – – Vielleicht auch nicht! -Genug, was ich kann! – –

Allwills Briefe sind von Friz Jakobi – nicht von mir![110]


3/514.


An Johann Heinrich Merck

Weimar d. 16. September 1776.

Daß die Weine glücklich angelangt sind, wird Dir besten Frau Aja geschrieben haben, ich will Dir nun auch für's Geld sorgen. – Dein Erbprinz kommt nun bald zu Euch; den empfehl ich Dir sehr, es ist eine große, feste, treue Natur, – – – mit einer ungeheuren Imagination, und einer graben, tüchtigen Existenz. Dir sind die besten Freunde; zu Dir hat er schon viel Zutrauen, sei; nur ganz wie zu bist gegen o ihn, er bedarf sehr Menschen zu finden. – – – –

– – Ich wünschte gar sehr um beider Willen, daß Ihr gut zusammen stehn möchtet.- – –

Grüße Frau und Kinder. Verlass' meine Alten nicht! Lenz ist unter uns wie ein krankes Kind, wir wiegen und tänzeln ihn, und geben und lassen ihm von Spielzeug was er will. Er hat Sublimiora gefertigt. Kleine Schnitzel, die Du auch haben sollst. Klinger ist uns ein Splitter im Fleisch seine harte Heterogeneität schwürt mit uns und er wird sich herausschwüren. Ich hab' über die beiden Kerls nichts Treffenderes zu sagen. Ade. Schreib uns Du machst uns wohl. Wieland hat Dich selig lieb, und ist ein ganz unendlich guter Mensch.

Wenn Du von einer Canaille hörst die sich [111] Gerstenberg nennt, und sagt sie sei hier gewesen, kenne mich u.s.w., so sage öffentlich, er sei ein Spitzbube, denn wir haben ihn nicht mit Augen gesehn, wissen auch Nichts von ihm.


3/515.


An Charlotte von Stein

Gestern gab uns Knebel tanz, Illumination und nachtessen, ich hab sehr viel getanzt und bin überhaupt iezt Gott weis wie. Was ist denn Ihr Falcke für eine Art? Es ist Sturm schon seit der ganzen Nacht! ich lese Rechnungen und bin still, lassen Sie sich's wohl seyn! dancke für alles liebe. Grüsen Sie Lenzen Kestnern und die Kinder. Ich möchte iezt übers Evangelium des 1. Sonntags nach Trinitatis predigen das sollt ein trefflich Stück werden

[Weimar] Mittwoch d. 18. Sept. 76.

G.


3/516.


An Philipp Erasmus Reich

Zu dem Exemplar auf Druckpapier des 2ten Theils der Phisiognomick, fehlt mir das Ende nähmlich der Beschluss und ein Theil des Innhalts. Ich weis nicht obs ein oder zwey Bogen sind. Titelblat und Dedication hab ich schon. Ich bitte mir es Gelegentlich aussuchen zu lassen und zu übersenden, ich habe[112] Sie einmal drum gebeten, es ist aber nachher in Vergessenheit gerathen. bringt uns die Messe viel neues. wie befinden Sie sich und Madame?

Weimar, 19. Sept. 76.

Goethe.


3/517.


An Charlotte von Stein

Ich weis nicht ob der Herzog wieder zurück ist oder ob er noch das Frühstück bey Ihnen einnimmt. Wenn Sie glauben dass ich Sie nur im mindsten lieb habe, können Sie sich vorstellen wie mir's war da der Herzog Abschied nahm, und Einsiedel in meiner Uniform sich reisefertig machte. Ich will aber nichts weiter sagen. Hier ist der Land Prediger lassen Sie sich's recht wohl mit seyn, und lernen recht viel englisch. Addio.

[Weimar] Freytag d. 20. Sept. 76.

G.


3/518.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 27. September 1776.]

Hier schickt Ihnen Ihre Schwägerin die ich täglich lieber gewinne ein Stückgen Desert zum Zeichen des Andenckens, auch der Stadthalter lässt Sie grüsen und sagen er stehe von seiner Bitte nicht ab. Ein braves Weib sezte er hinzu, habe nichts abzuschlagen[113] was ein ehrlicher Kerl verlangen dürfe – Alles giebt mir Aufträge an Sie und niemand weis wie schlecht ich im Fall bin sie auszurichten. Adieu.

G.


3/519.


An Charlotte von Stein

Leben wie wohl beste! Sie gehen und weis Gott was werden wird! ich hätte dem Schicksaal danckbaar seyn sollen, das mich in den ersten Augenblicken da ich Sie wiedersah so ganz rein fühlen lies wie lies ich wie habe, ich hätte mich damit begnügen und Sie nicht weiter sehen sollen. Verzeihen Sie! Ich seh nun wie meine Gegenwart Sie plagt, wie lieb ist mir's dass Sie gehn, in einer Stadt hielt ichs so nicht aus. Gestern bracht ich Ihnen Blumen mit und Pfirschen, konnts Ihnen aber nicht geben wie Sie waren, ich gab sie der Schwester. Leben Sie wohl. Bringen wie das Lenzen. Sie kommen mir eine Zeither vor wie Madonna die gen Himmel fährt, vergebens dass ein rückbleibender seine Arme nach ihr ausstreckt, vergebens dass sein scheidender trähnenvoller Blick den ihrigen noch einmal niederwünscht, sie ist nur in den Glanz versuncken der sie umgiebt, nur voll Sehnsucht nach der Krone die ihr überm Haupt schwebt. Adieu doch Liebe!

Weimar, d. 7. Okbr. 76.

G.[114]


3/520.


An Christian Wilhelm Steinauer

[Weimar.]

Lieber Steinauer. Kaufen Sie mir doch Schwedenborgs himlische Philosophie verglichen pp das Buch ist in octav Teutsch von Prälat Ottingern ausgegeben.

und

Reichard Garten Schaz.

Wie geht's Ihnen. Sagen Sie mir doch wieder ein Wort. Und was vom Grasaffen und denkt an mich.


3/521.


An Philipp Erasmus Reich

Am geringen Exemplar der Phisiognomick fehlt mir noch das Ende des Inhalts und des Registers.

Was hat die Messe merckwürdiges mit gebracht und wie sind Sie mit ihr zufrieden.

Weimar, den 14. Oktbr. 1776.

Goethe.[115]


[116] 3/523.


An Charlotte von Stein

Ich bitte Sie um das Mittel gegen die Wunde Lippe, nur etwa dass ich's finde heut Abend wenn ich zurückkomme. Muss ich Sie schon wieder um etwas bitten um etwas heilendes. Gestern Nacht haben mich Stadt und Gegend und alles so wunderlich angesehen. Es war mir als wenn ich nicht bleiben sollte. Da bin ich noch in's Wasser gestiegen und habe den Alten Adam der Phantaseyen ersäuft. Adieu beste Frau. [Weimar] d. 3. Nov. 76.

Ich reite nach Erfurt.

G.


3/524.


An Frau Aya, Tante [Johanna] Fahlmerund Freund Bölling gesamt

[Weimar] Mittwoch d. 6. Nov. [1776.] Abends 6 Uhr. Ich sizze noch in meinem Garten, es ist das schönste Wetter von der Welt, pflanze und mache allerley Zeugs das künftig Jahr soll schön aussehn und uns in guten Augenblicken Freude machen. Heut hab ich einen neuen Gang machen lassen, hab auf die Arbeiten getrieben, denn ich hatte einmal Ruh, es waren wenig Menschen da, nun hab ich die Expedition der letzten Session signirt, und will euch[117] nur mit wenig Worten sagen dass ich so vergnügt und glücklich bin, als es ein Mensch seyn kan. Von Geschäfften bin ich eben nicht gedrückt, desto mehr geplagt von dem was den Grund aller Geschäffte macht: von den tollen Grillen, Leidenschafften und Thorheiten und Schwächen und Stärken der Menschen, davon hab ich den Vorteil dass ich nicht über alles das Zeit habe an mich selbst zu dencken, und wie sich Frau Aja erinnert: dass ich unleidlich war da mich nichts plagte, so bin ich geborgen da ich geplagt werde. – Übrigens hab ich alles was ein Mensch sich wünschen kann, und bin freylich doch nicht ruhig, des Menschen Treiben ist unendlich bis er ausgetrieben hat. Lebt wohl und schreibt mir mehr, denn ich kann nicht schreiben. Hier habt ihr ein klein Blümlein vergiss mein nicht. Leßts! lassts den Vater lesen, schickts der Schwester und die soll mir's wiederschicken, niemand solls abschreiben. Und das soll heilig gehalten werden so kriegt ihr auch wieder was.

G.

Der Treu und Glauben der Tante Fahlmer sind die Geschwister empfohlen.


3/525.


An Charlotte von Stein

Ich war verlegen welcher der Jahrstag wäre dass ich in Weimar bin. Gestern war er liebste Frau![118] Und wie gefeyert! – und wie beschenckt! – Was Ihre Bedencklichkeiten aufgespaart hatten, alles auf einmal, und eben in dem Augenblick wo ich alles so fühlen konnte, so zu fühlen bedurfte. Ich musste mein Tagbuch nachsehen um Ihre Zettelgen zu verstehen hier und da, und fand alles. Wie viel wieder lebendig wurde! Ach die acht Wochen haben doch viel verschüttet in mir, und ich bleib immer der ganz sinnliche Mensch. Meine Landschafft will ich durch Wasser ziehen und für geendigt abgeben. Ich soll nichts endigen. Was Sie von mir haben ist so, und wenn Sie nicht wären wärs auch nicht so weit. Was macht der Fus?

[Weimar] Freytag d. 8. Nov. 76.

G.


3/526.


An Charlotte von Stein

Lenz grüsst Sie er ist bey mir. Hier der Mantel er hat mich wohl gehalten. Akkurat 20 Minuten brauch ich von Ihrer Stube in meine. Vielleicht komm ich ein paar Seiten Englisch zurückzulegen, eh wie nach Hof gehn. Ich maskire mir iezt das Verlangen Sie zu sehen mit der Idee dass ich Ihnen zu was nuz bin. Addio. [Weimar] d. 10. Nov. 76.

G.[119]


3/526a.


An Johann Ludwig Freiherr von Mauchenheim

Wenn Sie mehr so was haben, schreiben Sie mir's nun gleich l. Bechtolsheim mit den Bericht, wenn der ergeht. Die Sache ist noch so gar mild entschieden wie Sie sehn werden, ich hatte unter allen die schärfste Gesinnung – Das andere wegen Bürsing will ich sehn was zu thun ist vor der Hand. Der Ausschuß Tag wird auch bald werden. Sie kriegen nächstens eine saubre Commission den Aerariis den Wirrkopf zu kämmen. Wünsche viel Geduld. Grüßen Sie's Weibgen, und denen Kleinen auch was, iedem auf seine Art. Addio. Wenn wir einander wiedersehen werden wir uns zu erzählen haben.

Weimar d. 14. Nov. 1776.

Goethe.[10]


3/527.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, 15. November 1776.]

Wäre dir's gelegen heut die »Mitschuldigen« zu probiren, so schreib mir's durch Überbringer zurück und komm Nachmittag um dreye zu Musäus.


3/528.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, Mitte November 1776.]

Du mußt in einer verfluchten Hypochondrie stecken. – Ich wollte schwören, dir wärs gut, wenn du dich nur ein bissel angriffst. Ich weis nun nicht, was ich mache. Die Andern spielen brav und ich weis absolut keinen Söller – Und weis, daß du ihn gewiss gut spielen würdest. Vielleicht besuch' ich dich heut.


3/529.


An Charlotte von Stein

Der Sturm hat die ganze Nacht gewährt, und mich aus seltsamen Träumen wohl fünfmal aufgestört, und der Tag der so unhold einbrach, wollte eben Ihr Angesicht nicht sehen unter meinem Wachholderbaum. Ich hab meine kleine Wirthschafft um und umgekehrt. dieses Zieraffen Papier gefunden, und zugleich[120] schick ich. Aussicht vom Stüzzerbacher berg lincks, wie das Sie schon haben rechts ist, gezeichnet das erstemal in Ilmenau. Schwedenborg. Grau Papier für Kestern, und einen Bindfaden. Es ist das Maas wo Sie sollen einen Pflock zum Nagel in die Wand schlagen lassen. NB. gemessen von dem Nagel wo das Berg Nebelbild hinzuhängen kommt. Gestern Nacht hab ich ein Model zu einem Schlitten für Sie, aus einem Stümpfgen Wachslicht gefertigt, er ist auch schon bestellt. Wenn Sie mich sollten sizzen sehn, in dem neuen Eckgen das ich mir bereitet habe. Ich kalfatre ietzt Fenster und Thüren, und will sehn will lang ich mich gegen die Unbilden der Wittrung halte, und ob sie mich überwältigen. Addio – Ich muß nur noch nach einem Pferd schicken denn die Unruhe hat mich heute wieder an allen Haaren. Gute Nacht. [Weimar] d. 19. Nov. [1776.] halb vier. Nach Mittag.

G.


3/530.


An Johann Heinrich Merck

Ich hab heut Bölling geschrieben, er soll dir 400 fl. auszahlen mir wärs lieb wenn du mit dem Rest bis neu Jahr warten könntest, wo aber nicht so schreib, und ich will sehn wie ichs mache. Denk doch wieder auf ein halb Stückgen oder ein Stück extra fein wie der erste 53 war. dass ich wieder was habe, wenn der all ist.

[121] Dein Schicksal drückt mich, da ich so rein glücklich bin, Ich wohne noch im Garten und balge mich mit der Jahreszeit herum und die Abwechselungen der Witterung und der Welthändel um mich, frischen mich immer wieder neu an, ich bin weder Geschäftsmann, noch Hofmann und komm in beiden fort. Der Herzog und ich kriegen uns täglich lieber, werden täglich ganzer zusammen, ihm wirds immer wohler und ist eben eine Creatur wie's keine wieder giebt. Übrigens ist eine tolle Compagnie von Volk hier beysammen, auf so einem kleinen Fleck, wie in Einer Famielie findt sichs nicht wieder so. Adieu lieber Bruder.

d. 22. nov. 76. Weimar.

G.


3/531.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, 28.? November 1776.]

Einsiedel, ich bitte dich, strecke deinen Stumpfsinn an die Rolle! Die Andern machen's brav; mit dir möcht' ich's unter uns morgen probiren, auf den Sonnabend zusammen, Montags auf dem Theater, Dienstag oder Mittwoch spielen.

G.


3/532.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Hier liebe Frau den Rest von allerley Bildnerey, die mein Herz unter Ihrer Regierung vollbracht hat.

[122] Ich wollt dass das letzte Transport wäre, und ich aufhören könnte Sie zu plagen durch meine unhimmlische Gegenwart. Mit allem dem schick ich auch noch Papier mit für Himmel Hölle und Fegfeuer. seyn Sie lieb. – Gestern hatt ich einen Pick auf euch alle drum kam ich nicht. Addio.


3/533.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, Ende November 1776.]

Lenz wird reisen. Ich habe mich gewöhnt bey meinen Handlungen meinem Herzen zu folgen und weder an Misbilligungen noch an Folgen zu dencken. Meine Existenz ist mir so lieb, wie iedem andern, ich werde aber iust am wenigsten in Rücksicht auf sie irgend etwas in meinem Betragen ändern.

G


3/534.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[Weimar, etwa 1. Dezember 1776.]

Hier das Ding. sag niemand was, leb wohl, ich geh nach Leipzig. Geht nach Gotha und sagt dem Miseln das Beste von mir! Sei dramatisch treu, weil dich doch Gott zu dieser Bahn berufen hat! Addio!

G.[123]


3/535.


An Charlotte von Stein

[Weimar, etwa 1. Dezember 1776.]

Lenz hat mir weggehend noch diesen Brief an Herzogin Louise offen zugeschickt, übergeben Sie ihn liebe Frau. Die ganze Sache reisst so an meinem innersten, dass ich erst dadran wieder spüre dass es tüchtig ist und was aushalten kann.

G.


3/536.


An Charlotte von Stein

Ich sollte gar nichts schreiben, denn ich weis nicht wie mir ist. Die Reise muss wohl gut seyn, da sie mich aus der tiefsten Verwirrung mein selbst herausreisst. Addio. Ich ruhe auf Ihrer Hand. [Weimar] d. 1. Dez. 76.

G.


3/537.


An Philipp Erasmus Reich

[Weimar, etwa 1. Dezember 1776.]

Herr Lenz lies mir gegenwärtiges bey seiner Abreise zurück, und glaubte ich würde die innen benandte Manusscripte beylegen können, ich finde sie aber nicht unter meinen Papieren. Seyn Sie also nur so gütig mit dem Drucke des Stücks bis auf weitere Nachricht von ihm nicht vorzuschreiten.

Goethe.[124]


3/538.


An Charlotte von Stein

[Mit dem Herzog.]


[Weimar] D. 2ten Dec. 776. früh um 1/2 7.

lebe wohl liebste beste Frau alleweile reisen wir, der Mond ist jetz noch unser begleiter, er scheint himlisch schön. leben Sie ja recht vergnügt, u. empfangen Sie von uns diesen collegialen abschied. leben Sie wohl.

C. A.


Ich preiße die Götter, die uns bey den Schöpfen fassen und uns gleich ienem Propheten mit unsern Reisbrey Töpfen abseits tragen. Adieu beste. Meine Gedancken wachsen aus Ihren Zwiebeln. Geb es schöne Blumen!

G.


3/539.


An Charlotte von Stein

Montag d. 2. Dez. [1776.] Abends 8. Wir sind in Rippach, werden bis Mitternacht ruhen und dann im Mondschein nach Leipzig. Dieses Blat kriegen Sie erst Donnerstags. Mir ist in all meinen Verwirrungen immer ein freudiger Aufblick wenn ich an Sie dencke. Dass nur Herzogin Louise die Geschwister nicht weiter giebt oder sonst – Eh sie nach Gotha geht lassen Sie sich's wiedergeben, es muss[125] uns bleiben. Die Schrittschue die ich ihr versprochen habe sind aus Versehn eingepackt worden. Gute Nacht. Sie sind immer gleich und wie der Mond in seinen Veränderungen sich auch gleich! Eben hier schreib ich vor drey vierteliahr an Sie mit eben dem Herzen Gute Nacht.

G.


3/540.


An Charlotte von Stein

Liebste Frau wir sind auf dem Lusthause Wörliz von dem ich Ihnen viel erzählen will, vielleicht zeichn' ich Ihnen was. Wir sind bald in die Leute gewohnt sie bald in uns. Wir hezzen uns mit den Sauen herum, und mir thuts besonders wohl dass so viel neues um mich herum lebt. Hernach bin ich einmal wieder schnell in einem Garten und bey Ihnen. Gute Nacht liebe Frau, ich sag Ihnen weiter nichts denn Sie wissen alles. [Wörlitz] d. 5. Dez. 1776.

G.


3/541.


An Friedrich Justin Bertuch

Mach doch das Geld zusammen und schicks an Bolling mit dem Postwagen. Ich hab iezo keine andre Art. 400 fl. die Karolin zu 11 fl. wie schon gesagt. wir sind wohl.

G. [Wörlitz] d. 11. Dez. 1776.[126]


3/542.


An Charlotte von Stein

Wie ich Ihnen dancke fühlen Sie, sonst hätten Sie das nicht geben. Hier einen Wanderstab wenn Sie wieder einmal fern von mir in Ihren Thälern wallen. Vielleicht komm ich zu Tische. Addio.

[Weimar] d. 22. Dez. 76.

G.


3/543.


An Charlotte von Stein

Liegt der Riss nicht doch bey Ihnen? Ich bin heut still in meinem Garten, habe doch schon Menschen bey mir gehabt. Wenn Sie die Geschichte gefunden haben schicken Sie mir's.

[Weimar] d. 23. Dez. 76.

G.[127]


3/713.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 1776 oder Anfang 1777]

Da das gleich geschrieben und gesiegelt war spür ich erst dass ich nicht wohl früh kommen können! Also den Nachmittag! – Oder wanns heut seyn kann.

G.[230]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 3, S. 120-129,230-231.
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