1812

22/6238.


An Friederike Caroline Sophievon Solms-Braunfels

[Concept.]

[Weimar, 3. Januar 1812.]

Durchlauchtigste Fürstinn,

gnädigste Frau,

Zu einer Zeit, wo ich das Wagstück unternehme mir und anderen von dem Gange meiner Bildung Rechenschaft zu geben, kann nichts aufmunternder und erquickender seyn als von verehrten Personen zutraulich zu vernehmen, daß sie mir ihre Theilnahme nicht entziehen, ja mich derselben auf die gütigste Weise versichern wollen. Erfahre ich zugleich, daß ich zugleich, daß man über meine Schriften, meine Persönlichkeit recht ernstlich denken und darüber bedachtsam urtheilen mag; so gereicht[232] es mir zu großer Förderung. Ew. Hoheit erlauben mir, indem ich Ihr gnädiges Schreiben auf das dankbarste erwiedere, vom Schlusse, nämlich von der Grabschrift anzufangen. Diese war mir keineswegs apprehensiv: denn eine Grabschrift ist ja eigentlich eine Lebensschrift, indem sie die Grabstätte durch die Erinnerung an das Leben beleben soll. Dient sie also als Gegengewicht des Todes, warum sollte sie nicht auch dem Lebendigen ein Übergewicht geben?

Darf ich aber über jene schönen Zeilen aufrichtig meine Meynung sagen; so finde ich sie zu allgemein. Man erzeigt mir die Ehre, dasjenige auf mich besonders anzuwenden, was eigentlich von einem jeden Dichter gelten muß, insofern er diesen Namen verdient; und ich erkenne darin nur die freundschaftliche Gesinnung des Schreibenden, die ich mir um so lieber zuneige, als ich wohl jenes gute Zeugniß wenn man es genau besähe, an andere abzutreten hätte. Was mich jedoch im Gegentheil in Verwunderung gesetzt hat, und wozu ich gern anständig bin, ist die Stelle des Commentars: »Zeigt nicht jedes Blatt, daß er ein weit höheres Bedürfniß fühlt, in das innerste Wesen des Menschen und der Dinge einzudringen, als seine Gedanken poetisch auszusprechen.« Mögen Ew. Hoheit noch hinzusetzen: »als sprechend, überliefernd, lehrend oder handelnd sich zu äußern;« so haben Sie den Schlüssel zu Vielem was an mir und meinem Leben problematisch erscheinen muß.

[233] Verzeihen Sie, daß ich soviel von mir sage; allein ich bin Ihren köstlichen Blättern diese Erwiederung schuldig, wobey ich nicht zu betheuern brauche, das alles Schmeichelhafte das sie enthalten, so sehr ich es verehre, doch von den hinzugefügten Versicherungen einer fortdauernden Huld, eines unveränderlichen Wohlwollens aufgewogen wird. Mein dankbares Gemüth ist darüber um desto entzückter als es ihm zur nothwendigen Pflicht geworden, die hohen Geschwister zu lieben und verehren. Darf ich nun noch eine Bitte hinzufügen, die aus dem Epimetheischen Wunsche entspringt, das vergangene Werthe so viel als nur möglich festzuhalten. Ich nehme mir die Freyheit ein Verzeichniß beyzulegen von handschriftlichen Resten die sich lange bey mir gesammelt haben und diesen Winter in Ordnung gebracht worden. Dürft' ich im wohlwollende Beyträge bitten. Einige Zeilen von der Hand der verklärten Königinn würden mich sehr glücklich machen. Ew. Hoheit erlauben, daß ihr unschätzbares Schreiben als die schönste Zierde dieser Sammlung hinzufüge.

Mich von der Wiege bis zum Grabe, im Bilde und in der Wirklichkeit Ew. Hoheit zu Gnaden empfehlend.


Ew. Hoheit verzeihen gewiß wenn beyliegendes von einer fertigen Hand als die Meinige geschrieben sich darstellt. Der Schreiber Dr. Riemer empfielt sich gleichfalls zu Gnaden und findet sich glücklich bey[234] dieser unterthänigsten Neujahrs Aufwartung seine Glückwünsche mit den meinigen verbinden zu dürfen.

Unwandelbar Ew. Hoheit geeignet

G.


22/6239.


An Franz Kirms

Könnte Ew. Wohlgeb. mir den Betrag des von Iffland angewiesnen Honorars einsweilen vorschießen lassen; so würden Sie mir in diesen Geldklemmen Zeiten einen besondern Gefallen erzeigen.

Weimar d. 4. Jan. 1812.

Goethe.


22/6240.


An die Hoftheater-Commission

Diejenigen Personen, welche die Führung eines Hof-Theaters anvertraut worden, und besonders die deren Obliegenheit es ist zu beurtheilen, ob ein Stück aufführbar sey, haben sich seit geraumer Zeit in einer sehr unangenehmen Lage befunden, indem die deutsche Bühne sich nicht nur von den strengen Geschmacksregeln, sondern auch von manchen andern Verhältnissen und Betrachtungen losgesagt und sowohl im Kunst- als bürgerlichen Sinne die Gränzen weit überschritten hat.

Zu einer Zeit, wo alles nach ungemessener Freyheit strebte, fingen die deutschen Theater-Dichter gleichfalls an, den obern den Krieg anzukündigen,[235] und es verbreitete sich ein Sansculottisme über die Bühne, der indem solche Stücke der großen Menge sehr angenehm waren, nothwendig Ursache seyn mußte, daß bey Hof-Theatern manche solche Stücke gar nicht gegeben, andere aber durch Verstümmlung so verunstaltet wurden, daß sie ihre Wirkung größtentheils verfehlten.

Bey den Weimarischen Hof-Theater hat man durch die Nachricht gnädigster Herrschaften, begünstigt eine Mittelstraße gewählt und die anstößigsten Stellen theils nach und nach ausgelöscht, so daß nicht leicht etwas ganz Auffallendes vorkam.

In der neuern Zeit, so wie Alles, auch das deutsche Theater eine andere Richtung genommen und es glauben einige Autoren, besonders der fruchtbarste unter denselben, sich durch Sticheleyen und Anzüglichkeiten der Oberherrschaft widersetzen zu können, die um ihre großen und weiten Plane auszuführen, freylich nicht immer die sanftesten Mittel gebrauchen kann.

Endesunterzeichnetem hat es bisher obgelegen die Stücke zu wählen und zu beurtheilen, in wiefern sie aufführbar sind. Sein eigentlicher Standpunkt konnte nur der ästhetische seyn; allein er hat auch jenen politischen nicht außer Acht gelassen und wo ihm etwas Bedenkliches aufgefallen, solches ohne weiteres weggestrichen. Dabey muß er jedoch bekennen, daß er manches Unschickliche und solches erst nach einer oder mehreren Vorstellungen durch sich selbst[236] oder durch Freunde, deren Aufmerksamkeit er angerufen, belehrt, gleichfalls hinweg gestrichen.

So groß auch diese Unannehmlichkeit seyn mochte rechnete er sie doch zu den mehrern, welchen dieses Geschäft unterworfen ist, und verfolgte, auf Serenissimi gnädigste Nachricht hoffend, seinen alten Weg.

Allein nunmehr verändert sich die Sache, indem ein k. k. französischer Gesandter hierher kommt und die Verhältnisse nicht allein nach Ihnen sondern auch nach Außen zu bedenken sind. Ja bloß menschlich betrachtet, wird man hierbey zu einer genauern Aufmerksamkeit aufgefordert; denn wer möchte einem Gaste etwas unangenehmes erzeigen, wenn es auch keine Folge hätte? Unterzeichneter wünscht daher, daß Herzogliche Hof-Theater Commossion seine Bitte unterstützen möge, die derselbe an Serenissimum zu thun sich genöthigt sieht.

Schon in früherer Zeit hatte Commissio, aus eigenem Antrieb und für sich, verschiedene wackere, hier in Diensten stehende junge Männer ersucht, gewisse problematische Stücke mit Aufmerksamkeit durchzugehen und die verfänglichen Stellen zu bemerken, welche direct oder indirect verletzen könnten, und auf diese Weise ist auch manches Unangenehme vermieden worden. Allein weil dieses keine durch eine Sanction von oben, befestigte Anstalt war, auch eine gewisse mittlere Zeit weniger Apprehension gab, so ist sie wieder abgekommen, und hat sich so gut als[237] möglich aus der Sache gezogen. Deshalb wäre es nichts Neues, sondern nur eine von oben bekräftigte schon früher intentionirte Einrichtung.

Die Sache ist an und für sich selbst sehr leicht und würde auch demjenigen, dem solches Geschäft übertragen würde, keine sonderliche Beschwerde geben. Neue Stücke würde ich vor wie nach durchsehen und beurtheilen und sollte sich etwas Vergängliches darin finden, es sogleich wegstreichen und das Exemplar, mit Bemerkung meines Namens auf dem Titelblatte, als Zeugniß, daß ich das Stück gelesen, dem Beauftragten zusenden. Dieser striche gleichfalls, was ihm unzullässig schiene, ohne weitere Rücksprache weg und bemerkte nur allenfalls, wo vielleicht, wie es öfter zu geschehen pflegt, durch Wegstreichen eine Lücke entstanden, wenn er solche selbst auszufüllen nicht etwa geneigt wäre.

Ferner würde man sobald die neue Einrichtung getroffen ist, die ältern Stücke, die sich auf dem Repertorium gehalten haben, nach und nach dem Beauftragten zuschicken und mit denjenigen den Anfang machen, welche zunächst aufgeführt zu werden bestimmt sind. Denn was eben diese ältern Stücke betrifft, so ist man am ersten in Gefahr, Stellen zu übersehen, welche eine Deutung auf das Gegenwärtige zulassen: denn da sie vor soviel Jahren geschrieben sind, so liegt die mögliche Anwendung nicht in der Sache, sondern in demjenigen selbst, der sie zu machen[238] geneigt ist; und doch kommen Fälle vor, wo man einen bösen Willen vermuthen würde, wenn es nicht von Altersher gedruckt und in den Rollen geschrieben stünde. Ich erspare einige andere kleine Bemerkungen, welche das Geschäft erleichtern und fördern, bis zu Serenissimi gnädigsten Entschluß.

Weimar d. 5. Januar 1812.

Goethe.


22/6241.


An Caroline von Heygendorf,geb. Jagemann

Sie sind gar zu liebenswürdig, schöne Freundinn, daß Sie außer Ihrem persönlichen Andencken, auch noch die äussern Verzierungen und Verbesserungen in dem Garten lassen wollen, wodurch Sie Ihn verschönert haben. Ich nehme das Erbieten danckbarlichst an und werde nicht ermangeln den Betrag sogleich zu entrichten. Soviel für dismal mit dem schönsten guten Morgen.

d. 7. Jan. 1812.

Goethe.


22/6242.


An Sara von Grotthuß

Vor Zeiten bestand bey mir die löbliche Einrichtung, daß ich wenigstens vor Ende des Jahres meine dringendsten Brief-Schulden abzuthun suchte; gegenwärtig aber ziehen sie sich schon einige Zeit Ihr Schuldner zu seyn, und das will ich denn auch nicht länger[239] tragen. Zwar könnte ich zu meiner Rechtfertigung aufrichtig versichern, daß ich gerade weil Sie und Ihre theure Schwester mir immer gegenwärtig waren, am wenigsten dazu gelangen konnte, Ihnen zu schreiben. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, wie nahe es mir geht, die verehrte Kranke in einem solchen peinlichen Zustand zu wissen, und wie ich von einer doppelten Empfindung hin und wieder gezogen werde, indem ich einmal zu erfahren wünsche, wie sie sich befindet, und sodann wieder befürchten muß von einem schlimmern und gefährlichern Zustand unterrichtet zu werden. Auf diese Weise, darf ich wohl sagen, bin ich immer um Sie beyde beschäftigt, und wenn mir der Ort anschaulich wäre, wo sie sich befinden; so würde an der wirklichen Gegenwart wenig fehlen. Lassen Sie jedoch, beste Freundinn, mich es entgelten, und geben mir bald Nachricht von einem Zustande, der mich so seht interessirt. Empfehlen Sie mich der theuren Leidenden auf das beste, und haben Sie tausend Dank, daß Sie so treulich die Stelle so vieler abwesend Theilnehmenden vertreten.

Von mir habe ich wenig zu sagen, wenn ich auch wollte. Das tägliche äußere Leben verschlingt das innere dauernde, und keins von beyden will seine Rechte fahren lassen; worüber denn beynahe alle beyde verloren gehn.

Sie fragen, meine Beste, nach dem Trauerspiel Jephtha. Es ist damit eigene Sache. Wir haben[240] es mit großer Sorgfalt vorgestellt, aber es nicht über die zweyte Repräsentation gebracht, und ich glaube nicht, daß es sich auf dem Repertorium halten wird. Die Ursache davon liegt darin, daß ein gebildetes Publicum wie das unsere, das alle bedeutenden Stücke sehr genau kennt, dem Verfasser des Jephtha gar zu leicht nachkommen kann, wo er seine Gestalten, seine Situationen und Gesinnungen her hat; und doch geht es mit den ersten drey Acten noch so ziemlich. Da man aber in dem vierten auf eine unangenehme Weise an Lear erinnert wird, und im fünften ein vergeblicher Pomp nur zerstreuend wirkt; so will das Glück bis ans Ende die Zuschauer festhalten, obgleich die Verse ganz gut sind und eigentlich nichts Überflüssiges sich in der Ausführung befindet; weshalb es mir auch im Lesen ganz wohl gefiel.

Soll ich aufrichtig seyn, so hat das Stück noch einen Fehler der tiefer liegt, nicht leicht erkannt, aber durchaus empfunden wird: es ist dieser. Wenn die hier behandelte Fabel einigen Werth haben soll, so mußte die Tochter Jephta's ein häusliches Mädchen seyn, es sey nun aus öffentlicher oder Privat-Sitte; der Vater muß sie gar nicht als aus- und eingehend denken können, indem er das Gelübbe thut, und ihr erster durch kindliche Liebe erregter Schritt aus der Thüre muß ihr den Tod bringen. Diese gute Dina aber läuft vor wie nach im Lande herum und erinnert an Ihre Namensgenossinn, welche auch besser[241] gethan hätte zu Hause zu bleiben, als nach Sichem zu gehen und die Töchter des Landes zu besuchen; wobey sie denn ganz natürlich den Söhnen des Landes in die Hände fiel.

Vielleicht macht dieses Stück bey einem Publicum das weniger mit unsern theatralischen Productionen bekannt ist, eine gute Wirkung: denn ob ich gleich, beym ersten Durchlesen, die Parallel Figuren und Stellen recht wohl bemerkte, so waren sie mir doch nicht zuwider, weil ich nicht einsehe, warum man nicht das Gute auf eine andere Weise verknüpft und bearbeitet wiederbringen soll. Verzeihen Sie meiner Aufrichtigkeit; ich wollte aber nicht verschwiegen, was ich bey den mehrern Proben und einer zweymaligen Aufführung bemerkt hatte. Ich schließe mit den besten Wünschen und Hoffnungen.

Im Vertrauen auf Ihre thätige Freundschaft, lege ich ein Verzeichniß bey von Personen, deren eigene Handschrift ich besitze. Sie sehen daraus, daß mir noch manche verstorbene und lebende Wiener abgehen. Fällt Ihnen irgend ein solches Blättchen in die Hände, so sehen Sie mir's auf, bis ich es gelegentlich aus Ihren lieben Händen, oder durch einen Reisenden erhalten kann. Nochmals das beste Lebewohl.

Weimar

den 8. Januar 1812.

Goethe.

Indem ich die Erlaubniß erhalte, diesen Raum mit dankbarer Erinnerung an Sie, gnädige Frau, auszufüllen,[242] dehne ich sie auf den Anfang des Briefes aus, um mich als Theilnehmer an den dort geäußerten Empfindungen aufrichtig zu bekennen. Mögen Sie sowohl bey sich selbst als bey Ihrer verehrten Frau Schwester meine Fürsprache nehmen, und mir das unschätzbare Wohlwollen ferner erhalten, womit Sie mich zeither so sehr geehrt als beglückt haben. Ich wünschte nichts mehr, als diesen Sommer Ihnen zu begegnen, und die Empfindungen der Verehrung und Ergebenheit persönlich ab den Tag zu legen, womit ich unausgesetzt verharre,

Ihr

gehorsamster

F. W. Riemer.


22/6243.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Wohlgebornen

werden aus der Beylage gefällig ersehen, was für Vorschläge wegen genauerer Beleuchtung der Theaterstücke bey Serenissimo eingerichtet worden und wie Höchstdieselben die Gehegte Intention der Theater Commission gnädigst gebilliget.

Hierbey kann ich nicht verbergen, daß ich in einen Privat-Insert mir Ew. Hochwohlgebornen als freundlichen Bestand bey dieser Gelegenheit gewünschet und auch hierzu ist auf gleiche Weise eine Beystimmung an mich gelangt. Es kommt nun darauf an, ob Sie dieses kleine Geschäft wohl übernehmen mögen, welches schon bey der getroffenen Einleitung wenig Mühe machen und gute Folgen haben wird. Auf alle Fälle[243] bitte ich mir eine Unterredung über diesen Gegenstand aus, Ort und Zeit Ihrer Bestimmung anheimgeben.

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar

gehorsamster Diener

den 10. Januar

J. W. v. Goethe.

1812.


22/6244.


An Johann Friedrich Mayer

Herr von Uwaroff übersendet für Ew. Wohlgeb., wie aus der Beylage ersichtlich ist, die Übersetzung seiner »Ideen zu einer asiatischen Akademie«. Ich hoffe, mich deshalb darüber mit Ew. Wohlgeboren mündlich zu unterhalten.

Den 25. Januar 1812.

Goethe.


22/6245.


An Caroline von Wolzogen

Beyliegendes, verehrte Freundinn, werden Sie als eine gefühlte Erwiederung des höchst schätzbaren Blättchens erkennen, das Sie mir zu senden die Güte hatten. Ich bitte um geneigte Beförderung und wünsche gute Aufnahme.

Ihre lieben Worte über meinen biographisch-poetischen Versuch haben mich sehr erquickt. Wie wohl thut mir's auf diese Weise mich wieder meinen abwesenden Freunden zu nähern und ihre Theilnahme aufzuregen. Gleich nach Empfang Ihres lieben Briefes[244] warf ich mich wieder auf jenes Werk in Gedanken. Vom zweyten Theil ist schon die Hüfte geschrieben, und die andere so ziemlich ausgedacht und zusammengestellt. Ich hoffe zu Michaelis sollen Sie ihn erhalten.

Seit einiger Zeit haben wir den jungen Herder hier gesehen, der Ihro Hoheit sein ganzes Glück verdankt. Meinem August hat der Herzog die Gnade erwiesen, ihn als Assessor in die Cammer zu setzen, wo er, nach seinem Talent und seiner Gemüthsart, ganz wohl placirt ist. Empfehlen Sie auch diesen dem Großherzoge als einen der Seinigen.

Wir, oder vielmehr unsere Damen, verlieren wahrscheinlich in diesen Tagen den Professor Schulze und Sie gewinnen ihn dagegen. Das Gute, was dieses Schriftchen enthält und was ihm mit Recht Beyfall verschaffen muß, wird in meinen Augen durch unselige Fratzen völlig wieder aufgehoben, umso mehr als er nicht die rechte, sondern die falsche Wirkung zum eigentlichen Zweck seiner Arbeit macht. Mit viel weniger Mühe und Aufwand hätte, er das Rechte sagen können. Wenn man etwas ehrlicher wäre, so müßte es einen verdrießen, daß bey jeder neuen bedeutenden Erscheinung, das Publicum durch solche unzulängliche und falsche Urtheile misgeleitet wird. Da es aber einmal scheint als wenn die wahre Einsicht nur wenig[245] Menschen zu Theil werden solle; so gewöhnt man sich nach und nach, darüber zu lächeln, und es gut seyn zu lassen.

Dieß bey Seite, so sagen Sie mir doch gelegentlich, was es für einen Stelle ist, die er dort bekleiden wird, und ob sie wirklich vortheilhaft für ihn ist: denn ich gönne ihm übrigens alles Gute. Wie sich jedoch ein Halb-Catholik unter den Ganz-Catholiken ausnehmen wird, bilde ich mir ein vorauszusehen, um so mehr als ich mit sehr verständigen Personen von der letztern Art vertraulich versprechen Gelegenheit hatte, und zu meinem Vergnügen fand, daß sie über diese neuere, im Protestantismus entsprungene religiöse Poesie und poetische Religion ziemlich so denken wie ich, und die von der alten Kirche und Schule.

Ich darf nicht schließen ohne Ihnen zu melden, daß ich durch unsere Theaterbedürfnisse, welche freylich täglich dringender und täglich weniger befriedigt werden, mich habe unvermerklicher Weise verleiten lassen, das Shakespearische Stück Romeo und Julia zu bearbeiten. Auf der Herzoginn Geburtstag wird es erscheinen und ich hoffe guten Effect davon. Die Maxime, der ich folgte, war das Interessante zu concentriren und in Harmonie zu bringen, da ich Shakespeare nach seinem Genie, seiner Zeit und seinem Publicum, viele disharmonische Allotria zusammenstellen durfte, ja mußte, um den damals herrschenden Theatergenius[246] zu versöhnen. Ich werde Ihre Frau Schwester bitten, daß sie Ihnen von der Aufführung eine Relation zusendet. Sie drückt sich über solche Dinge eben so gut aus, als sie darüber denkt.

Nun leben Sie recht wohl, empfehlen Sie mich Ihrer ganzen Umgebung, grüßen mir den lieben Adolph und erhalten mir Ihr Wohlwollen. Herzlich ergeben

d. 28. Jan.

Goethe.

1812.


[Beilage.]

[Concept.]

Wahrhaft rührend, geliebte Freundin, ist mir das Blatt von der Hand unsers verehrtesten Großherzogs. Wie sehr erkenne ich darin die Dauer jener Gesinnungen, die mich früher wo glücklich machten. Je mehr ich dankbar empfinde, wie viel ich diesem außerordentlichen Manne in meiner Jugend schuldig geworden, desto mehr freut es mich, daß Zeit und Entfernung, ja so mancher Wechsel der Dinge nichts an einem Verhältniß ändern konnten, das auf wahrem Grund gebaut war. Wie manchmal hatte ich gewünscht, gewisse Mittheilungen wieder anzuknüpfen; aber wie kann man sich einem solchen Manne mittheilen, als durch That. Empfehlen Sie daher mich ihm als den Seinigen. Wie fortdauernd er an diese zu denken und wie wohl er für sie zu sorgen weiß, habe ich noch neulich an dem Beispiel des jungen[247] Herders gesehen. Möge dem und Beschützer für so manches Gute noch so manche Freude werden.

Haben Sie ja die Güte mich Seiner Hoheit wiederholt zu empfehlen.


22/6246.


An Friederike von Liszewska

[Concept.]

Die an mich gesendete Kiste mit Gemälden ist zur rechten Zeit bey mir angekommen; allein ich habe gleich mit Bedauern eingesehen, daß Ihr Wunsch, meine Wertheste, nicht würde zu erfüllen seyn. Ihro Hoheit die Erbprinzeß haben es sich nach Lage der Sachen und Umstände, zur Pflicht gemacht, alles was Höchstdieselben für Kunst und Wissenschaften ausgesetzt, an Inländische zu verwenden, um so mehr als durch frühere bessere Zeiten sehr viele Künstler hieher gelockt und manche in den Fall einer sehr kümmerlichen Existenz gesetzt worden. Diese zu ihrer Rettung zu beschäftigen ist eine wahrhaft landesmütterliche Maxime, gegen die nichts einzusenden, noch eine Ausnahme davon zu erbitten ist. Das Kästchen steht also noch zu Ihrer Disposition bey mir, und ich würde es schon zurückgesendet haben, wenn nicht das übermäßige Porto, welches dasselbe bis hieher verursacht, Ihnen bey der Rückkehr zur Last fiele. Ich wollte Ihnen daher anheimgeben, ob es nicht gefällig wäre, mir einen Kaufmann in Leipzig anzuzeigen,[248] dem ich solches zu weiterer Spedition durch Fuhrleute übergeben könnte. Der ich übrigens um Verzeihung bitte, daß ich den Auftrag nicht nach Wunsch erfüllen können, und mich zu geneigtem Andenken empfehle.

Weimar den 28. Januar 1812.


22/6247.


An Johann Heinrich Meyer

Ich habe Sie so lange nicht gesehen, mein theurer Freund, daß es mir recht verdrießlich ist. Tag' und Abende gehen so hin, ohne daß man viel zur Besinnung kommt. Hierbey sende ich 4 Loose der Hakertschen Lotterie für Ihro Hoheit. Sie kosten 8 holländische Ducaten und einige Groschen für Einschreibe-Gebühren und Stempelgeld. Ich werde alles durch Ulmann berichten und alsdann eine kleine Berechnung einreichen.

Demoiselle Seidler ist gestern durchgegangen. Sie bittet die Copie nach Carracci, wohl eingepackt und empfohlen, an sie nach Gotha zu senden, bey Herrn Bibliothekar Jacobs. Sie hätten die Güte solches morgen früh zu besorgen. Donnerstag früh um 6 Uhr geht die fahrende Post nach Erfurt.

Nun, leben sie recht wohl und lassen mich auch etwas von sich wissen.

Weimar den 28. Januar 1812.

G.[249]


22/6248.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeboren

erhalten hierbey die verlangten Abschriften mit dem verbindlichsten Dank für die bisherige Assistenz. Wir wollen, wenn es gefällig, so sachte weiter erfahren.

Phädra möchte wohl eigentlich keiner Censur bedürfen. Damit aber nach und nach unser ganzes Repertorium signirt werde, werfen Sie wenigstens einen Blick auf sie.

Mich zu geneigtem Andenken empfehlend

Weimar den 28. Januar 1812.

Goethe.


22/6249.


An Johann Friedrich Rochlitz

Mit vielem Dank, mein Werthester, sende ich den mitgetheilten Aufsatz zurück. Wer das deutsche Publicum kennt, dessen selbstische Eigenwilligkeiten Sie so gut schildern, wer zunächst erfahren hat, daß sie vor allem Neuen, so sehr sie darnach gierig sing, wenn es einigermaßen problematisch ist, eine ängstliche Apprehension fühlen, und daher den Miswollenden freyes Spiel geben, um sich nur jener Furcht entledigt zu sehen – der weiß gewiß dankbar anzuerkennen, wenn ein Freund als Mittelsperson auftreten mag, damit die Menschen sich geschwinder mit[250] dem befreunden, was ihnen fremd und wunderlich erscheint. Besonders in den letzten zwanzig Jahren mußte man große Geduld haben: denn mehrere meiner spätern Arbeiten brauchten zehn und mehr Jahre, bis sie sich ein größeres Publicum unmerklich erschmeichelten; wie denn ja mein Tasso über 20 Jahre alt werden mußte, ehe er in Berlin angeführt werden konnte. Eine solche Langmuth ist nur dem zuzumuthen, der sich bey Zeiten den Dèdain du Succès angewöhnt hat, welchen die Frau von Stael in mir gefunden haben soll. Wenn sie den augenblicklichen, leidenschaftlichen Succès meint, so hat sie recht. Was aber den wahren Erfolg betrifft, gegen den bin ich nicht im mindesten gleichgültig; vielmehr ist der Glaube an denselben immer mein Leistern bey allen meinen Arbeiten. Diesen Erfolg nun früher und vollständiger zu erfahren, wird mit den Jahren immer wünschenswerther, wo nicht mehr viel Stunden in Gleichgültigkeit gegen den Augenblick zuzubringen und auf sie Zukunft zu hoffen hat.

In diesem Sinne machen Sie mir ein großes Geschenk durch Ihren Aufsatz und bethätigen dadurch abermals die frühere mir schon längst bewährte Freundschaft. Doch darf es mich nicht einmal überraschen, daß Sie in meine Intentionen auch bey dieser Arbeit so tief eindringen, da Sie unter diejenigen abwesenden Freunde gehören, die ich mir vergegenwärtige, wenn ich mir meine alten Mährchen in der Einsamkeit[251] zu erzählen anfange; und ich darf wohl versichern, daß der nächste und eigentliche Zweck ist, gegen solche auf indirectem Wege wieder einmal laut zu werden, da die directe Communication so manches Hinderniß erfährt.

Daß Sie meine asiatischen Weltanfänge so freundlich aufnehmen, ist mir von großem Werth. Es schlingt sich daher für mich gewonnene Cultur durch mein ganzes Leben, und wird noch manchmal in unerwarteten Erscheinungen hervortreten: wie ich denn von Ihrem liebevollen Glauben hoffen kann: daß Sie überzeugt sind, der erste Theil sey mit Bewußtseyn und mit Absicht geschrieben, und enthalte auch nicht das kleinste geringfügig scheinende, was nicht künftig einmal nach seinem Geschlecht und Art in Blüthe und Frucht hervortreten soll. Freylich das Publicum, wenn man es an ein Saatfeld führt, bringt gleich die Sicheln mit, und bedenkt nicht, daß noch mancher Monat bis zur Erndte hingeht, ja wohl noch das grüne Feld eine schöne Zeit unter einer Schnee- und Eisdecke zu ruhen hat.

Es würde mir unendlich interessant seyn, wenn Sie mir mittheilen wollten, was Sie über die Farbenlehre aufgesetzt haben. Die Wirkung von dieser wird noch mehr retardirt, als die Wirkung meiner andern Sachen. Denn hier kann man das Publicum am leichtesten irre führen, indem man mir anders Verdienst wohl läßt, aber in dieser Sache, die ja nicht[252] in mein Fach schlafe, ein verzeihliches Travers Schuld giebt. Indessen macht es mich schon glücklich, daß ich diese Arbeit, die ich so lange mit mir herumgetragen, endlich losgeworden. Was für eine große Übung es für mich gewesen, diesen Gegenstand durchzuarbeiten, ermessen Sie Selbst; und welche wichtigen Bemerkungen ich mache, indem Ich meine Gegner beobachte, wage ich kaum auszusprechen. Doch ist es ja kein Geheimniß, daß Niemand überzeugt wird, wenn er nicht will.

Warum sollte ich nnun nicht auch wünschen, meine Freunde kennen zu lernen und besonders Ihre Ansicht, die mir in so mancher Betrachtung wert seyn muß.

Mich zu dauerndem Wohlwollen empfehlend

W. d. 30. Jan. 1812.

Goethe.


22/6250.


An Adolf Heinrich Friedrichvon Schlichtegroll

Wohlgeborner,

Insonders hochgeehrtester Herr.

Ew. Wohlgeboren freundliches Schreiben vom 15. November finde ich leider noch unter meinen unbeantworteten Briefe, und vielleicht dient es mir zu einiger Entschuldigung, daß deren nicht wenige sind. Es geht ein Tag nach dem andern, unter so mancherley Beschäftigungen hin, daß man immer die Augen auf[253] die Nähe gerichtet haben muß, und der Blick in die Ferne weniger frisch bleibt.

In dem gegenwärtigen Falle kommt noch dazu, und der Blick in die Ferne weniger frisch bleibt.

In dem gegenwärtigen Falle kommt noch dazu, daß die bey mir gethane Anfrage zwar ehrenvoll, aber bedenklich ist: denn es aus manchen Gründen schwer, eine Inschrift zu finden, ja sogar zu beurtheilen; und so viel deren in der Welt auch aufgestellt sind, so schwierig wird immer eine neue für jeden der nicht ein angebornes Talent dazu hat; in welchem Fall Herr von Birkenstock war, der gleichsam in Lapidarstyl dachte. Hier folgen ein paar lateinische und deutsche, die wir gleich nachdem wir Ihren Wunsch vernommen, aufgesetzt hatten, aber selbst zweifelhaft darüber sie bis jetzt liegen ließen. Nun aber mögen sie denn doch abgehen. Das Frühjahr naht allmählich und Sie sind vielleicht in dem Fall nächstens Ihren Garten einzuweihen; wozu ich alles Glück wünsche. Das mir mitgetheilte Distichon würde die innere Seite des Portals recht wohl zieren.

Grüßen Sie meinen Freund Jacobi auf das allerbeste. Ich habe sein Werk mit vielem Antheil, ja wiederholt gelesen. Es setzt die Überzeugung und das Interesse der Seite auf der er steht mit so großer Einsicht als Liebe und Wärme auseinander, und dieß muß ja demjenigen höchst erwünscht seyn, der sich von der anderen Seite her in einem so treuen, tief und wohldenkenden Freunde bespiegelt.

[254] Freylich tritt er mir der lieben, wie man zu sagen pflegt, etwas zu nahe; allein das verarge ich ihm nicht. Nach seiner Natur und dem Wege den er von jeher genommen, muß sein Gott sich immer mehr von der Welt absondern, da der meinige sich immer mehr in sie verschlingt. Beydes ist auch ganz recht: denn gerade dadurch wird es eine Menschheit, daß wie so manches andere sich entgegensteht, es auch Antinomieen der Überzeugung gibt. Diese zu studiren machte mir das größte Vergnügen, seitdem ich mich zur Wissenschaft und ihrer Geschichte gewandt habe.

Grüßen Sie mir den Freund wiederholt zum allerschönsten.

Da in Absicht auf antike Kunst das Beste was ich neben mir habe die Mionetischen Münzpasten sind, so denke ich manchmal mit einigem Neid an das Glück das Ihnen geschenkt ist, die kostbarsten Originale vor sich zu haben. Sollte sich wie mir nicht unwahrscheinlich ist, in München jemand finden, der solche Schwefelabgüsse nach Mionetischer Art verfertigte, so würde ich Sie ersuchen, mir gefällig einige, und wenn es auch nur ein Dutzend wären gelegentlich zu senden. Da mich der Styl der Kunst daran vorzüglich interessirt, so würden mir besonders solche höchst erfreulich seyn, welche in der Zeit zwischen Phidias und Lysippus geprägt sind. Ich besitze selbst eine kleine Münze von Rhodus, aus dieser Epoche. Der Sonnengott ist noch[255] im Profil vorgestellt und von unglaublicher Schönheit, anstatt daß die spätern nach der Errichtung des Coloß geprägten, das Gesicht von vorne Zeigen. Die Mionetsche Münzpastensammlung hat keine andere als von dieser Art. Wie sehr wünschte ich mich durch das Anschauen solcher Schätze unter Ihrer Leitung und Auslegung belehren zu können.

In diesen Tagen sind ein paar geschickte Musiker von Weber und Bärmann, bey uns mit großem Beyfall aufgenommen worden, den uns mit großem Beyfall aufgenommen worden, den sie auf alle Weise verdienen. Ew. Wohlgeboren kennen diese schönen Talente gewiß selbst und haben schon durch sie manches Vergnügen genossen.

Darf ich noch ein Blättchen beylegen, in welchem eine Sammlung von Handschriften verzeichnet ist, die ich besitze. Könnten Sie von frühern und mitlebenden Baiern mir dergleichen verschaffen, so gschähe mir eine besondere Gefälligkeit. Sollte nicht von dem wackern Aventin eine Zeile vorhanden seyn.

Mich zu geneigtem Andencken empfehlend

W. d. 31. Jan.

Ew. Wohlgeb. Ergebenster Diener

1812.

Goethe.[256]


22/6250a.


An Antonio Brizzi

[Weimar, Januar 1812.]

Mit dieser Zufriedenheit haben Ihre hiesigen Freunde und Bewunderer vernommen, daß Sie in der Mitte der Ihrigen glücklich wieder angelangt sind, so wie ich und die Meinigen mit vielem Vergnügen ersehen, daß Sie in der Mitte der Ihrigen glücklich wieder angelangt sind, so wie ich und die Meinigen mit vielem Vergnügen ersehen, daß Sie bey dem fröhlichen Jahreswechsel unser haben gedenken mögen. Bleiben Sie überzeugt, daß wir als eine der schönsten Erinnerungen des vorigen Jahres Ihren hiesigen Aufenthalt werthachten, und daß Sie sehr oft der Inhalt unserer Gespräche sind, die wir niemals ohne Dank für die Bemühungen, die Sie sich unsertwegen gegeben haben, beschließen. Erhalten Sie uns ein freundliches Andenken, und lassen uns auch für die Zukunft angenehme Verhältnisse hoffen.

Die Oper: Horatier und Curiatier, die Sie uns mitgetheilt, weil man die Aussicht hatte, solche bey Ihrem Hierseyn aufführen zu können, wird nächstens wohleingepackt an Sie zurückgehen. Ich wünsche glücklichen Empfang und erbitte mir Ihre fortdauernde Neigung sowie das Zutrauen, das Sie mir bisher gegönnt, indem ich die Ehre habe mich zu unterzeichnen.[397]


22/6251.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Ew. Wohlgebornen,

Nach einiger Pause, die ich nicht entschuldigen will, mich Ihnen wieder einmal schriftlich zu nähern, halte für eine angenehme Schuldigkeit. Ich habe schon früher dankbar angezeigt, daß die Francofurtensia nach und nach angekommen sind, sowie ich denn auch den Goldgülden erhalten habe.

Die Gebrüder Ramann in Erfurt werden eine Assignation auf 100 Gulden vielleicht schon präsentirt haben. Was diejenige Summe betrifft, die mir nach der Schlußrechnung vom vorigen Jahre zu Gute bleibt, belieben dieselben, sowie auch die Ducaten bey sich aufzubewahren, bis ich gegen Ostern deshalb das weitre vermelde.

An Ihrem lieben und freundlichen Antheil an meinem biographischen Versuche habe ich nicht gezweifelt, da ich voraushoffen konnte, daß Sie ihn mit den Augen eines Freundes, Verwandten und Landesmannes ansehen würden. Ich Ihrem Herrn Bruder in Rom habe ich durch Reisende das Beste vernommen, sowie auch, daß unser Corneli und seine Arbeiten viel Sensation gemacht. Ich bin überzeugt, daß er seinen Au fenthalt trefflich nutzen wird.

[257] Gönnen Sie mir auch in diesem neuen Jahre Ihre freundschaftliche Theilnahme und ermüden nicht, das Geschäft meiner Vermögens-Verwaltung sowie bisher zu führen.

Herr von Weber ist auch bey uns angekommen. Ich hoffe seinen Fridolin zu hören. Madam Pollet aber hat sich nicht eingefunden.

Lassen Sie mich nun zum Schlusse für die gesendete Übersetzung des Iordanus Brunus danken. Dieser außerordentliche Mann ist mir niemals ganz fremd geworden; doch habe ich die Geschichte der mittleren Philosophie niemals so sorgfältig studiren können, um zu wisse wo er eigentlich hinaus will; warum er gegen gewisse Vorstellungen heftig streitet und auf gewisse Puncte so sehr bejahend appuyirt. Noch manches andere wie sie selbst wissen, seht dem Verständniß seiner Werke entgegen. Da Sie aber wahrscheinlich mehr übersetzt haben, so wünschte ich das 15. Capitel de Minimi existentia p. 94. Welches anfängt: Non minus hic falso fidei fundamine sensus Imbuit insanos, sowie den Schluß des Buches de Innumerabilibus et immenso, worin er sich selbst als einen er sich selbst als einen wilden Faun beschreibt (es fängt an: Sic non succifluis occurro poeta labellis) in Ihrer Übersetzung zu lesen. Wir haben ein Pröbchen davon gemacht, allein das es gelingen sollte, ist nicht zu hoffen, da wir weder Zeit noch Sammlung haben und uns auch die Übersicht des Ganzen mangelt,[258] welches doch in jedem einzelnen Theil wieder hervortritt. Sie werden sich dadurch das Verdienst machen, mich diesem wunderbaren Manne wieder näher gebracht zu haben.

Sollten Ihre Briefe noch etwas enthalten das mir vergessen ist, und worauf es einer Antwort bedürfte, so haben Sie die Gefälligkeit es zu erinnern und erhalten mir Ihre teure Freundschaft.

Eins noch fällt mir ein. Wäre es möglich mir ein Exemplar der ersten Jahrgänge der Frankfurter gelehrten Anzeigen, woran ich und Ihr Oheim vielen Antheil gehabt, zu verschaffen? Sie sind 1772 hergekommen und ich habe sie seit jenen Jahren nicht wiedergesehen.

Soeben bemerkte ich meinen oben begangenen Irrthum: es ist Herr von Weber aus München, sondern Kapellmeister Weber aus Berlin, der den Fridolin behandelt hat.

Und nun leben recht wohl, erhalten mir ein freundschaftliches Andenken und lassen bald wieder von sich hören.

Weimar den 1. Februar 1812.

Goethe.


22/6252.


An Amalie Wolff

[Weimar, 3. Februar 1812.]

Ich habe zwar heute früh mit Herrn Wolf verabredet, daß Sie, liebe Julia, am Ende des Vierten[259] Aktes einen Becher nehmen. Es ist aber besser, daß wir alles lassen, wie bey der ersten Vorstellung.

Wohlbefinden und Muth!

G.


22/6253.


An Bernhard August von Lindenau

[Concept.]

Hochwohlgeborner,

Insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Hochwohlgebornen, haben mir in den wenigen Stunden, die ich das Glück hatte mit Ihnen zuzubringen, soviel Vertrauen eingeflößt, daß ich es wagen kann, Sie auf Ihrer wichtigen Reise mit einem kurzen Schreiben zu verfolgen, und sie um eine Gefälligkeit zu bitten. Ich habe nämlich im vergangenen Winter, eine schon ziemlich ansehnliche Sammlung von Handschriften bedeutender Männer vergangner und gegenwärtiger Zeit geordnet; wobey mir denn der Wunsch natürlich einstehen mußte, sie nach und nach immer vermehrt zu sehen. Auch habe ich in letzter Zeit von mehreren Freunden angenehme Beyträge erhalten.

Eben war ich im Begriff Ew. H. Gleichfalls darum gehorsamst zu ersuchen, indem Sie bey Ihrer ausgebreiteten Correspondenz und bey dem großen Schatz des früheren Briefwechsels, der sich auf der Seeberger Sternwarte befinden muß, sich gewiß in dem Falle sehen, manches minder wichtige, für mich aber sehr[260] bedeutende Blättchen mir zuzuwenden; als ich vernahm, daß dieselben eiligst abgereist seyen.

Nun kann ich, wie es bey Liebhabereyen geht, mich nicht entbrechen, jenen Wunsch Ew. H. Nachzusenden, um so mehr als Sie auf der großen und für die Wissenschaft soviel versprechenden Reise die trefflichsten Männer nicht allein Ihres Faches, sondern der ganzen lebenden wissenschaftlichen Welt, zu sehen und zu berühren im Falle sind. Bey einer solchen Gelegenheit kommt, wie mich die Erfahrung gelehrt hat, gar manches bloße Höflichkeits-Billet, eine Einladungs-, eine Visitencharte vor, welche weniger geachtet werden, und die doch zu oben gedachtem Zwecke höchst schätzbar sind. Und so theilt wohl auch Jeder gern ein Blättchen mit von einem Manne seines Wohnortes, wenn er auch schon abgeschieden wäre.

Mögen Ew. H. bey Ihrem wichtigen Unternehmen auch eine so kleine Nebenrücksicht nicht verschmähen, so werde ich unter diejenigen gehören, welche außer dem höhern allgemeineren Wunsch für das Gelingen Ihres schönen Unternehmens, auch noch eine besondere Freude haben, Sie gesund und glücklich wieder im Vaterlande angelangen zu sehen. Bis ich für eine solche Gefälligkeit irgend etwas Angenehmes erzeigen kann, nehmen Sie indessen die Versicherung der aufrichtigsten Hochachtung und des Anerkennens Ihrer vorzüglichen Verdienste. Wie sehr wünsche ich, daß Ew. H. Die kleine Sternwarte zu Jena, bey Ihrer Rückkunft,[261] schon im Stande und Herrn von Münchow in voller Thätigkeit und auf diese Weise Ihre gefällige Theilnahme belohnt finden mögen.

Der ich die Ehre Habe mich mit der vollkommensten Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 9. Februar 1812.


22/6254.


An die Hoftheater-Commission

Bey dem hier zurückgehenden Mundo habe ich zweyerley zu erinnern:

1.) Glaube ich nicht daß das Schreiben des Amtmanns in Copia beyzulegen sey; denn da die Merseburger Regierung sich darauf bezieht, so muß sei es kennen, wie wohl auch supponiren darf.

2.) Wünschte ich daß das Schreiben auf Einen Bogen mundirt würde. Die leeren Blätter nehmen sich nicht gut aus. Es geht auch wohl wenn der Mundirende seine übrigens schöne Hand etwas ins enge zieht.

d. 10. Febr. 1812.

s. m.

G.[262]


22/6255.


An die Königl.Stift-Merseburgische Regierung

[Concept.]

[12. (?) Februar. ]

Hochwohlgeborne und Wohlgeborene,

Höchst- und Hochzuverehrende Herren,

Aus Ew. Hochwohl- und Wohlgebor. geneigtem Schreiben vom 5. December haben wir mit besonderem Vergnügen ersehen, daß Hochdieselben unseren Gesinnungen Gerechtigkeit widerfahren lassen und überzeugt sind, nur die äußerste Nothwendigkeit habe uns bewegen können, an eine Veränderung der bisherigen Verhältnisse zu denken, und an den Hauptaufenthalt der Weimarischen Hofschauspieler-Gesellschaft von Lauchstädt nach Halle verlegen, wie es uns denn auch sehr angenehm zu vernehmen gewesen, daß unsere Idee die Woche 2 mal in Lauchstädt spielen zu lassen, Rücksicht gefunden, da man sich wegen der zu bestimmenden Tage wohl hätte vereinigen können.

Dagegen haben wir mit einigem Bedauern bemerkt, daß Hochdieselben das Schreiben des Beamten zu Lauchstädt vom 23. October vorigen Jahres und die darin enthaltenen Bedingungspuncte wieder in Anregung gebracht, da doch dieselben von der Art sind, daß sie der gegenwärtigen Einleitung des Geschäftes eine ganz andere Wendung geben. Denn wenn erstlich eine genauere Bestimmung der Zeit zur[263] Eröffnung und Schließung der Bühne verlangt wird, so daß erstere wenigstens in den ersten 8. Tagen des Monats Juni und letztere allererst in den letzten 14. Tagen des Monats August statt fände, so ist man dießseits außer stand dergleichen Termine festzusetzen, sowohl, weil sich nicht voraussehen läßt welche Hindernisse vorfallen können die eine spätere Absendung von Weimar, und eine frühere Zurückberufung der Gesellschaft nöthig machen, als auch weil unsere neuere Verbindung mit Halle uns nicht völlig freye Hand läßt, nach eigenen Wünschen in diesen Stücke gefällig seyn.

Was den zweyten Punct betrifft, daß nämlich die Preise der Plätze im Schauspielhause herabgesetzt werden möchten; so ist man auch hierin zu willfahren außer Stande. Den wenn man von einer Seite den großen Kostenaufwand erwägt, welchen die Reise und der auswärtige Aufenthalt der Gesellschaft jedesmal verursacht, von der andern Seite hingegen die Abnahme der Badegäste in Lauchstädt und die geringere Theilnahme der umliegenden Orte bedenckt, so läßt sich, nach Anlaß der schon gemachten Erfahrung, mit ziemlicher Gewißheit voraussehen, daß bey Verminderung der Preise, der schon erlittene Schade durch einen künftigen noch möchte übertroffen werden.

Wäre nun auch der 3. Punct, was den Vertrieb der Erfrischungen im Schauspielhause betrifft, eher zu erledigen, so würde doch der 4.[264] daß der Gesellschaft während ihres Lauchstädter Aufenthalts die Aufführung theatralischer Vorstellungen in der Nähe zu verbieten sey, bey den gegenwärtigen Umständen und der veränderten Lage der Dinge nicht auszuführen seyn.

Wir sehen uns daher nicht in geringe Verlegenheit gesetzt und haben nach mehrmaliger Betrachtung der Sache Ew. Hochwohl- und Wohlgebor. folgende Vorschläge zu thun, beyden Theilen für das räthlichste gefunden.

Wir würden nämlich von dem Gesuche einer gnädigsten Concession für die Weimarische Hofschauspieler Gesellschaft allenfalls vorerst abstehen, und es sogar mit Dank erkennen, wenn Hochdieselben irgend eine andere Schauspieler-Gesellschaft an den Ort berufen und ihr die Erlaubniß daselbst zu spielen ertheilen wollten. Wir würden derselben gern das von und erbaute Schauspielhaus um einen billigen Preis pacht- oder miethweise überlassen, und uns um so mehr damit begnügen, als eine solche Gesellschaft theils mit wenigeren Kosten in die Unternehmung eingehen, theils auch ihre Neuheit das Publicum zu fleißigem Besuch anreizen könnte.

Sollte jedoch ein solches Arrangement Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. Nicht conveniren, oder wegen verschiedener Zufälligkeiten nicht zustande kommen, so sind wir vorerst nicht abgeneigt, auch ohne förmliche Concession, von Zeit zu Zeit in Lauchstädt einige Vorstellung[265] zu geben, um dadurch zu zeigen wie angelegen es uns sey auf jede Weise das frühere Verhältniß nicht völlig zu trennen, sondern in einer solchen Verbindung zu beharren welche nach Zeit und Umständen sich wohl auch wieder fester knüpfen ließe.

Die wir pp.

Weimar den 26. Januar 1812.


22/6256.


An Carl Friedrich von Reinhard

Daß Ihr liebes Paket, verehrter Freund, am 16. December glücklich angekommen, hätte ich längst vermelden sollen; allein ich wartete auf Gelegenheit die sich mir jetzt darbietet, indem der geschickte Landschaftmaler von Royden, ein Casseler, der sich eine Zeit lang bey uns aufgehalten, nunmehr wieder zurückgeht, und diesen Brief und was ich ihm vielleicht beylegen kann, sehr gerne mitnehmen wird.

Vor allen Dingen haben Sie herzlichen Dank, daß Sie meinem biographischen Versuch soviel Theilnahme gegönnt, die ich zwar erwarten durfte. Denn indem ich mir jene Zeiten zurückrufe, und die Gegenstände, die sich mir in der Erinnerung darbieten, zusammenarbeite, gedenke ich meiner abwesenden Freunde als wenn sie gegenwärtig wären, glaube meine Reden an sie zu richten und kann wohl für das Geschriebene eine gute Ausnahme hoffen.

[266] Bey der Art, wie ich die Sache behandle, mußte nothwendig die Wirkung erscheinen, daß Jeder der das Büchlein liest, mit Gewalt auf sich selbst und seine jüngern Jahre zurückgeführt wird. Es freute mich diese Wirkung, die ich nicht beyzweckte aber doch voraussah, auch an Ihnen so vollkommen erfolgt zu sehen, und ich danke Ihnen recht sehr, daß sie mich bey dieser Gelegenheit einen Blick in Ihre Jugendjahre thun lassen. Am zweyten Bande ist schon viel geschrieben und in einigen hübschen ruhigen Monaten wird er wohl zu Stande kommen. Es wird schwer seyn ihm die Mannigfaltigkeit und Anmuth des ersten zu geben. Die Epochen die er umfaßt, sind eher stockend als vorschreitend, indessen wollen wir unser Mögliches thun, vorzüglich aber auf den dritten Band verweisen, der desto lustiger werden soll.

Was das Geräms betrifft, wornach Sie fragen, so kann man, wie Sie schon vermuthen, sich den Ursprung desselben am ersten denken, wenn man sich vorstellt, wie zur Sommerzeit Bürgersleute Stühle und Bänke vor ihre Häuser setzten, wo sie unter den weit vorspringenden Überhängen der obern Stockwerke, sogar bey einem mäßigen Regen, ruhig sitzen konnten. Hatte man so durch gedachte Überhänge und durch das oben vorspringende Dach schon in die Rechte der Straße gleichsam Eingriffe gethan; so lag es, besonders in weniger polizeylichen Zeiten, ganz nahe, sich einen hölzernen Käfich herauszubauen, um nicht[267] den Augen jedes Vorübergehenden ausgesetzt zu seyn. Dieses Geräms war wirklich meistentheils oben offen weil es von jenen Überhängen genugsam bedeckt war. Es hing durch eine besondere Thüre mit dem Hausflur zusammen, welche Nachts eben so sorgfältig als die Hausthüre selbst verschlossen wurde. Dieses Geräms war für die Familie um so wichtiger, als man in jenen Zeiten oft die Küchen nach der Straße zu, die Zimmer aber nach den Höfen zu anlegte, wodurch die Häuser sämmltich eine burgartige Gestalt erhielten und man nur durch das gedachte Geräms eine gewisse Communication mit der Straße und dem Öffentlichen gewann. So viel von diesem unarchitectonischen Theil altreichstädtischer Bauart.

Sehr großen Dank bin ich Ihnen zunächst für das Fragment aus dem Werke der Frau von Staël schuldig. Ich hatte davon gehört, es war uns auch versprochen; aber ohne Ihre freundliche Sendung würde ich es bis jetzt noch nicht gesehen haben. Da ich mich selbst ziemlich zu kennen glaube, so finde ich einige recht gute Aperçüs darin, und ich kann es um so mehr nutzen, als sie mir das alles, und zwar noch derber und lebhafter, ins Gesicht gesagt hat. Ihre Gesinnung über meine kleineren Arbeiten kannte ich auch zum Theil, und was sie bey dieser Gelegenheit sagt, ist recht hübsch und dankenswerth, obgleich auf diesem Wege freylich kein erschöpfendes Urtheil zu erwarten ist.

[268] Breguets Mémoire war mir sehr merkwürdig, da ich selbst eben wieder in solchen hyperphysischen Betrachtungen stak. Es weht eine gewisse deutsch Luft darin, und wie sollte nicht, bey so mannigfaltiger Communication einiges, oder vielmehr das eigentlich Tüchtige und Zulängliche, was wie besitzen, hinüberbringen und wirken. Es würde mich zu weit führen auch nur einigermaßen darüber zu sprechen; doch ist es merkwürdig, die von Jahrhundert zu Jahrhundert sich alles mehr begeistet und belebt, eins ins andere greift und keins ohne das andre bleiben will. Von Spinoza, der das Ganze aus Gedanke und Ausdehnung bildet, bis zu diesem Freunde, der es durch Bewegung und Willen hervorbringt, welche hübsche Filiation und Steigerung der Denkweisen würde sich aufzeichnen lassen! Ich breche ab, um nicht weiter in dieses Labyrinth einzulassen, in welchem man eigentlich nur an seinen eigenen Faden von einem geliebten Knaul abgebunden sich ein- und ausfinden kann.

Damit Sie aber nicht glauben, daß ich mich allzusehr in jene abstrusen Regionen verliere, so will ich berichten, daß ein Theil des Winters damit zugebracht worden das Shakespearische Stück Romeo und Julie zu concentriren, und diesen in seinen Haupttheilen so herrlich behandelten Stoff von allen Fremdartigen zu reinigen: welches, obgleich an sich sehr schätzbar, doch eigentlich einer frühern Zeit und einer fremden[269] Nation angehört, die es gegenwärtig selbst nicht einmal mehr brauchen kann. Zum 30. Januar, als dem Geburtstag der Herzoginn, haben wir es zum erstenmal und nachher wieder mit vieler Theilnahme des Publicums gegeben; welche sich um so mehr erwarten ließ, als die Rollen durchaus, besonders aber die Hauptrollen, den Schauspielern recht auf den Leib paßten. Diese Arbeit war ein großes Studium für mich, und ich habe wohl niemals dem Spakespear tiefer in sein Talent hineingeblickt; aber er, wie alles Letzte, bleibt denn doch unergründlich.

Nun folgte ich gerne Ihrem Beyspiel und legte auch etwas bey, was Ihnen Freude machen könnte; ich finde aber nichts bey der Hand und kann mir auch nichts ausdenken. Verzeihen Sie daher, wenn ich gerade das Umgekehrte thue, und eine Bitte hinzufüge. Aus beyliegendem Verzeichniß sehen Sie, daß meine Sammlung von Handschriften ziemlich angewachsen ist; ja ich habe deren noch ein paar Hundert mehr. Wäre es möglich, durch Ihre so mannigfaltigsten Connexionen mir besonders zu einigen Blättchen bedeutender älterer und neuerer Franzosen zu verhelfen; so würden Sie mich sehr glücklich machen. Die Sammlung ist nun schon so groß, daß man über die Handschriften der Nationen, der Zeiten so wie der Individuen, welche solche modificiren, einiges aussprechen kann; und alles ist zu unserer Zeit noch einmal so viel werth, was uns im Stillen[270] mit vertrauten Freunden zu geistreicher Unterhaltung dient.

Nun das wichtigste zum Schluß, daß Herr Baron von St. Aignan als bevollmächtigter Minister an den Herzogl. Sächsischen Höfen angelangt und bey uns sein Creditiv zuerst producirt hat.

Eigenhändig füge ich noch einiges Vertrauliche hinzu.

Herr v. St. Aignan zeigt sich in diesen ersten Tagen seinem Rufe gemäß als ein angenehmer, ernst-still aufmerckender Mann, seine ersten Schritte sind würdig, mäßig und lassen das Beste hoffen.

Den Zweck seiner Sendung kennen Sie am besten, da Sie eine gleiche an die Anhältischen, Lippischen pp. Häuser haben. Aufrichtig gesprochen; so glaube ich daß alles darauf ankommt daß man sich mit der Truppenstellung willfährig und thätig erzeige und dann möchte das Übrige alles gut seyn. Wollten Sie mir gelegentlich einige Wincke geben; so würde ich sie zum Besten benutzen. Ich habe mich zwar von den Geschäften losgesagt, aber mit einiger Kenntniß und gutem Willen läßt sich doch manches lencken und befördern. Leben Sie recht wohl, mein verehrtester Freund und erhalten mir Ihre Liebe und Zutrauen.

W. d. 13. Febr. 1812.

G.[271]


22/6257.


An Johann Friedrich Blumenbach

Mehr noch als sonst bedarf ich gegenwärtig einer äußern Anregung, wenn ich mich entfernten Freunden schriftlich mittheilen und meine Briefschulden abtragen soll. Ich ergreife daher mit Freuden die Gelegenheit, da der verdiente Landschaftsmaler Herr von Rohden in diesen Tagen uns verläßt, nachdem er uns sein schönes Talent zu bewundern gegeben, um Ew. Wohlgebor. für Ihr letztes Schreiben vom 8. October den aufrichtigsten Dank abzustatten.

Daß ich Übersendung der Pietra fungaja Ihnen etwas angenehmes erzeigen können, macht mir große Freude. Es ist wirklich ein merkwürdiges Naturproduct, und es verdrießt mich nur, daß ich nicht ein Stück abgesägt, ehe ich die Masse in er Erde legte; aber ich fürchtete mich daran zu vergreifen, und hatte keinen Anlaß zu denken, daß dieses schwere steinartige Wesen in allen seinen Theilen aufschwellen und zerfallen würde anstatt uns mit einer Schwamm Vegetation zu beglücken.

Die in Ew. Wohlgebornen Briefe angeführten Stellen, wo dieses Naturproductes gedacht wird, waren mir sehr belehrend. Ich werde sie unserm Bergrath Voigt mittheilen, an welchen ich auch die beyliegenden Papiere gelegentlich zurückzusenden bitte. Daß ich diesem Braven Mann in den ersten[272] Bildungs- und Prüfungsjahren einigermaßen nützlich seyn können, ist mir sehr erwünscht. Ich hoffe, daß er seinen Weg treulich verfolgen wird. Besonders hat ihm sein letzter Aufenthalt in Göttingen sehr genutzt, und er sieht den Vortheil, der ihm dadurch zuwächst, daß er bey seinen Wintervorlesungen Ihr Compendium zum Grunde gelegt hat, recht wohl ein, und wird sich desselben gewiß niemals wieder begeben.

Der in meiner Handschriftsammlung ohnehin sehr magere Buchstabe Z. ist durch Ihren gütigen Beytrag sehr wichtig geworden. Die Hand eines so bedeutenden Mannes, ein Concept in einer für ihn so wichtigen Sache ist ein Document, welches der Aufbewahrung in jedem Archiv werth ist. – Schon früher dankte ich Ihnen die wichtigsten Beyträge; haben Sie die Güte auch fernerhin an sich zu denken.

Die beygelegte Druckschrift hat mich so manche Belehrung erinnert, die wir Ihnen schuldig sind, und zugleich mit manchem Neuen auf das anmuthigste gemacht und ich bin für deren Mittheilung wahrhaft verbunden.

Mein Sohn, der ganze treulich und ernsthaft referirend im Cammer-Collegio sitzt, fühlt manchmal, eh man sichs vermuthet, eine ganz besondre Begierde, Ew. Wohlgebor. wieder einmal zu besuchen, und ich erwarte, daß er sich nächstens, wenn Wetter und Weg anlockender sind, zu Pferde setzt und Sie seiner[273] Gegenwart überrascht. Durch Herrn Bergrath Voigt habe ich mit Vergnügen vernommen, daß Sie mit Ihren nahen und entfernten Lieben sich bey guter Gesundheit befinden.

Mich angelegentlichst empfehlend

W. d. 15. Febr.

Goethe.


22/6258.


An die Herzogin von Montebello

[Concept.]

[Weimar, etwa 15. Februar.]

Madame la Duchesse,

La réputation brillante de Monsieur la Baron de St. Aignan l'avoit précédé dans nos murs, et me faisoit désirer bien ardemment de faire la connoissance de cet homme estimable, mais que j'étois loin de prévoir que son arrivée seroit pur moi d'un si grand prix! En effect jamais Ambassadeur a-t-il été, comme lui, porteur d'un don si charmant! Aussi la présence de cet aimable Seigneur a-t-elle doublé de charmes pour moi, lorsqu' après les premiers compliments, il me remit de Votre part un souvenir qui me sera cher à jamais.

Je l'ai devant moi ce chef-d'oeuvre de l'art moderne; je puise pour la première et la dernière fois dans ce vase précieux les caractères de la présente lettre, mais ensuite il sera déposé et conservé avec[274] Gratitude parmi ce que je puis avoir en être le plus bel ornement.

Vous Vous peindrez facilement, Madame la Duchesse, l'attendrissement que j'ai éprouvé, en recevant ce témoignage de Votre bienveillance, si Vous daignez Vous convaincre que ce n'est qu'est qu'avec le plus vif intérêt que je me rapèle les heureux instants, où je n'aie pu Vos douleurs, mais je ne saurois Vous cacher les larmes sincères que je donne à la mort prématurée de Votre auguste époux. Mon affliction est aussi profonde que est aussi profonde que celle des siens; car si, loin ce grand homme m'ont inspiré admiration la plus juste, près de lui, son humanité a rendu le digne objet de mon affection la plus tendre, et je me fais un devoir bien doux de reconnoître en lui mon sauveur dans des tems plus fortunés. Je ne puis sonder sans émotion avec quelle bienveillance et affabilité il me fit ses adieux; il me pressa avec tant de cordialité d'aller à Paris goûter le bonheur de Vous faire ma cour, que l'impossibilité seule de éloigner du lieu de ma demeure m'a empêché de me rendre à une invitation si gracieuse, qui n'etoit rien moins qu'un ordre à mes yeux.

Quelque diffus que je sois déjà, je ne laisse pas

[275] de regretter de ne pouvoir m'étendre plus long sur mes sentiments, et je termine, en Vous assurant que je suis avec le plus profond respect

Madame de Duchesse

Votre très humble et

très obéissant serviteur


22/6259.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz nehme mir die Freiheit ein kleines Actenstück zu übersenden, mit der gehorsamsten Bitte demselben einige Blicke zu gönnen.

Seit Anwesenheit des Professor Döbereiner und Anschaffung des Göttlingischen Apparats, war dasjenige mehrmals zur Sprache gekommen, was an unserem physisch-chemischen Instrumenten-Vorrathe noch allenfalls abgehen möchte, worüber man denn, nachdem das Vorhandene aufgestellt und geordnet war, noch klarer werden mußte.

Zwar hatte schon hierüber Doctor Seebeck bey seiner Durchreise im Sommer sein Gutachten abgegeben, allein da ich mir eine speciellere Kenntiß dieser Dinge nicht anmaße, noch mehr weil ich voraus sah daß ein ansehnlicher Kostenaufwand zu dieser Anstalt erforderlich sey; so ließ ich die Sache auf sich beruhen, irgend eine äußere günstige Veranlassung erwartend.

[276] Diese fand sich nun indem Doctor Seebeck bey seiner Rückreise bey mir einsprach, da ich denn die Desiderata mit ihm Stück vor Stück durchging.

Zufälliger Weise befand sich der hiesige geschickte Hofmechanicus Körner in Jena, und ich verfügte mich mit Doctor Seebeck dahin um in seiner Gegenwart mit Professor Döbereiner, den Hofmechanicis Körner und Otteny, dem Hofkupferschmidt Pflug und anderen die Sache durchzusprechen, damit klar würde worin die Bedürfnisse eigentlich bestehen, und wie hoch der Aufwand dieselben sich belaufen könnte.

Beydes liegt nunmehr in dem gegenwärtigen Actenfascikel am Tage und wird sich von Zeit zu Zeit noch mehr aufklären; denn die Ew. Excellenz aus dem Verhandelten sehen werden; so ist nicht allein bey dieser Expedition die Untersuchung vorgenommen worden, was zu leisten sey und was das zu leistende allenfalls für Kosten machen könnte, sondern man ist auch mit Anstalten und Bestellungen vorgeschritten, damit sobald als möglich etwas geleistet werde.

Dieses letztere würde zu unternehmen ich nicht gewagt haben, wenn mir nicht gelungen wäre, durch eine zwar nicht künstliche, aber doch glückliche Operation, das zu diesem Zweck nöthige Capital anzuschaffen, und zugleich für die Interessen und den Amortisationsfonds Mittel zu finden.

In diesem Betracht werden mir Ew. Excellenz meine Voreiligkeit verzeihen, und mir erlauben daß[277] Ich mein kleines Finanzgeheimniß bey mir noch einige Zeit im Stillen bewahre.

Wie aus den gegenwärtigen Acten zu ersehen ist kann alles vor Michael beysammen seyn, da ich denn wünsche daß Ew. Excellenz auf die vollständigere Einrichtung unserer Museen einen freundlichen Blick werfen möchten.

W. d. 16. Febr. 1812.

Goethe.[278]


22/6259a.


An Antonio Brizzi

[Concept.]

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Vorstehendes war geschrieben als Ihr werther Brief vom 5ten dieses Monats anlangte, und ich verfehle nicht Serenissimo unterthänigen Vortrag daraus zu thun. Es thut mir aber leid, daß ich keine Ihren Wünschen gemäße Resolution vermelden kann. Durchl. des Herzogs Reise zu seiner Frau Tochter hat sich verspätet und möchte nunmehr gerade in jene Zeit fallen, in welcher Sie hier einzutreffen gedenken. Nicht gerechnet, daß sonst noch bey Hofe einiges Veränderliche vorkommen könnte. Was unser Publicum betrifft, so ist es, wie Sie selbst wissen, nicht groß genug, um einen solchen Künstler nach Würden zu honoriren. Unter diesen Umständen sehe ich mich, obwohl sehr ungern, genöthigt die vorgehabte Reise hieher eher ab- als anzurathen, weil der Erfolg derselben nicht zu garantiren ist, und ich nicht wünsche daß Sie einen Ort, wo Sie so geschätzt werden, und mit dem Sie bisher immer zufrieden gewesen sind, mit einer unangenehmen Empfindung verließen.

Der ich mich, wie immer, mit ganz vorzüglicher Hochachtung unterzeichne.

Weimar den 17. Februar 1812.[398]


22/6260.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Ew. Wohlgeboren

werden aus gegenwärtigem mit Vergnügen ersehen, daß ich unser bisher ruhendes Geschäft wieder in Bewegung zu setzen im Fall bin.

Für das schon mehrmal besprochene Gefäß von reinem Silber wurde der Betrag von 20 Laubthalern verlangt, welcher ungefähr 30 Rthlr. sächsisch ausmacht. Der Rent-Commissarius Kühn hat die Ordre, Ew. Wohlgeboren so viel auszuzahlen, und ich wünsche daß Dieselben baldmöglichst zur Arbeit schreiten und die chemische Reinigung des Metalls vornehmen mögen. Ist dieses geschehen, so erbitte mir einige Nachricht, um das weitere anordnen zu können.

Nicht weniger wünsche ich zu wissen, ob Ew. Wohlgeboren in dem Zeitraume daß ich nicht das Vergnügen gehabt Sie zu sehen, Zeit und Gelegenheit[278] gefunden, etwas für die chemische Präparaten-Sammlung zu thun.

Das übrige habe nicht aus der Acht gelassen.

Ew. Wohlgeboren

W. den. 17. Febr.

ergebenster Diener

1812.

Goethe.


22/6261.


An den Herzog Carl August

Pro voto.

Das Mißverhältniß des Bassisten Stromeyer zu herzogl. Theater-Commission tritt, bey seinem gegenwärtigem Urlaubsbesuch, abermals hervor, und mich will bedünken daß es Pflicht der Commission sey deshalb einen unterthänigsten Vortrag zu thun.

Seitdem gedachtem Stromeyer gestattet worden auswärts Gastrollen zu geben, haben die Schauspieler, welche neue Contracte gemacht, sich dieselbe Vergünstigung ausbedungen und in wenigen Jahren wird man alle bedeutende Glieder unserer Bühne eines gleichen Vorzugs genießen sehen.

Damit jedoch bey solchen Abwesenheiten das Theater das was ihm obliegt zu leisten im Stande sey, hat die Commission verschiedene Einschränkungen festgesetzt, worunter besonders diese sich befindet, daß die Bestimmung der Zeit von ihr abhängen müsse und kein Urlaub im Winter verlangt werden könne.

[279] Nun ist die Epoche in welcher die Mitglieder des Theaters am wenigsten zu entbehren sind gerade das erste Drittel eines Jahres, weil neuen Jahres, weil man in demselben, theils die bedeutendsten Vorstellungen erwarten kann, theils neue Stücke für den Sommer einzulernen sind. Man hat auch schon einige solche Gesuche in dem neuen Jahre abgelehnt, und wir brauchen nicht zu wiederholen daß alle Mitglieder eines Theaters gleiche Rechte und oft mit Ungestüm fordern.

Allein es tritt in diesem Falle noch eine wichtigere Betrachtung ein. Es hat nämlich Stromeyer im vorigen Sommer zu einer Reise nach Töplitz Urlaub erhalten, jedoch nur unter der Bedingung, daß die darauf zu verwendende Zeit für die ihm contractmäßig zugestandene Urlaubsfrist gelten sollte. Nun will er aber jenes zehnwöchentliche Außenbleiben nicht angerechnet wissen, sondern vielmehr soll sein gegenwärtig geforderter Urlaub noch fürs vorige Jahr gelten, wodurch er nicht undeutlich zu verstehen giebt daß er noch einen zweyten in diesem Jahre sich vorbehalte. Sollen nun solche Vergünstigungen bey uns eingeführt werden; so würde wohl schwerlich das Theater zu irgend einer Zeit zusammen zu halten seyn, und wir würden, wie andere Bühnen, in den unglücklichen Fall gesetzt, durch kostspielige Herbeyrufung fremder Schauspieler, die Abwesenheit der unsrigen einigermaßen zu vergüten. Was für eine Verwirrung, Zerstörung, ja Auflösung der Bühne[280] daraus folge, hat die Erfahrung mehrere Theater gelehrt, welche sich gegenwärtig vergebens über ein Übel beklagen das sie sich selbst zugezogen haben.

Hiezu tritt noch eine Betrachtung die aus unserer Besondern Lage entspringt, daß nämlich die Nähe von Leipzig uns eigens gefährlich ist; denn es könnte dem Director Seconda nichts erwünschter seyn als ein gebildetes Theater wie das Weimarische an der Hand zu haben, und auf unsere Kosten seinen Winter zu schmücken und zu benutzen.

Aus allen diesem geht hervor daß herzogliche Commission mehrgedachtem Stromeyer den Urlaub zu versagen vollkommen Ursache hat.

Da es scheint, daß Durchlaucht dieses Mannes Gesuch zu begünstigen geneigt sind; so halte ich davor daß es unsere Schuldigkeit sey, unsere oft erprobte Willfährigkeit und Deferenz gegen höchste Wünsche und Befehle auch in diesem Falle zu zeigen und Vorschläge zu thun, wie für jetzt und künftig sowohl das Ansehn der Commission, als das Wohl des Theaters salvirt werden könne.

Meo voto können Serenissimus auf einmal der Sache abhülfliche Maße geben, wenn Sie den Sänger Stromeyer ganz und gar unseren Befehlen und Anordnungen entnähmen und denselben dem Hofmarschallamte, an welches er als Cammerfänger ohnehin gewiesen ist, völlig untergäben, da es denn von Höchstderoselben Willen ganz allein abhängen würde, ohne[281] andere Rücksichten, dem Urlaubsgesuche gedachten Mannes nach eigenem höchsten Ermessen zu deferiren, ingleichen zu bestimmen, in welchen Opern er zu gebrauchen und wo er hingegen zu verschonen sey. Was die Theatercasse zu dessen Unterhaltung bisher gegeben, wurde an die Hofcasse gezahlt, und er erhielte von dorther dasjenige was ihm durch seinen Contract zugebilligt worden.

Herzogl. Commission käme außer aller Verantwortung und das höchst unangenehme Verhältniß zu einem Untergebenen, der kein Untergebener ist, würde dadurch beseitigt. Und warum sollten wir es nicht aussprechen, da es ja notorisch ist, daß gedachter Cammersänger Stromeyer uns schon längst nicht mehr als seine Vorgesetzten betrachtet, und durchaus nach seiner Willkür, ja oft zu unserem Respect zu handeln pflegt, wovon die einzelnen Data zu detailliren ein allzu unangenehmes Geschäft seyn würde.

Durch jenen oben gewünschte gnädigste Anordnung entstünde daher nichts neues, vielmehr würde nur dasjenige was wir bisher erdulten müssen, zu unserer Zufriedenheit, sanctionirt und wir würden auch sehr gerne in Zukunft gleichsam bittweise die Dienste dieses Mannes aufrufen, dem man, bey seinen schönen Naturgaben und einem immer mehr ausgebildeten Talente, eine solche Absonderung und Auszeichnung nicht beneiden dürfte. Commissio dagegen könnte in Ihrem Kreise fortfahren mit Ernst auf Anordnungen zu[282] halten deren Werth sie seit vielen Jahren erprobt hat. Ich gebe willig besseren Vorschlägen nach, nur daß dadurch die Halbheit des bisherigen Verhältnisses aufgehoben werde.

Weimar den 18. Februar 1812.

Goethe.


22/6262.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Außer dem, warum ich Ew. Wohlgeboren in einem Briefe, den Sie durch Herrn p. Kühn erhalten werden, schon ersuche, wünschte ich noch über Nachstehendes einige Auskunft.

Nachdem der Hofmechanikus Körner seine bisherigen Arbeiten geendigt: so will er sich ernstlich an die Verfertigung der Luftpumpe halten, so daß sie wohl noch vor Johannis vollendet seyn könnte. Den dazu gehörigen physikalischen Apparat verspricht er zu liefern, wünscht aber zugleich zu erfahren, ob Ew. Wohlgeboren zu chemischen Versuchen noch irgend etwas Besonders und Außerordentliches von Apparat verlangen, worauf vielleicht bey der ersten Anlage zu denken seyn möchte. Wollten Sie die Gefälligkeit haben, hierüber einen kleinen Aufsatz zu schreiben und mit solchen mitzutheilen, damit ich das nöthige besorgen könne. Körner macht vor allen Dingen eine Zeichnung des Instruments in der wirklichen Größe. Dazu wird er eine Punctation einreichen, auf welche[283] der förmliche Contract mit ihm abgeschlossen wird. Ehe dieses geschieht, werde ich mit Ew. Wohlgeboren conferiren, damit alles nach Wunsch ausfalle.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle

Weimar den 19. Februar 1812.

Goethe.


22/6263.


An Johann Friedrich Cotta

Wenn ich Ew. Wohlgebornen lange nicht geschrieben, so ist das kleine Heft schuld daran, das ich hier beylege. Ich konnte darüber nicht gleich mit mir einig werden; um aber Briefe und Sendung nicht lange zurückhalten, will ich mich darüber, so gut ich weiß und kann, erklären, wenn ich Ihnen vorher für Ihr freundliches Andenken zum neuen Jahre meinen Dank gesagt und Ihre Wünsche herzlich erwiedert habe.

Herr von Varnhagen, als er mir die gedachten Blätter schickte, meldete mir, daß Sie von seiner Absicht, dieselben drucken zu lassen, unterrichtet seyen, daß Sie aber meine Einwilligung dazu verlangten.

Nun möchte es freylich bedenklich scheinen, daß Jemand zu Publication einer Schrift, worin soviel Gutes von ihm gesagt wird, förmlich seine Consens gebe; allein ich ehre sowohl Ihre als Herrn von Varnhagens Gesinnung nichts der Art ohne mein Wissen[284] vorzunehmen. Bedenke ich aber dagegen, daß seit so vielen Jahren gar manches für mich und gegen mich publicirt worden, und daß ich Niemanden je gehindert habe, übels von mir zu sagen; so sehe ich nicht ein, warum ich mich widersetzen sollte; wenn Jemand das Gute was er von mir denkt, öffentlich bekennen will, und hier um so weniger, da doch auch in diesen Hefte manches an mir und meinen Arbeiten für problematisch, ja für tadelnswerth gehalten wird. Ich überlasse also Ew. Wohlgebornen völlig, welchen Gebrauch Sie von diesen Blättern machen wollen; nur bitte ich, Herr von Varnhagen zu benachrichtigen, daß solche in Ihren Händen sind.

Wie diese Blätter zu publiciren, wüßte ich kaum zu sagen. Sie sind zwar eng geschrieben, aber würden doch gedruckt nur ein geringes Heft ausmachen. In den Damen-Calender passen sie kaum, am wenigsten aber ins Morgenblatt, wo ich sie auf keine Weise zu sehen wünschte. Wollte man sie einzeln herausgeben, so müßten sie niedlich, ja splendid gedruckt seyn, um eine Art von äußerm Ansehn zu erhalten. Als eine ohne typographischen Schmuck, hinausgeworfene Broschüre würde ich sie abscheulich finden. So wäre denn die Correctur und Revision aufs genauste zu besorgen, da ohngeachtet der scharfen Hand, doch manche Buchstaben ein Versehen möglich machen. Vielleicht sagen Sie mir über alles das Ihre Gedanken, ehe Sie zu Werke schreiten.

[285] Diesen Winter habe ich mich mehr als ich erwünschte und dachte, mit dem Theater beschäftigt und eine Redaction von Shakspeares Romeo und Julie vorgenommen. Sie hat mir viel Zeit gekostet; die Aufführung am 30. Januar aber ist auch besonders geglückt. Der einzige Gewinn ist, daß wir ein Stück auf dem Repertorio mehr haben, welches jährlich einige Male wiederholt werden kann, und dieß ist jetzt für ein deutsches Theater schon ein Großes, da alles täglich ephemerer zu werden scheint. Für den Druck ist das Stück nicht geeignet, auch möchte ich denen abgöttischen Übersetzern und Conservatoren Shakespeares nicht gern einen Gegenstand hingeben, an dem sie ihren Dünkel auslassen können.

Ich setze nichts weiter hinzu, damit diese Sendung nicht abermals liegen bleibe. Da sie aber ohnehin über das Volumen eines Briefes hinausgeht, so lege ich einige Verzeichnisse meiner Handschrift-Sammlung bey, mit inständiger Bitte, mir von der Hand Ihrer älteren und neuern schwäbischen bedeutenden Männer einige Zeilen zu verschaffen. So fehlt mir z.B. Spittler und Kielmeyer. Vielleicht theilte letzterer, wenn Sie ihn von mir schönstens grüßten und ersuchten, etwas von Cuvier mit, von dem er mehrere Briefe besitzt. Sollte es nicht irgend ein älteres oder neueres Tübinger Stammbuch geben? Auch Hebels Handschrift, vielleicht eins seiner Gedichte von seiner Hand, wäre mir sehr erwünscht.

[286] Für dießmal schließ ich, in der Hoffnung bald wieder von Ihnen etwas zu hören, daß Sie recht wohl befinden und daß Ihre Geschäfte erwünscht fortschreiten. Ich empfehle mich einem geneigtem Andenken und sehe der Zeit mit Vergnügen entgegen da ich Sie wieder hier an Ort und Stelle begrüßen werde. Allen Freunden wünsche ich durch Sie empfohlen zu seyn.

Weimar

den 21. Februar

1812.

Goethe.


22/6264.


An Franz Kirms

Mit dem verbindlichsten Danke, daß Ew. Wohlgeboren sich wegen Romeo und Julie die Mühe nehmen wollen erwiedere ich daß ich für das Stück 600 Rth. Sächsisch zu erhalten wünsche. Es sey nun daß 12 Theater jedes 50. Rth. zahlen, oder welches mir lieber wäre, daß die Berliner Oberdirection es gefällig übernehme und an mich jene Summe im Ganzen entrichtete. Ich würde mich alsdann verpflichten niemals an ein Theater eine Abschrift zu geben und unter drey Jahren es nicht drucken zu lassen.

Auch erbiete ich mich, da auf manchen Theatern der Mönch nicht als solcher erschienen darf, den Pater Lorenzo in einen Arzt zu verwandeln, indem ich dem Manuscripte[287] wie wir es hier gespielt, die nöthigen Veränderungen besonders beylege.

Mich bestens empfehlend und abermals zum schönsten dankend

W. d. 22. Febr. 1812.

Goethe.


22/6265.


An Carl Friedrich Zelter

Seinem verehrten Freunde, Herrn Professor Zelter in Berlin, empfiehlt mit den besten Grüßen und Wünschen, Madame Pollet, eine vorzügliche Harfenspielerinn, sich zu freundlichem Andenken empfehlend

Weimar den 27. Februar 1812.

J. W. v. Goethe.


22/6266.


An Nikolaus Meyer

Ew. Wohlgeboren

muß ich freylich mit einiger Beschämung bekennen, daß sich noch ein Brief von Ihnen vom 27. August vorigen Jahres unter den unbeantworteten Briefen befindet, die sich leider bey mir sehr aufgehäuft haben.

Zur Entschuldigung mag im Allgemeinen die Stockung dienen, die sich jeder Art von Correspondenz bemächtigt hat. Empfangen Sie daher recht vielen Dank, daß Sie auf eine so freundliche Weise das Stillschweigen brechen, und uns durch eine Gabe erfreuen, welche uns an alte Zeiten erinnert. Die köstlichen[288] Häringe sind glücklich angelangt; es waren die ersten von so guter Art, die uns seit vielen Jahren zu Gaumen gekommen.

Über die guten Nachrichten, die Sie uns von sich und der lieben Familie ertheilen, haben wir uns sehr gefreut. Wir wünschen, daß die unvermeindlichen Übel kurz und gering, das Gute dagegen desto länger und dauerhafter seyn möge.

Empfehlen Sie uns ja Ihrer liegen Gemahlinn und gedenken unser, wenn Sie sich Ihrer wackern Knaben erfreuen.

Die durch Herrn General von Haak mir zugesandten Münzen habe ich zwar spät, aber doch richtig erhalten. Ich danke zum schönsten für dieses freundliche Andenken zu Vermehrung meiner schönen Sammlung, deren erste Anfänge ich doch eigentlich Ihnen schuldig bin. Warum sind wir doch so weit auseinander, daß man sich nicht wenigstens manchmal communiciren kann, wie und worin man fortschreitet!

Die Cantate, die Sie mir überschicken, erfüllt wie mich dünkt, völlig ihren Zweck. Wenn ich etwas hätte zu rathen gehabt, so wäre es dieß, daß auch die Chöre variirt seyn möchten, damit die Wiederholungen jedesmal den Hörer durch einen neuen Reiz angeregt hätten.

Mein biographischer Versuch soll an Herrn Prediger Schütz in Bückeburg abgehen; ich wünsche daß er Ihnen wohl überkomme und mein Andenken bey Ihnen erneue.

[289] Die Meinigen grüßen alle zum schönsten. Der Cammerassessor ist seinem Amte fleißig und behaglich, da er das Geschäft mit Liebe treibt und dasjenige leisten kann, was man von ihm fordert.

Und nun leben Sie recht wohl und fahren Sie dort unser in Freundschaft zu gedenken.

Weimar den 28. Febr. 1812.

Goethe.


22/6267.


An Johann Gottfried Schütz

[Concept.]

[28. Februar.]

Ew. Hochwürden

erhalten hierbey, auf Anordnung des Herrn Rath Meyer in Minden, einen Octav-Band, welchen ich demselben gefällig zuzusenden bitte. Ich ergreife die Gelegenheit Dieselben zu versichern, daß ich mich noch immer mit lebhaftem Vergnügen der angenehmen und lehrreichen Stunden erinnre, die ich in Pyrmont mit Ihnen zu verleben das Glück hatte.

Mich zu geneigtem Andenken empfehlend und das Beste wünschend.


22/6268.


An Nikolaus Meyer

[28. Februar.]

Indem ich wünsche, daß beykommendes Buch glücklich bei Ihnen anlange, lege ich ein Blättchen bey, worauf meine Sammlung Autographen, wie sie[290] diesen Winter verzeichnet, geordnet ist. Können Sie mir einige Beyträge verschaffen, so wird es mir sehr angenehm seyn.

So fehlt mir Herr Schröder in Lilienthal, und gar mancher wackere Mann von Ihrer frühern Bekanntschaft.

G.


22/6269.


An Franz Kirms

Möchten doch meine Hochgeehrten Herren Mitkommissarien Sich von Herrn Genast das Scandal erzählen lassen welches Eilenstein gestern in der Probe gegeben. Es wäre sodann gut wenn diese Aussage registrirt und Eilenstein vernommen würde. Einer tüchtigen Strafe kann er nicht entgehen.

d. 19. Febr. 1812.

G.


22/6270.


An Caroline Ulrich

Es war nicht zu zweifeln daß das lustige Kleeblatt glücklich nach Jena kommen würde, es ist zu hoffen daß die übrigen Feste glücklich ablaufen. Zu rathen wäre jedoch daß die klugen Personen sich nicht weit mit den ♥ ♦ ♣ ♠ Dienern einließen, damit die Rückkehr nicht betrübt sein möge. Der Mönch hat sich über die vielen Kugeln im Siegel nicht wenig entsetzt und ersucht den Secretair seinen Schreibtisch nicht zu nah an das Zeughaus zu rücken.

[291] Übrigens wünschen wir alles Gute und siegeln gleichfalls militärisch, obgleich mit liebevollem Herzen

W. d. 29. Feb.

1812.

G.

am Tage der sobald

nicht wieder kommt.


22/6271.


An Franz Kirms

Des Herrn General Direcktor einsichtigen und wohlgemeinten Vorschlag kann ich nicht anderes als danckbar annehmen. Es folgt daher sogleich ein Exemplar des Stücks. Wie ich denn auch die gefällige Mittheilung des Stücks an andre Bühnen mit Danck erkenne und die nöthigen Exemplare sogleich besorgen werde. Sollte einiges im Theaterarrangement, besonders bey der Gruftscene, Erläuterung bedürfen; so könnte eine Zeichnung nachgesendet werden. Mit Bitte mich Herrn Iffland bestens zu empfehlen.

d. 7. März 1812.

Goethe.


22/6272.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Ew. Wohlgebohren

zeige hiermit an, daß Serenissimus Montag Mittag in Jena eintreffen werden. Wollen Sie alles parat halten was sich auf Phosphoreszenz bezieht.

[292] Die dunkle Kammer im Schloßgiebel will ich bey meiner Ankunft, welche Montag Morgens seyn wird, dazu einrichten lassen.

In Hoffnung baldigen vergnügten Wiedersehens den 7. März 1812.

G.


22/6273.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Zu gedenken.

Herrn Professor Döbereiner hinterlasse ich bey meiner Abreise noch Einiges mit dem Ersuchen das Nöthige baldigst zu besorgen, damit unsere glücklich angefangenen Geschäfte einen desto rascheren Gang nehmen.

1. Lege ich das Verzeichniß desjenigen bey, was von chemischen Glasgeräthschaften Herr Oberbergrath von Einsiedel uns zu überlassen geneigt ist. Das eine Exemplar des Verzeichnisses ist dem Herrn Oberbergrath zuzustellen, das andere behält der Herr Professor, welcher die angebotenen Gegenstände ansehen, beurtheilen, und sodann in Empfang nehmen wird. Sie können einstweilen in den hintern Kammern des physischchemischen Museums aufbewahrt werden. Die Bestellung nach Paris wird sogleich besorgt.

2. Hat der Kupferschmied Pflug einigen Zweifel über die Verguldung des Papinianischen Topfs geäußert. Ich wünsche daß der Herr Professor die Sache mit ihm bespreche.

[293] 3. Sobald ich das Verzeichniß erhalte, was an Mineralien für die chemische Präparatensammlung wünschenswert wäre, werde ich für deren Beyschaffung sorgen.

4. Pflug hat den Auftrag in allem, was die Schale von reinem Silber betrifft, des Herrn Professors Anordnungen nachzukommen.

5. Das Gestelle zur galvanischen Säule wird nach der Abrede erweitert, und überhaupt alles besorgt, was die Wirksamkeit derselben bey vorzunehmenden Versuchen recht eminent machen kann.

Mich geneigtem Andenken empfehlend

Jena

Goethe.

den 12. März

1812.


22/6274.


An August von Einsiedel

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb. Erhalten hierbey eine Tabelle, woraus ersichtlich ist, was Prof. Döbereiner von denen chemischen Glaswaaren, welche Sie besitzen, zu erhalten wünscht. Es geht daraus hervor daß wir Ihnen 45 Liv. 6 Sous schuldig würden, wozu jedoch noch der Betrag des ersten Postens, von 6 Flacons bouchés de 2 pintes, von welchen der Preis nicht in der Liste stand, noch hinzuzufügen wäre. Wollten Ew. Hochwohlgeb. Nunmehr in die dazu bestimmte[294] Columne einzeichnen, was Sie von Paris zu erhalten wünschen, so würde ich das Weitere besorgen, wobey es sich von selbst verseht, daß wir, indem die Glaswaaren uns von Ihnen hier in loco und wohl conditionirt übergehen werden, sowohl die Fracht und Spesen, als auch die Gefahr des neuen Transportes zu übernehmen haben. Könnte ich diese Tabelle vor heute Abend zurückerhalten, so würde es mir angenehm seyn, weil ich morgen früh abreise. Prof. Döbereiner würde sich alsdann die Erlaubniß ausbitten, gedachte Gegenstände abzuholen. Ich lege die mir mitgetheilten Rechnungen wieder bey und empfehle mich gehorsamst. Dürfte ich wohl um einen Abdruck des geschnittenen Steins bitten von dem gestern die Rede gewesen?

Jena

den 12. März

1812.


22/6175.


An Friedrich Theodor von Müller

[Weimar] d. 14. März 1812.

Ew. Hochwohlgeb.

haben mir Hoffnung gemacht daß Herr v. St. Aignan Sonntag früh einige Stunden bey mir zuzubringen gedencken. Er hat auch selbst einige Worte mir darüber bey Hofe gesagt. Nun weis ich aber nicht ob die Gegenwart des Marschall Ney und die augenblickliche Truppen Bewegung...[295]


22/6276.


An Charlotte von Stein

Hierbey sende ich, theure Freundinn, die Zeichnung welche wircklich recht hübsch und für den Zweck vollkommen geeignet ist. Ein klein wenig zusammengeruckt wird sie einen Präsentirteller recht gut auszufüllen. Der Rückkehrende Winter hält mich ab mich persönlich nach Ihrem Befinden und der Aufführung des Vögelchens zu erkundigen.

d. 16. März 1812.

G.

Die Zeichnung soll drey Thaler kosten. Die sie wohl werth ist.


22/6277.


An den Fürsten Paul Anton von Esterhazy

[Concept.]

[16. (?) März.]

Erlauchter Fürst,

Hochverehrter Herr,

Die auszeichnet günstige Aufnahme welche ich Ew. Erlaucht bey meinem Aufenthalte in Dresden zu erfahren das Glück hatte, ließ mir keinen Zettel übrig, daß Hochdieselben sich meiner auch in der Abwesenheit gnädig erinnern und an dem was mir Gutes widerfahren möchte, Theil nehmen würden.

Wenn nun die K. K. Akademie der Künste in dem bedeutenden Zeitpunct, da sie sich wieder neu belebt sieht, auch meiner gedenken und mich in die Zahl[296] ihrer Mitglieder ehrenvoll aufnehmen will; so ist mir diese Glück und desto schätzbarer, als es mir durch Ew. Erlaucht verehrte Hand angekündigt und mit der Versicherung einer fortdauernden Gunst und Theilnahme begleitet wird.

Empfangen Sie daher den gefühltesten Dank und lassen mich auch für die Zukunft die Fortsetzung so erwünschter Gesinnungen hoffen. Mich mit der aufrichtigsten Verehrung unterzeichnend.


22/6278.


An Clemens Wenzel Nepomuk Lotharvon Metternich

Hochgeborener Graf,

Hochverehrter Herr,

Daß Eure Excellenz, indem Hochdieselben den wichtigsten und dringendsten Geschäften vorstehen, Sich auch der Wissenschaften und Künste einsichtig einnehmen und sie zu hegen und zu fördern wissen, könnte mir selbst in der Ferne nicht verborgen bleiben; vielmehr war ich davon schon längst unterrichtet und erfreute mich im Stillen daran in Betrachtung des allgemeinen Besten.

Nicht leicht hätte ich jedoch denken können, daß ich das Glück haben sollte, Eurer Excellenz auch für das Glück haben sollte, Eurer Excellenz auch für die Erstreckung jener hohen Gunst auf meine Person, den gefühltesten Dank darzubringen.

[297] Wenn wir unser Leben besonderen Thätigkeiten aufopfern, und in denselben eine gewisse Fertigkeit erlangen; so wünschen wir freylich solche auszuüben und anderen damit nützlich zu seyn; und wie kann dieß besser und sicherer geschehen, als wenn Männer, in solchen Fächern geprüft, uns in ihre Mitte nehmen, und uns zu denen Vortheilen gesellen, welche nur durch eine Masse gleichwirkender zu erreichen sind. Dadurch wird denn jeder Einzelne aufgemuntert und was menschliche Lässigkeit, ungünstige Umstände, böser Wille, wohl eingeschläfert, beengt, ja gelähmt haben könnten, wieder angeregt und in Thätigkeit gesetzt.

Unendlich sind daher Eurer Excellenz Verdienste, durch Begünstigung von oben, solche Vereinigungen stiften, erneuern, erhalten ausbreiten, und beleben zu wollen.

Der hochansehnlichen K. K. Akademie der vereinigten bildenden Künste werde ich meinen lebhaftesten Dank abzutragen nicht ermangeln, ob mir gleich der Ausdruck fehlt, um hinreichend zu bezeugen, wie sehr ich entzückt bin, daß man auf eine so ehrenvolle Weise, bey einer so glänzenden Gelegenheit auch meiner gedenken und dadurch Allem was ich zu leisten im Stande bin eine neue Epoche bezeichnen mögen.

Wie ich nun hierin Eurer Excellenz verehrliche Einwirkung nicht verkennen darf, nicht weniger die Selbsteigene Ankündigung dieser schönen Gabe gewiß zu würdigen verstehe; so darf ich nicht mit vielen[298] Worten betheuern, wie werth mir diese günstigen Rücksichten seyn müssen, die ich auf irgend eine Weise thätig zu erwiedern im Stande zu seyn wünschte.

Mit der vollkommensten Verehrung mich unterzeichnend

Eurer Excellenz

Weimar

ganz gehorsamster Diener

den 16. März

J. W. v. Goethe.

1812


22/6279.


An Johann Friedrich Cotta

In Hoffnung Ew. Wohlgeb. Bald hier zu sehen, wobey ich besseres Wetter und Wege wünsche, sage diesmal nur das Nöthigste.

Das Barnhagensche Manuscript anbelangend, so will ich gerade nicht eigensinnig dem Morgenblat die Exclusive geben. Überlegen Sie die Sache noch einmal. Überhaupt scheinen mir manche Stellen bedencklich zu publiciren. Da die Sache keine Eile hat, so sprechen wir ja wohl erst darüber.

Die wohlfeilere Ausgabe meiner Schriften betreffend fand ich mich durch ein halbes Misverständniß gerade in Ihrem Falle. Denn da ich den technischen und merkantilischen Theil solcher Unternehmungen nicht verstehe; so wüßte ich nicht zu finden wie der mir drohende große Schade dabey abzuwenden? Wie mein Vortheil[299] mit dem Ihrigen zu verbinden sey. Ich komme mir selbst wunderlich vor wenn ich das Vortheil ausspreche. Ich habe ihn in meiner Jugend gar nicht, in der mittleren Zeit wenig beachtet und weiß selbst jetzt noch nicht recht wie es angreifen soll. Und doch muß ich daran dencken, wenn ich nicht nach einem mühsamen uns mäßigen Leben verschuldet von der Bühne abtreten will. Der Augenblick zehrt schon wieder an unserm Marck, Freude und Bekannte fallen um mich her, niemand kann dem andern beystehn. Doch wozu reden und klagen! Nur dießmal erlaubt ich mirs um Sie überzeugen daß mein Zaudern nicht aus veränderten Gesinnungen, sondern aus den veränderten Umständen sich herschreibe.

Die Exemplare von Romeo und Julie an die deutschen Theater zu vertheilen hat die Berliner Theater Direcktion übernommen. Das Stuttgarder stand mit auf der Liste. Ich wünschte guten Erfolg. Karlsbad soll mir hoff ich diesmal etwas für den Damenkalender bringen. Mich bestens empfehlend.

W. d. 17. März

1812.

Goethe.


22/6280.


An Carl Ludwig von Knebel

Weimar den 25. März 1812.

Da wir das Glück haben, mein theuerster Freund, daß, ohngeachtet des schrecklichen Wegs, die Boten[300] noch hin und wieder gehen, so will ich nicht versäumen dir in der stillen Woche ein freundliches Wörtchen zu sagen und dir zugleich für den heute empfangenen Brief zu danken.

Der gute Riemer hat uns gestern verlassen; eine solche Trennung muß freylich einmal geschehen. Sie ward mir leichter, weil ich weiß, daß sie zu seinem Glück gereicht. Es dient ihm die gegenwärtige Stelle nur zur Vorbereitung: denn sobald die Curatoren der Academien und die Scholarchen erfahren, daß er sich dem Lehramte widmen mag, so erhält er gewiß einen Ruf über den andern und er sieht sich alsdann entweder billigermaßen verbessert, oder ehrenvoll entlassen. Möge das Letzte auch um meinetwillen ferne seyn, doch muß man daran denken und sich darauf vorbereiten.

Ich habe indeß meine biographischen Studien wieder vorgenommen, sie dienen mir zur angenehmen Unterhaltung und zu gründlicher Recapitulation meines Lebens und Wesens, und regen mich an zu mannigfaltiger Lecture alter und neuer Schriften, um mit mir meinen Gang synchronistisch, in dem Gange der Umgebung, zu denken.

Gelesen habe ich diese Tage mit viel Interesse die Briefe der Mad. Du Deffand, die Mémoires de St. Simon, und nun habe ich mich an Chateaubriand Génie du Christianisme gemacht. Das Verhältniß zu diesen Werken ist mir lebhafter und natürlicher[301] geworden durch interessante Unterredungen mit dem Baron de St. Aignan und dem General Sebastiani. Es ist ganz was anderes, wenn man solche Werke aus dem Gesichtspunkte vorzüglicher Männer von derselben Nation betrachtet, als wenn man sie nach seinem eignen Maaßstabe mit noch so vieler Billigkeit mißt.

Hier auch etwas aus Spanien. Wir legten ältere und neuere Kupferabbildungen von Granada, besonders aber vom Alhambra dem General Sebastiani und seinem Adjutanten vor. Sie haben damit zum Theil sehr zufrieden und versicherten, daß das Gebäude, ja die Bäder und die Wasserleitungen zu denselben, noch in dem besten Stande seyen, welches sie ihrer köstlichen und sorgfältigen Structur, sowohl in Absicht auf den Zuschnitt der Steine, als der Verklammerung und Verkittung derselben, zu danken hätten. General Sebastiani hat es reinigen und auf türkische Weise ausmeubliren lassen, mit Sophas, Divans, Teppichen und dgl. Die große Fontaine und deren alabasterne Löwen, welche die Schale tragen, wovon der Löwenhof den Namen hat, der in den Händeln der Zegris und Abencerragen so oft vorkommt, ist noch im ersten Stande u.s.w.

Ein Buch, welches mich erschreckt, betrübt und wieder auferbaut hat, ist von Schelling gegen Jacobi.

Nach der Art wie der Letzte sich in den sogenannten Göttlichen Dingen herausgelassen, konnte der[302] Erste freylich nicht schweigen, ob er gleich sonst zu den hartnäckigen Schweigern gehört. Wir Andern, die wir uns zur Schellingischen Seite bekennen, müssen finden, daß Jacobi sehr schlecht wegkommt. Das Buch muß die Münchner Scandale, die ohnehin kaum erst wenig beruhigt sind wieder aufs neue aufregen; doch wir können der Welt den Frieden nicht geben und wollen sehen, ob wir beym litterarischen Krieg etwas gewinnen, was bey dem andern der Fall nicht seyn kann.

G.


22/6281.


An Charlotte von Stein

[27. März.]

Mit einem grüßenden Blätchen muß ich das Bleystift zurückschicken, damit ich wieder Credit erhalte. Es ist mir nicht gut gegangen, doch war ich fleißig. Wie führt sich der Vogel auf. So gutes Befinden als das Wetter schön ist!

G.


22/6282.


An Vincenz Reimund Grüner

[Concept.]

Ich habe, mein werthester Herr Grüner, das an mich früher gesendete Paquet zu seiner Zeit richtig erhalten, und, ob ich gleich, nach meiner eigenen[303] Überzeugung, nicht wohl glauben konnte, daß eins der darin enthaltenen Stücke auf dem hiesigen Theater aufführbar sey, und vielleicht einseitig absprechen. Ich theilte sie daher einsichtigen Freunden mit, wodurch sich meine Antwort verzögerte.

Angeregt durch Ihren letzten Brief habe ich die Sachen wieder zurückverlangt und das Urtheil darüber mit dem meinigen einstimmig gefunden. Wir machen uns in unserer Lage durchaus das Gesetz, die vielen Stücke, die uns zugesendet werden, nicht an und für sich, sondern nur im Bezug auf unser Theater zu beurtheilen.

Ich füge auch daher nichts weiter hinzu als, daß diese Stücke, wenn Sie solche nicht früher zurückverlangen, dieses Frühjahr mit nach Carlsbad nehmen, und von da nach Wien absenden werde. Mögen Sie mir alsdann Ihr neues Stück gleichfalls dahin senden, so werde ich nicht verfehlen dasselbe gleichfalls aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten, und meine Gedanken darüber mitzutheilen.

Da ich aus Ihrer Thätigkeit vermuthen kann, daß Sie sich wohl und glücklich fühlen, so füge ich die Versicherung meiner Theilnahme hinzu und den Wunsch einer ununterbrochenen Dauer.

Weimar

den 28. März

1812.[304]


22/6283.


An Johann Carl Wilhelm Voigt

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

haben mir durch die Übersendung der neu entdeckten Crystalle ein besonderes Vergnügen gemacht, und ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie Sich meiner bey dieser Gelegenheit haben erinnern wollen. Es ist sehr merkwürdig, daß diese Form so oft in allen Größen vorkommt. Die Carlsbader Feldspatzwillingscrystalle sind bekannt vor. Noch in flächeren Tafeln, denjenigen ähnlich, die Sie mir übersendet haben. In Carlsbader Graniten kommen sie klein aus rothem Thon gebildet vor, andere sind grün und haben ein Talckartiges Ansehen. Ferner über der Eger sind sie weiß, und fast schon zu Porcellanerde übergegangen, diese sind die kleinsten. Alle benannten, die ich kenne, machen Bestandtheile des Granits aus, daß sie nun noch im Thonporphyr entdeckt sind, ist sehr interessant, und deutet auf die Hartnäckigkeit der Natur, bey solchen Formen zu verharren, wenn sie dieselben einmal geliebt hat. Der Übergang von der vierseitigen Säule zur sechsseitigen Tafel wird sehr deutlich durch die Exemplare, welche Sie mir gesendet haben. Ich wünsche dagegen etwas Gefälliges erzeigen zu können. Ich gehe dieses Jahr wieder nach Carlsbad, bezeichnen[305] Sie mir etwas von den dortigen Merkwürdigkeiten, was Ihnen Vergnügen machen könnte. Ich wünsche recht wohl zu leben, und empfehle mich Ihrem freundlichen Andenken.

Weimar

den 28. März

1812.


22/6284.


An Friedrich Willhelm Riemer?

Bemühen Sie sich gefälligst Abends noch einmal zu mir. Ich erwarte mit Verlangen Nachricht.

Weimar d. 30. März

1812.

Goethe.


22/6285.


An Friedrich Carl Ferdinand von Müffling

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb.

haben mir durch die Nachricht, daß die Angelegenheit der Sternwarte bey Jena immer weiter vorrücke, ein besonders Vergnügen gemacht, indem ich sowohl großen Antheil einiges beytragen kann, wenn ich, so sehr es auch wünschte, der durch Ew. Hochwohlgeb. an mich gelangten Aufforderung nicht zu entsprechen im Stande bin. Sie erlauben, daß ich die Verhältnisse hier auseindersetze.

[306] Auf die Gesamtacademie Jena im Allgemeinen habe ich keinen Geschäftseinfluß, aber das Glück, in Verbindung mit Herrn Geheimdenrath von Voigt Excellenz den Museen und anderen wissenschaftlichen Anstalten, welche Serenissimus drüben als Landesherr, ja gewissermaßen privatus einrichten lassen, vorzustehen und sie aus einer mäßig dotirten Casse zu erhalten.

Sollte nun die neue astronomische Anstalt an die Museumscommission gewiesen uns aus der Museumscasse auch diese jährlichen Bedürfnisse künftig bestritten werden, so würde dazu Serenissimi höchste Erklärung und Befehl, sowie auch eine verhältnißmäßige Dotation erforderlich seyn.

Eine solche Absicht unseres gnädigsten Herren läßt sich nicht wohl voraussetzen. Jene Museen und übrigen verwandten Anstalten beziehen sich sämmtlich auf Naturgeschichte und Naturlehre und machen dadurch ein kleines Ganze, dessen innerer Gehalt der Commission nicht fremd ist, und dessen äußere Absicht nicht außer ihrem Wirkungskreise liegt. Die Sternwarte hingegen ist auf Mathematik gegründet. Außer ihren wissenschaftlichen, weltbürgerlichen Zwecken ist sie als eine Landesanstalt anzusehen, hat auf gewisse, ins bürgerliche Leben eingreifende Einrichtungen unmittelbaren Einfluß, als auf Verfertigung der Calender und auf alles, was Zeit, Maß und Gewicht im höheren Sinne betrifft; sie bleibt also wohl billig[307] jenen Behörden untergeben, wo nicht nur die nöthige Einsicht und Wissenschaft bey den Vorgesetzten wohnt, sondern auch untergeordnete, practische, ins Leben eingreifende Anstalten schon organisirt sind, und gewiß wird auch von solchen Behörden eine zweckmäßige und nicht sehr kostbare Unterstützung am besten gereicht werden können.

Ew. Hochwohlgeb. verzeihen, wenn ich umständlicher geworden, als es nöthig scheinen möchte. Es war mir darum zu thun, die Verhältnisse aufs genauste auseinanderzusetzen um Ew. Hochwohlgeb. zu über zeugen, wie sehr es mir leid thut, in diesem Falle meinen guten Willen nicht bethätigen zu können, und ich brauche nicht zu versichern wie sehr ich wünsche, jene Anstalt zum Nutzen und Vergnügen bald vollkommen zu sehen.

Mit vollkommenster Hochachtung

Weimar

den 31. März

1812.


22/6286.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Ew. Wohlgeb.

Könnten vielleicht lächeln, daß ich meine Briefe durchaus mir derselben Phrase anfange, es ist nämlich Dank, und immer wieder Dank, dessen Ausdruck ich nicht mehr zu variiren weiß.

[308] An den zwey mir übersendeten Bänden Frankfurter gelehrter Zeitungen erkenne ich wieder, wie nöthig mir sey, bey dem Unternehmen von meinen früheren Jahren zu sprechen, eine Sammlung von Documenten aus jener Epoche; denn außerdem möchte es bey dem aufrichtigsten Nachdenken schwer seyn zu imaginiren und sich wieder zu vergegenwärtigen, wie man gehaltlos, roh und ungebildet mehr werth könne gewesen seyn, als man sich gehaltvoll, ausgearbeitet und ausgebildet antrifft. Es war überhaupt jenes eine wundersame Epoche, selbst nur, wie uns diese zwey Bände einen Begriff davon geben.

Da sich nicht schon eine Folge von Studien über Jordanus Brunus bey Ihnen findet, und Sie nicht, wie ich vermuthete, in einer gewissen Lebensepoche Sich geübt und unterhalten haben, seine Werke stellenweis zu übersetzen; so will ich sie nicht besonders dazu aufgemuntert und angeregt haben. Was er uns hinterlassen, insoferne ich es kenne, reizt uns zwar ungemein, insofern wir streben uns eine originelle Bildung zu geben, denn es ist nicht leicht ein lebhafter Apostel der Originalität, der unmittelbaren Bildung aus und an der Natur. Allein ich müßte mich sehr irren, oder wir sind seit jener Zeit weiter, ja in eine Art von Natur gerückt, wo uns jene nicht mehr helfen und zusagen kann, besonders, da sie doch durch eine mystische Mathematik äußert verfinstert ist. Doch in solchen Dingen läßt sich kaum sprechen,[309] geschweige schreiben, weil man sich doch darüber nicht ganz ausreden kann.

Ihre Bemerkung wegen dem hohen Stand der Ducaten darf ich nicht unbenutzt lassen und bitte daher dasjenige, was sonst noch für mich in Casse ist in vollständige Preußische Louisd'or zu verwandeln und mir selbige nebst den vorräthigen Ducaten durch fahrende Post gefälligst zu übersenden.

Das große auf die ehemalige Frankfurter Amtsbesetzung sich beziehende, Manuscript werde vor meiner Abreise nach Carlsbad zurücksenden nicht verfehlen. Sollten Sie mir noch etwas zu berichten haben, so bitte ich, daß es vor Jublilate geschehe, weil ich wahrscheinlich bald nachher meine Reise antrete. Die meinigen grüßen auf das beste, ich füge meine Wünsche zu den ihrigen und empfehle mich zu freundschaftlicher Theilnahme und Andenken.

Weimar

den 31. März

Goethe.

1812.

T.s.v.p.


Ihre Briefe sind auf so schön velin Papier geschrieben, das uns hier abgeht. Wollten Sie mir wohl eine kleine Sendung, wohl eingepackt und vor aller Nässe, so wie vor Druck gesichert, baldigst zukommen lassen.[310]


22/6287.


An Eleonora Flies

[Concept.]

Ob ich gleich, meine wertheste Frau von Flies, glücklich genug bin, Sie schon lange zu kennen und an mir selbst erfahren habe, wie geneigt Sie sind Ihrer Freude mehr oder weniger bedeutende Wünsche zu erfüllen; so hat mich doch Ihre letzte Sendung überrascht: sie enthielt den reichsten Beytrag zu meiner Sammlung, den ich in diesen Jahren erhalten habe. Ich lasse mir manchmal gern von Freunden den Vorwurf machen, daß es mir mit meinen Wünschen und Liebhabereyen gehe, wie schwangeren Frauen mit ihren Gelüsten, welche bald befriedigt seyn wollen, wenn man einigen Dank für seine Bemühung gewinnen will. Doch ist es bey mir einigermaßen anders, meine Gelüste haben einen innerlichen Zusammenhang, sie scheinen einzuschlafen und wachen wieder auf, ehe man sichs versieht, und man kann immer gewiß seyn, mich dankbar zu finden, wenn man auch spät und nur mit Wenigem mir sein freundliches Andenken darthun mag.

Was soll ich nun aber sagen, meine Wertheste, wenn Sie so schnell und reichlich meine Wünsche bedenken und zu deren Befriedigung Sich auf solche Weise bemühen wollen. Ich habe nicht verkennen dürfen, daß außer den köstlichen Documenten der vergangenen[311] und gegenwärtigen Zeit, auch mehrere dieser Blätter geschrieben sind, in Rücksicht auf meinen Wunsch, und in der Absicht, den Zweck zu erfüllen, den ich mir vorgesetzt habe. Es kann dieses nicht anders, als auf eine höchst freundliche und thätige Anregung geschehen seyn, deren Werth ich so gut, als jener Gewährung zu schätzen weiß. Haben Sie die Güte allen den vortrefflichen Personen, wenn sich Gelegenheit finden sollte, meinen aufrichtigsten Dank abzustatten.

Auch die liebe Caroline Pichler hat die Sendung mit interessanten Beyträgen bereichert, und ihr freundlicher Brief ist sogleich in die Sammlung aufgenommen worden. Ich bitte ihr mit Überreichung der Einlage das Verbindlichste zu sagen.

Ihr gehaltreiches Packet überraschte mich gerade an einem tristen Tage, wo ich nichts Erfreuliches zu erwarten hatte. Sogleich war ich aufgeregt und aufgemuntert diese neuen Beyträge zu katalogiren, einzurangiren und mich dabey an dem Anschwellen meiner Hefte zu freuen, das mitgesendete interessante Verzeichniß aber wurde zu den Generalien und allgemeinen Documenten der Sammlung hinzugefügt, mit Bemerkung der freundlichen Geberin und zum dankbaren Andenken.

Von unserm Freund Riemer kann ich melden, daß er seit kurzer Zeit als Professor bey dem hiesigen Gymnasium angestellt ist, wo seine schönen Kenntnisse[312] zum Nutzen der Jugend reichlich wird ausspenden könne. Was er da Gutes stiftet, wird ihm zum Trost und zur Entschädigung dienen, daß er das werthe Böhmen dieses Jahr nicht besuchen kann.

Ich hingegen hoffe abermals zu Anfang May in Carlsbad zu seyn, lassen sie mich dort von Ihnen einige Nachricht finden, ob ich das Vergnügen hoffen darf, Sie dort zu sehen, und wer noch sonst von Gönnern, Freunden und Bekannten dieses Jahr die böhmischen Bäder zu besuchen denkt.

Empfehlen Sie mich dem Andenken so mancher würdigen Person, die Sie mir günstig kennen, und bleiben überzeugt, daß ich mich Ihrer jeder Zeit vorzüglicher Hochachtung und Dankbarkeit erinnere.

Weimar

den 31. März

1812.


22/6288.


An Caroline Pichler

Ich darf meinen lebhaften Dank nicht aufschieben für ihre freundliche Zuschrift und für die gefällige Art, womit Sie meinen Wünschen in Absicht auf Lieblingssammlung, dem unmittelbaren Andenken würdiger Menschen gewidmet, so thätig entgegenkommen. Auch Ihr lieber Brief soll als solches Document, zwar wie die übrigen alphabetisch, aber doch mit besonderer Neigung eingeschaltet werden.

[313] Wenn von der eignen Hand de vortrefflichen Mozart sich Ihren emsigen Bemühungen keine Zeit darbot, so sind mir das Übrige desto lieber, und ich werde um desto eifriger sammeln, weil uns dieses Beyspiel zeigt, wie gerade das Nächste und Eigenthümlichste des Menschen so bald seinem Scheiden verschwindet und von seinem Zustande, wie von seinen Verdiensten, nur ein Allgemeines, gleichsam Körperloses übrig bleibt.

Diese Betrachtungen führen uns dahin, daß wir desto mehr an diejenigen verdienten Personen halten, mit denen uns das gute Glück in irgend ein lebendiges Verhältniß hat bringen wollen. Seyn sie versichert, daß ich zu wiederholten malen an Ihren Productionen Theil genommen, ja ich will nur gestehen, daß ich einigemal in Versuchung gerathen bin, Ihnen über Sich selbst und Ihre lieben deutschen Schwestern in Apoll ein heiteres Wort zu sagen, doch gehen solche gute Vorsätze bey mir gar oft in Rauch auf.

Desto dauerhafter ist bey mir die hohe Achtung und zarte Neigung für Charakter und Verdienst mit der ich mich auch diesmal Ihnen zum schönsten empfehle.

Mit wiederholten Wünschen für

Weimar

Ihr Wohlergehen

den 31. März

Goethe.

1812.[314]


22/6289.


An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

[Concept.]

[ 7. April.]

Indem ich zu Ende des Winters, da mich schon das Frühjahr zu meinem gewöhnlichen Ausflug anlockt, meine Briefschulden untersuche und meine Creditoren mir vergegenwärtige, so finde ich dich, mein verehrter Freund, nicht erst darunter, denn es ist mir nie aus dem Sinne gekommen, mit welcher schönen Sendung du mich am Anfang des Jahrs erfreut hast. Es war die ansehnlichste die ich erhalten hatte seit der Zeit, als ich mein gedrucktes Verzeichniß ausgehen ließ, und ich bin dir so oft dafür dankbar, als ich tausend Nummern enthaltende Sammlung mir vor Auge lege. Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu und immer schließen sich mehr Denkmale würdiger Männer an einander. Hier finde ich mit meinen Freunden eine sehr interessante Unterhaltung, wenn der physische, der moralische, der politische Himmel seine Flocken schüttelt.

Nun muß ich auch etwas von unsern Studien sprechen, die dich näher angehen. Unser Professor der Chemie, Döbereiner in Jena, macht seine Sachen sehr gut, er ist jung, thätig, hat viele technische Einsicht und Fertigkeit, so daß er sich auch schon als Oberaufseher unserer Bierpfannen und Brannteweinblasen[315] sehr wacker gezeigt hat. Durch die Fortschritte des Galvanismus ist die Erfahrung selbst zur Theorie geworden und so gehet alles einen sicherern und klaren Gang. Dieser unser Döbereiner sollte das Glück haben dir aufzuwarten, der Herzog hatte ihn nach Sachsen geschickt eine Runkelrübenzucker Fabrik zu besichtigen. Er sollte über Freyberg zurückkehren, allein die großen Wasser ließen ihn nicht dorthin gelangen, welches ihm sehr leid that. Er gedachte übrigens manches mit Herrn Prof. Lampadius zu besprechen, welche Hoffnung ihm denn auch durchs Wasser zu Wasser geworden ist.

Über beyliegende Anfrage das Gazometer betreffend erbitte mir, wenn, wenn es seyn kann, eine baldige Antwort, vor Jubilate trifft sie mich noch hier.

Von mineralogicis und geologicis, für die wir an unserem Herrn Hofmarschall von Ende einen neuen Freund und Liebhaber gewonnen haben, will ich nichts weiter sagen, als daß sie noch immer mit Neigung und Lebhaftigkeit betrieben werden. Bergrath Voigt hat in einem Thonporphyr bey Ilmenau sehr schöne und deutliche Zwillingscrystalle gefunden an Gestalt völlig den bekannten Carlsbadern gleich. So erhält auch Bergrath Lenz immer noch von allen Seiten her gute Beyträge. Aber was ist das alles gegen dein Gebirg, wo alles zu Hause ist das alles gegen dein Gebirg, wo alles zu Hause ist und alles hinströmt![316]


[Beilage.]

[Concept.]

Das Gazometer betreffend.

Im Jahre 1800 gab Herr Hofrath Meyer in Göttingen ein Programm heraus »descriptio machinae ad combustionem Gas vitalis inflammabilis idoneae«. Diese Schrift hat der gegenwärtig hier etablirte Hofmechanikus Körner in Freyberg gesehen, als er dort in der Stuterischen Werkstatt gearbeitet, auch referirt er, daß er nach derselben eine Zeichnung verfertigt habe und sey gedachtes Instrument nach seinem Abgange in gemeldeter Werkstatt verfertigt worden, Herr Professor Lampadius bediene sich desselben bey seinen Vorlesungen. Nun wünschte man zu vernehmen, ob etwa jenes Programm noch vorhanden sey, und ob etwa jenes Programm noch vorhanden sey, und ob man es in dem Falle mitgetheilt erhalten könne; ferner wünschte man einige Nachricht von der Maschine selbst, ob und wieferne sie brauchbar, nicht weniger, was sie etwa gekostet? Fände sich das Programm nicht, so würde man die Mittheilung einer Zeichnung dankbar erkennen. Die neuesten Apparate dieser Art sind sehr groß und kostspielig, weswegen man einen compendiöseren anzuschaffen wünscht.


22/6290.


An Johann Friedrich Rochlitz

Da mich das herannahende Frühjahr wahrscheinlich bald von Weimar weg und nach Böhmen locken[317] wird, so will ich nicht versäumen Ew. Wohlgeb. nochmals zu schreiben, und mich Ihrem Andenken bestens zu empfehlen.

Das mitgetheilte Blatt über meine Farbenlehre folgt hierbey mit vielem Dank zurück, nur Schade, daß es nicht mehrere waren. Gerade diese Art von unschuldigen augenblicklichen Äußerungen sind mir unendlich werth und besonders hier, wo ich mich mit Vergnügen sehe, wie eine Sache, mit der ich mich so viele Jahre beschäftigt, auch in dem Gemüthe eines Freundes aufgeht, und sich dasselbe nach und nach zu gewinnen weiß.

Diesen Winter hat mich das Theater sehr von anderen Thätigkeiten abgezogen, ich muß erwarten, ob die Carlsbader Einsamkeit, die ich wenigstens im Monat May hoffen darf, mir Raum giebt, etwas für Poesie, Wissenschaft, oder was es sonst wäre zu thun.

Leben Sie unterdessen recht wohl, und lassen Sie Sich in litterärischen Dingen nichts anfechten; wir haben unsere Kräfte zu nothwendigerem Gebrauch jetzt aufzusparen.

Das Gemäldeverzeichniß habe ich höhern Orts mitgetheilt, und bin nicht ganz ohne Hoffnung einiges Erfolgs, leider genießt man jetzt kaum, was man besitzt, wie sollte man noch mehr zu besitzen wünschen! Sollte sich die Aussicht nach Norden wieder erheitern, so wäre vielleicht dort etwas zu thun.

[318] Mit den Wünschen mich zu freundschaftlichem Andencken empfehlend

W. d. 7. Apr.

Goethe.

1812.


22/6291.


An Caroline von Humboldt

Habe ich auch schon wieder so lange auf Ihren lieben Brief vom 22. Januar geschwiegen, so hätte ich auch meine abermalige Ankunft in Böhmen abwarten können um Ihnen dort aus der Nähe, und vielleicht etwas heiterer, zu schreiben, denn der Schluß des Winters hat nicht zum günstigsten auf mich gewirkt, und ich sehne mich nach jenen erprobten Heilquellen.

Wie angenehm war mir's wieder unmittelbar etwas von Ihnen zu erfahren, denn daß Sie Sich wohl und vergnügt in Wien befinden, habe ich manchmal von reisenden Freunden vernommen. Recht herzlich habe ich Sie früher bedauert, daß Sie nach hartnäckigem Widerstand doch noch endlich das liebe Rom mit dem Rücken haben ansehen müssen. Ich weiß recht gut was das heißt, und nehme aufrichtigen Antheil an jedem, der mit seinem Gepäcke zur Porta del Popolo hinausfährt. Wien mag indessen in manchem Betracht für Sie ein sehr günstiger und angenehmer Aufenthalt seyn.

Zu der im November angesetzten Auction möchte[319] ich wohl eine kleine Fahrt nach Zante machen. Es war ein köstlicher Fund, denn nach aller Beschreibung sind es doch wohl Werke des älteren Styls, wie die Gesichter zeigen. Die höchst reinliche, s ins Kleine gehende Ausführlichkeit der Gewänder und Waffen widerspricht dieser Vermuthung nicht. Übrigens war für die Verbreitung dieser Nachricht schon gesorgt, indem eine Übersetzung derselben sehr bald im Morgenblatt erschien; doch war es mir sehr angenehm Ihrer Gefälligkeit das Original zu verdanken, welches in meinem Kreise sehr wohl aufgenommen wurde.

Diesen Winter habe ich mich viel mit dem Theater beschäftigt; es war um so nöthiger etwas in unserem Inneren zu thun, weil uns von außen wenig Erbauliches zukommt. Ich habe Shakespeare's Romeo und Julie concentrirt und zu einem faßlicheren Ganzen organisirt. Es ist gut gegeben und gut aufgenommen worden. Um ein Calderon'sches Stück, das Leben ein Traum, haben sich Einsiedel und Riemer verdient gemacht; auch diese Vorstellung ist sehr gelungen.

Freund Riemer ist seit kurzem als Professor bey dem hiesigen Gymnasium angestellt. Da er dieser Stelle vollkommen ist, so kann er sie mit Zufriedenheit bekleiden. Ich habe mich ungern von ihm getrennt, indessen mußte das wohl einmal seyn.

Mögen Sie mit Ihrem Herrn Gemahl, dem ich mich tausendmal empfehle, mir einige Worte nach[320] Carlsbad schreiben, so finden sie mich dort Anfangs May. Nur eine kurze Nachricht, daß Sie und die lieben Ihrigen sich wohl befinden, soll mich genugsam erfreuen. Könnten Sie mir doch auch etwas Gutes von dem Gesundheitszustande der Frau von Eybenberg sagen, der mir sehr zu Herzen geht.

Mich Ihrem lieben Herzen treulich und freundlich empfehlend

Weimar

Goethe.

d. 7. April 1812.


22/6262.


An Carl Ludwig von Knebel

Auf deinen lieben Brief will ich sogleich etwas erwiedern und wünschte wohl, denn es ist mir in der letzten Zeit gar manches vorgekommen, das ich wohl mittheilen möchte.

Daß es mit Jacobi so enden werde und müsse, habe ich lange unter seinem bornirten und doch immerfort regen Wesen selbst, genugsam gelitten. Wem es nicht zu Kopfe will, daß Geist und Materie, Seele und Körper, Gedanke und Ausdehnung, oder (wie ein neuerer Franzos sich genialisch ausdrückt) Wille und Bewegung die nothwendigen Doppelingredienzien des Universums waren, sind und seyn werden, die beyde gleiche Rechte für sich fordern und deswegen beyde zusammen wohl als[321] Stellvertreter Gottes angesehen werden können – wer zu dieser Vorstellung sich nicht erheben kann, der hätte das Denken längst aufgegeben, und auf gemeinen Weltklatsch seine Tage verwenden sollen.

Wer ferner nicht dahin gekommen ist, einzusehen, daß wir Menschen einseitig verfahren, und verfahren müssen, daß aber unser einseitiges Verfahren bloß dahin gerichtet seyn soll, von unserer Seite her in die andere Seite einzudringen, ja wo möglich, sie zu durchdringen, und selbst bey unseren Antipoden wieder aufrecht auf unsere Füße gestellt zu Tage zu kommen, der sollte einen so hohen Ton nicht anstimmen. Aber dieser ist leider gerade die Folge von jener Beschränktheit.

Und was das gute Herz, den trefflichen Charakter betrifft, so sage ich nur so viel: wir handeln eigentlich nur gut, insofern wir uns selbst bekannt sind; Dunkelheit über uns läßt uns nicht leicht zu, das Gute recht zu thun, und so ist es eben so viel, als wenn das Gute nicht gut wäre. Der Dünkel aber führt uns gewiß zum Bösen, ja, wenn er unbedingt ist, zum Schlechten, ohne daß man gerade sagen könnte, daß der Mensch, der schlecht handelt schlecht sey.

Ich mag die mysteria iniquitatis nicht aufdecken; wie eben dieser Freund, unter fortdauernden Protestationen von Liebe und Neigung, meine redlichsten Bemühungen ignorirt, retardirt, ihre Wirkung abgestumpft,[322] ja vereitelt hat. Ich habe das so viele Jahre ertragen, denn – Gott ist gerecht! – sagte der persische Gesandte, und jetzo werde ich mich's freylich nicht anfechten lassen, wenn sein graues Haupt mit Jammer in die Grube fährt. Sind doch auch in dem ungöttlichen Buch von göttlichen Dingen recht harte Stellen gegen meine besten Überzeugungen, die ich öffentlich in meinen auf Natur und Kunst sich beziehenden Aufsätzen und Schriften seit vielen Jahren bekenne und zum Leitfaden meines Lebens und Strebens genommen habe – und alsdann kommt noch ein Exemplar im Namen des Verfassers an mich, und was dergleichen Dinge mehr sind.

Übrigens soll im Dank werden, daß er Schellingen aus seiner Burg hervorgenöthigt hat. Für mich ist sein Werk von der größten Bedeutung, weil sich Schelling noch nie so deutlich ausgesprochen hat, und mir gerade jetzt, in meinem augenblicklichen Sinnen und Treiben, sehr viel daran gelegen ist, den statum controversiae zwischen den Natur- und Freiheitsmännern recht deutlich einzusehen, um nach Maaßgabe dieser Einsicht meine Thätigkeit in verschiedenen Fächern fortzusetzen.

Das Übrige in den Beylagen.

W. d. 8. Apr. 1812.

G.[323]


22/6293.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

ersehen aus fol. 36 beygehender Acten gefällig die Veranlassung zu Auszahlung der 28. Rthlr. Ich habe Kirchnern, der die Sache damals besorgt, darüber gesprochen. Dieser sagt, Ew. Excellenz hätten auf sein Ansuchen den Zettel autorisiert, daß er einstweilen aus der Obercammercasse bezahlt würde. Er wolle sich erkundigen, wie es damit stehe, ob er noch in Gewährschaft liege? Im ersten Fall erbäte ich mir das Geld zurück; im zweyten würde der Schein auszulösen seyn. Das Nähere nächstens.

Mich gehorsamst empfehlend

Weimar

den 8. April

Goethe.

1812.


22/6294.


An Carl Friedrich Zelter

So lange habe ich nichts von Ihnen gehört, und nicht zu Ihnen gesprochen, daß ich kaum weiß, wie ich meine Rede wieder anknüpfen soll. Damit jedoch das Schweigen nicht noch verstockter werde, will ich es aus dem Stegreife unterbrechen und mit Wenigem Gelegenheit geben zu neuer Unterhaltung.

[324] Meine kleine musicalische Anstalt war diesen Winter gleichfalls unterbrochen, und so habe ich auch weniger als sonst mit Ihnen eine heitere, geistige Gemeinschaft gehabt. Mit dem Theater habe ich mich viel beschäftigt und einen concentrirten Romeo auf die Bühne gebracht. Sie werden das Stück wahrscheinlich bald in Berlin sehen; nehmen Sie davon Anlaß, mir ein Wort zu sagen, wie Sie es finden, wie es Andere gefunden, und wie es gespielt worden. Ich höre gern, wenn Sie von der Leber referiren und urtheilen.

An dem 2. Bande meines biographischen Versuchs habe ich mehr durch Denken und Erinnern gearbeitet, als daß ich viel zu Papier gebracht hätte, komme ich nach Carlsbad, so wird es wohl rascher gehen. Dieser Band ist seinem Inhalte nach nicht mehr der günstigste, man muß erst durch ein Thal durch ehe man wieder eine günstige und fröhliche Höhe erreicht; unterdessen wollen wir doch sehen, wie wir es mit unseren Freunden, Herr von Einsiedel und Riemer, haben sich auch ein Stück Calderon, das Leben ein Traum übersetzt und bearbeitet. Unsere Schauspieler haben es bey der Aufführung, und ich mit den technischen Theatergeistern beym Arrangement an Fleiß und Aufmerksamkeit nicht fehlen lassen, dadurch denn ein gutes und dauerhaftes Stück gewonnen worden.

[325] Freund Riemer ist seit Ostern bey dem hiesigen Gymnasium als Professor angestellt; so ungern ich ihn verliere, so freut mich's doch, ihn thätig zu wissen und zwar auf eine, seinen Kräften und Talenten angemessene Weise. Ja, er vermag weit mehr als hier von ihm gefordert wird, und so kann es ihm an Behaglichkeit in seinen Geschäften nicht fehlen.

Weiteres müßte ich nicht viel zu sagen, als daß ich gegen Ende des Monats nach Carlsbad zu gehen denke; wollen Sie daher, wie ich wünsche, mir noch etwas von Sich vernehmen lassen, so thun Sie es bald, wenn mich Ihr Schreiben noch hier finden soll. Sagen Sie mir wie es um Ihrem Thun und Lassen, und wie es um Ihre nächsten Umgebungen steht.

Tausend Grüße und Wünsche.

W. d. 8. Apr.

1812.

G.


22/6295.


An Friedrich Schlegel

[Concept.]

[etwa 8. April]

Sie haben mich, mein Werthester, schon vor einiger Zeit eingeladen, an einem neuen Journale Theil zu nehmen, und nun erhalte ich das Januar- und März-Stück des Deutschen Museums, für deren Übersendung ich zum schönsten danke. Sie verzeihen mir aber gewiß, wenn ich mich wenigstens für den Anfang, nicht thätig erweise. Ich mag wohl gerne in der Zeit[326] leben, weiß es aber nicht recht anzugreifen, wenn ich mit ihr leben soll, daher finden Sie mich auch selten oder gar nicht in solchen Schriften auftreten, die der Gegenwart gewidmet sind. Lassen Sie mich indessen Ihre Hefte mit Aufmerksamkeit lesen, vielleicht wird irgend etwas dadurch bey mir aufgeregt. Sammlungen wie die Ihrige haben das Verdienst, daß sie manches zu Tage bringen, was sonst verborgen geblieben wäre, wie denn z.B. die Aufsätze Ihres Herrn Bruders, Adam Müllers, von Pfuels, viel Interesse für mich gehabt haben. Auch danke ich Ihnen, daß Sie Sich haben wollen der guten Natur, in deren Dienste wir Anderen nicht ohne Gott zu seyn glauben, freundlich annehmen. Ich kann den letzten Schritt unseres lieben Jacobi mir gar wohl aus seinem Character und seinen Gesinnungen erklären. die ich so lange kenne; allein es muß dieses Unternehmen einen jeden, der ihm wohl will, betrüben, weil es für ihn von den schlimmsten Folgen seyn kann.

Etwas über unser Theater zu sagen zu lassen, würde sehr schwer fallen. Wir gehen immer auf die alte Weise fort, die Sie aus vorigen Zeiten selbst kennen, wir sagen niemals voraus, was wir thun wollen, und dann merken wir auf, wie das Publicum dasjenige empfängt was wir geben: gelingt's, so gehen wir einen Schritt weiter. Für den standhaften Prinz war vieler Enthusiasmus rege geworden, nun sind wir mit einem anderen Stück des[327] Calderon, das Leben ein Traum, hervorgetreten, welches gleichfalls vielen Beyfall erhalten, ja sogar einen kleinen Streit erregt hat, welches von beyden Stücken das vorzüglichste sey? Romeo und Julie von Shakespeare habe ich concentrirt und alles, was nicht zur Haupthandlung gehört, entfernt. Auch dieses Stück hat eine gute Aufnahme gefunden.

Über die neueste bildende Kunst ließe sich vielleicht am ersten einiges mittheilen. Dresden liegt in unserer Nähe, wir sind nicht unbekannt mit dem, was dort geschieht, und dieses verdient wohl, daß man gutes davon sage. Sowohl auf diesem, als auch auf manchem anderen Wege, wünschte ich Ihnen nützlich seyn zu können, um so sehr als die R. R. Akademie der vereingten bildenden Künste mir die Ehre erzeigt hat, mich unter ihre Glieder aufzunehmen. Mögen Sie mich des Herrn Grafen von Metternich Excell. gelegentlich gehorsamst empfehlen.

Im May findet mich ein Brief von Ihnen wohl in Carlsbad.


22/6296.


An die Königl. SächsischeStift-Merseburgische Regierung

[Concept.]

Hochwohlgeborne und Wohlgeborene

Höchst- und Hochzuverehrende Herren.

Nach Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. geäußerten Wunsche haben wir sogleich, nach dem Empfang Hochdero[328] verehrlichen Schreibens, die Angelegenheit nochmals in Überlegung gezogen und von allen Seiten betrachtet, und es sey uns erlaubt, unser Verhältniß zuvörderst mit Offenheit darzustellen und zur Erwägung anheim zu geben.

Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. sind seit mehreren Jahren selbst Zeuge gewesen, welche Schwierigkeit es habe, wenn auch nur an einem Orte die meisten Tage der Woche ein interessantes Schauspiel geleitet werden soll. Bey der sichersten Einrichtung und dem besten Willen sieht man sich öfter in dem Fallen, statt einem vorzüglicheren Stück ein geringes Stück zu geben und dadurch, zu eigenem Leidwesen, bey dem Publicum eine verdrießliche Stimmung zu erregen. Das Unangenehme dieser Lage vermehrt sich mit jeder neuen Bedingung, wenn jeden Tag der Woche, oder gar an zwey Orten zu spielen wäre. Nimmt man an, daß in solchem Falle bey dem Hin- und Wiederreisen der Schauspieler so manche unangenehme Zufälligkeit eintreten kann, so läßt sich die Möglichkeit wohl einsehen, wie man, anstatt ein doppeltes Publicum zu befriedigen, keinem von beyden genug thun werde, wobey man durch Transport, Zuschüsse und Entschädigungen sich noch überdies in pecuniären Schaden versetzt sehen könnte.

Als wir nun, in Betracht früherer Verhältnisse eine solche Gefahr und Beschwerde zu übernehmen nicht ungeeignet waren, durften wir hoffen und erwarten[329] daß ein solches Anerbieten mit vorzüglichen Begünstigungen möchte erwiedert werden.

Die im Gegentheil aufgeregten, mehr auf glückliche Zeiten passenden Bedingungen mußten uns, nicht sowohl auf unseren Vortheil, als auf die schwere von uns zu übernehmende Pflicht aufmerksam machen, da uns denn gar nicht entgehen konnte, daß eine Vermehrung unseres Personals nöthig seyn würde, wenn wir sowohl Halle, als Lauchstädt befriedigen und mit Ehre an beyden Orten bestehen wollten. Dieses setzt aber eine Aussicht auf längere Zeit, und bey so vielen Schwierigkeiten eine geneigte Bey- und Nachhülfe voraus.

Sollte man aber wegen der Spieltage selbst an beyden Orten gebunden und an dem einen nur auf einen Sommer gleichsam zum Versuche aufgenommen seyn, so würde sich bey einer sehr unbequemen Gegenwart keine Einrichtung für die Zukunft lassen. In diesen Betrachtungen werden Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. uns gewiß nicht verargen, wenn wir den Antrag in Lauchstädt auf bemerkte Weise diesen Sommer eine Anzahl Vorstellungen geben, geziemend ablehnen. Wir glauben dieses um so eher thun zu dürfen, als sich Lauchstädt, wie die Sache gegenwärtig liegt, in dem besonderen Vortheil befindet, ein geräumiges Schauspielhaus bey sich errichtet zu seyen, welches von einer jeden antretenden Schauspielgesellschaft, mit der wir wegen des Locariums billigmäßige[330] Abfindung zu treffen geneigt sind, sogleich genutzt werden kann; so wie es denn auch nicht fehlen dürfte, eine solche Gesellschaft zu deren Aufnahme Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. schon allergnädigst autorisirt sind, aufzufinden, und zur völligen Zufriedenheit der Badegäste und der Nachbarschaft daselbst auftreten zu lassen.

Wir werden nicht verfehlen, zu Entrichtung der Realgaben, als des Canons an 5 Rthlrn., ingleichen der Baubegnadigungsgelder an 2 rh. 12 gr. so wie der Brand-Affecurationscasse-Gelder vom Hause den nöthigen Befehl zu ertheilen, dahingegen alles übrige, was wegen der Vorstellungen, als der Beytrag zu dem Lauchstädter Brunnen-Armeninstitute, und was sonst zeither entrichtet worden ist, wohl von der neuauftretenden Gesellschaft zu leisten seyn wird.

Wir können das Gegenwärtige nicht schließen ohne die Versicherung, daß es uns unendlich leid thut, nicht Hochdero Willen in allem befriedigen zu können. Wie wir denn unsern lebhaften Dank für die bisher erzeigte Geneigtheit abermals auszusprechen nicht verfehlen und die Bitte hinzufügen, uns dieselbe auch in der Folge, da wir uns wegen des, mit vieler Anstrengung erbauten Schauspieles immer als jenem Lande verbunden und verpflichtet ansehen, zu erhalten. Es geschieht dieses mit desto größerer Zuversicht, als Hochdieselben durch die Äußerung, daß mit einer neuen Gesellschaft nur auf einige Jahre contrahirt werden[331] solle, uns die Aussicht offen lassen, an den geliebten und gewohnten Ort wieder zurückzukehren und die verehrten und geschätzten Verhältnisse wieder anzuknüpfen.

Die wir indessen Denenselben angenehm zu dienen bereit und geflissen beharren.

Sig. Weimar den 9. April 1812.

Commissio.


22/6297.


An Johann Heinrich Meyer

Können Sie vielleicht, lieber Freund. in diesen Tagen die Angelegenheit der Dlle Seidler wegen des Gemäldes beendigen und des Geldes habhaft werden? Das gute Mädchen geht nach Dresden, und es wäre ihr wohl zu gönnen, daß sie diese Baarschaft mitnehmen könnte.

Noch ein anders Anliegen könnte ich vielleicht durch Sie erledigt sehen. Die Hoheit hat den zweyten Theil der Lettres de la Marquise du Deffand wohl schon 14 Tage von mir, wahrscheinlich haben sich die Damen dessen bemächtigt und nun zirkulirt er. Ich muß dieses Werk dem Französischen Gesandten wiedergeben; könnten Sie es nicht loskriegen? Verzeihung!

Weimar

den 14. April

1812.

G.[332]


22/6297a.


An Leopold Kruse

[Concept.]

[Weimar, Mitte April 1812?]

Ew. Wohlgebornen

erlauben, daß ich Sie um eine kleine Gefälligkeit ersuche. In dem vorigen Jahre bat ich des Herrn Geheimenrath v. Voigt Excellenz mir bey Antritt des neuen Jahres auf mein bey der Bergwerks-Casse stehendes Capital von 1000 Thalern, auf welches ich schon früher (den 17. Aug. 1811) eine Zahlung von 4000 Thalern erhalten hatte, abermals 400 rh. abschläglich gefällig auszahlen zu lassen; auch habe ich, im Januar, 400 rh. erhalten, allein abschläglich auf ein Capital, welches ich bey der Herzogl. Ober-Cammer-Casse stehen habe. Da ich nun nicht gern beyde Capitalien entamiren möchte, so habe ich gebeten, durch eine schickliche Versur diese 400 rh. als eine auf mein bey der Bergwerks-Casse stehendes Capital erhaltene Abschlagszahlung notiren zu lassen. Sr. Excellenz haben mir das auch versprochen. Ob es geschehen, ist mir nicht bewußt; Ew. Wohlgeboren werden darüber am ersten gefällige Auskunft geben können. Wäre es noch nicht geschehen, wie es bey den überhäuften Geschäften Sr. Excellenz leicht in Vergessenheit gerathen konnte; so wollte ich bitten, daß sich Dieselben dafür interessiren, und einleiteten daß es bewirkt würde. Ich hätte alsdann auf dieses Capital, welches aus 1000 rh.[37] bestand, 800 rh. abschlänglich erhalten und es würde mir eine Gefälligkeit geschehen, wenn ich zu Johannis, oder wenigstens zu Michael, die übrigen 200 rh. noch erheben könnte.

Sodann bleibe mir noch ein kleineres Capital von 200 rh. auf eine besondere Obligation, bey gedachter Bergwerks-Casse stehen, für diese Bemühung werde Ew. Wohlgeboren mit besonderem Dank verpflichtet bleiben.[38]


22/6298.


An Christian Gottlob Voigt

Mit nochmaligen Dank für den gestrigen gefälligen Besuch sende hierbey das mundum zurück. Das exhibitum und das Concept des Communicats habe zu den Acten genommen.

Die französischen Tableaux, welche freylich nicht die erfreulichen Bilder sind, erbitte mir noch auf einige Tage zu näherer Betrachtung.

Ich erbitte mir die Erlaubniß von Jena aus über unsere Museumsangelegenheiten manches zu melden, und einige Vorschläge für diesen Sommer zu thun.

Indessen mich gehorsamst und angelegentlichst empfehlend

Weimar den 16. April 1812

Goethe.


22/6299.


An Carl Friedrich Zelter

Als ich meinen Brief weggeschickt hatte. fühlte ich mich recht verdrüßlich, denn es war mir bey dieser Gelegenheit lebhaft geworden, was wir einander sind und seyn können; und nun schweigen wir auf die leichtsinnigste Weise eine ganze Zeit lang, eben als wenn wir tausend Jahre alt werden wollten und tausend gleiche Verhältnisse in der Welt gefunden[333] hätten. Durch diese Betrachtungen bewegt nahm ich mir vor, Ihnen eine kleine Arbeit des vergangenen Jahrs zu senden, damit doch wieder etwas ordentliches zwischen uns zur Sprache käme.

Die Cantate oder Scene, wenn Sie wollen, arbeite ich für den Prinz Friedrich von Gotha, der etwas dergleichen zu haben wünschte, um seine hübsche und gebildete Tenor-Stimme zu produciren.

Capellmeister Winter in München hat das Werk sehr glücklich componirt, mit viel Geist, Geschmack und Leichtigkeit, so daß des Prinzen Talent in seinem besten Lichte erscheint. Nun behält er aber die Partitur für sich, welches ich ihm nicht verdenke. Aber warum sollte ich Ihnen das Gedicht nicht mittheilen, um wieder einiges Leben in unsere Unterhaltung zu bringen. – Leben Sie recht wohl und fahren fort mich zu lieben.

Weimar

den 17. April

G.

1812.


22/6300.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[Concept.]

[17. April]

Wohlgeborner

Insonders hochgeehrtester Herr.

Ew. Wohlgeb. verfehle nicht sogleich anzuzeigen, daß sowohl Papier als Geld glücklich angekommen.[334] Auch hier ist das Gold in der letzten Zeit sehr gestiegen, so daß ich bey den Ducaten sowohl, als den Louisd'ors eher gewinne als verliere. In Carlsbad werden diese Sorten nicht weniger angenehm seyn und ich habe also auf jede Weise für Ihre gütige Vorsorge zu danken.

Das große Buch werde ich mit Erlaubniß noch einige Zeit behalten. Es kommt freylich mehrmals vor, daß ich mich in demselben wegen irgend einer Epoche Raths erholen kann.

Empfehlen Sie mich Ihrem Herrn Bruder vielmals wenn er zurückkommt; vielleicht macht er uns auf den Herbst das Vergnügen uns zu besuchen, es wäre nicht schön, denn ich hoffe zu der Zeit Herrn Boisserée hier zu sehen. Sie mein werthester, darf man wohl bey Ihren vielen und zusammenhängenden Geschäften nicht einladen.

Da ich bald nach Carlsbad zu gehen gedenke, so haben Sie die Gefälligkeit, wenn irgend etwas vorkommen sollte, meinem Sohne davon Nachricht zu geben, welcher diesen Sommer in Weimar bleiben wird.


22/6301.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeb.

theile eine kleine Tragödie mit, die viel Verdienst hat und, wohl gespielt, auf unserem Theater ihren Effect nicht verfehlen dürfte. Was sagen Sie dazu?[335] Ich sollte denken, daß mit Veränderung einiger Stellen das Ganze wohl ohne Verletzung unserer Gäste aufgerührt werden könnte. Ich wünschte es freylich sehr, weil Theaterstücke von dieser Brauchbarkeit gegenwärtig sehr selten sind. Vielleicht sprechen Sie Sonntag früh bey mir ein, da sich das Nähere besprechen läßt.

Mich bestens und schönstens empfehlend

Weimar

den 17. April

Goethe.

1812.


22/6302.


An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

Da ich mit Beschämung gestehe, daß es bey mir immer einer äußeren Anregung bedarf, wenn ich mich zu meinen lieben entfernten Freunden wenden soll; so will ich auch gegenwärtig ganz ohne Scheu diesen Brief mit einer Empfehlung anfangen.

Meister Henniger von hier, ein sehr geschickter Kupferschmied, der sein Talent schon einmal in Wien producirt, geht abermals dahin, und verlangt von mir ein gutes Zeugniß. Bey wem könnte ich dieses Besser niederlegen, als bey Ihnen, verehrter Freund, der Sie jedes Verdienst zu schätzen wissen, uns so gefällig als einsichtig sind.

Da dieser Mann nur gekannt zu seyn wünscht, so wird er, denk' ich keineswegs lästig seyn. Ich[336] gebe ihm diesen Brief um so lieber mit, als ich im Begriff bin mich Ihnen zu nähern. Anfangs May trifft mich ein Wort von Ihnen in Carlsbad bey den drey Mohren.

Ich hoffe, Ihre Frau Gemahlinn, der ich mich bestens empfehle, hat einen Brief vom 5. dieses Monats richtig erhalten. Prof. Riemer, der sich Ihrem Andenken gleichfalls empfohlen wünscht, befindet sich munter und thätig in seinem, freylich etwas beschwerlichen Lehramte. Die große Nöthigung, sich selbst von allem Rechenschaft zu geben, da er anderen Rechenschaft geben soll, wird ihn nach einigen Jahren sehr weit gebracht haben. Erhalten Sie mir auch fern und schweigend Ihre Neigung und Freundschaft.

den 19. April 1812.


22/6303.


An Friedrich Christoph Perthes

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

haben von Zeit zu Zeit irgend eine Gelegenheit ergriffen, um mich von Ihrem fortdauernden Andenken zu überzeugen; erlauben Sie, daß ich gegenwärtig Sie auch wieder einmal des meinigen versichre.

Der Überbringer dieses, Namens Gauby, ein Catalonier, wird Ihnen seine Geschichte selbst erzählen; er hat sich in Spanien zu unseren Truppen gesellt, man hat ihn lieb gewonnen, und er ist mit ihnen[337] herausgekommen. Auch hier am Orte hat man sich für ihn interessirt, und bey seiner guten Art ist es wahrscheinlich! daß er in der militärischen Carriere nicht dahinten bleiben wird. Können Sie, ohne Ihre Unbequemlichkeit, etwas für ihn thun, damit er sich nicht auf den Umgang seiner Cameraden ganz beschränkt finde, so werden Sie ein gutes Werk thun, und mir eine Gefälligkeit erzeigen. Der Nationen gehen jetzt in der Welt so durch einander, daß man ein Kosmopolit wird, ohne seine Wohnung zu verlassen.

Leben Sie recht wohl und bleiben meines Antheils versichert. Möchten Sie wohl Herrn Runge von mir zum schönsten grüßen; seinen Bruder vermisse ich sehr ungern unter den Lebendigen. Mit aufrichtiger Hochachtung.

Weimar den 19. April

1812.


22/6304.


An den Prinzen Friedrich von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herr,

gnädigster Herr,

Ew. Durchl. erhalten hierbey, später als ich gewünscht hätte, das verlangte Schauspiel und geruhen aus der Beylage das nähere Verhältniss zu ersehen.

Das Stück ist nicht von Contessa, sondern von Kotzebue[338] und wir durften es ohne die Beystimmung der Mutter und ohne ein zwar bedingtes Versprechen eines Honorars nicht weggeben.

Morgen gehe ich nach Jena und von da bald weiter nach Osten. Warum liegen die Heilquellen deren ich bedarf, nicht in Westen! damit ich das Glück haben könnte Ew. Durchl. mündlich zu versichern wie unschätzbar mir Ihre Gunst und Gnade sey; erhalten Sie solche auch fernerhin dem, der sich in lebenswieriger Verehrung unterzeichnet

Ew. Durchl.

Weimar d. 20. Apr.

unterthänigsten Diener

1812.

J. W. v. Goethe.


22/6305.


An Carl Ludwig von Knebel

Laß mich, werthester, eine kleine Frage thun! Hast du schon von der W. Regierung die Expedition wegen des Stipendiums erhalten? Und hast du etwa dem Herzog und Herrn Geh. R. Voigt ein Wörtchen Danckes zuschrieben ? Ich möchte es gerne wissen, weil ich, wegen des Manuscriptes dem der Buchhandel nichts günstiges verspricht, wenigstens nicht im Augenblicke, von hier aus noch einen Versuch machen wollte. Den schönsten guten Morgen!

[Jena] d. 21. Apr.

G.[339]


22/6306.


An Franz Kirms

Hierbey sende ich verschiedenes, was für den Augenblick das nothwendigste ist.

1) Das Schauspiel Toni. Ich habe in das Stück verschiedene Anmerkungen gelegt, welche Herr Genast beherzigen wird. Sie werden daraus ersehen, daß wir, wenn das Stück, das sich gewiß auf dem Theater erhält, die vollkommene Wirkung thun soll, etwas an die Decorationen wenden müssen. Ich wünschte daher, daß Sie mir Heidloffen Donnerstag bey Zeiten herüberschickten. Er soll die Maaße des Theaters mitbringen. Eigentlich bedarf es nur einen durchbrochenen Vorhang, allein die Hauptsache ist verschiedenes, was auf Papier gemalt werden muß, um durch einen schicklichen Hausrath unsere Bauernstuben und Gemäuer in westindische Wohnungen umzuschaffen. Heidloff soll mitbringen, was er zum Aufreißen, Zeichnen und Illuminiren braucht. Papier findet er hier.

2) Die erneuerten und erweiterten Strafgesetze in einem reinen Concept. Ich habe dabey die älteren, so wie Herrn Genasts Anmerkungen zum Grunde gelegt. Dieses Blatt lege ich zur Vergleichung auch hier bey. Sollte noch etwas hinzufügen seyn, so werden Sie die Güte haben es zu thun. Das mundum wünsche ich Sonnabends zurück. Die Meinigen,[340] die herüberfahren, können mir es mitbringen, sonst auch die Boten.

3) Dagegen wünschte ich das Verzeichniß, was für Stücke man in Halle zu geben gedenkt? und Ihr Sentiment, was deshalb etwa anzuordnen seyn möchte; besonders wollte ich empfohlen haben, daß Sonntags Opern und große Schauspiele abwechselnd gegeben würden.

4) Das Stück Toni sowohl, als die Sühne wird Herrn Geheimderegierungsrath v. Müller zugestellt, so wie alle Stücke, die in meiner Abwesenheit gespielt werden, und noch nicht von Ihm vidirt sind.

Mich schönstens empfehlend

Jena d. 21. Apr.

1812.

G.[341]


22/6307.


An Christian Gottlob Voigt

Gefällig zu gedenken.

1) Herr Hofrath Meyer wird Ew. Excellenz wohl schon eröffnet haben, daß Ihro Hoheit die kleine Münzsammlung, welche auf der Jenaischen Bibliothek befindlich ist, in Weimar zu sehen und auf kurze Zeit zu studiren wünscht. Ew. Excellenz wollten mir wohl deshalb die nöthige Einleitung [ertheilen]. Ich wünsche nichts mehr, als diese vortreffliche Dame in einer Liebhaberey zu bestärken, die so viel Nutzen und Vergnügen gewährt, und welche jenes Geschäft, wovon wir neulich sprachen, sehr erleichtern müßte.

2) Jene 28 rh. für Glaswaaren sind wirklich zuviel gezahlt worden, denn die Zeddel vom July 1811, nemlich

für die Gläser27 rh.14 Gr.

für Fracht 1 10 –

29 rh. - Gr.

sind der Museumscasse zugerechnet worden. Wollen also Ew. Excellenz die erhaltenen 28 rh. wieder zurücksenden, so würden Sie Ihre ausgestellte Quittung wieder erhalten. Verzeihen Sie diesen Verstoß meiner Ordnungsliebe, ich fand diesen Punkt noch als unex pedirt aufgezeichnet, da ich manches in's Reine zu bringen gedachte.

3) Beyliegendes gehorsamstes Pro Memoria bitte mit günstigen Augen zu betrachten; man kann es[163] niemals ganz aufgeben Freunden helfen zu wollen, besonders in Fällen von so geringer Bedeutung. Wir könnten die kleine Summe von Auctionsgeldern nehmen die wir noch der Weimarischen Bibliothek schuldig sind. Vielleicht halten es Ew. Excellenz für nöthig und schicklich Serenissimo ein Wort davon zu sagen.

Wegen des Stipendiums ist noch keine legale Notiz herübergekommen, sonst würde der schuldige Dank auch schon erfolgt seyn.

4) Können Ew. Excellenz die Differenz zwischen Kühn und Hagen baldigst beseitigen, so würde es eine Wohlthat für den Ersteren seyn. Hagen hat die 2 Quartale Weihnachten und Ostern zurückbehalten welche zusammen schon 1034 rh. betragen. Es ist wunderlich, aber freylich nicht anders in der Welt, daß brauchbare Menschen die Gewalt mißbrauchen, die ihnen ihr Verdienst giebt.

5) Wegen eines dem botanischen Garten zugehörigen Zubringers lege ich ein besonderes Promemoria bey zur Bequemlichkeit, wenn Ew. Excellenz deshalb Erkundigung einziehen wollen. Verzeihen Sie, aber es ist billig und hergebracht daß man für sein besonders da man von den übrigen Specialgeschäftsträgern auch keine Hülfe zu erwarten hat.

Jena d. 21 Apr. 1812.

Goethe.[164]


[Beilage I.]

[Concept.]

Gehorsamstes Promemoria.

Herr Major von Knebel arbeitet schon seit langer Zeit an einer Übersetzung des Lukrez, sie ist nun abgeschlossen und liegt in einem saubern Manuscripte da. Dieses Werk wäre noch vor einigen Jahren im Buchhandel 5 bis 600 rh. werth gewesen; nun aber fallen alle Preise und er müßte es gegenwärtig um einen viel geringeren Preis losschlagen.

Das Manuscript liegt zu gefälliger Einsicht auf der Weimarischen Bibliotheck.

Da ich nun dem guten wackern Freund welcher die neuliche Vorsorge für seinen Sohn mit dem lebhaftesten Danck erkennt, auch von dieser Seite geholfen wünschte (denn wer bedarf jetzt nicht in oeconomicis[342] einiger Nachhülfe); so wollte ich folgenden unmaßgeblichen Vorschlag thun.

Man nähme dieses in mehr als einem Sinne preiswürdige Manuscript zu herzoglicher Bibliothek und zahlte dem Verfasser dafür 200 rh. mit der Bedingung daß wenn zu gelegner Zeit dieses Werck an einen Buchhändler vortheilhaft verkauft werden könnte, Herzogl. Bibliotheck daselbe, gegen Erstattung der 200 rh. wieder herausgeben wolle, sich sonst aber zu keiner Nachzahlung verpflichte. Mir scheint hierbey keine Gefahr, weil ich selbst Aussicht habe das Werck zu 300 rh. anzubringen.

s. m.

Jena d. 21 Apr.

G.

1812.


[Beilage II.]

Einen

Zubringer

betreffend.

Gefällig zu gedenken.

Vor mehreren Jahren, bald nach der Anlage des neuen botanischen Institutes, kam die Bemühung zur Sprache, welche nöthig war, um das Wasser von dem unteren und entfernten Theil des Gartens in den großen Raum umher und auf die Terrassen zu bringen. Es war deshalb beschlossen, einen kleinen Zubringer anzuschaffen, ein Pumphäuschen zu errichten, die Röhren zu legen, um so das nöthige Wasser mit[343] weniger Mühe überall zu vertheilen. Der Zubringer ward angeschafft und kostete 75 rh.

Wie es aber zu gehen pflegt, da jede Sprache zwey Seiten hat und gegen jede neue Einrichtung etwas einzuwenden ist, weil man die alte entweder ganz, oder zum Theil aufopfern muß, so fand auch dieses löbliche Unternehmen besonders Widerstand bey den Untergebenen, die wie gewöhnlich auf Ihrem alten Wege fortzuschlendern Luft hatten. Der damalige Director zeigte keinen Eifer, und die Sache unterblieb.

Der Zubringer stand lange in dem Erdgeschoß des Schlosses bis Durchlaucht der Herzog, ich weiß nicht zu welchem Gebrauch, nach einer solchen Maschine fragten, und sie, da ich sie anbot, zu vergüten zusagten.

Sie wurde nach Weimar gebracht und stand lange in dem Herzogl. Badezimmer oder in der Nähe desselben; da sie jedoch nicht gebraucht wurde, gelangte sie an die Feuerinspection, von welcher ich sie mehrmals reclamirt habe, ohne zu meinem Zweck zu gelangen. Der Castellan Kirchner ist von der ganzen Sache unterrichtet; vielleicht gäb ein entschiedener Auftrag von Ew. Excellenz der Sache eine gute Wendung. Es wird eine solche Maschine im botanischen Garten immer nützlich seyn, und auch wohl noch für einen mäßigen Preis verkauft werden können.

Gehorsamst um Verzeihung bittend

Jena den 21. April 1812.

Goethe.[344]


22/6308.


An Christian Gottfried Körner

Nachdem so manches Liebe und Gute, verehrter Freund, mir von Ihnen zugekommen, haben Sie durch die letzte Sendung eine ganz besondere Freude gemacht. Die beyden Stücke Ihres lieben Sohns zeugen von einem entschiedenen Talente, das aus einer glücklichen Jugendfülle mit Leichtigkeit und Freyheit, sehr gute und angenehme Sachen hervorbringt. Diese Stücke waren mir besonders in dem gegenwärtigen Augenblicke höchst erwünscht: denn nachdem wir ein herrliches Stück von Calderon, das Leben ein Traum, glücklich aufgeführt, so waren wir im Begriff auf den Sandbänken der neuesten dramatischen Litteratur zu stranden; durch diese freundliche Beyhülfe sind wir aber auch fürs Frühjahr flott.

Wir können die zwey Stücke besetzen, ohne daß ein Schauspieler in beyden vorkommt, wodurch sie zu gleicher Zeit eingelernt werden könne und jedes für sich wieder besonders abgerundet werden kann. Es freut mich, daß eben jene Heiterkeit der Jugend weder Gift noch Galle in diesen Productionen aufkommen läßt, sondern die Gegenstände so behandelt, als wenn sie in der moralischen und ästhetischen Welt abgeschlossen wären, ohne mit der politischen in Verbindung zu stehen.

[345] In der Angabe der Decorationen war ein Irrthum geschehen. Die beyden Zimmer nämlich waren nicht deutlich genug von einander gesondert. Ich sende daher die Angabe der Decorationen nach dem Sinne des Stücks; Sie werden die Güte haben solche mit der zurückhaltenden Abschrift zu vergleichen. Auch habe ich in der ersten Scene eine offene Halle an Hoango's Haus mit Durchsicht auf den Hof und das Thor angegeben, wo man die Geräthschaften jener industriosen Gegend, bedeutend und geschmackvoll vertheilen kann. Thüre und Fenster des Hauses gehen in diese Halle. Hiedurch wird der Anstoß gehoben den man daran nehmen könnte, daß acht bedeutende Scenen, bey dem gräßlichen Gewitter, unter freyem Himmel hervorgehen. Ich lasse eine Zeichnung nach meiner Angabe so eben verfertigen und sende Ihnen nächstens eine Copie.

Sonst hätte ich nichts an beyden Stücken zu erinnern, einige wenige Stellen, die unseren Gästen auffallen könnten, habe ich weggelöscht.

Ich billige es sehr, daß Ihr lieber Sohn kleinere Stücke macht, und Gegenstände wählt, die sich in wenigen Personen aussprechen. Die Breite giebt sich ohnehin nach und nach und macht nicht so unendliche faux-frais, als wenn man aus der Breite in die Enge gehen will; was hat sich nicht Schiller für Schaden gethan, als er so vaste Conceptionen dramatisch und theatralisch behandeln wollte. Seine meisten[346] Stücke, wie sie zusammengeschnitten werden mußten, sehen jetzt rapsodisch aus und die kostbaren Einzelnheiten, die nur schroff neben einander stehen, machen uns zwar immer erstaunen, aber sie verfehlen den reinen ästhetischen Effeckt. der nur aus dem Gefühl des Ganzen entspringt.

Wenn Sie mir etwas von des jungen Mannes Lustspielen schicken wollen, wird es mir sehr angenehm seyn damit ich ihn auch von dieser Seite kennen lerne. Ich wünsche daß er seine Gegenstände immer so richtig greife, wie in den beyden vorliegenden Stücken.

Was die Verse betrifft, so haben auch diese eine erwünschte Facilität und Klarheit; dabey mag der liebe junge Dichter ja festhalten und nicht künsteln. Nirgends ist die Pedanterey, und also die rhythmische, weniger am Platze, als auf dem Theater. da verlangt man unmittelbare Wirkung, und also die größeste Deutlichkeit.

Hat er aber ein Stück fertig und will sich selbst ein wenig controlliren, so suche er allen hiatus wegzubringen, so wie im Jambus die kurzen Sylben an den langen Stellen.

Da er, wie ich aus seinen kleinen Gedichten weiß, die lyrischen Sylbenmaaße in seiner Gewalt hat, so bringe er sie, wir er auch hier gethan, ins rhythmische Drama: er mache sich jene Sylbenmaaße zu eigen, die in Schlegels Calderon und in Werners Stücken Vorkommen, und bediene sich deren nach seinem Gefühl,[347] so wird er sie gewiß an die rechte Stelle setzen.

Verzeihen Sie, daß ich gewissermaßen nur vom Technischen spreche, dieß ist aber, wie Sie wissen, unter Handwerksgenossen der Brauch; denn daß sich das Werk übrigens durch Gehalt und Form empfehle, wird, wie hier der Fall ist, vorausgesetzt.

Will Ihr lieber Sohn mir künftig seine Plane mittheilen, nur ganz kurz, Scene vor Scene mit wenig Worten des intentionirten Inhalts, so will ich ihm gern darüber meine Gedanken sagen; denn wer vergreift sich nicht einmal an einem Stoff! wer verliebt sich nicht einmal in einen undankbaren Gegenstand! und so haben die schönsten Talente Mühe und Zeit verloren.

Ich behalte noch manches in petto, was zu seiner Förderniß dienen kann; denn es ist immer ein Vortheil, auf dasjenige früher gewiesen zu werden, worauf man später selbst kommen würde. Leben Sie recht wohl, den 27. April denke ich schon nach Carlsbad zu gehn, dort findet mich also ein Brief, bey den drey Mohren. Empfehlen Sie mich den lieben Ihrigen, und lassen mich die Zeit wissen, wenn Sie ohngefähr durch Prag gehen. Es wäre nicht ganz unmöglich daß wir dort zusammenträfen.

Mit den herzlichsten Wünschen

Jena den 23. April 1812.

Goethe.[348]


22/5309.


An Johann Heinrich Meyer

Hier schicke ich, mein lieber Freund, eine Linse, die mir zu Ihrem Zweck gerade recht zu seyn scheint, weil sie nicht zu Ihrem Zweck gerade recht zu seyn scheint, weil sie nicht zu sehr vergrößert. Es steht, so viel ich weiß, und wie Sie mir auch, wo ich nicht irre, sagten, keine Ausbildung dieser Gemme in der Ikonographie, allein in der Göttinger Recension soll etwas stehen, wie mir jemand sagte, den ich darüber sprach. Sehr unbestimmt war die Rede, weil die Menschen doch auch reden wollen, ohne auf etwas gemerkt oder darüber gedacht zu haben.

Friedrichsche Zeichnungen sind zwischen zwey großen Brettern von Dresden durch den rückkehrenden Stallmeister Seidler angekommen. Das Fenster ist gewiß drinne; wahrscheinlich auch das Kreuz, der Kirchhof, und was damals schon in Weimar war. Er konnte zu jener Zeit sich noch etwas reserviren wollen, nun löst die Noth alles ab.

Allein ich finde, daß wir uns in diesem Falle behutsam zu betragen haben. Ich behalte deshalb die Sachen auch noch hier und verheimliche Sie, bis wir über das Verfahren einig sing. Ich will meine Einsicht detailliren.

Herr von St. Aignan ist eigentlich Ursache, daß wir diese Dinge kommen lassen, und es wäre daher sehr billig, daß wir's ihm zuerst vorlegten und ihm[349] die Wahl ließen, was er sich zueignen will, weil wir ja sonst keine Befugniß haben, die Friedrichschen Sachen zu Markte zu tragen.

Allein hier tritt der Fall ein, daß unsere Herrschaften, als die Stücke schon einmal bey uns waren, gerade diese, wie er Künstler damals nicht verkaufen wollte, sich sehr gern verlangen können. Sollten sie nun nicht von uns verlangen können, daß wir sie ihnen zuerst anböten?

Das was Advocaten pro und contra in diesem Casus plaidiren könnten, entgeht Ihnen nicht; ich wüßte nicht sogleich zu entscheiden; um so weniger, da noch in beyden Wagschalen Gründe liegen, die ich nicht detailliren brauche. Sagen Sie mir Ihre Meinung mit den sonnabendlichen Boten.

Von den Ölfarben und Zubehör habe ich leider mit dieser Gelegenheit nichts vernommen; unglücklicherweise vergaß ich Demoiselle Seidler deshalb einen Auftrag zu geben, ich habe ihr aber heute geschrieben.

So viel für diesmal, damit dieses Plaquet mit Frau von Schiller nach Weimar gelange. Das beste Lebewohl.

Jena

den 23. April

G.

1812.[350]


22/6310.


An Christiane von Goethe

Da ich durch Frau von Schiller Gelegenheit habe, so will ich dir, mein liebes Kind, Nachricht von mir geben, und dir anzeigen, daß ich meinen Vorsatz, sogleich von hier wegzugehen, geändert habe. Das Wetter will sich nicht herstellen, die Wege sind abscheulich; doch würde mich das nicht abhalten, wenn nicht noch ein anderer Umstand dazu käme.

Der Kaiser von Frankreich, der über Bayreuth und Hof geht, ist noch nicht durch, ja es ist noch ungewiß, wenn er kommt, und da wäre es sehr unangenehm, der großen Masse zu begegnen, die vor ihm her, hinter ihm drein und ihm zur Seite geht. Ich will mich also noch etwa acht Tage länger aufhalten, und das um so lieber, als ich glaube, hier etwas thun zu können. Du erfährst nächstens das Weitere und ich schicke auf alle Fälle den Wagen, um euch noch einmal zu sehen. August verzieht auch noch so lange.

Hier schicke ich Resedasamen in Menge.

Stiefmütterchen sehr wenig, weil er selten ist. Laßt also den Raum unter dem Steine gegen der Gartenthür über graben, von Unkraut reinigen, und recht sauber zurechte machen, und besäet ihn weitläufig mit dem Wenigen; kann ich mehr schicken, so könnt ihr immer noch einmal aufsäen. Finde ich[351] keinen weiter, so hat es auch nichts zu sagen, denn im Herbste säet er sich selbst aus, und übers Jahr ist der ganze Raum dicht voll.

Beykommende Plaquete sende ich an die Herrn Meyer und Kruse. Gegen das beyliegende Blättchen erhältst du die 200 rh. von dem letzteren, hebe sie auf, bringe sie mit. Indessen lebet recht wohl!

Jena

den 23. April

G.

1812.


22/6311.


An Luise Seidler

Jena, den 23. April 1812.

Sie sollen, meine schöne Freundinn, den besten Dank haben, daß Sie mir von Ihrer glücklichen Ankunft in Dresden und von dem guten Empfange daselbst, sogleich Nachricht gegeben haben. Auch ist mir sehr angenehm, die Friedrichschen Zeichnungen bey mir zu wissen. Sie sind noch eingepackt und ich weiß nicht, ob er die Preise dabey bemerkt hat. Ist dieses nicht geschehen, so ersuchen Sie ihn darum und schicken das Blatt gleich an Hofrath Meyer nach Weimar. Und nun Bitte um noch eine Gefälligkeit. Schon unterm 29. März habe ich ein Schreiben an Herrn von Kügelgen erlassen, worin ich denselben bat, mir eine Parthie Ölfarben, nebst anderen Bedürfnissen zu dieser Malerey, nach einem Verzeichniß das ich beylegte, baldigst zu senden. Die Sache ist mir sehr angelegen,[352] und so verzeihen Sie nur, daß ich beym Abschied von Ihnen daran nicht dachte. Mögen Sie sich danach erkundigen und Meyern über die Sache schreiben. Wäre der Brief, wie kaum zu glauben, verloren gegangen, so würde er ein neues Verzeichniß schicken und ich bäte Sie, die Sache zu betreiben. Mich träfe ein Brief von Ihnen nicht mehr hier

Tausend Lebewohl!

G.


22/6312.


An Johann Heinrich Meyer

Möchten Sie wohl, lieber Freund, mir die Gefälligkeit erzeigen, mich von folgenden zu unterrichten.

Ich erinnere mich recht wohl daß das Niello ein schwarzer Fluß ist, der aus Silber und Schwefel besteht, aber die Proportion habe ich vergessen. Indem Anhang zu meinem Cellini ist des Niello gedacht, aber ich glaube nicht, daß eben diese Proportion des Schwefels und Silbers ausgesprochen ist. Wissen Sie solche etwan irgend zu finden? wo nicht, so begäben Sie Sich ja wohl in mein Bücherzimmer, wo auf dem Repositorium ganz im Grunde, quer vor, was sich auf bildende Kunst bezieht, beysammen steht.

Dort finden Sie das Original des Lebenslaufes, das ist aber nicht gemeint, sondern ein Heft seiner kleinen Schriften, wen ich nicht irre à la rustica gebunden,[353] darin steht das Recept gewiß. Mögen Sie es excerpiren und mir senden, so geschieht mir eine Gefälligkeit. Ich habe Lust bey einer Gelegenheit Gebrauch davon zu machen. Döbereiner verfertigt den Fluß ohne Umstände.

Leben Sie recht wohl und lassen bald von Sich hören.

Jena

den 24. April

G.

1812.


22/6313.


An Franz Kirms

Ew. Wohlgeb.

übersende hierbey durch den rückkehrenden Heidloff die von ihm gezeichnete Decoration; haben Sie die Güte mit ihm das billige deshalb zu accordiren. Ich habe bey ihm davon eine perspectivische Zeichnung bestellt, die ich dem Autor, für diese Mittheilung seiner Stücke versprochen habe, diesem jungen Mann, von dem wir uns noch manches versprechen können. Ich habe auch noch durch Heidloff eine sehr hübsche Abbildung von drey Seiten von dem Costüm machen lassen, wie eigentlich das junge Mädchen gehen sollte, allein ich will noch ein wenig damit zurückhalten, bis ich erfahre, wie es mit dem Stücke geht und wann es etwan aufgeführt werden kann.

Ich hoffe bald einige Nachricht von Ew. Wohlgeb.[354] zu erhalten und denke heute Abend die von mir durchgesehenen zwey Klingsberge.

Mich bestens empfehlend

Jena den 24. April 1812.

G.


22/6314.


An Johann Heinrich Meyer

Hierbey, mein theurer Freund, erhalten Sie dies Friedrichschen Kunstwerke, wohl verwahrt und eingeklebt, wie sie zu mir gelangt sind. Es thut mir sehr leid, daß wir sie nicht zusammen haben sehen können, denn wie selten ist das vollendete! so daß man es auch in der wunderlichsten Art hochschätzen und sich daran erfreuen muß. Alles mag nun Ihrer Neigung und Weisheit überlassen seyn. Kommt etwas in dieser Sache weiter vor, oder liegt nicht eine Bestimmung der Preise bey, so dächte ich, Sie schrieben an Demoiselle Seidler nach Dresden. Sie ist thätig und mag gerne etwas wirken und ausrichten. Mittwochs den 29. denke ich von hier abzugehen; die Meinigen fahren Montag früh herüber. Sagen Sie mir durch sie noch ein Wort und kommen bald nach.

Jena

25. April

G.

1812.[355]


22/6315.


An Franz Kirms

Ew. Wohlgeb.

erhalten hierbey erstlich Concept und Mundum der Strafgesetze beydes umgeschrieben, weil ich eine Stelle auszulöschen, und die vorgeschlagene einzuschalten für räthlich fand. Die Verordnung an die Regie ist geblieben. Zweytens das Verzeichniß derjenigen Stücke, wovon man in Halle Gebrauch machen kann. Ich wünsche guten Erfolg. Drittens das Verzeichniß der Sonntagsstücke. Ich habe wiederholt sagen hören, daß Halle und die Gegend mehr durch stücke, welche die Leidenschaft erregen und den Geist beschäftigen, angelockt würden, als durch Opern. Doch wer will so etwas, wozu Localkenntniß gehört, aus der Ferne beurtheilen.

Sollte Ihnen von Lauchstädt her etwas Unangenehmes kommen, so wird Herr Geheimderath von Voigt gewiß beyräthig seyn. Jene Drohungen, die jene schon früher gebraucht haben, wollen nichts heißen; nirgends, am wenigsten im Königreich Sachsen, wird man uns aus einem solchen Besitz setzen. Wenn ich als Privatus in dem Fall wäre, so spät ich mir die Erlaubniß, das Haus abzutragen, und die Materialien zu verauctioniren, und alsdenn wollte ich die Lamenten der Lauchstädter hören; es hieße ja, dieses arme Nest auf ewig zu Grunde richten. Und so[356] wünsche ich denn recht wohl zu leben! Ich denke Mittewoch den 29. abzugehen um noch das Böhmen hineinzuzwitschen, ehe der große Zug durch das Vogtland durchkommt. Ich will diesen Sommer überdenken und sorgen, daß wir wieder künftigen Winter einiges Bedeutende produciren können.

Jena

den 25. April

G.

1812.


22/6316.


An Anton Genast

Jena d. 28. April 1812.

Sie sollen, mein werther Herr Genast, vielen Dank haben, für die Sorgfalt, welche Sie auf Toni verwenden wollen. Es wird gewiß gefallen und sich halten. Ich habe eine Zeichnung bey Heidloff von der ersten Decoration bestellt, die ich dem Autor für die Mittheilung des Stückes zu übersenden denke. Sorgen Sie, daß ihm dafür ein Billiges gezahlt, und die auf eine Rolle aufgerollte Zeichnung meinem Sohne übergeben werde, der das Weitere besorgen wird.

Wenn die Vertrauten mir früher nicht gefallen haben, so waren, wie ich mich jetzt erinnere, die Verse daran Schuld, diese schreckten mich ab; diesmal ging ich darüber hinaus und sah auf den Stoff und die Behandlung, welche beyde ganz lobenswürdig sind.

[357] Wir wollen aber doch künftig eine Art Registrande einführen, worin alle Stücke, die eingesendet oder vorgeschlagen werden, einzutragen wären. Man hat sie alsdann immer vor Augen und es verkriecht sich nicht leicht eines, wie es bisher manchmal geschehen ist.

Leben sie recht wohl, fahren Sie fort gute Geschäfte zu machen, und grüßen mir Ihre liebe Familie.

Goethe.


22/6317.


An Carl Dietrich von Münchow

Ew. Wohlgeb.

Die Abschrift eines gestern bey mir angelangten gnädigsten Rescriptes, so wie der, demselben angefügten Beylagen, hierdurch mitzutheilen, empfinde ein besonders Vergnügen, indem ich mir die Aussicht eröffnet sehe, mit Denenselben in ein näheres Verhältniß zu treten. Wollen Sie heute um zwölf Uhr sich in dem Garten einfinden und den Musicus Richter dahin bestellen, so würde, was von Wenigem abzuthun seyn. Erwünscht ist mir diese Hochachtung zu versichern.

Jena

den 28. April

Goethe.

1812.[358]


22/6318.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeb.

haben mir durch Mittheilung des hier zurückgehenden schönen Aufsatzes eine doppelte Empfindung erregt; eine unangenehmere, über den Verlust eines so wackeren Mannes, den ich, in seinem Leben, nicht näher gekannt zu haben bedauere; eine angenehme, daß Sie das Bild dieses werthen zu früh Abgeschiedenen so treu und rein haben erhalten können.

Da ich eben nach Carlsbad abzugehen gedenke, so empfehle ich nochmals unsere theatralischen Angelegenheiten, so wie mich selbst, Ihrer Freundschaft und Geneigtheit.

Unter Anwünschung alles Guten

Jena

den 28. April

Goethe.

1812.


22/6319.


An Friedrich Karl Ludwig Sickler

[Concept.]

Ew. Wohlgeb. beschenken das kunstliebende Publicum abermals mit einer schönen, ja wohl einzigen Gabe und ich eile von meiner Seite dieselbe dankbar anzuerkennen.

Sie haben, indem Sie diese höchst schätzbaren Monumente mittheilen, alles gethan, um solche aus[359] anderen alterthümlichen Überlieferungen zu erläutern und aufklären.

Erlauben Sie mir dagegen hier mit wenigem anzudeuten, wie ich mir, durch Ihre Schrift belehrt, jene Denckmale, die mich eben im Begriff nach Carlsbad abzureisen.

Das entdeckte Grab ist wohl für das Grab einer vortrefflichen Tänzerinn zu halten, welche, zum Verdruß ihrer Freunde und Bewunderer, zu früh von dem Schauplatz geschieden. Die drey Bilder muß ich als cyclisch, als eine Trilogie ansehen; das kunstreiche Mädchen erscheint mir in allen dreyen; und zwar im ersten die Gäste eines Reichen Mannes, zum genußreichsten Leben, entzückend; das zweyte stellt sie vor, wie sie im Tartarus, in der Region der Verwesung und Halbvernichtung kümmerlich ihre Künste fortsetzt; das dritte zeigt sie uns, wie sie, dem Schein nach wiederhergestellt, zu jener ewigen Schattenseligkeit gelangt ist. Das erste und letzte Bild erlauben keine andere Auslegung. Die Auslegung des mittleren springt mir aus jenen beyden hervor.

Wäre es nöthig! diese schönen Kunstproducte noch besonders durchzugehen, da sie für sich an Sinn, Gemüth und Kunstgeschmack so deutlich sprechen, und durch Ew. Wohlgeb. Bemühungen schon so sehr herausgehoben sind. Aber man kann sich etwas liebenswürdigem[360] so leicht nicht los winden und ich spreche daher meine Gedanken und Empfindungen mit Vergnügen aus, wie sie sich bey der Betrachtung dieser schönen Kunstwerke immer wieder erneuern.

Die erste Tafel zeigt die Künstlerinn als den höchsten lebendigsten Schmuck eines Gastmahls, wo Gäste jedes Alters mit Erstaunen auf sie schauen. Unverwandte Aufmerksamkeit ist der größte Beyfall, den das Alter geben kann, das eben so empfänglich als die Jugend, nicht eben so leicht zu Äußerungen ist der größte Beyfall, den das Alter wird schon seine Bewunderung in leichter Handbewegung auszudrücken angeregt, so auch der Jüngling, doch dieser beugt sich über dies empfindungsvoll zusammen, und schon fährt der jüngste aller Zuschauer auf, und beklatscht diese Tugenden wirklich.

Vom Effecte, den die Künstlerinn hervorgebracht und der uns in seinen Abstufungen zuerst mehr angezogen, als sie selbst, wenden wir uns nun zu ihr, und finden sie in einer von jenen gewaltsamen Stellungen, durch welche wir von lebenden Tänzerinnen so höchlich entzückt werden. Die schöne Beweglichkeit der Übergänge, die wir an solchen Künstlerinnen bewundern, ist hier für einen Moment fixirt, so daß wir das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zugleich erblicken, und schon dadurch in einem überirdischen Zustand versetzt werden. Auch hier erscheint der Triumpf der Kunst, welche die gemeine Sinnlichkeit[361] in eine höhere verwandelt, so daß von jener kaum eine Spur mehr zu finden ist.

Daß die Künstlerinn sich als ein bacchisches Mädchen darstellt, und eine Reihe Stellungen und Handlungen dieses abzuwickeln im Begriff ist, daran läßt sich wohl nicht zweifeln. Auf dem Seitentische stehen Geräthschaften, die sie braucht, um die verschiedenen Momente ihrer Darstellung mannigfaltig und bedeutend zu machen, und die hinten über schwebende Büste scheint eine helfende Person anzudeuten, die der Hauptfigur die Requisiten zureicht und gelegentlich einen Statisten macht, denn mir scheint alles auf einen Solotanz angelegt zu seyn.

Ich gehe zum zweyten Blatt. Wenn auf dem ersten die Künstlerinn uns reich und lebensvoll, üppig, beweglich, grazios, wellenhaft und fließend erschien, so sehen wir hier in dem traurigen lemurischen Reiche von allem das Gegentheil. Sie hält sich zwar auf einem Fluß, allein sie drückt den anderen an den Schenkel des ersten, als wenn er einen Halt suchte. Die linke Hand stützt sich auf die Hüfte, als wenn sie für sich selbst nicht Kraft hätte. Man findet hier die unästhetische Kreuzesform, die Glieder gehen im Zickzack und zu dem wunderlichen Eindruck muß selbst der rechte aufgehobene Arm beytragen, der sich zu einer, sonst grazios gewesenen Stellung in Bewegung setzt. Der Standfuß, der aufgestützte Arm, das angeschlossene Knie, alles giebt den Ausdruck des[362] Stationären, des Beweglich-Unbeweglichen, ein wahres Bild der traurigen Lemuren, denen noch so viel Muskeln und Sehnen übrig bleiben, damit sie nicht ganz, als durchsichtige Gerippe erscheinen und zusammenstürzen.

Aber auch in diesem widerwärtigen Zustande muß die Künstlerinn auf ihr gegenwärtiges Publicum noch immer belebend, noch immer anziehend und kunstreich wircken. Das Verlangen der herbeyeilenden Menge, der Beyfall, den die ruhig Zuschauenden ihr widmen, sind hier in zwey Halbgespenstern sehr köstlich symbolisirt; sowohl jede Figur für sich, als alle drey zusammen, componiren fürtrefflich und wirken in Einem Sinne zu Einem Ausdruck.

Was ist aber dieser Sinn, was ist dieser Ausdruck?

Die göttliche Kunst, welche alles zu veredeln und zu erhöhen weiß, mag auch das Widerwärtige, das Abscheuliche nicht ablehnen. Eben hier will sie ihr Majestätsrecht gewaltig ausüben. Aber sie hat nur Einen Weg dieß zu leisten; sie wird nicht Herr vom Häßlichen, als wenn sie es komisch behandelt, wie denn ja Zeuxis sich über seine eigne ins Häßlichste gebildete Hekuba zu Tode gelacht haben soll.

Eine Künstlerinn, wie diese war, mußte sich bey ihrem Leben, in alle Formen zu schmiegen, alle Rollen ausführen wissen; und jedem ist aus der Erfahrung bekannt, daß uns die komischen und neckischen Exhibitionen solcher Talente oft mehr aus dem Stegreise[363] ergötzen, als die ernsten und würdigen, bey großen Anstalten und Anstrengungen. Bekleide man diese gegenwärtige lemurische Schicksal mit weiblicher jugendlicher Muskelfülle, man überziehe sie mit einem schicklichen Gewand aus, welches jeder geschmackvolle Künstler unsrer Tage ohne Anstrengung ausführen kann, so wird man eine von denen komischen Posituren sehen, mit denen uns Harlekin und Colombine unser Lebenslang zu ergötzen wußten. Verfahre man auf dieselbige Weise mit den beyden Nebenfiguren, so wird man finden daß hier der Pöbel gemeint sey, der am meisten von solcherley Vorstellungen angezogen wird.

Es sey mir verziehen, daß ich hier weitläuftiger, als vielleicht nöthig wäre, geworden, aber nicht jeder würde mir gleich auf den ersten Anblick diesen antiken humoristischen Geniestreich zugeben, durch dessen Zauberkraft zwischen ein menschliches Schauspiel und ein geistiges Trauerspiel eine lemurische Posse, zwischen das Schöne und Erhabene ein Fratzenhaftes hineingebildet wird. Jedoch gestehe ich gern, daß ich nicht leicht etwas bewundernswürdiges finde, als das äesthetische Zusammenstellen dieser drey Zustände, welche alles enthalten, was der Mensch, über seine Gegenwart und Zukunft, wissen, fühlen, wähnen und glauben kann.

Das letzte Bild, wie das erste, spricht sich von selbst aus. Charon hat die Künstlerinn in das Land[364] der Schatten hinübergeführt, und schon blickt er zurück, wer allenfalls wieder abzuholen drüben stehen möchte. Eine den Todten günstige und daher ihr Verdienst, auch in jenem Reiche des Vergessens, bewahrende Gottheit blickt mit Gefallen auf ein entfaltetes Pergamen, worauf wohl die Künstlerinn, ihr Leben über, bewundert worden, denn, wie man den Dichtern Denkmale setzte, wo zur Seite ihrer Gestalt die Namen der Tragödien verzeichnet waren, sollte der practische Künstler sich nicht auch eines gleichen Vorzugs erfreuen?

Besonders aber diese Künstlerinn, die, wie Orion seine Jagden, so ihre Darstellungen hier fortgesetzt und vollendet. Cerberus schweigt in ihrer Gegenwart, sie findet schon wieder neue Bewunderer, vielleicht schon ehemalige, die ihr zu diesen verborgenen Regionen vorausgegangen. Eben so wenig fehlt es ihr an einer Dienerinn; auch hier folgt ihr eine nach, welche die ehemaligen Functionen fortsetzend, den Shawl für die Herrin bereit hält. Wundersam schön und bedeutend sind diese Umgebungen gruppirt und disponirt, und doch machen sie, wie auf den vorigen Tafeln, bloß den Rahmen zu den eigentlichen Bilde, zu der Gestalt, die hier, wie überall, entscheidend hervortritt. Gewaltsam erscheint sie hier, in einer mänadischen Bewegung, welche wohl die letzte seyn mochte, womit eine solche bacchische Darstellung beschlossen wurde, weil drüber hinaus Verzerrung liegt. Die Künstlerinn[365] scheint mitten durch den Kunstenthusiasmus, welcher sie auch hier begeistert, den Unterschied zu fühlen des gegenwärtigen Zustandes gegen jenen, den sie so eben verlassen hat. Stellung und Ausdruck sind tragisch und sie könnte hier eben so gut eine Verzweifelnde, als eine von Gott mächtig Begeisterte vorstellen. Wie sie auf dem ersten Bilde die Zuschauer durch ein absichtliches Wegwenden zu necken schien, so ist sie hier wirklich abwesend, ihre Bewunderer stehen vor ihr, klatschen ihr entgegen, aber sie achtet ihrer nicht, aller Außenwelt entrückt, ganz in sich selbst hinein geworfen. Und so schließt sie ihre Darstellung mit den, zwar stummen, aber pantomimisch genugsam deutlichen, wahrhaft heidnisch tragischen Gesinnungen, welche sie mit dem Achill der Odyssee theilt, daß es besser sey unter den Lebendigen, als Magd, einer Künstlerinn den Shawl nachzutragen, als unter den Todten für die Vortrefflichste zu gelten.

Sollte man mir den Vorwurf machen, daß ich zu viel aus diesen Bildern herauslese, so will ich die Clausulam salutarem hier anhängen, daß wenn man meinen Aufsatz nicht als eine Erklärung zu jenen Bildern wollte gelten lassen, man denselben als ein Gedicht ansehen möge, durch deren Wechselbetrachtung wohl ein neuer Genuß entspringen könnte.

Übrigens will ich nicht in Abrede seyn, daß hinter dem sinnlich ästethischen Vorhange dieser Bilder noch[366] etwas anderes verborgen seyn dürfte, das, den Augen des Künstlers und Liebhabers entrückt, von Alterthumskennern entdeckt, zu tiefer Belehrung dankbar von uns aufzunehmen ist.

So vollkommen ich jedoch diese Werke, dem Gedanken und der Ausführung nach, in allen Theilen erkläre, so glaube ich doch Ursache zu haben an dem hohen Alterthum derselben zu zweifeln. Sollten sie von alten griechischen Cumanern verfertigt seyn, so müßten sie vor die Zeiten Alexanders gesetzt werden, wo die Kunst noch nicht zu dieser Leichtigkeit und Geschmeidigkeit in allen Theilen ausgebildet war. Betrachtet man die Eleganz der Herculanischen Tänzerinn, so möchte man wohl jenen Künstlern auch diese neu gefundenen Arbeiten zutrauen; um so mehr, als unter jenen Bildern solche gefunden werden, die in Absicht der Erfindung und Zusammenbildung den gegenwärtigen wohl an die Seite gestellt werden können. Die in dem Grabe gestellt werden können. Die in dem Grabe gefundenen griechischen Sprache den Römern so geläufig, in jenen Gegenden von Alters her einheimisch und wohl auch auf neueren Monumenten in Brauch war.

Ja ich gestehe es, jener lemurische Scherz will mir nicht ächt griechisch vorkommen, vielmehr möchte ich ihn in die Zeiten setzen, aus welchen die Philostrate ihre Halb- und Ganzfabeln, dichterische und[367] rednerische Beschreibungen hergenommen. Mehr wage ich zu Bestärkung dieses Meinens nicht zu sagen. Es stehe übrigens oder falle, so bleibt die Fürtrefflichkeit der Bilder unverrückt, und es ist keine Frage, daß der Dank für den Finder und Herausgeber sich bey wiederholter Beschaunung und Betrachtung immer wieder anfrischen und zunehmen muß.

Empfangen Ew. Wohlgeb. diese Bemerkungen freundlich. Meine Absicht war, mich kürzer zu fassen, aber in einem solchen Falle concis und gedrungen seyn zu wollen, setzt in Gefahr lemurisch zu werden.

Ich kann nicht schließen, ohne Sie zu versichern, daß wir Ihrer recht lebhaft dankbar gedacht, als wir durch Ihre Vermittlung den, sowohl dem Stoff als der Form nach, einzigen Centaur bewundern konnten. Die kleine Gemme, womit ich Gegenwärtiges siegele, bin ich auch jenen Tagen schuldig geworden, die Herr Rossi bey uns zubrachte. Auch in diesen engen Raume, an einem minder bedeutend scheinenden Gegenstande, bewundert man den Sinn und den Geschmack der Alten.

Bey Lesung des ersten Theiles der Römischen Geschichte von Niebuhr war Ihre treffliche Tafel Latiums mir immer vor Augen. Wie schön arbeiten die ernsten und gründlichen Männer immer einander in die Hände.

Leben Sie recht wohl und nehmen diese Blätter als Vorläufer des Dankes an, der Ihnen von allen[368] Seiten zukommen wird. Ich freue mich Sie in unserer Nähe zu wissen, indem ich hoffen kann, Sie von Zeit zu Zeit zu sehen und zu sprechen. Ich gehe morgen nach Carlsbad. Briefe finden mich dort bey den drey Mohren.

Und nun will ich wirklich Ernst machen und schließen, Sie nochmals meiner aufrichtigen Hochachtung versichernd, und die besten Wünsche für Ihr Wohl und Gedeihen hinzufügend.

Jena

den 28. April

1812.


22/6230.


An Johann Heinrich Meyer

Sie sagen nichts, mein lieber Freund, von einem Sicklerischen Programm. Sollten Sie es noch nicht gesehen haben, so giebt Beyliegendes davon eine vorläufige Nachricht. Der Fund ist merkwürdig. Aber mit was für einer antiquarischen Wortmenge deckt ihn der Herausgeber gleich wieder zu und verscharrt ihn vor dem Sinn, indem er ihn den Augen darlegt. Ich weiß nicht, ob ich wohl gethan habe, aber ich konnte mich nicht enthalten, eine natürliche Ansicht dieser schönen Kunstwerke zu eröffnen, und Beykommendes ist ein Auszug aus einem Brief an Sickler. Leider tritt dieser, sonst so brave, Mann ganz in die Fußstapfen Böttingers, wozu denn noch[369] die moderne combinatorische Mystik sich gesellt, wodurch jede Art von Anschauung zu Grunde gerichtet wird. Glauben Sie, daß es unserer gnädigsten Hoheit Spaß macht, so überreichen Sie ihr diese Blätter; sie geben zu artistisch-antiquarischer Unterhaltung Anlaß.

Ich wünsche gelegentlich Ihre Gedanken über das Alter dieser Werke zu hören; ich kann mir nicht vorstellen, daß man vor Alexanders Zeiten so galant, gewandt und humoristisch erfunden und componirt haben sollte. Sie werden, mein Theuerster, die sichersten Kriterien, zu Entscheidung dieser Frage, angeben können. Und nun nur noch herzlichste Lebewohl!

Noch muß ich schönstens danken für das Niellorecept. Döbereiner will eine Portion machen.

Jena

den 29. April

G.

1812.


22/6321.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

ersehen gefällig

1) auf den letzten Blättern beyliegender Commisionsacten, wie die Übergabe des Gartens an Herrn v. Münchow, und was dem anhängt, noch kürzlich von mir bersorgt worden. Ich möchte Sie aber inständig bitten, Sich von einem schönen Frühlingstag nächstens reizen zu lassen, und hier denen verschiedenartigen Anlagen und Anstalten einen Blick zu gönnen.

[370] Die Verordnung an den Rentbeamten, wegen der Herrn v. Münchow zu zahlenden Gelder, werden Ew. Excellenz die Gnade haben zu besorgen.

2) Den schon bekannten Separatfascikel wird mein Sohn, den Ihrer Güte und Vorsorge nochmals bestens empfehle, in einiger Zeit überreichen. Auf den letzten Blättern desselben findet sich ein Resumé dessen, was geschehen, und was noch zu leisten ist, ingleichen die Aufträge, die ich meinem Sohn gegeben, und in welchen Fällen ich mir Ew. Excellenz Mitwirkung erbitte.

3) Damit jene Angelegenheit, wegen des Manuscriptes, ganz und allein Ew. Excellenz Ermessen an heim gegeben bleibe, habe ich jenem Freunde nichts von dem Vorschlag gesagt. Kühn wird die rückständigen Auctionsgelder an die Weimarische Bibliothekscasse zahlen und es kommt alsdann ganz auf Ew. Excellenz Beurtheilung und Überzeugung an, ob etwas geschehen, oder die Sache auf sich beruhen soll. Im übernehmen, den Freund von der günstigen Absicht zu benachrichtigen, dessen Gesinnung zu hören, und ihm das deshalb nothwendige kleine Document zur Unterschrift vorzulegen. Im zweyten Falle bedarf es weiter gar nichts, indem, wie gesagt, der Freund nichts hofft, noch erwartet.

4) Für den wieder eroberten Zubringer danke ich gehorsamst.

[371] 5) Unser junger Arzt Kiefer hat mich besucht und gefällt mir sehr wohl, ob ich ihn gleich nur kurz gesprochen. Auch dieser ist wieder ein Zeugniß, daß es an manchen Orten und Enden recht gute und geschickte junge Leute giebt; es könnte ihrer noch mehr geben, wenn sie sich nicht von gewissen herrschenden Phantastereyen hinreißen ließen, womit sie sich die schönsten Jahre verderben, und oft ihr ganzes Leben daran leiden.

6) Der gute Lorsbach ist mir sehr gebrechlich beschreiben worden; da man aber nicht peripatetisch, sondern allenfalls sitzend docirt, so wird er sich ja wohl nutzbar zu machen wissen.


Hier will ich schließen und mich und das Meinige Ihrer freundschaftlichen Theilnahme wiederholt empfehlen, die besten Wünsche für Ew. Excellenz und der Ihrigen vollkommenes Wohl hinzufügend.

Jena den 29. April 1812.

Goethe.


22/6322.


An Friedrich Albrecht Gotthelf von Ende

[Concept.]

[Jena, 29. April 1812.]

Ew. Hochwohlgeb.

erhalten hierbey zum zweytenmale die Acten, welche von dem Geschehenen Rechenschaft zu geben bereit sind. Ich lege zugleich zu leichterer Übersicht einen Auszug bey, wornach man das in gedachtem Fascikel Zerstreute geschwinder wird auffinden können. Ich wünschte daß[372] dieses alles zu höchster Zufriedenheit gereichen möge, so wie unser wohl empfundener Dank immer lebhafter werden muß, je mehr wir die Nothwendigkeit und Brauchbarkeit des Angeschafften einsehen.

Was mein Vergnügen über diesen glücklichen Entschluß vollkommen macht, ist die fürtreffliche Art, mit der sich Professor Döbereiner benimmt. Es ist unglaublich wie rasch er, sowohl in practischer Fertigkeit, als in theoretischer Einsicht, nicht weniger in litterarischer Kenntniß vorschreitet. Ich habe seit mehreren Jahren manchen vorzüglichen jungen Mann, namentlich Scherer, Ritter, Kastner, auf diesem Wege gesehen, aber keinen, der mich so sehr gefreut, der mir nach meiner innigsten Überzeugung soviel Hoffnung gegeben hätte.

Freylich ist die Zeit diesem Studium günstiger, als irgend eine war. Das früher, mit großer Anstrengung, geöffnete Feld ist nun gereinigt und zeigt eine Aussicht ins Unendliche. Wohl dem, der jetzt ohne Eigensinn, Handwerksgeist, Grille und Dünkel auf einem so herrlichen Schauplatz wirken kann.

Für mich ist es wirklich rathsam, daß ich mich bald von hier entferne, denn sonst würde mich dieses Geschäft ganz an sich reißen und für alles andere unempfindlich machen. Nehmen Sie daher meinen erkenntlichsten Dank und nochmaligen Abschied, welche dieses Blatt Ihnen bringt, gütig auf und fahren fort, zu Ihrem und unserem Vergnügen und Nutzen an der[373] Naturwissenschaft überhaupt und auch unserer besonderen Angelegenheit Theil zu nehmen. Ich wünsche, daß von dieser letzten, zu der Quelle, aus der unser Wohlbehagen fließt, auch einiges Erfreuliche zurückkehren möge.

Empfehlen Sie mich unseren gnädigsten jungen Herrschaften, nicht weniger den Damen des Hofes und erhalten mit Ihr Andenken und Ihre Gewogenheit.

Jena

den 23. April

1812.


22/6323.


An August von Goethe

Hier empfängst du, mein lieber Sohn, ein großes Paquet, das Herr Ulmann die Gefälligkeit hat, mit nach Weimar zu nehmen. Du hast dabey vorläufig nichts zu thun, als die darin enthaltenen Paquete bald richtig abgeben zu lassen, und sodann die verschiedenen Puncte, die auf beyliegendem Bogen verzeichnet sind, vor Augen zu haben, bis alles besorgt und abgethan ist. Fange mit diesen Blättern ein kleines Actenfascikel an und notire dir die Expeditionen. Weiter wüßte ich nichts zu sagen, als daß ich dir nochmals ein herzliches Lebewohl zurufe.

Jena

den 29. April

1812.[374]


[Beilage.]

Folgendes wäre zu besorgen.

1) Heidloff verfertigt eine Zeichnung von der ersten Decoration zu Toni. Diese rollt derselbe auf einen Stab, packt sie wohl ein und übergiebt sie dir, du machst die Adresse darauf, ohne jedoch jemand zu sagen wohin sie geschickt wird.

2) Wenn du Herrn von Ende siehst so sagst du demselben daß du Auftrag habest nach einiger Zeit die ihm übersendeten Acten wieder abholen, es habe damit keine Eile und du erwartest von ihm dazu den Anlaß.

3) Diese Acten bring zum Herrn Geh. Rath v. Voigt welcher schon davon prävenirt ist, und welcher sie dir wenn er solche durchgegangen zurückgeben wird.

Aus der Nachricht Fol. 80 siehst du wie die Sachen stehen, und die nöthigen Bemerkungen sollen auf ein besonders Blatt verzeichnet werden.

4) Auf dem Bücherbrett im Grunde meiner Bibliothek stehen alle Schriften über Licht und Farben, suche darunter zwey, davon das eine ein Manuscript in Quart ist, die Hefte nur zusammengestochen, ohne Deckel, es führt den Titel H. F. T. sur les ombres colorées, und ein anderes in Octav, sehr dünn, schön in Franzband gebunden, der Verfasser heißt Diego de Carvalho; es ist in[375] portugiesischer Sprache. Sende beyde, wohl eingepackt, an Färbern und setze zugleich auf die Addresse: mit diesem Paquet nach Anweisung zu verfahren.

5) Durchlaucht der Herzog haben das Amt Haßleben von Sondershausen eingetaucht, die Jagd daselbst hat ein Herr v. Münchhausen aus Staßfurth bisher in Pacht gehabt und wünscht sie auch künftig zu behalten, wenn er auch etwas mehr zahlen sollte. Man möchte also erfahren, ob Serenissimus dazu geneigt wären, oder ob Sie solche für sich behalten wollen? Eine bejahende oder verneinende Antwort würdest du dem Herrn Oberbergrath v. Einsiedel baldigst nach Jena senden.

G.


22/6324.


An Christian Gottlob Voigt

Nachstehendes Verzeichniß, resp. Rechnung, bitte einstweilen zu den Acten zu nehmen; man sieht daraus wie Professor Sturm die ihm anvertrauten 50 rh. verwendet hat. Es ist eine kleine niedliche Modellsammlung, die Ackergeräthe darstellend, deren mitunter wunderliche Namen jeder neuere Öconom im Munde führt. Ich habe ihm noch 25 rh. zugestanden, womit er auszulangen hofft. Wenn alles beysammen ist, so würde ich einen kleinen Glasschrank besorgen, den Professor Sturm bey sich im Hause behalten kann. Die Instrumente[376] würden numerirt, catalogirt, beschrieben, und bey irgend einer Veränderung den Museen vindicirt.

Jena

den 29. April

G.

1812.


22/6325.


An Johann Heinrich Meyer

Ich ersuche Sie hierdurch, werthester Freund, wenn Sie nach Carlsbad kommen, das Manuscript Ihrer Kunstgeschichte mitzubringen damit wir uns daran von vorn herein, wieder einmal erfreuen können. Vale!

Jena

den 29. April

G.

1812.


22/6326.


An Thomas Johann Seebeck

[Concept.]

Ihr lieber Brief, mein theuerster Freund, findet mich glücklicher Weise noch in Jena, von wo ich morgen den 30. nach Carlsbad abzugehen gedenke. Wie schön wäre es gewesen, wenn wir uns unterwegs hätten treffen können, doch nun ist's zu spät. Leider kann ich auch die verlangten Bücher, vor meiner Abreise, von Weimar nicht herüberschaffen. Ich will aber sorgen, daß sie an Ihren hiesigen Correspondenten, Herrn Pfindel, in kurzem abgegeben werden, dem ich die Adresse nach Hof zurücklassen will.

Sobald ich zurückkomme, sende ich meinen Magnet[377] an Burucker, möchten Sie wohl ein paar Magnetstäbe bey ihm bestellen, wie sie Döbereiner braucht; die Bezahlung soll durch mich erfolgen. Ich freue mich sehr Sie in Nürnberg künftig wohnhaft zu wissen; es war und bleibt ein interessanter Ort und wer die alten, unherstellbaren Zustände nicht gerade zurückfordert, sondern sich an Ihren Reliquien erbaut, der wird sich in dem neuen Leben auch wohl befinden. Ich danke Ihnen sehr für die Mittheilung der Versuche, welche den zweyten Versuch Newtons aufzuklären dienen. Es wird interessant seyn sie im Tags- und Sonnenlichte zu wiederholen; ich bin überzeugt, daß sie immer gleich ausfallen werden.

Das Verzeichniß dessen, was über meine Farbenlehre öffentlich erschienen, bitte ich fortzusetzen, ich lege es zu meinen chromatischen Acten, bis ich wieder einmal an die Sache komme, dann will ich alles hinter einander weglesen und sehen, ob ich dadurch gefördert werde. Haben Sie nur die Güte, wenn Sie in Nürnberg eingerichtet sind, recht fleißig fortzufahren; davon verspreche ich mir den größten Gewinn.

Von unserem Hegel habe ich nichts vernommen, auch keine Logik noch nicht gesehen; grüßen Sie schönstens den würdigen Mann, und sagen Sie den lieben Ihrigen das Allerfreundlichste.

Meine Frau und Sohn sind wohl, erstere folgt mir gegen Johanni nach Carlsbad. Letzterer ist als Cammerassessor angestellt.

[378] Dr. Riemer hat uns verlassen und ist, mit dem Titel als Professor, an das Weimarische Gymnasium gekommen. Er ist dieser Stelle mehr als gewachsen. Er ist dieser mehr als gewachsen, doch eben deswegen wird es ihm Mühe kosten, sich in das Geringere zu finden, was ihm verlangt wird.

Die Nachricht wegen der Pässe war mir sehr angenehm, ich kann mit desto mehr Beruhigung reisen.

Döbereiner beträgt sich sehr lobenswürdig; er nimmt im Theoretischen, Practischen, Technischen, Didactischen täglich zu. Die von uns bey Ihrem Hierseyn besprochenen Instrumente und sonstigen Erfordernisse sind theils schon angeschafft theils um Werke. Vor Michael muß alles geleistet seyn, alsdann erhalten Sie einen Schlußbericht mit aufrichtigem Dank für Ihre Einleitung und Mitwirkung.

Worauf ich mich besonders freue, ist eine chemische Präparatensammlung deren erste Anfänge in einigen hundert Gläsern bestehend, schon höchst reizend und unterrichtend sind.

Die neue Chemie wird dem Liebhaber immer unzugänglicher, indem das Gedächtniß die unendliche Nomenclatur nicht mehr fassen, die Einbildungskraft so viel vorübergehende Verwandlungen nicht verfolgen, und das Urtheil mit dem unzähligen Gegebenen nicht mehr spielen und gebahren kann. Mir ist es indessen sehr merkwürdig, daß die Wissenschaft, die in ihrem eingehüllten Ursprunge, erst ein Geheimniß ist, wieder,[379] in ihrer unendlichen Entfaltung, zum Geheimniß werden muß. In diesen Rücksichten kommt eine solche Präparatensammlung sehr zu statten. Form und Farbe eine jeden Gegenstandes prägen sich ein, und die Einbildungskraft kommt den übrigen Vermögen zu Hülfe.

Döbereiner beschäftigt sich sehr emsig mit der Zuckerfabrikation aus Stärke, sie ist ihm gleich gelungen. Kühn genug, macht er die Operation in kupfernen Gefäßen, ja er behauptet, daß der hierbey thätige galvanische Prozeß jene Zuckerwerdung begünstige, die doch auch als solcher angesehen werden kann. Das Kupfer schlägt er aus der Solution mit chemischer Gewandtheit nieder. Übrigens glaube ich nicht, daß dieser Umwandlungs Prozeß das Werk einzelner Familien Frauen und Köchinnen werden könne, wir haben vielmehr Luft eine Subscription zu eröffnen, wodurch mehrere Familien in Weimar und Jena mit Herrn Döbereiner contrahiren können, wie viel sie vierteljährig geliefert haben wollen. Der Unterschied der Preises ist so groß, daß es thöricht ist, an der Qualität zu mäkeln, wie schon manche zu thun anfangen.

Die Öconomen sind nun schon dahinter her, welche Kartoffel die stärkereichste und zugleich an Menge der Knollen die ergiebigste ist.

Jena den 29. April

1812.


23/6327.


An Christiane von Goethe

Ausführliche Relation

der Reise von Jena nach Carlsbad.

Donnerstag den 30. April.

Früh halb 6 Uhr von Jena, beym schönsten Wetter, die Nebel sanken und stiegen, der Himmel überzog sich nach und nach, im Orlathale war es drückend heiß. Um ein Uhr langten wir in Pobelwitz an, es donnerte von fern. Gegen 2 Uhr begann ein sehr starker allgemeiner Landregen der 3/4 Stunden dauerte; hernach regnete es ab. Um 4 Uhr aufgebrochen, der Himmel war noch ganz bedeckt; das Wetter schien sich wieder zu setzen. Der Regen hatte sich bis Schleiz erstreckt, wo wir ein Vierthel auf 9 Uhr ankamen.


Freytag den 1. May.


Früh halb 8 Uhr von Schleiz ab. Sehr schöner Morgen. Gegen 11 Uhr nach Gfäll. Nach halb 12 Uhr wieder von da weg. Gewitterregen aber ohne Donner. Artiger Mauthinspector zu Töpen. – Um 3 Uhr in Hof angelangt und im Hirsche eingekehrt. – Promenade auf die Höhe über Hof, wo wir die Stadt übersahen,[1] die sich zertheilenden Gewitterwolken betrachteten, mit einem sehenden Mädchen uns unterhielten und um 6 Uhr in den Gasthof zurückkehrten. Das Wetter klärte sich vor Sonnenuntergang völlig auf, so, das der Himmel fast ganz rein ward. – Hübsche Lage des Gasthofs zum Hirsch auf der Höhe vor dem Oberthor, große Lebendigkeit, hübsche Mädchen, muntere Kinder, viel Beweglichkeit, Italienische Truppen, bey der günstigen Witterung alles mit Ackern und Säen auf den umliegenden Feldern beschäftigt. Die Truppen hatten dunkelbraun und gelb. – Der vielen Fuhren nicht zu vergessen, die uns, schwer beladen, theils entgegenkamen, theils in Hof an uns vorbey fuhren. Unzählige Kinderkütschgen. – Durchaus Wohlhäbigkeit.


Sonnabend den 2. May.


Halb 5 Uhr aufgestanden; Nebel über der ganzen Gegend, doch helle in Zenith, man sah den Mond. Die schon längst aufgegangene Sonne erschien endlich, als Mond, ohne Strahlen; der Rauch der Öffen stieg gerade in die Höhe, die Nebel sanken immer mehr. 150 Wagen, jeder mit zwei Ochsen bespannt, zogen vorbey; die Wagen, wie man sie in Italien sieht, die Räder und Gestelle schwer und alterthümlich; oben waren Bretterkasten, groß, aber flach aufgesetzt; die Ochsen graulich, falb, gesprenkelt; mehrere wurden lahm nebenher geführt und ihr Mangel, an den letzten Wagen, durch Vorspanne ersetzt. es waren auch Feldschmieden[2] dabey; das ganze wurde von den braunen Soldaten escortirt. – Dreyvierthel auf 6 Uhr abgefahren; nach und nach reinigte sich der Himmel ganz, die sämmtlichen, leicht zu übersehenden Bergäcker waren mit eifrig Pflügenden und Säenden belebt; der helle Sonnenschein gar erfreulich; der Weg von sehr verschiedener Art, aber nicht schlimmer, als er bey trockener Jahreszeit seyn würde.

Zu Neuhaus gefüttert; Einiges gezeichnet. Die Straße war frequenter an Wanderern, als sie sonst zu seyn pflegt; die Vögeln sangen in den Fichtenwäldern, und alles war gutes Muths. Der Anblick ins Eger Thal war herrlich, die ganze Gegend, bis auf die entferntesten Gebirge, nach Carlsbad zu, konnte man deutlich sehen; so war auch, bey reinem Himmel, alles Übrige klar. In Franzensbrunn, wo wir halb 5 Uhr anlangten, fanden wir die Kastanienknospen aufgebrochen, ingleichen die Lerchenbäume, und mußten die Einsicht, und die Sorgfalt loben, mit der man einen Canal, von der Brücke an, diagonal durch Ried gezogen, und dadurch dem Wasser einen sehr schnellen Ablauf verschafft hat; man sieht dessen nur sehr wenig noch auf dieser großen Fläche. Das Dampfbad ist auch mit einem Häußchen überbaut, und, gleich neben dem Badebrunnen, noch eine stärkere Quelle weiter gefasst, die höher gespannt ist, durch eine Röhre abläuft, so das man die Gefäße bequemer füllen kann. An den Wegen von Hof bis hierher[3] ist wenig oder nichts gebessert, einige haben sich sehr verschlimmert, wie der von Neuhauß auf Asch. Dieser Ort ist noch der abscheulichste in der ganzen Christenheit. Auf der Seite von Franzensbrunn nach dem Lande zu macht man große Anstalten zum Bauen, wahrscheinlich haben die ungeheueren Miethen, vom vorigen Jahr, den Egeranern Lust gemacht. Die Luft ist vollkommen rein und klar und mild.


Sonntag den 3. May.


Gleichfalls der klarste und schönste Tag, wir fuhren um 6 Uhr weg, hielten einen Augenblick in Mariakulm an, fuhren vergnügt weiter fort, wozu einige Späße des Kutschers nicht wenig beytrugen. Um 3 Uhr waren wir in Carlsbad; unsere Frau Wirthin, die nach Dallwitz gehen wollte, begegnete uns unsern der Egerbrücke; in dem engen Thale von Carlsbad war es wirklich heiß, und nun, da wir in der oberen Etage wohnen, glüht uns das Schindeldach der drey Lerchen wirklich an, wenn wir zum Fenster sehen. Es wäre ein völliger Juli, wenn die dürren Bäume uns nicht erinnerten, wie früh es noch ist. Nun lebt wohl, in acht Tage schreiben wir ein Mehreres. Carlsbad den 3. May 1812.

G.[4]


23/6328.


An Simon Edlen von Lämel

[Concept.]

Schreiben es Ew. Wohlgeb. dem Vertrauen zu, welches Dieselben mir von einem Jahr, bey denen leider allzukurzen Unterhaltungen, eingeflößt haben, wenn ich mir gegenwärtig die Freyheit nehme Ihre wichtigen Geschäfte durch eine kleine Bitte zu unterbrechen.

Ich bin nemlich zu früh nach Carlsbad gekommen, als daß ich erwarten sollte, alles zum Empfang der Fremden, wie späterhin der Fall ist, vorbereitet zu finden und ich wünschte daher zu erfahren wie sie zu Tischweinen gebräuchlich sind in Prag kosten könnte, und ob Sie eine deshalb allenfalls zu machende Bestellung gefällig übernehmen wollten. Zugleich erbäte ich mir Nachricht von dem gegenwärtigen Verhältniß der Einlösungsscheine zum Silber, um mich darnach einigermaßen richten zu können. Ich bitte mich Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen und meiner freundlich eingedenk zu seyn, der ich die Ehre habe mich mit besonderer Hochachtung zu unterzeichnen.

Carlsbad den 6. May 1812.[5]


23/6329.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Deine kostbare Gabe, theuerster alter Freund, hat mich in Jena ereilt, in dem Augenblick, da ich im Begriff war nach Carlsbad zu reisen, woher dir denn auch dieses zukommt. Leider hat mich Herr von Burgsdorf verfehlt, und ich ermangele also näherer Nachrichten von dir und deinem Befinden. Die übersandten Blätter sind mir von unendlichen Werth; denn da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische weise vergegenwärtigt. Solche Documente ihres Daseyns sind mir, wo nicht eben so lieb, als ein Portrait, doch gewiß als ein wünschenswerthes Supplement oder Surrogat desselben. Sende mir daher was du kannst, und rege mehrere Freunde dazu an; wie leicht giebt jeder den Beytrag eines solchen Blattes, das sonst verloren ginge und dessen Werth derjenige vorzüglich zu schätzen weiß, dessen Denkart im Alter eine historische Wendung nimmt.

Dein Büchlein war mir willkommen, weil ich nach deiner Ankündigung daraus deine Überzeugung, die sich in früheren und späteren Tagen gleich geblieben, und zu eben der Zeit den eigentlichen statum controversiae so mancher philosophischen Streitigkeiten erfahren sollte, deren wunderlichen decurs ich, mit[6] mehr oder weniger Aufmerksamkeit, selbst erlebt hatte. Diesen Gewinn habe ich nun auch davon und soll dir dagegen der gebührende dank abgestattet seyn. ich würde jedoch die alte Reinheit und Aufrichtigkeit verletzten, wenn ich dir verschweige, daß mich das Büchlein ziemlich indisponirt hat. ich bin nun einmal einer der Ephesischen Goldschmiede, der sein ganzes Leben in Anschauen und Anstaunen und Verehrung des wunderwürdigen Tempels der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen Gestalten zugebracht hat, und dem es unmöglich eine angenehme Empfindung erregen kann, wenn irgend ein Apostel seinen Mitbürgern einen und noch dazu formlosen Gott aufdringen will. Hätte ich daher irgend eine ähnliche Schrift zum Preis der großen Artemis herauszugeben, (welches jedoch meine Sache nicht ist, weil ich zu denen gehöre, die selbst gern ruhig seyn mögen und auch das Volk nicht aufregen wollen,) so hätte auf der Rückseite des Titelblatts stehen müssen: »Man lernt nichts kennen, als was man liebt, und je tiefer und vollständiger die Kenntniß werden soll, desto stärker, kräftiger und lebendiger muß Liebe, ja Leidenschaft seyn.«

Du erlässest mir, wie billig, eine weitere Ausführung dieses Textes, denn da du deine Seite so gut kennst, so weißt du auch alles, was die anderen zu sagen haben.

Erlaube mir im dritten Theile meines biographischen[7] Versuchs deiner in allem Guten zu gedenken. Die Divergenz zwischen uns beyden war schon früh genug bemerklich, und wir können uns Glück wünschen, wenn die Hoffnung, sie, selbst bey zunehmender Auseinenderstreben, durch Neigung und Liebe immer wieder ausgeglichen zu sehen, nicht unerfüllt geblieben ist.

Lebe wohl, laß mich wieder etwas von dir vernehmen und fahre fort meine handschriftlichen Schätze zu vernehmen, die, seit jenem ausgesendeten gedruckten Verzeichniß, ansehnlich zugenommen haben.

Empfiehl mich den lieben Deinen und Herrn Generalsecretaire Schlichtegroll. Möge dir deine Reise geistig und leiblich zu Nutzen kommen.

Carlsbad den 10. May 1812.

Goethe.


23/6330.


An Johann Friedrich Cotta

Wie sehr hätte ich seit den siebzehnten vorigen Monats gewünscht daß der edle Schiller noch leben möchte; er war bey unsern Angelegenheiten ein so lieber als glücklicher Mittelsman. Was mich betrifft; so fühl ich immer aufs neue wie peinlich es ist mit Personen, mit denen man nur in sittlichen Verhältniß zu stehen wünscht, über ökonomische Gegenstände zu handeln. Daher ließ uns auch wohl beyde unsere letztere Zusammenkunft unbefriedigt und ich fühle mich gedrungen nunmehr nachzuholen was ich damals zu eröffnen versäumte.

[8] Ich kann nämlich meine biographischen Arbeiten vorerst nicht weiter publiciren, wenn Ew. Wohlgeb. den Band nicht mit zweytausend Thaler honoriren können, so das ich auch auf den ersten fünfhundert Thaler Nachschluß erhielte. Ich beziehe mich auf alles was ich früher über meine Lage eröffnet und füge nur soviel hinzu: das abermals bringende Umstände meine Erklärung beschleunigen mit der ich ungern hervortrete.

darf ich Sie um eine baldige Anwort ersuchen? da ich, im bejahenden Falle, Anfangs August nach Weimar zu gehen, im verneinenden meinen Sommer und Herbstbeschäftigungen eine andere Richtung zu geben gedenke,

Hochachtend und vertrauend!

Carlsbad. d. May 1812.

Goethe.

bey den drey Mohren.


23/6331.


An den Herzog Carl August

[Concept.]

[Carlsbad, 13. Mai 1812.]

Den ersten Tag kämpften die Nebel mit der Sonne; im Orlathale war es stickend heiß, in Pobelwitz, wo gefüttert wurde, ging ein allgemeiner Landregen dreyviertel Stunden gewaltig nieder. Abends und den anderen Morgen sich aufhellender Himmel, ein Streifregen und sodann trockene Witterung bis heute den[9] 10. May. Laue Luft bey bedecktem Himmel, bey heiterem die Gewalt der brennenden Sonne durch Ostwind gemäßigt. Hier alle Bäume, die Acazien ausgenommen, knospend und mehr oder weniger grünend, so daß alles bereit stehend auf den ersten Regen entwickelt zu werden. Die Stadt in vortrefflichen Stande, die Witterung zum Bestellen und Kartoffellegen höchst günstig, daher die Bergfelder durch Pflügende, Säende, und sonst Arbeitende durchaus belebt.

Mit den Brunnenanstalten sind die Carlsbader noch immer nicht ganz im Klaren; den Sprudel haben sie wieder an zwey Orten zu springen genöthigt, doch nicht durch enge Röhren, sondern weite viereckige Ständer. Der neue Sprudel, in siedender Masse hervorspringend, sah prächtig aus ehe die Kufe aufgesetzt ward, wohin er sich sammeln muß, um die Bächer zu laufen. Da nun die mächtige Quelle zwey Öffnungen hat, um sich zu äußern, und im Nothfalle noch immer den Zapfen gezogen werden kann; so wird wohl eine abermalige Explosion sobald nicht erfolgen. was ienes Unglück für schöne Gelegenheit zu besserm Raum und zu mehrerer Zierdr gegeben, hat man ganz unbeachtet gelassen und durch neue Anstalten sich auf immer den Weg versperrt.

Um Neubrunn kann es besser werden; man arbeitet kühn genug, den Felsen hinter der Quelle weg, damit umher ein Raum entstehe. Der untere Gang soll blos für die heimlichen Gemächer bleiben, welche aufgemauert[10] werden, oben drüben kommt ein doppelter bedeckter Spaziergang, dessen eine Hälfte die gegenwärtige untere Terasse einnehmen wird. Große breite Treppen führen zur Treppe herunter. Es ist ein früherer Plan zu dem ich selbst bey Prochaska's Zeiten contribuirte. Der erste Gedanke war, diese neue Promenade so hoch zu erhöhen, das sie mit dem Mühlbad Saale und mit dem wenig abzutragenden Theresien Platze ins Niveau käme; man hat aber nachher, und mich dünkt mit Recht, eine mittlere Höhe gewählt. Der Bau wird erst im nächsten Jahre vollendet und heuer das Local noch unangenehmer seyn als sonst. Der Schloßbrunnen ist nicht wieder gefunden worden und übrigens alles im Alten.

Einige Russinnen und Pohlinnen sind hier, die sehr stille leben und es sieht dieses Jahr für Carlsbad mißlich aus. Nicht allein waren wenig Bestellungen eingegangen, sondern viele Quartiere sind sogar abgestellt worden. Dies ist ein doppelt großer Schade für die Bürger; erstens, daß sie das Gewöhnliche vermissen und dann, daß sie den Vortheil entbehren, den ihnen der neue Curs über Fremde gäbe.

Es war herauszusehen, daß alle diejenigen Einwohner, welche das Nothwendige zu verkaufen haben, bey den alten Nennwerthe ohne Rücksicht auf den neuen Curs mehr oder weniger verharren würden; so ist es auch! Dem Fremden kommt alles aufs Doppelte, manches weit drüber zu stehen. Hingegen ist[11] freylich die Contralection, daß man das Geld mehr schätzt, daß man sich einschränkt und am Ende noch wohlfeiler lebt als vor dem Jahre, wo man den doch in den allgemeinen Unsinn der Bankzeddel Verachtung hingerissen wurde; ferner gewöhnt man sich wie ein Einheimischer zu leben und sucht auf alle Weise den Kleinhändlern aus den Händen zu kommen, wie ich denn auch nach Prag um Weine geschrieben habe.

Da nun aber nach eingeführten Einlösungsscheinen durch die alten Bankzeddel von 1 und 2 Gulden noch bis in den October gelten, indem sonst gar nicht aus einander kommen könnte, so entsteht eine wunderliche Berechnungsart im gemeinen Leben. Der gegenwärtige Curs der Einlösungsscheine ist circa 240 gegen 100, multiplicirt man jene Summe mit 5, so hat man den mittleren Stand des vorigen Jahrs 1200. Nun handelt man nach dem alten Curse, dividirt die Summe mit 5 und verwandelt diese nach dem Ansatze 240 = 100 , so daß die Einlösungsscheine nur als eine vermittelnde Norm gelten. Z.B.

Der Strich Hafer.

Bankoz.Einlösungssch.Silber

60 fl.12.5 fl. Sächs.

Bedenkt man nun, daß vor dem Jahre bey gleichem Stande der Banknoten der Strich Hafer 17 fl. und also circa 1 1/2 fl. Sächs. kostete, so fällt die Differenz freylich in die Augen.[12]

Ein sehr herrliches Werk bleibt immer die neue Prager Straße. Sie ist mir statt aller andern Spaziergänge, besonders an bedeckten Tagen, doch gewährt sie bey- und nach Sonnenuntergang so herrliche Anblicke, daß man gern etwas Hitze erträgt, um den Abend abzuwarten. Die übrigen Anlagen werden alle gut erhalten.

Von bedeutend Neuem wüßte ich aus dieser Einsamkeit nichts zu melden, als daß der Großherzog von Würzburg seine Schlösser in Böhmen zum Sommeraufenthalt hat einrichten lassen und schon Anfangs May hier durchgehen wollte.

Das Stärkezucker Evangelium habe ich mit Kraft gepredigt, und schon sind die Töpfer beschäftiget große glasirte Häfen zu drehen, damit auf die einfachste Art diese Operation versucht werde. Die Carlsbader können sich hierbey vor anderen selig preisen, indem sie die stärkereichen Viehkartoffeln in Übermaß bauen, jede Familie sich ihren Kartoffelmehl Bedarf ohnehin jährlich selbst verfertigt und eine halbe Stunde von hier das Vitriolöl distillirt wird, und also aus der ersten Hand zu beziehen ist, so daß es blos auf die Gewohnheit der Einwohner ankommt, um den Zucker beynahe umsonst zu haben. C. B. 10. May 1812.


Seitdem Vorstehendes geschrieben war hat sich das Wetter erwiesen, mit Sonnenschein, bedecktem Himmel und genugsamen Regen. Das Grüne[13] tritt immer mehr hervor und die wenigen Obstbäume fangen an zu blühen. Dagegen macht der steigende Werth der Einlösungsscheine (Wien 100 = 175. Prag 100 = 185) Einheimischen und Fremden zu schaffen. Jene können freylich kaum bedenken wie sehr dieses Phänomen dem Staate zu Gute kommt, indem für jeden Einzelnen die Theurung höchst drückend wird. Der Fremde kann immer zufrieden seyn wenn er wohlfeiler lebt als zu Hause, aber dem Einwohner schmilzt Gold und Papier in der Tasche. Der Handel mit dem Auslande stockt und selbst der innere Verkehr, indessen da die Staatsoperation wirklich auf den Grad gelungen ist, so mögen die Einzelnen denn nach und nach aus dem Schlaraffentraum, in dem sie bisher so hingedusselt, sich durch wiederholte Stöße aufschütteln lassen.


23/6332.


An Christiane von Goethe

Das Wetter ist fürtrefflich und für uns, wie für den Feldbau wünschenswerth. Die Castanien auf der Wiese geben schon Schatten, die Blüthen brechen hervor und in kurzer Zeit wird kein dürrer Zweig mehr zu sehen seyn. Mein Befinden ist gut und die Arbeiten gehen von Statten.

Deshalb lassen wir uns nicht anstechen, wenn uns die öconomische Seite unseres Aufenthalts etwas Bedenken[14] macht. Das Silber ist seit einigen Tagen sehr gefallen; wir haben es nur noch zur Noth mit 100 gegen 1000 alte Banknoten, d.h. Einlösungsscheine 200 verwechseln können. da nun die Leute nach den letzten rechnen und von den vorjährigen Preisen wenig herunter gehen, so sehet ihr die ungeheuere Differenz.

Wir suchen sie durch Ökonomie auszugleichen. Ich wohne im dritten Stock und spare also die Hälfte der Miethe. Durch die Gefälligkeit des Postmeisters, den ich mit der neuen Zuckerfabrikation bekannt machte, haben wir noch kurz vor Thorschluß 80 Bouteillen Ofner (leider klein Gemäß) und billigen Preis bezogen und sind also wegen dieses Hauptpunktes sicher. Andere Menagen sind auch beliebt und so stehen wir, sowohl in der Hauptsache, als in der Casse, sehr gut.

Wollt ihr nun auch dieses Jahr der Gesundheit wegen hier seyn und dabey noch manches unschätzbare Vergnügen der Gegend genießen, auf allen Saus und Braus des vorigen Jahres aber Verzicht thun, so seyd ihr den 21. Juni willkommen, und werdet in fünf Wochen das Hauptgeschäft abthun und Ende Juli erquickt und froh nach Hause zurückkehren.

Zu einer solchen veränderten Lebensart wird der heurige Zustand von Carlsbad das Seinige genugsam beytragen. Nicht allein sind wenig Quartiere bestellt, sondern mehrere und bedeutende Personen haben wieder abgeschrieben woraus erstellt, daß an eine brillante Gesellschaft nicht zu denken ist. Demohngeachtet werden[15] sich im Juli wahrscheinlich so viele Personen einfinden, als nöthig sind, um hier eines angenehmen Umgangs zu pflegen. Vor allem aber rate ich dir deinen Weinbedarf mitzubringen, weil dieser Artikel dieses Jahr, wegen des zu unserem Nachtheil schwankenden Curses, unerträglich theuer werden müßte. Ein sehr mäßiger Melnicker kostet jetzt schon die Flasche 13 gr. 6 pf. Sächsisch. Einen starken und edlen Wein zu schaffen würde, nach diesem Maasstabe, theuer genug zu stehen kommen.

Ich habe einen Brief von Herrn Hofcammerrath erhalten, auf den eine offene Antwort beyliegt. August wird sehen, ob er das Manuscript findet. Laß allenfalls Pollack rufen, der es kennt und vielleicht ausspürt. Ich höre mit Vergnügen daß die Sühne gute Wirkung gethan hat. Der Brief des Hofcammerraths ist acht Tage gegangen. Wenn auch dieser hinauswärts etwas geschwinder geht, so hoffe ich doch kaum vor Trinitatis etwas von euch zu hören. Sage mir deine Gedanken und ich will alsdann den letzten Entschluß melden, wie es werden kann und soll, denn bey diesen Postgange ist des Hin- und Herschreibens nicht viel zu unternehmen. Was ich wünsche, daß ihr mitbringt, schreibe ich alsdann. Vergiß aber ja ein Fläschchen Kartoffelsyrup und Kartoffelzucker nicht; man ist hier sehr neugierig darauf.

Von Wehediz ist auch nicht viel erfreuliches zu[16] erzählen; wir waren draußen und haben das hübsche Kind nicht einmal gesehen. Die übrigen erheiterten kaum ihre Gesichter als sie mich wiedersahen und nach dir fragten; so sind die Menschen alle durch Erhöhung des Curses gedruckt, wodurch ihnen alles noch theuerer vorkommen muß als uns, die wir denn doch unsere hiesigen Ausgaben mit den Thüringischen vergleichen können. Alles Furwesen stockt mit dem Handel, an wohlfeilen Weineinkauf ist nicht zu denken und deswegen der so oft besuchte Keller völlig leer. Und so ist auch das Wehedizer Paradies verschwunden und man muß sich nach etwas anderen umsehen.

Kutsch und Pferde werden freylich die ganze Sache weit lustiger machen und die guten Thiere sollen den theueren Hafer schon wieder abverdienen. Jetzt machen wir weite Fußpromenaden von mehreren Stunden, kommen sehr müde nach Hause, befinden uns aber sehr wohl dabey, welches wir euch auch wünschen und uns baldige, hübsch umständliche Antwort erbitten.

Ich hoffe daß der Brief durch den Kutscher, so wie die Kiste Egerwasser glücklich angelangt ist.

Herzlich grüßend

Carlsbad den 13. May 1812.

G.


23/6333.


An August Wilhelm Iffland

Sie haben, verehrter Mann, Sich bey jeder Gelegenheit, und auch neuerlich wieder so freundlich und[17] theilnehmend gegen mich erwiesen, daß ich sehr unrecht thäte, wenn ich nicht auch einmal direkt davon meinen Dank abstattete, zumal da ich mich gegenwärtig in Carlsbad, entfernt von unserm guten Mittelsmann, befinde.

Was die Exemplare von Götz von Berlichingen so wie von Egmont für München betrifft, so überlasse ich das Arrangement deshalb ganz Ihrer Beurtheilung, da ihnen die vorwaltende Verhältnisse am besten bekannt sind. Ich werde die gefällig übernommene Bemühung jederzeit mit aufrichtigen Dank erkennen.

Es thut mir sehr leid, Herrn Rebenstein nicht in Weimar gesehen zu haben. Ich hätte mich gern an seinem Talente erfreut, und ihm persönlich etwas angenehmes erzeigt. Wie ich höre, hat er den verdienten Beyfall erhalten. Das schöne Wetter verleitete mich zu einer frühen Reise hierher, wo ich des herrlichsten Frühlings genieße, der sich denken läßt.

Für den Herbst habe ich die Hoffnung, mich, mit uns allen, Ihrer Gegenwart zu erfreuen; möchte sie glücklich erfüllt werden.

Die vorjährige Anregung wegen einer Oper hat bey mir nachgewirkt, ich hoffe bey Ihrer Ankunft, wo nicht früher, den Plan zu einer solchen, und auch wohl einen Theil der Ausarbeitung vorzulegen, wovon ich mir viel Effect verspreche. Bey dieser Dichtungsart ist es nothwendig, vor allen Dingen des Personale des Theaters, für welches man eigentlich schreibt, vor[18] Augen zu haben, und sowohl mit der Direction, als dem Componisten, gleich vom Anfang einstimmig zu handeln; dadurch wird allem Umändern und Nacharbeiten vorgebeugt.

Herrn Hofcammerrath Kirms übernimmt gefällig den Auftrag, die Exemplare von Götz und Egmont bereit zu halten.

Der ich mich mit gefühlter Hochachtung und aufrichtiger Anerkennung die Ehre habe zu unterzeichnen

Ew. Wohlgeboren ganz ergebensten Diener

Carlsbad den 14. May 1812.

J. W. Goethe.


23/6334.


An Christian Gottfried Körner

Ihr lieber Brief, theuerster Freund, ist mir in Carlsbad gleich nach meiner Ankunft geworden und hat mich dessen Inhalt sehr erfreut. Nun erhalte von Weimar ein Schreiben aus dem ich eine Stelle sogleich mittheilen muß.

»Die Sühne ist gestern sehr gut gegeben worden und hat ausserordentliche Sensation gemacht. Das Stück packte schnell und ging schnell vorüber, deswegen mir es lieber ward, als der vierundzwanzigste Februar. Die Herzogin wollte den Verfasser wissen.«

Ich war von der guten Wirkung voraus überzeugt und tröstete mich deshalb daß ich weggehen mußte[19] ohne Leseprobe von beyden Stücken halten zu können. Das zweyte wird eben so reüssiren; es ist vollkommend passend ausgetheilt; Frau von Heygendorf hat die Heldin übernommen.

Die Vorhalle, welche den 30. April von Jena abgegangen, wird nun in ihren Händen seyn; sie ist hauptsächlich auf den Effect calculirt, vom Blitz erleuchtet zu werden. Da das Haus einmal einem reichen Pflanzer gehört hat, so wird man die solide Architektur ganz schicklich finden und sich durch das eigne derselben gern in eine fremde Welt versetzt fühlen. Die Zimmer sind auch auf ähnliche Weise zu decoriren angeordnet; zum Walde haben wir Palmen und fremde stachliche Gewächse genug.

Nach Vorstellung des zweyten Stücks soll der Name des Verfassers publicirt werden, wenn er inzwischen nicht sonst auskommt. Ich habe es durchaus vortheilhaft gefunden, die ersten Stücke eines jungen Autors ohne seinen Namen zu geben, damit sich nichts persönliches in den Empfang mische.

Ob ich so glücklich seyn kann Sie im halben Juli in Prag zu sehen hängt noch von vielen Zufälligkeiten ab; Sie sind überzeugt daß ich es herzlich wünsche. Vor Johanni werde ich darüber das Nähere sagen können.

Wenn Ihr lieber Sohn, nach seinem Aufenthalt in dem großen Wien, eine Zeitlang in dem kleinen Weimar ausruhen will, so soll er uns sehr willkommen[20] seyn. Ich wünsche daß ihn alsdann unser Theater anregt etwas auf der Stelle zu schreiben, um es sogleich aufgeführt zu sehen, wozu ihm denn die beyden ersten Stücke ganz freundlich vorleuchten werden.

Das beste Lebewohl!

Goethe.

C. B. den 14. May 1812.


23/6335.


An Leopold Edlen von Lämel

Indem ich den Chef eines angesehenen Handelshauses wegen einer sehr kleinen Angelegenheit, die mir aber in dem Augenblicke von Bedeutung war, anzusehen mich entschloß, mußte ich voraussetzen daß seine Nachsicht und Gefälligkeit eben so groß seyn werde als seine Thätigkeit und sein Einfluß, und ich will nicht leugnen daß ich den Schritt mit einiger Bedenklichkeit gethan habe. Allein diese meine Besorgniß wird auf die schönste Weise beseitigt, ja beschämt, indem jemand de Seinigen meinen Wünschen auf die heiterste Weise entgegenkommt und meine Bedürfnisse für den Aufenthalt in diesen Gegenden vollkommen befriedigt.

Die mir zugedachte Weine, für die ich mich als einen dankbaren Schuldner bekenne, sind heute glücklich angelangt und sollen nicht anders, als auf Ihre Gesundheit und in Erwähnung der Gastfreyheit, womit Sie mich in Böhmen empfangen, fröhlich genossen[21] werden. Möchten mir es doch Zeit und Umstände erlauben vor Ihnen und vor den werthen Ihrigen in der Hauptstadt selbst dankbar zu erscheinen.

Wie es Ihnen aber gewiß nicht unbekannt ist daß derjenige, dem man eine Gefälligkeit erweist, dieses leicht als eine Zusage für künftige Vorkommenheiten betrachtet, so nehme ich mir gegenwärtig die Freyheit Sie zu ersuchen, mir für 200 fl. Silber-Einlösungsscheine gefällig zu übersenden, und ich werde nicht verfehlen die Schuld entweder sogleich hier an Ihre Ordre, oder wie es sonst beliebig wäre zu entrichten.

Indem ich nun um Verzeihung dieser abermaligen Bemühung zu bitten habe, muß ich mir jedoch die Erlaubniß vorbehalten in ähnlichen Fällen mich künftig an Dieselben wenden zu dürfen.

Der ich, unter vielen Empfehlungen an die werthgeschätztesten Ihrigen, die Ehre habe ich mich zu unterzeichnen

Ew. Wohlgeb.

ergebensten Diener

Carlsbad den 19. May 1812.

J. W. Goethe.


23/6336.


An Carl Friedrich Zelter

Ihr lieber Brief vom 8. May findet mich in Carlsbad den 18. und so will ich gleich etwas erwiedern,[22] da ich denke daß Sie es in zehen Tagen lesen werden.

Was Sie mir freundliches über Reynhold sagen ist mir nicht allein sehr angenehm, sondern es soll auch, hoffe ich, fruchtbar werden, indem Sie mich zum Bewußtseyn erheben dessen, was ich aus Natur und Trieb besonders für Theatermusik gethan habe und thun möchte. Wenn Sie sagen: »alles ist frey und leicht angedeutet, die Worte sind nicht vorgreifend und der Musicus hat es wirklich mit der Sache selber zu thun«, so geben Sie mir das größte Lob, daß ich zu erlangen wünschte; denn ich halte davor, der Dichter soll seine Umrisse auf ein weitläufig gewobenes Zeug aufreißen, damit der Musicus vollkommenen Raum habe seine Stickerey mit großer Freyheit und mit starken oder seinen Fäden, wie es ihm vordünkt, auszuführen. Der Operntext soll ein Carton seyn, kein fertiges Bild. So denken wir freylich, aber in der Masse der lieben Deutschen steckt ein totaler Unbegriff dieser Dinge, und doch wollen Hunderte auch Hand anlegen. Wie sehr muß man dagegen manches Italienische Werk bewundern, wo Dichter, Componist, Sänger und Decorateur alle zusammen über eine gewisse auslengende Technik einig werden können. Eine neue Deutsche Oper nach der andern bricht zusammen, wegen Mangel schicklicher Texte, und die lieben Wiener, die gar nicht wissen wo die Zäume hängen, setzen einen Preis von hundert[23] Ducaten auf die beste Oper, die irgend jemand in Deutschland hervorbringen soll, da sie an der rechten Schmiede das Doppelte bieten könnten und immer noch dabey gewönnen.

Die Sache ist eigentlich bedenklicher als man glaubt; man müßte an Ort und Stelle mit allen, die zur Ausführung beytragen sollen, eine heitere Existenz haben und ein Jahr nach dem anderen etwas neues produciren. Eins würde das andere heranführen und selbst ein Mislungenes zu einem Vollkommenen Anlaß geben.

Zu dem Simson hätte ich im Augenblick kein Zutrauen; die alte Mythe ist eine der ungeheuersten. Eine ganz bestialische Leidenschaft eines überkräftigen, gottbegabten Helden zu dem verfluchtesten Luder, das die Erde trägt, diese rasende Begierde, die ihn immer wieder zu ihr führt, ob er gleich, bey wiederholtem Verrath, sich jedesmal in Gefahr weiß, diese Lüsternheit, die selbst aus der Gefahr entspringt, der mächtige Begriff, den man sich von der übermäßigen Prästanz dieses riesenhaften Weibes machen muß, das im Stande ist auf den Grad einen solchen Bullen zu fesseln. Sehen Sie das an, mein Freund, so wird Ihnen gleich offenbar seyn, daß das alles vernichtet werden muß, um nur die Namen, nach den Convenienzen unserer Zeit und unseres Theaters, zu produciren. Viel räthlicher wäre es gleich einen Stoff von geringerer specificer Schwere zu wählen, wo nicht gar einen[24] solchen, der auf dem Elemente des Tags von selber schwämme. Man sehe die Schweizerfamilie und solches Gelichter.

Noch eines andern Bedenkens muß ich erwähnen. Die alttestamentlichen Gegenstände thun bey uns einen ganz wunderlichen Effect; ich konnte bey Roberts Jephtha und bey Alfieri's Saul hierüber Betrachtungen anstellen. Es ist kein Widerwille, der erregt wird, aber es ist gar kein Wille, keine Abneigung, aber eine Unneigung. Jene Mythen, wahrhaft groß, stehen in einer ernsten Ferne respectabel da und unsere Jugendandacht bleibt daran geknüpft. Wie aber jene Heroen in die Gegenwart treten, so fällt uns ein daß es Juden sind und wir fühlen einen Contrast zwischen den Anheeren und den Enkeln, der uns irre macht und verstimmt. So lege ich mir's in der Geschwindigkeit aus, indem ich der Wirkung jener beyden Stücke genau aufgepaßt habe. Dieses letzte Bedenken würde beseitigt wenn man die Fabel zu anderen Völkern versetzen wollte. Da entstehen wieder neue Schwierigkeiten. Ich denke weiter darüber.

Und nun will ich zum Schlusse gebeten haben mir jene Compositionen nicht vorzuenthalten, zugleich auch unserer Correspondenz, bey alter Liebe, ein neues Leben zu verleihen.

Nur keine so lange Pause wieder!

Carlsbad den 19. May 1812.

G.[25]


23/6337.


An Christiane von Goethe

Heute, Freytag de 22. erhalten wir euer freundliches Schreiben vom 15., welches sich auf die erste Sendung durch den Kutscher bezieht, indessen werdet ihr erhalten haben einen eigenhändigen Brief vom 10. und einen anderen umständlicheren vom 13.

Da nun hieraus zu ersehen ist, daß die Briefe hin und her jedesmal ohngefähr acht Tage laufen, so muß man im Wechsel schreiben, wenn man einigermaßen in Verbindung bleiben will.

Von allen Dingen wollen wir also die näheren Umstände unseres hiesigen Aufenthalts vermelden. Seit unserem letzten haben sich die Aspecten eher verbessert, als verschlimmert, und wir haben uns, durch eine gute Öconomie, mit dem vorigen Jahre ins Gleiche zu setzen gesucht.

Der Werth des Silbers ist wieder gestiegen, es steht ongefähr auf 220. Ich habe mich mit Prag in Connexion gesetzt um nicht immer in den Händen der hiesigen Juden zu seyn.

Nach dem Gelde ist wohl der Wein am ersten werth daß man sein gedenke. Wir haben unseren Bedarf bis Ende Juni im Keller; alles aber wohl überlegt, mußt du dir nothwendig, was du zu brauchen glaubst, mitbringen.

[26] Das fruchtbare, den Wiesen und dem Sommergetreide ersprießliche Wetter erniedrigt vielleicht auch den Preis der Fourage, und das Essen ist auf alle Fälle besser und wohlfeiler, als bey Herrn Steiner in Jena.

Die Wehedizer, durch unsere Ankunft erfreut, bringen schon wieder die köstliche Butter. Wenn August einmal seine Schenkhosen anziehen sollte, so siehe daß du einen Goldpfenning für Rösen erwischest. Sie haben uns für den Juli nicht ganz ohne Hoffnung vom lustigen Wein gelassen; vor einem Jahre, sagen sie, hätten sie hundert Eimer verschenkt, doch nicht mit dem größten Vortheil. Die Herren Fremden wären artig gewesen und hätten bezahlt, die aus dem Lande hätten sich betrunken, tumultuirt und wären schuldig geblieben.

Seit einigen Tagen haben wir abwechselnd Gewitter und Regen, welches uns aber in unserem schönen hohen Zimmerchen nicht rührt. Ich finde immer so viel zeit um mir im Trocknen eine artige Skizze zu holen, die ich nachher zu Hause ausführe.

Der Sprudel rast gewaltiger, als jemals. Am Neubrunn ist der Aufenthalt ganz abscheulich, weil gebaut wird. Wenn's regnet weiß man nicht wohin zu treten, geschweige wohin zu gehen.

Kein Blatt von der Liste ist noch nicht ausgegeben, indessen kommt täglich etwa eine Partie. Herr v. Könne ist der einzige ältere Bekannte. Zu deiner[27] größten Zufriedenheit aber kann ich dir melden, daß Frau von Reck bald hier eintreffen wird. Es ist schon in Töplitz und hat mich durch Doctor Mitterbacher grüßen lassen. Ich werde durch ein freundliches Betragen euch einen freundlichen Empfang vorbereiten.

Dem Herr Hofrath Meyer vermelde meinen schönsten Gruß und sage ihm, er möchte sich nicht abwendig machen lassen nach Carlsbad zu kommen, wer ordentlich leben wolle, lebe hier noch wohlfeil genug.

Sodann wünschte ich denn doch auch zu hören, wie es mit Professor Riemer geht, ob er sich bey euch sehen läßt und, wenn nicht, ob ihr sonst etwas von ihm vernehmt. Es ist gar zu viel daran gelegen zu wissen, wie er sich in seinem neuen Zustande befindet.

Grüßt mir alle Freunde, besonders die, die euch freundlich besuchen. Ich hoffe daß ihr mir eine Radirung von Wolf mitbringen werdet.

Für die Theaternachrichten danke ich; es ist recht gut daß du dich der Lefevre annimmst. Siehe daß du dir sie für den Sommer gut unterbringst.

Noch ist zu vermelden, daß eure vorjährige Gönner und Freunde, der Graf Zichy in den drey Lerchen, Herr Kreishauptmann v. Nitzschwitz aus Leipzig in der Harfe angekommen, und daß also immer mehr Gäste zu hoffen sind.[28]

Wollt ihr mir von Zeit zu Zeit schreiben, wie es euch geht, so ist es wohlgethan; ich werde noch manches von mir hören lassen und meinen letzten Brief an August addressieren.

Lebet nun recht wohl, die Inlage bitte ich zu beherzigen, den 21. soll alles zu eurem Empfang bereitet seyn.

Carlsbad den 24. May 1812.

G.


23/6338.


An Leopold Edlen von Lämel

Ew. Hochwohlgeb.

haben mit gleicher Liberalität für meine Casse wie für meinen Keller gesorgt, und da ich wegen dieser beyden Hauptpuncte für alle Zufälligkeiten nunmehr gesichert bin, so könnte ich, wenn die Brunnencur fortfährt mir, wie bisher, günstig zu seyn, mit keinem unangenehmern Gefühl von hier abreisen, als wenn ich nicht auch Ihre persönliche Bekanntschaft, so wie vor einem Jahre die der werthesten Ihrigen, gemacht hätte.

Doch wer weiß auf welchem Wege mir dies Vergnügen vorbehalten ist?

Herrn Joseph Knoll habe ich die 200. fl. gegen Quittung eingehändiget, und bitte mir die Erlaubniß aus, vielleicht in einiger Zeit nochmals an Ihre Güte Anspruch machen zu dürfen, und en aufrichtigsten Dank, so wie die empfundene Hochachtung wiederholt[29] auszudrücken, mit der ich die Ehre habe mich zu unterzeichnen

Ew. Hochwohlgeb.

ganz ergebensten Diener

Carlsbad den 29. May 1812.

J. W. Goethe.


23/6339.


An Christiane von Goethe

Carlsbad den 3. Juni 1812.

Heute wollen wir nicht mehr als das Nöthige sagen, da wir den Tag engegensehen, an welchem wir hoffen können euch hier zu empfangen. Wenn es im Ilmthale schön ist, so könnt ihr gewiß denken, daß es im Töpel und Egerthale gleichfalls herrlich aussehe. Zu gewissen stunden wünscht man sich mehr Augen, damit man nur alles recht einnehmen könne. Bis jetzt sind sechs und vierzig Familien hier; der Erbprinz von Mecklenburg ist gestern hier angekommen, welches du in Weimar verkündigen kannst.

Den 21. sollt ihr eine wohl eingerichtete Haushaltung finden und es euch darin recht wohl seyn lassen. Mich abzuholen wird kein Wagen bestellt; ich will eure Ankunft erst abwarten und mich nachher entschließen. Lebet recht wohl! grüßet alle Freunde.

Hier folgen nun einige Commissionen.

1) Einige Buch Papier von dem, auf welches gegenwärtiger Brief geschrieben ist. es liegt davon[30] in meiner untersten Schublade rechts des großen Schreibtisches. Wäre es ja ausgegangen, so verschaffst du solches wohl von der Geheimen Canzeley.

2) Eine Stange gut Siegellack.

3) Ein Exemplar der Wahlverwandschaften. Sie liegen in derselben Schublade, die oben bezeichnet ist, aber ganz hinten.

4) Da der Zucker hier so theuer ist wie der Caffee, so bringe dir auch welchen mit.

5) Unter den angenommenen Briefen wird ein Brief von Magister Stimmel in Leipzig seyn, (ich liege ein Blättchen von seiner Hand mit bey). Diesen macht August auf, und wenn er, wie wahrscheinlich, Nachricht enthält, wie es mit der Hackertischen Verloosung abgelaufen, so wird er solchen an Hofrath Meyer übergeben, welcher die Gefälligkeit haben wird, Durchl. die Herzoginn und Erbprinzeßinn mit dem Inhalt bekennt zu machen. Beyde Damen haben eingelegt.

6) Fragt Herrn Hofrath Meyer, ob er an mich etwas zu bestellen hat?

G.


Nunmehr wüßte ich weiter nichts zu sagen; sollte mir noch etwas einfallen, so habe ich noch zwey Posttage, an denen ich Briefe absenden kann, die ihr erhalten könnt.

[31] Frau von Reck hat mir von Töplitz geschrieben und läßt dich schönstens grüßen; sie wird in diesen Tagen erwartet. Graf Zichy hat auch nach dir gefragt.

Nun lebet schönstens wohl! wenn ihr nach Ankunft dieses Briefs noch einmal schreibt, so kann ich den Brief vor dem 21. erhalten.


23/6340.


An Heinrich Ludwig Verlohren

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

erlauben, daß ich auch einmal von Carlsbad aus mich nach Ihrem Wohlseyn erkundige und einen kleinen Auftrag zu gefälliger Besorgung hinzufüge.

Ich habe nämlich schon am 29 März Herrn v. Kügelgen in Dresden ersucht, mir eine Partie Ölfarben und einige andere, zur Ölmalerey gehörige Bedürfnisse gefällig anzuschaffen und mir solche nach Weimar zu senden. Auch legte ich ein Billet an Ew. Hochwohlgeb. bey, mit dem Ersuchen, jene Auslage einstweilen zu erstatten. Da ich bey meiner Abreise von dort weder die Sendung noch Nachricht deshalb erhalten hatte, so schrieb ich den 24. April an Dlle Seidler, welche sich gegenwärtig in Dresden befindet, mit Bitte diese Angelegenheit, welche mir von einiger Bedeutung ist, zu fördern und mir von dem, was darin geschehen, hierher Nachricht zu geben.

[32] Da ich aber auch von dieser Seite bisher nicht vernommen, und mir auch von Hause nichts zugegangen, daß die Farben angekommen; so nehme ich mir die Freyheit Ew. Hochwohlgeb. zu ersuchen, einige Erkundigung einzuziehen, um zu erfahren, wodurch Erfüllung meines Wunsches verspätet, oder wohl gar vereitelt worden. Eine gefällige Nachricht deshalb trifft mich in Carlsbad bey den drey Mohren.

Der ich mich zu geneigtem Andenken empfehle und die Ehre habe, mich mit besonderer Hochachtung zu unterzeichnen.

Carlsbad den 3. Juni 1812.


23/6341.


An Leopold Edlen von Lämel

Vor Ew. Hochwohlgeb. möchte ich nicht immer mit ganz leeren Händen erscheinen, deswegen wünsche ich, daß Dieselben die beykommenden Hefte freundlich aufnehmen und zu meinem Andenken verwahren möchten.

Da Sie, bey der gegenwärtigen glänzenden Epoche in Prag, gewiß genugsam beschäftigt sind, so fasse ich mich übrigens kurz, indem ich Sie ergebenst ersuche, mir im Laufe dieses Monats, für die Summe von 300 fl. Sächs. Einlösungsscheine gefällig hierherzusenden. Ich werde nicht verfehlen, sogleich an Dero Ordre die Erstattung dankbar zu besorgen.

[33] Der ich, mit den angelegentlichsten Empfehlungen an die verehrten Ihrigen, mich mit vorzüglicher Hochachtung unterzeichne

Ew. Hochwohlgeb.

ganz ergebensten Diener

Carlsbad den 10 Juni 1812.

J. W. v. Goethe.


Ergebenste Nachschrift.

Beykommendes ist einige Zeit bey mir liegen geblieben, indem ich vernahm, daß der Curs für das Silber allzu ungünstig geworden. Doch hätte ich, wie ich auch gegenwärtig thue, dasjenige, was bey diesem kleinen Geschäft zu meinem Vortheile gereichen kann, Ew. hochwohlgeb. Vorsorge gar wohl überlassen können. Es wird daher blos von Denselben abhängen, ob sie mir die ganze erbetene Summe gegenwärtig gleich, oder nur zum Theil gefällig übersenden wollen.

Mich bestens empfehlend.

den 19. Jun. 1812.


23/6342.


An Sara von Grotthuß

Wie sehr danke ich Ihnen, meine theuerste Freundinn, für das Vertrauen, das Sie hegen, daß ich an Ihnen und an allem, was Ihnen lieb und werth ist, Theil zu nehmen niemals aufhören werde. Ich will[34] nur bekennen, daß ich längst auf Nachricht von Ihnen gehofft habe. Aber auch das erkenne ich dankbar, daß Sie meinen Wunsch gegenwärtig erfüllen. Die Nachricht von Ihrer geliebten Schwester Befinden ist mir um so erfreulicher, als ich bisher darüber in einer peinlichen Ungewißheit bleiben mußte. Möchte doch Ihre Gegenwart auch Ihrem fürtrefflichen Gemahl eben so heilbringend seyn.

Sie gehorchen auch dießmal Ihrer zwar schweren, aber eben so edlen Bestimmung, mehr für andre als für Sich zu leben, dafür Sie aber auch mit Liebe und Achtung reichlich belohnt werden.

Ihre Güte, unter so vielen und dringenden Sorgen, auch meiner kleinen Wünsche zu gedenken, muß mir unschätzbar seyn. Mögen Sie mir den gehaltvollen Beytrag zu meiner handschriftlichen Sammlung, da diese Blätter wohl nur ein klein Volum haben, mit der reitenden Post schicken, wenn nicht irgend bald eine Gelegenheit ist, sie vielleicht durch einen Dresdner Badegast an mich gelangen zu lassen.

Die Einladung des Grafen Palffy beschämt mich; wie gerne möchte ich ihr gehorchen! Aber die Fähigkeit zu solchen Entschlüssen vermindert sich bey mir von Jahr zu Jahr, und ich kann es nicht mehr weiter bringen als meine Zeit unter Weimar, Jena und Carlsbad zu theilen. Lassen Sie es aber ja gelegentlich an dem schönsten Danke nicht fehlen.

Was meine Stücke betrifft, so hat Herr Generaldirector[35] Iffland das Geschäft gefällig übernommen, solche den Theatern, welche sie wünschen, zukommen zu lassen. Da er mit allen Bühnen in Connexion steht, so wird die Sache dadurch sehr erleichtert. Entschuldigen Sie mich also bestens, daß ich durch diese getroffene Verpflichtung mich an der unmittelbaren Erfüllung jener Wünsche gehindert sehe.

Empfehlen Sie mich Ihrem Herrn Gemahl angelegentlichst und lassen mich hier noch etwas von Sich vernehmen; bis zu Ende Juli trifft mich ein Brief noch immer bey den drey Mohren.

Riemer ist Weimar angestellt, er wird sich Ihres Andenckens herzlich freuen. An dem Schreiber des gegenwärtigen habe ich abermals einen unterrichteten thätigen Freund gewonnen.

Für immer der Ihrige

Carlsbad den 22. Juni 1812.

Goethe.


23/6343.


An die Erbprinzessin Caroline Louisevon Mecklenburg-Schwerin

[Concept.]

Als ich bey meiner dießmaligen Ankunft in Carlsbad, durch die Naturgegenstände gereitzt, mich wieder vermaß, einige landschaftliche Gespenster auf dem Papier spucken zu lassen, mußte ich mich wohl erinnern, wie Ew. Durchl. sonst so gnädig gewesen,[36] Einiges der Art mit Nachsicht aufzunehmen. Dabey durfte mir aber nicht einfallen, daß ich mir abermals eine ähnliche Freyheit sollte nehmen dürfen. nur aber begegnet mir das Glück Ihro verehrtem Herrn Gemahl hier aufwarten zu können und mich dessen Gnade, Güte und Vertrauens rühmen zu dürfen und ganz unmittelbar mich von Ew. Durchlaucht fürstlichen, häuslichen und mütterlichen Glück zu überzeugen. Angeregt hiedurch wage ich, in diesem gegenwärtigen Schreiben Ew. Durchlaucht, obgleich nur zum Überflusse zu versichern, daß mir nichts Erwünschteres bey meinem hiesigen Aufenthalte hätte widerfahren können; da meine Anhänglichkeit an Höchst Dieselben sich niemals vermindern und meine Wünsche für Ihr Wohl niemals nachlassen können.

Erlauben Sie, daß ich mich aber und abermals angelegentlichst zu Gnaden empfehle und verzeihen, wenn ich ein paar Blättchen beylege, auf welchen nur ein Sonntagskind irgend einige Erscheinung gewahr werden kann.

Carlsbad den 22. Juni 1812.


23/6344.


An August von Goethe

[Concept.]

Du erhältst hierdurch, mein lieber Sohn, die Nachricht, daß die Mutter glücklich angelangt ist und ihr[37] die Cur sehr wohl bekommt. Auch befindet sich gute Gesellschaft hier zu ihrer Unterhaltung, und Jedermann benimmt sich gegen uns sehr freundlich. Fr. v. Reck, Graf und Gräfinn Stolberg, Graf Geßler, vorzüglich aber Prinz Friedrich von Gotha, bey dem wir gestern sämmtlich gespeist und sehr gute Musik gehört haben.

Der Kaiser von Östreich und die Kaiserinn von Frankreich kommen Mittwoch den 1. Juli, bleiben den 2. und den 3. hier, und gehen den 4. auf Franzensbrunn. Wegen des großen Gefolgs wird es ein starkes Gedränge geben.

Leider kommt die Kaiserinn von Östreich nicht hierher, sondern geht gerade auf Töplitz.

Du erhältst hier drey Gedichte, wie sie erst intentionirt waren. Sie sind numerirt und foliirt wie sie eigentlich folgen. Leider muß nur das erste wegbleiben, und so verliert das Ganze seine beste Grazie. Ich wünsche, daß du dir sie geschwind abschreibst und das mitkommende Original entweder direct oder durch Frau von Stein, wie du es für gut hältst, an die Herrschaften gelangen lässest, mit der einzigen Bitte, sie nicht aus Händen zu geben.

Was die Ausrichtung der Geschäfte betrifft, so hast du alles ganz wohl besorgt.

Den Zeddel wegen den von Körner bestellen Glaswaren präsentirst du dem Herrn Geh. Rath v. Voigt Exc. mit meiner besten Empfehlung. Es wird auch aus der Separatcasse bezahlt.

[38] Herrn v. Ende besuchst du, erbittest dir die Acten quaest. und legst sie Herrn Geh. Rath v. Voigt vor.

Übrigens empfiehlst du mich aller Orten und Enden, besonders, wenn es Gelegenheit giebt, unseren Herrschaften.

Carlsbad den 30. Juni 1812.


23/6345.


An Carl Friedrich Ernst Frommann

[Concept.]

Sie erhalten hiebey, mein werthester Herr Frommann, die zwey nächsten Bücher der Biographie. Kommen sie vielleicht auch etwas später als Sie gewünscht haben, so ist dafür auch schon eine Masse beysammen, das Manuscript ist reinlich, so daß am Anfange und dem Fortgange des Drucks nichts im Wege steht.

Ich kann hoffen, daß das achte Buch in 14 Tagen abgehen wird. Ich werde es absenden, wenn ich auch bis dahin keine Antwort von Ihnen erhalten habe. Ich bitte Sie jedoch so gefällig zu seyn, mir die Ankunft des Gegenwärtigen baldigst anzuzeigen. Auch wünschte ich einen Überschlag, wieviel diese beyden Bücher wohl im Druck betragen möchten. Ich vermuthe etwa zwölf Bogen, und hiernach würde das Ganze den ersten Band an Bogenzahl nicht sonderlich übersteigen.

[39] Sagen Sie mir zugleich wann Sie die beyden letzten Bücher wünschen, daß ich sie entweder senden oder mitbringen kann.

Ich wünsche zu vernehmen, daß Sie Sich mit den Ihrigen recht wohl befinden, grüßen Sie mir dieselben aufs schönste, sowie alle Freunde. Die Herrschaften mit großem Gefolge werden erwartet.

Carlsbad den 30. Juni 1812.


23/6346.


An Charlotte von Stein

Verzeihen Sie, verehrte Freundinn, wenn ich mich einer fremden Hand bediene, um Ihnen von meinen Zuständen einige Nachricht zu geben, indem jede Art von Anstrengung mir ziemlich peinlich wird. Mein altes Übel, das mich am 26. mit besonderer Gewalt überfiel, war mir um desto verdrüßlicher, als ich mir einbildete, es wäre durch einige Vorsicht zu vermeiden gewesen. Da es Ihnen durch die Geister schon zwölf Stunden voraus angekündigt worden, so muß ich wohl glauben, daß es in den Sternen geschrieben gewesen, und mich um desto eher darein finden, als ich bey dieser Gelegenheit Ihres Antheils an meinen Zuständen aufs neue versichert werde.

Außer diesem ist mir alles gut gegangen und ich[40] muß mich trösten über die Unterbrechung und die Hindernisse, die mir dadurch verursacht worden. Ich finde mich ziemlich wieder hergestellt, und will es wagen, morgen nach Töplitz zu fahren, um Ihro Majestät der Kaiserinn und unserem Herzog aufzuwarten.

Die erste Zeit des Mai's war sehr schön, nachher ist aber das Wetter umgeschlagen und hat sich nicht wieder erholt. Die höchsten Herrschaften hatten bey ihrem hiesigen Aufenthalte nur wenige Stunden heiteren Himmels, und ihre Lustpartieen waren meist von Regen begleitet. Nur einige Mal erschienen sie zu Fuß auf den Promenaden. Ich habe aber leider nicht einmal die Herzoginn von Montebello gesprochen; ich hatte mich zwar angezogen und einige Versuche gemacht, aber mein übles Befinden hinderte mich sie durchzusetzen.

Prinz Friedrich von Gotha ist hier, und seine Gegenwart sehr freundlich und belebend. Frau von Reck ist nach ihrer hergebrachten Art wohlwollend und vermittelnd. Die Hezoginn von Curland wird auch einige Zeit hier bleiben. Frau von Reck denkt den Winter hier auszuhalten.

Soviel für dießmal. Empfehlen Sie mich unsern gnädigsten Damen auf das allerangelegentlichste. Gräfinn Fritsch befindet sich munter und wohl und hat wahrscheinlich von den hiesigen Zuständen schon manches Urtheil nach Weimar gemeldet.

[41] Erhalten Sie mir ein freundliches Andenken. Viele Grüße an alle Freunde und Freundinnen.

Carlsbad den 12. Juli 1812.

Goethe.


23/6347.


An Leopold Edlen von Lämel

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

haben die Gefälligkeit gehabt, mir durch Joseph Knoll allhier 696 fl. W. W. unter dem 26. Juni gegen doppelte Quittung auszahlen zu lassen. Die dagegen bereit liegende 300 fl. in Silber sind mir aber noch nicht abverlangt worden. Da ich nun auf kurze Zeit nach Töplitz gehe, mich Ihro Maj. der Kaiserinn zu Füssen zu legen, so halte ich für meine Schuldigkeit Ew. Wohlgeb. hievon zu benachrichtigen und zu bemerken, daß jene, von mit zu entrichtende 300 fl. bey meiner Frau, welche sich gegenwärtig in Carlsbad befindet, auf Dero Ordre erhoben werden können. Sobald ich von Töplitz zurückkehre, werde ich nicht ermangeln, es anzuzeigen und mir zu meinen, wahrscheinlich noch längeren Aufenthalt in Carlsbad Ihre fernere Gewogenheit zu erbitten. Der ich, unter den aufrichtigsten Wünschen für das junge Ehepaar und den besten Empfehlungen an Ihre verehrten Eltern, die Ehre habe mich zu unterzeichnen.

Carlsbad den 12. Juli 1812.[42]


23/6348.


An Christiane von Goethe

So muß ich denn wohl auch vermelden wie es mir bisher gegangen. Bey gutem Wetter und leidlichem Wege, war ich Dienstag Mittage hier und wurde aufs beste und freundlichste empfangen. Es würde sehr anmaslich aussehen wenn ich schriftlich erzählen wollte mit wieviel Gnade und Auszeichnung man mich hier beglückt; das soll also auf's mündliche verspart seyn. Durchl. der Herzog ist wohl und munter, Fürstl. Lignowsky immer der alte. Prinzess Marianne von Sachsen hat nach dir gefragt und einen Grus an dich aufgetragen. Die Abschrift der Gedichte ist, durch unglaubliche Saumseligkeit der Post, erst gestern d. 18ten angekommen, und ist also 14 Tage unterwegs gewesen. Das ist aber auch zum Glück ausgeschlagen. Der Herzog schickte sie gleich Ihrer Majestät und nach Tafel bezahlt die Kayserinn auf die anmuthigste weise daß ich sie vorlesen sollte, welches wohl das sicherste Zeichen der Zufriedenheit war. Darauf erfuhr ich noch das Angenehme, daß einer der ersten Staatsmänner gegen mich vertraulich äusserte: er kenne gar wohl die Schwierigkeit der Aufgabe und sehe mit Vergnügen wie glücklich sie gelöst sey. Dies wird besonders Johnen freuen, welcher am besten weis wie bedencklich mir die Sache gewesen. Fast alle Morgen habe ich das Glück gehabt der[43] Kayserinn vorzulesen. Sie spricht meistens dazwischen und äussert sich über die bedeutendsten Gegenstände mit ausserordentlichem Geist und Originalität. Man kann sich kaum einen Begriff von ihren Vorzügen machen. Ihr werdet über gewisse Dinge die ich zu erzählen habe erstaunen, beynahe erschrecken.

Schon dreymal war ich zur Tafel geladen. Da ist sie denn, wo möglich, noch heitrer und anmutiger als sonst; sie neckt diesen oder jenen von den Gästen und reizt ihm zum Widerspruch, und weis der Sache zuletzt immer eine angenehme Wendung zu geben.

Und so müsst ich noch immer fort erzählen, ob ich mir gleich vornahm alles auf meine Rückkunft zu versparen. Gestern zeigte sie uns nach Tafel eine sogenannte Toilette, ein kostbar verziertes Kistchen worinn alle denckbare Bedürfnisse einer Reisewirthschaft enthalten sind. Die Kayserinn von Frankreich hat sie mitgebracht. Jedes einzelne Stück kann als ein Kunstwerck und Meisterstück betrachtet werden.

Ich wohne im goldnen Schiff, in der alten Ecke, der Herzog in den Zimmern des Königs von Holland. Die Aussicht ist sehr schön, ich wünschte wohl euch einen Mittag bewirthen und einen Abend mit euch ausfahren zu können. Die Pferde kommen mir sehr zu Gute, besonders da ich nach dem Bade fahren muß welches eine kleine Viertelstunde entfernt liegt. Frl. v. Steten hat mir das Paquet sogleich zugeschickt und ich habe daraus nicht viel, aber doch einiges von[44] Weimar vernommen. Gar wunderlich ist's hier mit den Preisen der Dinge, einiges wohlfeiler, andres theurer, im Ganzen würde es sich vielleicht gleichstellen.

Was meine Rückkunft betrifft kann ich soviel sagen: daß meine Absicht sey Sonntag d. 26ten hier abzureisen und also Montag Mittag bey euch zu seyn. Es ist mir auch ganz wahrscheinlich daß das die rechte Zeit seyn werde. Gewiß kann ich nichts sagen. Ändert sich's; so schreib ich. Dabey wünsche ich nur daß Ihr auch vergnügt Eure Tage zubringt und mit Ernst die Kur gebraucht.

Empfehlt mich allen Gönnern und Freunden. Sage Prinz Friedrich Durchl. daß ich nicht mit Beethoven seyn kann ohne zu wünschen daß es im goldnen Straus geschehen möge. Zusammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut wie er gegen die Welt wunderlich stehn muß. Unserm trefflichen Meyer tausend Grüße. Euch alles Gute!

[Töplitz] Sonntag d. 19 Julius 1812.

G.


23/6349.


An Christiane von Goethe

In diesen Tagen dachte ich, mein liebes Kind, bey dir zu seyn, jetzt aber muß ich vermelden daß ich noch sobald nicht kommen kann. Die Kayserinn geht erst[45] den 10. August und so werde ich nicht vor dem 12ten wieder in Carlsbad eintreffen. Würde dir das zu lange; so dürftest du nur gleich an Herrn von Hendrich schreiben, der schickte dir Tümlers Wagen, du nehmst den großen Koffer und packest auf was du könntest, liessest mir aber den kleinen stehen, in den ich alsdenn packen würde was mir zu schwer ist und ihn auf die Post geben würde. Johns Steine in ein Kästchen gepackt nähmst du auch mit.

Solltest du dich aber in Carlsbad gefallen; so ist es mir ganz lieb wenn du bleibst und meine Ankunft abwartest. Da der Magenkrampf sich leider wieder eingestellt hat; so wäre es wohl gut wenn du die Cur verlängertest, besonders wenn du fleißig badest. Hierüber müßtest du mit Dr. Mitterbacher hübsch ordentlich sprechen. Doch vielleicht hast du das schon gethan. Wenn du Geld brauchst so wird John schon verwechseln.

Mir geht es hier sehr gut. Der Kayserinn Gnade scheint täglich zuzunehmen indem sie sich immer gleich bleibt, auch Ihre Umgebungen sind mir günstig und ich kann nicht mehr und nichts bessers wünschen. Das Baden bekommt mir sehr wohl. Der Herzog ist wohl und vergnügt, das Wetter schön und ich hoffe daß ihr auch der guten Tage so viel möglich genießen werdet.

Grüße Hofr. Meyer schönstens und sage ihm: ich habe eine Nachbildung des Moses von Michelangelo[46] in Bronze gekauft, die sehr schön und wahrscheinlich aus dem 16ten Jahrhundert ist. Wie er sitzt ist die Figur 13 Weimarische Zoll hoch. Also eine schöne Größe. Das Nackte ist wohl verstanden. Bart und Gewänder von der größten Ausführung.

Es ist Herr von Beethoven von hier auf einige Tage nach Karlsbad gegangen: wenn ihr ihn finden könnt so brächte mir der am schnellsten einen Brief. Wäre er schon wieder fort; so geht Fürst Moriz v. Lichtenstein in einigen Tagen hierher, durch diesen wünschte ich eine umständliche Nachricht zu erhalten wie es euch geht und was ihr beschließet. Bleibt ihr ins Karlsbad; so ziehet, wie verabredet, hinauf wenn Meyer abreist. Weiter wüßt ich nichts zu sagen. Lebe recht wohl, grüße Carolinchen und John. Dieser soll mir auch mit jener Gelegenheit schreiben. Schickt mir auch was an mich vielleicht angekommen ist. Nun Adieu! Meine besten Wünsche auf ein fröhliches, liebevolles Wiedersehen!

Töpliz d. 27. Juli 1812.

G.


23/6350.


An Christiane von Goethe

Töplitz d. 1. August.

Dein lieber Brief ist gestern Abend angekommen und so will ich denn gleich wieder etwas vermelden. Das Baden bekommt mir sehr wohl ob ich es gleich[47] weder ordentlich noch mit Ruhe brauchen kann. Meine Stunde ist Morgens von fünf bis sechs, da ich denn ganz gewiß ein frisches Bad finde, den übrigen ist nichts zu trauen. Die Kayserinn sehe ich täglich bey ihr selbst, auf Spaziergängen und Fahrten, bey Tafel und immer ist sie sich gleich, heiter, geistreich, anmuthig, verbindlich und dabey kann man sagen daß sie sich immer von neuen Seiten zeigt und jedermann in Verwunderung setzt. Sie hat ein klein Theaterstück in diesen Tagen geschrieben, daß ich ein wenig zurecht gerückt habe. Es soll gespielt werden die nächste Woche. Hievon sagst du niemanden. Ich lese täglich vor, heute waren Fürst Moriz und seine Gemahlinn gegenwärtig. Sie brachten mir einige Nachricht von dir. Die Churprinzess von Hessen ist gar eine liebe Dame. Es freut mich daß du sie gesehen und gesprochen hast. Den 10. Abends geht hier alles fort womit ich bisher gelebt, ich dencke den 12ten bey euch zu seyn, erwartet mich aber nicht zu bestimmt, man weis nicht was vorkommt. Es ist ganz recht daß ihr bleibt, der andre Vorschlag brachte keinen Vortheil noch Zeitgewinn.

Was du mir wegen der Haushaltung sagen wirst soll mir sehr willkommen seyn, so wie auch daß ich in Jena besser leben kann. Zwar diesen Herbst werde ich wenig drüben seyn können. Richte nur vorläufig unser Weimarisches Wesen gut ein. Da ich den wagen hier habe bin ich viel in der Gegend[48] umhergefahren auch war ich in Aussig wo die Elbe vorbeyfließt und eine sehr angenehme abwechselnde Gegend belebt.

Zum Sechsten wünsche ich das beste Glück, es thut mir recht leid ihn nicht gegenwärtig mit feyern zu können, ich will es in der Ferne thun. Laßt es euch zusammen wohl seyn. Grüße Uli zum schönsten. Dancke John für seinen Brief. Wenn ich die Sendung durch Bethoven erhalte, schreibe ich noch einmal dann wirds nicht mehr nöthig seyn. Lebe recht wohl und liebe mich.

Abgesendet d. 2. Aug. 1812.

G.


23/6351.


An Sara von Grotthuß

Teplitz den 2. Aug. 1812.

Schon geraume Zeit bin ich in Ihrer Nähe, theuerste Freundinn, und habe noch nicht den Muth fassen können Ihnen zu schreiben.

Als ich Ihren lieben Brief, für dessen kostbare Beylage ich zum allerverbindlichsten dancke, in Carlsbad erhielt, war mir leider schon der unersetzliche Verlust bekannt, von dem Sie noch nicht als Sie schrieben unterrichtet waren. Frühere Nachrichten, durch Curgäste von Wien, ließen mir wenig Hoffnung, wie traurig ist es aber zu vernehmen daß keine mehr sey. Sie kennen meine Liebe und Verehrung für Ihre unvergeßliche Schwester, ich[49] kenne Ihre Anhänglichkeit. Laßen Sie Sich das was Sie noch gegen das ende für Sie gethan bey diesem Verluste zu einem Trostgrunde dienen, den die entfernten Freunde entbehren, und wenden mir um so mehr Ihr Wohlwollen und Ihr Vertrauen zu, als ich es von jener Seite zu entbehren lernen muß. Die besten Wünsche für das Wohl Ihres Herrn Gemahls dem ich mich angelegentlich zu empfehlen bitte und noch tausend Danck für das Übersendete.

Goethe.


23/6352.


An Christian Gottfried Körner

In den letzten acht Wochen ist es mir sehr wunderlich gegangen Böses und Gutes haben so schnell und bedeutend abgewechselt daß ich nicht zu mir selbst kam, an entfernte Freunde kaum dencken konnte und auch jetzt nur für die Gegenwart nothdürftig ausreiche. Sehr leid that es mir daher Sie, mein Theurer, nicht wenigstens einige Augenblicke zu sehen, da sich mündlich schnell sovieles abthun läßt. Jetzt nur soviel: die kleinen Stücke habe ich erhalten, sie gefallen mir sehr wohl und sollen in den ersten Wochen unsrer neuen Theater Epoche aufgeführt werden. Möchten Sie Sich in Wien doch recht befinden und an den Productionen des lieben Sohnes Sich in der Österreichischen Hauptstadt daß erfreuen und zugleich alles andre merckwürdige in der schönen Jahrszeit vollkommen genießen mögen.

[50] Den eilften kehre ich nach Carlsbad zurück ein Brief von Ihnen findet mich bis Ende August daselbst. Der ich, mit den besten Empfehlungen an die lieben Ihrigen, mich alles Guten freue was Ihnen allerseits begegnen kann. Teplitz d. 4. August. 1812.

Goethe.


23/6353.


An Christiane von Goethe

Von dir zu hören hat mich sehr gefreut; es bleibt aber beym Alten. Die Kayserinn geht d. 10ten Abends und so kann ich den 12ten bey Euch seyn. Wir besprechen noch alles, und ihr geht, ich folge. Jedes andre Arrangement führt zu weit und wir wollen sehen daß wir abschließen.

Mir geht es täglich besser. Es ist nicht zu berechnen was dies Verhältniß für Folgen haben kann.

Die Briefe und Packete durch Beyer und die Leute des Prinzen August erwarte ich, sende aber nichts weiter. Denn ich komme wie gesagt.

Von Arnims nehme ich nicht die mindeste Notiz, ich bin sehr froh daß ich die Tollhäusler los bin.

Lebet recht wohl und gedencket mein in Liebe.

Tepl. d. 5. Aug. 1812.

G.

Grüßet alles nach gehöriger Art und Weise.[51]


23/6354.


An Christiane von Goethe

[Töplitz] d. 5. Aug. 1812.

Viel Glück zum sechsten!

Durch Gefälligkeit des Grafen Corneillan nur ein Paar Worte. Alles bleibt wie wohl geschrieben. So herrlich und köstlich aber alles ist; so soll mir's doch lieb seyn wieder bey den drey Mohren einzukehren. In dem Stücke der Kayserinn habe ich zuletzt noch die Hauptrolle übernehmen müssen, wenn es zu Stande kommen sollte. Nun kannst du wohl dencken daß es Zeit ist zu enden. Da es Ihr aber den größten Spaß macht und Sie über alle Begriffe gut, klug und theilnehmend ist; so thut jedermann das letzte. Lebe wohl. Bis auf fröhliches Widersehn.

G.


23/6355.


An Leopold Edlen von Lämel

Ew. Wohlgeb.

habe unter dem 11. vorigen Monats anzuzeigen nicht ermangelt, daß ich auf kurze Zeit nach Töplitz zu reisen veranlaßt sey; da es mir aber länger als ich hoffen durfte, vergönnt gewesen in der Nähe der Allgeliebten und Allverehrten Kaiserinn zu verweilen, so befinde ich mich noch gegenwärtig daselbst, und[52] werde erst nach der Abreise Ihro Majestät nach Carlsbad zurückkehren.

Nun ist mir von dort her noch keine Nachricht zugegangen, ob die bereitliegenden 300 Gulden Silber abverlangt worden; ich finde mich jedoch in dem Falle, Ew. Hochwohlgeb. abermals zu ersuchen, mir für die gleiche Summe von 300 Gulden nochmals Einlösungs Scheine nach Carlsbad zu senden, welche bald nach meiner Ankunft, die etwa den 13. erfolgen wird, zu erhalten wünschte. Hierbey muß ich jedoch ergebenst anfragen: ob es gefällig wäre, die Wiedererstattung dieser letzten Summe in einer Assignation an Herrn Cammerrath Frege & Comp. in Leipzig anzunehmen, welche dann sogleich übersenden werde.

Die zwey Gedichte, worinn ich Ihro Majestäten den Kaiser von Österreich und die Kaiserinn von Frankreich im Namen der Carlsbader zu verehren das Glück hatte, sind Ew. Hochwohlgeb. vermuthlich im Druck zugekommen. Das für Ihro Majestät die Kaiserinn von Österreich bestimmte, welches als Einleitung in die beyden oberwähnten gedacht war, liegt hier bey. Sie nehmen diese kleine Sendung gewiß freundlich auf, denn wie könnte ich die Gefühle der Verehrung, die ich für diese unvergleichliche Dame zu hegen mir zum größten Glück rechne, nicht gerne bekennen und denenjenigen am liebsten mittheilen, von deren gleichen Gesinnungen ich überzeugt bin.

[53] Mit Bitte mir Ihre Gewogenheit ferner zu erhalten und mich Ihrer theuern Familie bestens zu empfehlen, habe ich die Ehre mich mit vollkommener Hochachtung zu unterzeichnen,

Ew. Hochwohlgeb.

ergebensten Diener

Teplitz d. 6. August 1812.

J. W. v. Goethe.


23/6356.


An Josephine O'Donell

Liebe, neue Freundinn,

haben Sie tausend Dank für die gütige Aufnahme der geringen Zeichen meiner aufrichtigen Anhänglichkeit, Sie zweifeln nicht wie leid es mir war am heutigen Tage abgesondert zu seyn.

Wegen des Stücks hat mir der Herzog Vorschläge gethan, die ich zu begünstigen bitte. Warum wird man doch gerade in solchen Fällen erinnert daß der gute Willen der Kräften so weit voreilt. Wenn nur Ihro Majestät auch auf diesen verunglückten Versuch in Gnaden herabsehen. Sie wissen wie angelegen es mir war dieses anmuthige Stück in's theatralische Leben zu führen.

Nichts weiter! Mit Bitte das fehlende was sich von selbst versteht geneigtest zu suppliren

Tepl. am freundlichen siebenten

August 1812.

Goethe.[54]


23/6357.


An Antonio Brizzi

[Concept.]

Ihr werthes Schreiben, mein theuerster Herr Brizzi, vom 6. vorigen Monats habe leider etwas spät erhalten und erst vor kurzem den Entschluß Durchl. des Herzogs, meines gnädigsten Herrn, vernehmen können.

Jetzt, da es gewiß ist, daß Herr Iffland im September und October bey uns eine Anzahl Vorstellungen geben wird und uns also des Vergnügens beraubt, Sie bey uns zu sehen, so verfehle ich nicht dieses sogleich anzuzeigen und mein Bedauern deshalb auszusprechen.

Sie sind überzeugt, daß wir mit vielem Vergnügen gehört, wie sehr Ihnen die unternommene Reise geglückt ist. Denn wir können nicht anders, als einem Manne, dem wir so angenehme Stunden schuldig geworden, alles Gute zu gönnen.

Den lieben Ihrigen wünsche ich mit den Meinigen bestens empfohlen zu seyn, besonders dem angenehmen Secretär, welcher sich gefällig die Mühe nehmen wird, Ihnen das Gegenwärtige zu übersetzen.

Der ich nie aufhören kann, mich unter Ihre lebhaftesten Bewunderer zu zählen.

Carlsbad den 13. August 1812.[55]


23/6358.


An Carl Friedrich von Reinhard

Meine Frau, die sich Ihnen, verehrter Freund, zum allerschönsten empfiehlt,

geht endlich, nach einem ziemlich langen Aufenthalte, von Carlsbad nach Weimar zurück; sie wird das Gegenwärtige nach Thüringen mitnehmen und es alsdann auf die Post geben. Das erste das mich sehr angenehm überraschte, war Brief und Packet von Ihnen; jener versicherte mich Ihres theueren Andenckens, dieses unterhielt auf's neue eine unschuldige Liebhaberey, die, je länger man sie hegt, immer bedeutender wird, zum Nachdencken aufruft und eine gesellige Mittheilung begünstigt. Bald darauf brachte man mir von Wien her eine ähnliche Sendung; ich beschäftigte mich, die Blätter zu rangiren und zu rubriciren und setzte, durch diesen Besitz noch habsüchtiger gemacht, gar manchen Freund und Wohlwollenden in Cotribution, so daß das Packet gegenwärtig, wie es vor mir liegt, schon selbst für eine bedeutende Sammlung gelten kann.

Ihr gütiges Zutrauen, daß Sie diese Blätter aus dem Volum Ihres Lebens herausgehoben und die Bedeutsamkeit desselben mir noch deutlicher als bisher zu schauen gegeben, empfinde ich tief, da ich den gemühtlichen Antheil, den ich an Ihrem Daseyn hege, noch durch Kenntniß und Einsicht erhöht fühle. Das[56] erklärende Verzeichniß regt mich auf, solches über die ganze Sammlung zu erstrecken und ihr dadurch erst einen wahren Werth zu verschaffen.

Die Ruhe, die mir besonders im May und halben Juni hier gegönnt war, habe ich an die Redaction des zweyten Bandes meines biographischen Scherzes gewendet; er wird Michaelis hervortreten, und ich freue mich, dadurch die einzige Absicht gewiß zu erlangen, daß ich mich mit entfernten Freunden unterhalte und der Gefahr, ihnen bey Lebzeiten abzusterben, entgehe. Ein Exemplar wird für Sie zurückgelegt um es gelegentlich zu senden.

Von obengedachter Zeit an fing jedoch Böses und Gutes so wundersam an bey mir zu wechseln, daß ich mich der letztvergangenen zwey Monate gegenwärtig kaum mehr deutlich erinnern kann. Unversehens trat mein altes Übel mit solcher Gewalt hervor, daß ich mehr als billig ist gelitten habe. Ich brachte vierzehn Tage zu, um mich einigermaßen zu erholen, in welcher Zeit die ersehnten majestätischen Erscheinungen wie ein Traum bey mir vorübergingen. Ein paar Gedichte, die ich im Namen der Carlsbader vorbereitet hatte, wurden gnädig aufgenommen. Glücklicher Weise war ich indessen hergestellt, als mich der Hezog nach Töplitz berief, wo mir in der Nähe der Kaiserinn von Östreich Majestät mehr Glück und Gutes widerfahren als ich verdiene und welches ganz überschwenglich gewesen wäre, wenn mich nicht die[57] Sorge, meine Kräfte möchte nicht hinreichend seyn es auszutragen, oft mitten im Genuß an die menschliche Beschränkheit erinnert hätte.

Der Begriff, den ich mir von dieser außerordentlichen Dame in dem Zeitraume von hier Wochen vollständig bilden konnte, ist ein reicher Gewinn für's ganze Leben. Ich darf nicht anfangen von ihr zu reden, weil man sonst nicht aufhört; auch sagt man in solchen Fällen eigentlich gar nichts schwerer als ein Individuum zu schildern, welches Verdienste in sich hegt, die dem Allgemeinen angehören. Eine solche Erscheinung gegen das Ende seiner Tage zu erleben, giebt die angenehme Empfindung, als wenn man bey Sonnenaufgang stürbe, und sich noch recht mit inneren und äußeren Sinnen überzeugte, daß die Natur ewig productiv, bis in's Innerste göttlich, lebendig, ihren Typen getreu und keinem Alter unterworfen ist.

Mehr füge ich nicht hinzu, damit ich nicht etwa aus diesen hohen Regionen auf die Erde mich unvermerkt herabgezogen sehe. Weil aber die Freundschaft auch dorthin gehört, so darf ich derjenigen wohl noch erwähnen, die für Sie unverbrüchlich in meinem Herzen waltet.

Alles Gute und Erfreuliche!

Carlsbad den 13. August 1812.

Goethe.[58]


23/6359.


An Johann Heinrich Meyer

Sie erhalten hiebey, mein theurer Freund, eine Silhouette des neu acquirirten Moses, die, obgleich etwas roh, Ihrem Seherblick auf einmal mehr eröffnen wird, als vieler meiner Worte thun könnten. Ihre Vermuthung ist bey mir zur Gewißheit worden. Die Nachbildung deutet auf einen großen Respect fürs Original und zugleich auf die Absicht, die Copie zu einem selbstständigen Werke zu machen. Dem Künstler derselben hat es nicht an Sinn und Gefühl für die Großheit des Marmorbildes gefehlt; aber mich dünkt es ist schon eine gewisse Eleganz einer späteren Zeit bemerkbar, besonders an den nackten Armen, welche jedoch sehr wohl verstanden sind. Die nackten Theile sind mit Einfalt und Wahrheit gebildet, aber unglaublich ist die Ausführung der übringen: Haare, Bart, Nägel, die dacische Strumpfhose des rechten Fußes mit ihren Manschetten, der schwere wollene Mantel; an jener sind die Maschen, an diesem das wollene Gewirke mit großem Geschmack und Gehörigkeit ausgeführt. Es fielen mir dabey die gewissen Eischen des Cellini ein; denn man sieht deutlich, daß sie sich verschiedene Instrumente zugerichtet haben, um schon durch die Form derselben ihre Zwecke zu erreichen. Wenn diese nun durch eine geschickte Hand geführt und durch einen geistreichen[59] Hammer begünstigt worden, so begreift man, daß die Effecte hervorbringen konnten, die man sonst nur dem Pinsel zutraut.

Die Badegäste verlieren sich nach und nach, indem ich mich wieder auf's neue einrichte. Ich bedarf aber wirklich der Ruhe und Einsamkeit; theils um mich physisch wieder herzustellen, theils um dasjenige zu leisten, wozu ich mich bis Michael, so große Unterbrechungen nicht ahndend, engagirt habe. Wir wollen für körperliche und geistige Diät die beste Begünstigung hoffen.

Ich freue mich gar sehr das silberne Marienbildchen zu sehen, und bin zum voraus dankbar, wenn Sie es mir ablassen wollen.

Empfehlen Sie mich Ihro Hoheit auf das angelegentlichste. Der Erbprinz ist gestern Abend hier angekommen. Es gefällt ihm ganz wohl hier und er gedenkt, sich etwa fünf Tage aufzuhalten und alsdann über Prag nach Töplitz wieder zurückzugehen.

Ich wünsche daß Sie gute Wirkung der Brunnencur empfinden mögen, so wie ich wohl wünschte, daß wir noch Nachbarn wären. Nun hätte man gerade rechte Zeit und Gelegenheit zu wechselseitigen Mittheilungen.

Lassen Sie Sich unsere Ausstellungen bestens empfohlen seyn, denn die Kunst muß auch in diesen Zeiten fortgesetzt werden, wenn man gleich nicht mehr weiß warum und wozu. Von Dresden hört man nur Jammerklagen. Kügelgen bewirbt sich um die[60] Leipziger Directorstelle; er gehört jetzt leider unter die große Masse Menschen, deren ganze Existenz auf dem Spiele steht.

Soviel für dießmal in Hoffnung einer leidlichen Witterung für den Herbst, da uns der Sommer ganz um sich selbst betrogen hat.

Herzlich ergeben.

Carlsbad den 14. August 1812.

G.


Eine Bitte noch! Entschuldigen Sie mich bey Herrn v. St. Aignan daß ich auf seinen Brief nicht geantwortet. Mit französchen Briefen hab ich ein eigen Schicksal. Der den ich mit gegenwärtiger Gelegenheit abschicken wollte ist verunglückt und die Zeit reicht nicht hin ihn umzuschreiben.


23/6360.


An Christian Gottlob Voigt

[Concept.]

Die vier Wochen, die ich mich in Töplitz aufhielt, war ich Ew. Excellenz näher als vorher, denn Serenissimus theilten mir die Depeschen aus Weimar mit, woran mir das Erfreulichste war, daß Ew. Excellenz Sich wieder von dem Übel erholt hatten, durch welches Sie uns kurz vorher so bange gemacht. Möchte doch die Sommer- und Herbstzeit Raum und Ruhe verleihen, daß Sie Sich auf den Winter genugsam vorbereiteten und stärkten.

[61] Was mich betrifft, so fing sich mein hiesiger Aufenthalt ganz gut an, so daß er mir körperlich und geistig gar manchen Nutzen gebracht; dann trat aber mein altes Übel mit solcher Gewalt unversehens hervor, daß ich mehr als billig ist gelitten habe. Ich brachte vierzehn Tage zu, mich einigermaßen zu erholen, in welcher Zeit die ersehnten majestätischen Erscheinungen wie ein Traum bey mir vorübergingen. Glücklicher Weise war ich indessen so weit wieder hergestellt, um sogleich abreisen zu können, als Serenissimus die Gnade hatten, mich nach Töplitz zu berufen. Dort ist mir mehr Glück und Gutes widerfahren als ich verdiene, und welches ganz überschwänglich gewesen wäre, wenn mich nicht die Sorge, meine Kräfte möchten nicht hinreichen es auszutragen, oft mitten im Genuß an die menschliche Beschränktheit erinnert hätte. Der Geh. Secretär Vogel wird manches referiren können, indem die anmuthigsten Ereignisse unter freyem Himmel vorgefallen sind und von manchen Augen bemerkt werden können.

Wahrscheinlich erhalten Ew. Excellenz diesen Brief nach Ankunft Serenissimi in Weimar und werden aus höchsteignem Munde viel Gutes vernehmen. Die Gesundheit des theueren Fürsten hat sich diese Wochen her, bey manchen Zumuthungen sehr gut gehalten und das Gemüth konnte nicht anders als in der heitersten Stimmung seyn, da diesem trefflichen Fürsten wirklich einmal eine Auszeichnung zu Theil ward, wie er sie[62] immer verdient, und das bey der ungenirtesten, seiner Denk- und Handelsweise angemessensten Lebensart.

Nun befinde ich mich wieder hier in dem stillen und immer stiller werdender Carlsbad. Sowohl Ambrosi und Töplitz als Mitterbacher hier haben mir Ruhe und Nachcur empfohlen und ich hoffe mit dem gnädigsten Urlaub noch die erste Hälfte Septembers hier zu verweilen.

Mögen Ew. Excellenz am 3. September meiner vor unserem theueren Fürsten glückwünschend gedenken, so werden Sie mich dadurch auf das Höchste verpflichten.

Habe ich recht verstanden, so wird bis dahin das große Orgelwerk fertig und es wird recht schön seyn, wenn zu so vielen Menschenstimmen auch noch so manche künstliche zum Preise dieses Tags vereinigt wird. Es soll mich freuen das Werk vollendet und durch die sinnreiche Inschrift geziert zu finden.

Unser guter Erbprinz war bey seiner Ankunft sehr vergnügt und es ist recht schön, daß in Weimar nun mehr noch ein Zeuge mehr von den unschätzbaren Eigenschaften der vortrefflichen Kaiserinn auftreten kann.

Ew. Excellenz haben meinem Sohne nach Eisenach zu gehen vergönnt, ich wünsche daß er durch die Benutzung dieser kleinen Reise so wie auch durch seine ersten bisherigen Geschäftsschritte sich Ihnen möge empfohlen haben. Ich bitte seiner wie meiner stets mit Neigung gedenken.

[63] Und nun bleibt mir nichts hinzufügen übrig, als der Wunsch Ew. Excellenz und die theueren Ihrigen, denen ich mich bestens zu empfehlen bitte, wohl und froh wieder aufzutreffen.

Carlsbad d. 14. August. 1812.


23/6361.


An Christian Friedrich Wilhelm Jacobs

[Concept.]

Wohlgeborner,

Insonders hochzuehrender Herr!

Ew. Woglgeb. dancke aufrichtigst für das mir in Ihrem werthen Schreiben vom 23. Juli bezeigte Vertrauen. Leider erhielt ich dasselbe erst drey Tage vor meiner abreise aus Töplitz in einem sehr unruhigen Momente; und da man in so hohen Verhältnissen auf das vorsichtigste zu erfahren hat, so konnte ich nur die ersten Schritte thun. Ich bin daher nicht im Stande zu sagen, ob sie einige Folgen haben werden, weil sich Jedermann die größte Precaution zur Pflicht macht; ich bitte daher auf's inständigste auch von diesem Briefe gegen Niemanden zu erwähnen, weil davon kein Vortheil zu erwarten, wohl aber Nachtheil zu befürchten ist.

Verzeihen Sie das Dunkle dieser Äusserungen, die Ihnen jedoch nicht räthselhaft seyn können, und lassen mich für die früheren, mir freundlich zugesendeten Arbeiten bey dieser Gelegenheit schönstens danken.[64] Besonders erwähne ich hier der Aufstellung und Wiederbelebung alter griechischer Kunstschätze. Sol che Darstellungen haben außer ihrem inneren und bleibenden Werth noch das Verdienst, das Alterthum durch neue Monumente aufrecht zu erhalten, das ein ganz wahnsinniger, protestantisch-catholischer, poetisch-chritischer Obscurantismus gern wieder mit frischen Nebeln einer vorsätzlichen Barbarey überziehen möchte. Behindern kann man solche Epochen nicht, solche Krankheiten muß man vielmehr auswüthen lassen; aber man kann doch, indem man sich und seine Freunde in dem anerkannten Rechten bestärkt, auch zugleich gar manchen guten Jüngling von der, nicht einmal im Finstern, sondern am lichten Tage schleichenden Seuche bewahren.

Da ich noch einigen Raum vor mir sehe, so will ich erfreulicher schließen und von dem Programm des Herrn Director Sickler sprechen, welches kurz vor meiner Abreise mich sehr erfreut, ja beschäftigt hat. Diese Bildwerke, ob ich sie gleich für ziemlich neu, d.h. kurz vor oder nach unserer Ära halten muß, sind höchst merkwürdig und unter den bis jetzt bekannten einzig. Es entsprang bey ihrem Anblick mir sogleich der Gedanke, daß das entdeckte Monument das Grab einer Tänzerinn seyn möchte, welche man cyclisch in diesen drey Tage vorgestellt hätte. Herr Sickler, dem ich diese Hypothese mittheilte, nahm sie freundlich auf und wird vielleicht den kleinen Aufsatz,[65] den ich deshalb aus dem Stegreife schrieb, wenn ich ihn noch etwas castigirt habe, drucken lassen. Ich empfehle ihn im voraus Ihrer Betrachtung und ferneren Nachforschung. Den Moment, wo dergleichen Dinge bekannt werden, soll man ja nicht vorübergehen lassen; denn sie können für uns und für andere schnell höchst fruchtbar werde, da sie zugleich der innere Werth und der Reiz der Neuheit empfiehlt.

Möge es Ihnen niemals an Gesundheit und gutem Muthe gebrechen, die Wirkungen, die Ihnen bisher so schön gelungen sind, zum besten echter Kenntnisse fortzusetzten.

Rehalten Sie mir ein freundliches Andenken und gehen mich nicht vorbey, wenn Sie in meine Nähe gelangen sollten.

Der ich mich mit vorzüglicher Hochachtung die Ehre habe zu unterzeichnen.

Carlsbad den 14. August 1812.


23/6362.


An Carl Ludwig von Knebel

Die wenigen Worte, welche ich hier, bey Gelegenheit, daß meine Frau zurückgeht, vernehmen lasse, nimmst du, theurer Freund, gewiß liebreich auf, und läßt dir von meinen Frauenzimmerchen manches erzählen als Vorrede zu dem, was ich bey meiner Rückkunft mündlich zu überliefern gedenke. Eines jedoch kann ich nicht übergehen, daß ich so glücklich[66] gewesen bin, den guten Staatsrath Langermann in Töplitz, zwar nur eine Stunde, aber eine sehr gehaltreiche, zu sehen. Er ist so tüchtig und thätig wie immer, ja seine Verdienste kommen um so mehr zum Vorschein als er in einer Zeit wirkt, an der nichts mehr zu halten, und in einem Staat, der nicht mehr zu retten ist. So sehr man sich über ihn, seine Klarheit und Unermüdlichkeit freut, so sehr betrübt man sich, daß solche Vorzüge in dem allgemeinen Ruin mit zu Grunde gehn. Doch wenn Deutlichkeit über die irdischen Dinge von so großem Werth ist, so muß ich gestehn, daß seine Unterhaltung mir wahren Vortheil verschafft hat.

Ich fange nur abermals ein neues Leben in Carlsbad an, wie ich hoffen kann, mich durch Ruhe ins Gleichgewicht zu setzten, das ich denn doch bisher mitunter verloren habe. Dazu wünsche ich mir und uns allen bessere Witterung als uns die vergangenen Monate brachten, wodurch Gesunde gehindert und Kranke beschädigt wurden. Ich habe einige hübsche Acquisitionen gemacht, die dich auch freuen werden. Ich habe allerley Erfahrungen und Kenntnisse mitzutheilen und bin überzeugt, daß es bey euch an Thätigkeit auch nicht gefehlt hat. Und so lebe wohl! Empfiehl mich den deinigen und allen Freunden und wandle heiter in deinem Garten, bis ich dich daselbst aufsuche.

Carlsbad den 14. August 1812.

G.[67]


23/6363.


An Caroline von Wolzogenund Charlotte von Schiller

Den verehrungswürdigen Schwestern muß ich mit wenigen Worten meinen aufrichtigen Dank für Ihre lieben Blätter abstatten. Ihre Andenken, Ihre Theilnahme hat mich sehr erquickt, und der Beyfall, den Sie meinen Gedichten schenken, hat mich in manchen guten Vorsätzen gestärkt; denn die Aufgabe, der ich auf keine Weise ausweichen konnte, war bedenklich und schwer, deswegen es für mich einen großen Werth hat, wenn fühlende und einsichtige Personen mit der Art zufrieden sind, wie ich sie gelößt habe. Der Fall ist wunderlich genug, daß man bey einer Production, welche die größte Freyheit verlangt, diplomatische Rücksichten nehmen soll.

In Töplitz hatte ich die Freude den braven Staatsrath Langermann zu sehen. Seine Klarheit und Thätigkeit ist bewuderungswürdig; der Zustand hingegen, in dem er wirkt, traurig und hoffnungslos. Dieß aber scheint ihn nicht anzufechten; er thut das Seinige und Heiterkeit und Vertrauen.

Mögen Sie Sich von der Überbringerinn wohl erzählen lassen, wie Übles und Gutes bey mir seit acht Wochen bedeutend abgewechselt, und wie ich mich hier noch auf einen Monateingerichtet habe, um wo möglich das Verlorne Gleichgewicht wieder herzustellen.[68] Erhalten Sie bis zu meiner Rückkunft mir ein freundliches Andenken und erlauben mir alsdann manchen mündlichen, vertraulichen Vortrag.

Carlsbad den 14. August 1812.

G.


23/6364.


An Johann Friedrich Cotta

Ew. Wohlgeb.

habe ich sehr um Verzeihung zu bitten, daß ich auf Ihr werthes Schreiben vom Ende May, dessen Inhalt ich dankbarlich zu erkennen habe, noch nicht geantwortet; ich kann aber zu meiner Entschuldigung anführen, daß seit dem Empfang desselben Gutes und Böses im hohen Grade bey mir so schnell abgewechselt, daß mir die nächstvergangene Zeit jetzt, da ich darüber nachdenke, wie ein Traum erscheint.

Bey meinem Aufenthalt in Töplitz habe ich nicht versäumt, nach Ihrem Wunsch wegen Verhinderung des Nachdrucks meiner Arbeiten zu sprechen. Man glaubt, daß demselben einzig durch ein Kaiserlich Östreichisches Privilegium zu begegnen sey, zu dessen Erlangung man mir kräftige Unterstützung zugesagt hat. Wie die Einleitung zu machen, werden Ew. Wohlgeb. bey Ihrer Kenntniß der vorigen und gegenwärtigen Zeiten bestimmen können. Übrigens interessirt man sich dort sehr für eine neue und vollständige Ausgabe meiner Werke, worin man so viel als möglich[69] aufgenommen wünscht; dabey glaubte man sogar, durch den Druck der Degenschen Officin verwöhnt, wo nicht eine Prachtausgabe, doch wenigstens eine sehr elegante erwarten zu können. Hierbey habe ich freylich den Zustand des deutschen Buchhandels anführen und eine Entschuldigung eines vielleicht weniger in die Augen fallenden Druckes einleiten müssen. Es ist wohl wahr, wenn man z.B. Lettern, Stellung und Papier der Werke des Abbate Bondi ansieht, so gesteht man gern, daß dergleichen Bände wohl würdig sind, den Majestäten dedicirt zu werden und man fühlt den Druck der Zeiten erneut, wenn man sich sagen muß, daß man eine ähnliche Ausgabe seiner eignen Werke den nachkommen zu überlassen hat. Personen von Ansehen haben sich unaufgefordert erboten, Subscription in Wien auf eine neue Ausgabe zu sammeln und die Liste alsdann demjenigen Commissionair zu übergeben, welchen die Verlagshandlung bestimmen würde.

Um nun also zu einem so bedeutenden Vorhaben den ersten Schritt zu thun, werde ich, sobald ich nach Hause komme, meine Gedanken aufsetzten, wie bey der neuen Ausgabe in Absicht auf ihren Inhalt zu verfahren seyn möchte, um mir sodann darüber Ihr einsichtiges Gutachten zu erbitten.

Wäre noch ein Velin Exemplar unserer Ausgabe vorhanden, so wurde ich Ew. Woglgeb. darum ersuchen, im solches Ihro Majestät der Kaiserinn vorzulegen,[70] welche nur ein ganz ordinaires besitzt, aus welchen ich das Glück hatte, derselben in diesen vier Wochen gar manches vorzulesen. So wünschte ich auch, wenn es möglich wäre, noch ein Exemplar auf Schreibpapier zu erhalten, wäre es auch gleich schon gebraucht; ich würde es benutzen, um die notierten Correcturen reinlich darin einzutragen und auf diese weise einen sicheren correcten Abdruck vorzubereiten.

Soviel von dem Zukünftigen, von dem ich noch manches sagen konnte, was bey zweckmäßiger und bescheidener Thätigkeit sehr zu unserem Vortheil gereichen kann. Was das Gegenwärtige betrifft, so sind drey Bücher des biographischen zweyten Bandes an Herrn Frommann abgegangen; an den beyden übrigen soll es zur rechten Zeit auch nicht fehlen.

Ich werde in diesen Tagen eine Assignation von 200 rh. auf die Herrn Frege in Leipzig ausstellen und ersuche Ew. Wohlgeb. in Befolg dieses um gefällige Berechnung und allenfallsige Anweisung dessen, was mir Michaelis übrig bleibt.

Der ich die Ehre habe, mich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Ew. Wohlgeb.

ganz ergebenster Diener

J. W. Goethe.

Carlsbad den 14. August 1812.[71]


23/6365.


An Charlotte von Stein

In der Stunde, da die Meinigen sich zur Abreise bereiten, will ich Ihnen verehrte Freundinn noch ein Wort des Andenkens und des Dankes für Ihre werthen Blätter einsiegeln. Die Überbringenden werden erzählen können, daß uns bisher manches Gute mit eingefreuten Übeln widerfahren. Nun denke ich noch vier Wochen hier zu bleiben um auf den Rath der Ärzte eine regelmäßige Nachcur zu brauchen und in Ruhe einige Arbeiten, zu denen ich verpflichtet bin, zu vollenden. Dabey kann ich denn abwarten, wie nach und nach die Curgäste sich verlieren, ob gleich manche sich vorbereiten, den Winter hier zuzubringen.

Unser gute Erbprinz ist vorgestern hier angekommen; es gefällt ihm hier ganz wohl, und er sieht sich an allen Orten und Enden um. Er wird über Prag nach Töplitz zurückgehn und von da über Dresden sein Weimar suchen. Sowohl er als der Herzog werden nicht verfehlen, von Ihro Majestät der Kaiserinn manches zu referiren, deren Vorzüge wir vier Wochen lang in der Nähe zu bewundern Gelegenheit hatten.

Es freute mich, daß Sie, verehrte Freundinn, meine Gedichte gut aufgenommen haben, die ich der jetzigen Zeit nicht ohne Sorge publicirte. In Töplitz hatte ich das Vergnügen, daß mir einer der ersten Staatsmänner Böhmens seine Zufriedenheit darüber bezeigte[72] und mich diplomatisch belobte, daß ich eine bedenkliche Aufgabe glücklich gelöst. Er setzte hinzu, daß er gerade in diesem Falle, wo er so manche Inschrift, Gedicht, Anrede durchsehen und beurtheilen müssen, die Schwierigkeit, etwas dergleichen zu verfassen, recht angesehn, indem wenig jener Productionen gewesen, die nicht an irgend einer Seite angestoßen.

Verzeihen Sie, daß ich mich dieser Verlobungen rühme, die ich mehr einem guten Glück als meinem Talent verdanke.

Haben Sie die Güte mich unseren gnädigsten Damen ehrfurchtsvoll zu Füßen zu legen. Ich hoffe daß sie sich beyderseits recht wohl befinden und daß ich sie auch wieder so antreffen werde. Empfehlen Sie mich Gönnerinnen und Freundinnen zu geneigtem Andenken, und erhalten mir Ihr Wohlwollen.

Was werden Sie aber sagen, wenn es nicht in meiner Macht steht anders zu datiren als

Carlsbad

den 15. August

als am Napoleonsfeste

beym stärksten Glockengeläute

und Kannonendonner

treu gewidmet

1812.

Goethe.[73]


23/6366.


An Leopold Edlen von Lämel

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb.

verfehle hiedurch nicht schuldigst zu vermelden, daß ich die unterem 11. huj an mich abgesendeten 578 fl. 37 kr. bey meiner Rückkunft von Töplitz, wie ich wünschte, vorgefunden habe. Ich erkenne dankbar, daß, wie Sie früher sorgen wollten, meine Vortheile zu vermehren, Sie gegenwärtig eben so geneigt gewesen sind, meinen Verlust zu vermindern, welches mir, so wie ein gütiges zutrauliches Anerbieten Ihres Herrn Vaters an meine Frau, gewiß nicht dem Gedächtniß entfallen wird. Ich lege hier eine Assignation auf 200 rh. Sächs. an Herrn Camm. Rath Frege und Comp. in Leipzig bey, nicht weniger den dazu gehörigen Avisbrief. Die vorigen 300 fl. sind an Joseph Knoll gegen Quittung ausgezahlt worden. Da ich noch einige Wochen hier zu bleiben gedenke, so hoffe ich indessen noch Ihren Herrn Vater und Frau Schwester zu begrüßen und beyde meiner Hochachtung und Anerkennung so vorzüglicher Gefälligkeiten zu versichern, wie ich mir denn die Erlaubniß erbitte, noch von meiner Abreise mich Denenselben schriftlich zu empfehlen.

Der ich die Ehre habe, mich mit ganz vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Carlsbad den 17. August 1812.[74]


[Beilage.]

Herr Camm. Rath Frege und Comp. in Leipzig belieben an Herrn Leopold, Edlen v. Lämel oder Ordre in Prag, gegen diese meine Assignation für Rechnung des Herrn Dr. Cotta in Stuttgart, die Summe von 200 rh. Sächs. gefällig auszahlen zu lassen.

Carlsbad den 17. August 1812.


23/6367.


An Christian Gottlob Frege und Comp.

Wohlgeborner

Insonders hochgeehrtester Herr.

Ew. Wohlgeb. verfehle nicht zu vermelden, daß ich unter dem heutigen Datum eine Assignation auf 200 rh. Sächs. auf Dieselben für Rechnung des Herrn Dr. Cotta in Stuttgart an Herrn Leopold von Lämel in Prag ausgestellt habe, welche gefälligst zu honoriren bitte.

Zu dem Wunsche daß das Gegenwärtige Dieselben bey guter Gesundheit antreffen möge füge ich, in Hoffnung gütiger Theilnahme, hinzu daß ich in Töplitz und Carlsbad einen durch manche Annehmlichkeiten mir sehr schätzbaren Sommer zugebracht, wie ich denn zugleich, für so manche Gefälligkeiten dankbar, die Ehre habe, mich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Carlsbad den 17. August 1812.[75]


23/6368.


An Baron Etienne de Saint-Aignan

[Concept.]

[Carlsbad, 22. August 1812.]

Monsieur.

Il est absolument nécessaire, qu'avant mon retour à Weimar je fasse mes excuses á Votre Exc. de n'avoir pas plustôt répondu à la lettre très obligeante, que Vous avez eu la bonté de m'écrire. Pour obtenir pardon je pourrois alleguer, que depuis le tems, que j'ai eu le plaisir de la recevoir, j'ai éprouvé tant de vicissitudes de mal et de bien, tout me paroit un songe.

Retourné de Toeplitz à Carlsbad je me prépare pour mon retour à Weimar et je puis assûrer, que le désir de m'y rendre est augumenté de beaucoup par l'espoir d'y trouver Votre Exc. et de jouir de Sa bienveillante conversation sur des matiéres, qui nous interessent à tout tems et à tout age.

Ce sont les sciences et les arts, qui réunissent les hommes, quand tant d'autres considérations ne peuvent que les diviser.

J'ai été infiniment charmé que Vous avez voulû recevoir avec bonté les premiers outils d'un atelier de peinture que Vous voudrez me permettre de visiter quelquefois. En revange je pourrai Vous faire voir à mon retour quelques nouvelles aquisitions, que j'ai eu l'avantage de faire fortuitement dans ce pays[76] et qui ne dépareront pas, j'espére, mes autres petites collections.

Veuillez me conserver Votre précieux souvenir, que je Vous demande très instamment, ayant l'honneur de me souscrire avec la plus haute considération.

Carlsbad le 13. d'Aout 1812.


23/6369.


An Christiane von Goethe

Carlsbad den 27. Aug. 1812.

Da eure Briefe mir sobald Nachricht gaben, wie es um euch steht, so ist es billig, daß ich auch wieder etwas von mir vernehmen lasse. Seit eurer Abreise sind nun schon vierzehn Tage vergangen, und ich sehe mit Betrübniß, daß nun auch mein Scheiden bald heranruckt. Bey dem sehr schönen Wetter und denen fast ganz im Freyen genießbaren Tagen wird Carlsbad immer anmuthiger, ob es gleich von Fremden verlassen ist und bey den Meinigen, die sich hier befinden, aus mehreren Ursachen keine besondere Heiterkeit wohnt. Meine fortgesetzten Beschäftigungen, der Umgang mit Staatsrath Langermann, ein wenig Zeichnen und Lectüre lassen mir die Zeit unvermerkt hinfließen und die große Ruhe im Haus und sonst macht mir den Aufenthalt sehr erquicklich. Nun wäre es erst die rechte Zeit, sich der Equipage zu bedienen und sich das Land umher noch einmal zu besehn.

[77] der alte Müller ist noch immer fleißig und dienstfertig und hört nicht auf, von allen Ecken und Enden Steine zusammenzuschleppen, wenn man nur einigermaßen einen Wink giebt, was man wünsche. Dieser Alte ist aber auch beynahe das einzige Lebenszeichen von Carlsbad. Madam Meyer ist fort, ein Fremder nach dem andern schließt den Laden und die Einwohner, die immer noch zufriedener seyn können, als es Anschein hatte, sind alle gedrückt und traurig. der Werth des Silbers fällt noch immer, sie wollen jetzt nur hundert und fünf und vierzig für 100 geben. In Prag und den übrigen Theilen des Erblandes fallen die Preise wegen der herrlichen Erndte. In Carlsbad ist alles beym Alten und die Einwohner so üblen dran als die Fremden. Ich bin höchst neugierig, wie sich dieses Wesen in einem halben Jahre wird eingerichtet haben.

Grüße Augusten schönstens; ich freue mich über seinen Geschäftsgang, seine Reise und seine Aussichten. Wir sprechen uns nun bald selbst und da, denke ich, soll's vergnüglich vorwärts gehn.

Die Sache wegen Frankfurt muß wohl ruhen bis ich wieder komme; denn ohne Schlossers Mitwissen dürfen wir keinen Schritt thun. Daß eine Freundinn die Sache indessen hat einleiten wollen, ist des besten Dankes werth.

Grüßet alle Freunde. Eure schnelle Reise hat mir sehr wohlgefallen; ich will sehn ob ich nicht ein[78] Gleiches thun kann. Ergetzt Euch beym Vogelschießen so gut es sich thun läßt und gedenket mein.

G.


23/6370.


An Gräfin Josephine O'Donell

Eben war ich im Begriff, verehrteste Freundinn, Ihnen einen recht ruhigen und langen Brief zu schreiben und alles Gute, was mir so unverdient widerfahren, mir nochmals im Zusammenhange recht deutlich vorzustellen, besonders auch für die guten Nachrichten von Schlan zum allerschönsten zu dancken.

Nun vernehme ich aber von Graf Cotheck, daß Ihro Majestät in Czaslau, wegen Unpäßlichkeit, einige Tage verweilt, und bitte auf das dringenste, mich hierüber, sobald als möglich zu beruhigen und mich durch diesen neuen Beweis Ihrer unschätzbaren Freundschaft zu erfreuen.

So beglückend es ist sich Eigenschaften dieser auserordentlichen Dame in Gedancken zurückzuführen, so ängstlich wird es Dieselbe leidend, oder in einiger Gefahr zu wissen. Giebt es irgend Gelegenheit, so bitte, in der allerhöchsten Gegewart, meiner als des danckbarsten Knechts zu gedencken, der, ohne von dem Wohlbefinden seiner angebeteten Herrinn versichert zu seyn, unfähig ist irgend eines Glücks, irgend einer Zufriedenheit zu genießen.

Darf ich bitten von Ihren lieben Selbst mir[79] freundliche Nachricht zu geben und von des Herrn Grafen und der Frau Gräfinn Althan Exzel. und von unsres theuren Fürsten Lignovski Erlaucht einiges und hoffentlich recht erfreuliches zu melden.

Zunächst nehme mir die Freyheit kleine Blätter beyzulegen, wie ich sie in diesen Tagen flüchtig entworfen. Da sie Erinnerungen sind von lauter frommen Localitäten, so dürfen sie vielleicht Anspruch machen in jenem Büchlein Platz zu finden, welches der wilde Sinn des Weltkindes nicht hat entweyhen können. Darf ich dagegen bitten meiner bey irgend einem Abfallenden Couverte zu gedencken.

Bleiben Sie versichert daß Ihre Freundschaft ein großer und unerwarteter Gewinn für mein Leben ist, den ich um so höher zu schätzen weis als man in späteren Jahren nur zu verlieren eingerichtet seyn muß.

Biß den 12 Sept. verweile ich hier. Lassen Sie mich nicht aus Böhmen gehen ohne Beruhigung über einen Gesundheits Zustand der mir so sehr am Herzen liegt und ohne das Zeichen Ihres Wohlwollens, das ich auch in dieser Gabe danckbar verehren will.

Solches schrieb ich, in dem wahrhaft einsiedlerischen Carlsbad, d. 28ten August, als an meinem Geburstage, mich des 7ten in aller Stille mit frommen Wünschen erinnernd

1812.

treu ergeben und

verbunden

Goethe.[80]


23/6371.


An Eleonora Flies

[Concept.]

Es würde höchst undankbar von mir seyn, wenn ich mich aus dem lieben Böhmen entfernen wollte, wo es mir dießmal so wohl gegangen, ohne Ihnen für das Vergnügen zu danken, das ich auch Ihnen bey meinem Aufenthalte schuldig geworden. Die schöne Sendung handschriftlicher Blätter gab für mich selbst, sowie zur Unterhaltung anderer bey interessantesten Stoff. In gleicher Zeit erhielt ich von einem Freunde ebenfalls einen bedeutenden Beytrag und erregte durch Vorzeigung meiner Schätze bey gar manchen die freundliche Gesinnung sie zu vermehren und so erfolgte ein Gutes aus dem andern, wovon sich die Epoche mit der Ankunft des Marquis de Beauffort anfängt, dessen schätzbare Bekanntschaft ich Ihnen mit jenen angenehmen Denkmalen der Vor- und Mitwelt zu danken habe.

Für so viel Liebes und Gutes hätte ich denn auch wieder gern etwas Angenehmes erzeigt und da Sie mehr für andere, als für sich leben, so wollte ich ein Blatt übersenden, womit Sie unserer lieben Pichler einen Spaß machen sollten. Ich hatte ihren Agathokles in hiesiger Ruhe mit Aufmerksamkeit und vielem Vergnügen gelesen und war geneigt, dasjenige, was ich dabey empfunden und gedacht, flüchtig aufzuzeichnen.[81] Allein ich merkte bald, daß ich zu sehr in's Weite kam und mußte daher meinen löblichen Vorsatz aufgeben.

Sagen Sie ihr daher nur kürzlich, wie sehr die Zeichnung der Charaktere, die Anlage und Durchführung derselben meinen Beyfall habe, nicht weniger die Fabel, welche ohne verworren zu seyn, in einer prägnanten Zeit und auf einem breiten, bedeutenden Local sich so reich als faßlich ausdehnt. Wie sehr mich das angeborne Talent der Verfasserinn und die Ausbildung desselben dabey bestach, ist schon daraus ersichtlich, daß ich über diesem liebenswürdigen Natur- und Kunstwerke ganz vergaß, wie wenig mir sonst jenes Jahrhundert und die Gesinnungen, die darin triumphirend auftreten, eigentlich zusagen können. Ja unsre Freundinn wird es sich hoch anrechnen, daß ich nicht im Mindesten verdrießlich geworden bin, wenn sie meinen Großoheim Hadrian und sein Seelchen, meine übrige heydnische Sippschaft und ihre Geister nicht zum Besten behandelt. Die innere Consequenz des Werkes hat mich mit allem Einzelnen, was mir sonst hätte fremd bleiben müssen, wirklich befreundet.

Nach meiner gewöhnlichen Weise habe ich auch bey diesem Werke angefangen, mir hier und da den Plan umzudenken, einem Charakter eine andre Richtung, einer Begebenheit eine andere Wendung zu ertheilen; ich muß aber der Verfasserinn zum Rhum nachsagen, daß sie mich immer wieder durch die Folge bekehrt[82] und auf ihren eignen Sinn zurückgebracht hat, so daß ich mich wohl getraute, diese wohldurchdachte Arbeit, in menschlichem und künstlerischem Sinn, gegen jede Einwendung in Schutz zu nehmen. Nachdem ich sie so wohl studirt, bin ich neugierig, einige Recensionen derselben zu lesen.

Wenn es nicht zu spät wäre, ein solches Werk anzuzeigen, das nunmehr schon in Jedermanns Händen ist, so hoffte ich wo nicht die Verfasserinn, doch das Publicum mit einer neuen Ansicht desselben zu überraschen, daß man nämlich die liebenswürdige Calpurnia für die Hauptperson erklärte, ihr alle übrigen subordinirte, so wie auch die Begebenheiten sämmtlich auf sie bezöge.

Auf diese Weise würde man die Harmonie dieser Composition auf's neue recht anschaulich machen und könnte des Beyfalls der alten und jungen Herrn wenigstens hiebey gewiß versichert seyn.

Dieß mag nun wieder als Beyspiel gelten, was alles für Grillen ein Verfasser seinen Lesern nachzusehn hat, so wie es ein neuer Beweis ist, daß der Mund übergeht, wenn das Herz voll ist. Ich fing damit an, mich zu entschuldigen, daß ich nichts sagen wolle und bin schon weiter in den Text gekommen als billig. Nun will ich aber schließen und nur mich Ihrem Wohlwollen und meine Liebhabereyen Ihrer Vorsorge empfohlen haben.

Carlsbad den 30. Aug. 1812.[83]


23/6372.


An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

Töplitz, verehrter Freund, behauptet sich also bey seiner Eigenschaft, unsern Zusammenkünsten ungünstig zu seyn, und sie ist mir dießmal doppelt verdrüßlich, weil ich nach Ihrer Abreise von Carlsbad den Werth Ihrer Gegenwart recht mit Bewußtseyn recapitulirte und so manches Gespräch wieder anzuknüpfen und fortzuführen wünschte; besonders war mir peinlich, daß ich Ihre schöne Darstellung, wie die Sprachen über die Welt verbreitet seyen, nicht gleich vollständig aufgezeichnet, ob mir gleich das Meiste davon geblieben ist. Wollten Sie mir etwas recht Freundliches erzeigen, so schrieben Sie mir eine solche Übersicht gefällig auf und ich würde mir eine Hemisphären Charte darnach illuminiren und sie zu dem Atlas des Lesage hinzufügen; wie ich denn überhaupt, da ich mich des Jahrs so lange auswärts aufhalte, immer mehr an eine compendiarische und tabellarische Reisebibliothek gedenken muß. So wird jetzt mit Beyhülfe des Hofrath Meyer die Geschichte der Plastik und Malerey an den Rand der Bredowischen Tabellen hinzugeschrieben und so würde mir Ihre Sprachcharte in gar vielen Fällen zu Auffrischung des Gedächtnisses und zum Leitfaden bey mancher Lectüre dienen.

Über Berlin und über das, was sich dort, nach[84] Ihren früheren Anstalten und Anregungen, bewegt, hätte ich gern umständlich mit Ihnen gesprochen. Große Städte erhalten immer das Bild ganzer Reiche in sich und wenn sie auch gewisse fratzenhafte Übertriebenheiten zu eigen haben mögen, so stellen sie doch die Nation concentrirt zu Augen.

Staatsrath Langermann, dessen guter Wille und Thätigkeit so schön im Gleichgewichte stehn, erfreut mich schon seit vierzehn Tagen durch seinen lehrreichen Umgang und macht mir, sowohl durch seine Rede als sein Beyspiel, zu manchen Dingen wieder Muth, die ich schon aufzugeben bereit bin. Es ist gar zu belebend, die Welt wieder einmal durch ein Organ eines wahrhaft thätigen Mannes anzusehn: denn zu beleben verstehn die Deutschen im Einzelnen selten und im Ganzen niemals.

Hier finde ich einen ganz natürlichen Übergang zu der Notiz, die sie mir geben, daß unser Wolf mit dem Niebuhrschen Werke nicht zufrieden ist, er, der vorzügliches Recht hätte es zu seyn. Ich bin jedoch hierüber ganz beruhigt, ich schätze Wolfen unendlich wenn er wirkt und thut, aber theilnehmend habe ich ihn nie gekannt, besonders am Gleichzeitigen, und hierinn ist er ein wahrer Deutscher. Sodann weiß er viel zu viel, um sich noch belehren zu mögen und um nicht die Lücken in dem Wissen anderer zu entdecken. Er hat seine eigne Denkweise, wie sollte er fremden Ansichten etwas abgewinnen? und gerade die großen[85] Vorzüge, die er hat, sind recht geeignet, den Geist des Widerspruchs und des Ablehnens zu erregen und zu erhalten.

Was mich Layen betrifft, so bin ich Niebuhrs erstem Bande sehr viel schuldig geworden, und ich hoffe, der zweyte soll meine Dankbarkeit gegen ihn vermehren. Ich bin sehr neugierig auf seine Entwickelung der lex agraria. Man hat von Jugend auf davon gehört, ohne daß man einen bestimmten Begriff davon hätte. Wie angenehm ist es, einen unterrichteten und geistreichen Mann über einen solchen Gegenstand zu hören und zwar in diesen Zeiten, wo man Staats- und Völkerrecht, sowie alle bürgerrechtlichen Verhältnisse mit größeren Freyheit und Unbefangenheit zu betrachten aufgefordert ist. Man sieht welcher Vortheil es sey, wenig zu wissen und von dem wenigen sehr viel vergessen zu haben. Niemals mischte ich mich gern in die Händel des Tags, kann mir aber nicht versagen, in der Stille mein Schnippchen dazu zu schlagen.

Ihrer Frau Gemahlinn wünsche ich bestens empfohlen zu seyn. Körners grüßen Sie mir zum schönstens. Wenn der junge Mann wieder etwas fertig hat, bitte ich mir es gleich zu schicken. Ein größeres Stück zum 30. Januar, dem Geburtstage der Herzoginn, wäre mir dießmal sehr willkommen. Tausend Lebewohl.

Carlsbad den 31. August 1812.[86]


23/6373.


An Carl Friedrich Zelter

Sehr oft und herzlich habe ich mich, theurer Freund, diese Wochen her nach Ihnen gesehnt, da unser wackerer und schätzbarer Langermann, durch den Vortrag Ihrer Lieder und manches andern Guten, dessen er sich erinnerte, durch Erzählung von der köstlichen Singakademie, der erquickenden Liedertafel, und was sonst noch Gutes sich alles von Ihnen herschreibt, und belebt wird, mich recht fühlen ließ, wie sehr ich verliere, daß ich von Ihnen entfernt labe und daß zwischen uns sich Klüfte befinden, die, je länger es dauert, sich noch immer zu erweitern scheinen. Wenn ich mich nicht besonders auf's Verzweifeln verstünde, so würden mich diese Betrachtungen sehr unglücklich machen. Haben Sie Dank für Ihre lieben Briefe und schreiben mir zunächst nach Weimar, wo ich, durch ihre Lieder und sonstige früheren Gaben, mich wieder der Musik zu nähern hoffe, von der mich das leidige Weltwesen, zu meinem große Verdrusse, weggetrieben hat. Ich finde zwar, bey meiner Rückkehr, das alte Theater und eine neue Orgel; ich fürchte aber, weder Belial noch Christus werden mir durch diese Organe viel anhaben.

Meine Zufriedenheit und Thätigkeit ist diesen Sommer einige Mal durch meine alten Übel unterbrochen worden; aber auch in diesem Falle bleibt[87] nichts übrig, als sich so geschwind wie möglich wieder herzustellen und die Reise weiter fortzusetzen. Es ist als wenn man eine Axe bräche oder ein Leck kriegte.

Herrn Etatsrath Langermann bin ich gar manche schöne und lehrreiche Unterhaltung schuldig geworden. Er hat mich durch seine eigenthümliche, höchstgeregelte Thätigkeit sehr erfreut, meinen Unglauben bekämpft, und meinen Glauben gestärkt. Ich hoffe, er wird auch abwesend fortfahren, mit mir in Verbindung zu bleiben, und dadurch fühle ich mich auch Ihnen um so mehr verbunden.

Was er mir von wackern und tüchtigen Männern in dem Berliner Kreise Gutes erzählt hat, macht auch, daß ich dorthin meinen Blick noch lieber wende, der sonst auf Ihnen und sehr wenigen mit Sehnsucht verweilte und dann wieder, ohne weitern Reflex, abgleitete.

Von mir selbst und meinen Thun habe ich weiter nichts zu sagen, da Sie zu Michaelis wieder ein biographisches Bändchen aufsuchen wird. Betrachten sie es freundlich. Es ist freylich nur der tausendste Theil, von dem, was in jener Epoche auf mich losgehämmert und mir gewaltig widerstanden und entgegengewirkt hat; da aber eigentlich eine solche Schrift nicht zu ernsthaft werden soll, so ist es besser daß man ihr eine gewisse specifische Leichtigkeit giebt, damit sie nicht, wie so viel anderes Bessere, für den Augenblick untergehe.

[88] Können und mögen Sie mir Ihre Composition der Memorialverse Invocavit pp. senden, so werden Sie mich erquicken. Langermann hat mir einen Vorschmack davon gegeben. Es sollte dabey Ihr Andenken aufrichtig gefeyert werden.

Von vielem Andern will ich dießmal nichts sagen; denn man kommt gar zu bald tiefer in den Text als es nütz ist.

Leben Sie recht wohl! und lassen uns nicht lange ohne Nachricht von einander bleiben.

Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freylich dadurch weder für sich noch für andere genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, das vielleicht dem musicalischen Theil, seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin laconischer Natur ist, wird es nur doppelt durch diesen Mangel.

Und nun nur noch ein herzliches Lebewohl!

Carlsbad den 2. September 1812.

G.[89]


23/6374.


An Christiane von Goethe

Da euer lieber Brief vom 31. August zu rechter Zeit angelangt ist, so hoffe ich, der gegenwärtige soll auch einige Tage vor mir ankommen.

Die Nachrichten von dem gnädigen und freundlichen Empfang, den du erfahren, so wie die mehrere Nachfrage nach mir, machen mir nun auch Lust und Muth, wieder zurückzukehren. Carlsbad ist nun wirklich wie ausgestorben, alle fremde Läden sind zu, und selbst die von Carlsbadern besetzten kleinen Boutiquen werden nach und nach geschlossen. Alle Tage geht von den letzten einer fort und es bleiben nur wenige Nordländer, die wegen ihres gemeinschaftlichen Interesses im Stillen zusammen halten. Das Wetter hingegen ist seit einigen Tagen so angenehm als man sichs wünschen kann. Besonders weil der Sommer so feucht war, sind alle Bäume noch über die Maaßen grün, die Kastanien, Acazien, Pappeln zeichnen sich vorzüglich aus.

Sollte es etwa jemand interessiren, so kannst du erzählen, daß es in Töplitz sehr brillant hergeht, daß sehr viele Feste gegeben werden, sowohl durch die Prinzen als den König selbst, der sich sehr aufgeheitert haben soll, und dieses soll noch bis in die Hälfte des Septembers währen.

Indessen wird es an eurem Vogelschießen auch[90] nicht an guten Tagen gefehlt haben, und nun, da gar das Schauspiel wieder zurück ist, so sind wohl alle Wünsche vorläufig erfüllt. Grüße mir die Mitglieder, die sich bey dir präsentiren, und horche, ob sie nicht etwa selbst Vorschläge zu neuen Stücken mitbringen: Denn mir ist sehr wenig Brauchbares vorgekommen. Bemerke übrigens, wie die Verhältnisse stehen, damit ich mich bey meiner Ankunft gleich darnach richten kann.

Von uns kann ich noch hinzufügen, daß wir in voriger Woche zwey sehr große Promenaden mit dem alten Müller gemacht haben, eine vier- und eine sechsstündige. Dabey sind viele Steine geklopft und nach Hause geschleppt worden; wie sich denn überhaupt, zu Müllers großer Freude, noch zuletzt mehrere Personen für diese Dinge interessirt und von seinen Collectionen gekauft haben. Übrigens wird ein wenig gezeichnet, viel geschrieben und abgeschrieben, so daß wir auch von dieser Seite ziemlich beruhigt nach Hause gehen werden.

Weiter wüßte ich nun nichts hinzufügen, als daß ich dich ersuche überall viel Empfehlungen auszurichten und meiner in Liebe zu gedenken, bis ich selbst wieder erscheine. Auf die Pisangblüthen freue ich mich; ich erinnere mich zwar derselben noch von Alters her, aber nicht ganz deutlich. Zur Ordnung im Haus gratulire, so wie zu der reichlichen Kartoffelerndte.

Carlsbad den 7. September 1812.

G.[91]


NB. Es wäre sehr schön, wenn ihr euch nach Krebsen umthätet, diese habe ich den ganzen Sommer entbehrt, und möchte nun noch zuletzt, ehe die R. gar zu sehr über Hand nehmen, einmal eine Schüssel vor mir sehen.


23/6375.


An Leopold Edlen von Lämel

Ew. Hochwohlgeb.

wiederhole nochmals, vor meiner Abreise von Carlsbad, meinen aufrichtigen Dank für die mehrmalige Gefälligkeit, womit Sie Sich meiner kleinen Angelegenheiten zu meinem besonderen Vortheil haben annehmen wollen. Ich bitte mir die Erlaubniß aus, bey einer über's Jahr zu hoffenden Rückkehr nach Böhmen mich wieder in's Gedächtniß bringen und auf Ihre Gütigkeit abermals Anspruch machen zu dürfen.

ich hoffe, der Brief, welcher den 19. August recommandirt hier abgegangen und eine Anweisung auf 200 rh. Sächs., so wie einen Avisbrief an Herrn Cammerrath Frege und Comp. enthielt, wird seiner Zeit glücklich angelangt und dadurch also auch meine dritte und letzte Schuldpost getilgt seyn.

Ich bitte, mich Dero werthen Angehörigen auf das allerbeste zu empfehlen, der ich nichts mehr wünsche, als Dieselben bald in Weimar meiner Hochachtung[92] versichern zu können, mit der ich die Ehre habe mich zu unterzeichnen

Ew. Hochwohlgeboren

ganz ergebensten Diener

Carlsbad den 12. September

J. W. Goethe.

1812.


23/6367.


An den Herzog Carl August

Ew. Durchlaucht

werden wohl schwerlich geneigt seyn Herrn Duports Talente zu bewundern. Darf ich also nach Ihrem Befehl demselben verneinend anworten?

W. 17. Sept. 1812.

Goethe.


23/6377.


An Bernhard August von Lindenau

Die unangenehme Empfindung, welche mir dadurch erregt worden, daß ich Ew. Hochwohlgeb. in Jena und Weimar verfehlt, wurde durch Ihren gütigen Brief, den ich vorfand, sehr gemildert, welcher mir ein vielfaches Vergnügen verschaffte. Ich sah daraus, daß Sie Ihre Reise glücklich zurückgelegt, daß Sie das von mir nachgesendete zutrauliche Schreiben nachsichtig aufgenommen und mein Gesund freundlich beachten wollen.

[93] Die kleine Sammlung, deren reichliche Vermehrung durch Ihre Güte ich dankbarlichst anerkenne, verschaffte mir auch dießmal einen mannigfaltigen Genuß, indem ich Ew. Hochwohlgeb. auf Ihren Reisen unmittelbarer begleiten und mir die trefflichen Männer vergegenwärtigen kann, mit denen Sie in Berührung gekommen. Setzen Sie Ihre Güte für mich fort und bleiben Sie, sowohl bey Ihrem Aufenthalt in der Nachbarschaft als bey Ihren ferneren Reisen zu Land und zu Wasser, meiner eingedenk, so wie meines aufrichtigen Antheils immer versichert, den ich an den Fortschritten der großen Wissenschaft so wie an allem dem, was Sie persönlich Schönes und Gutes leisten, und an Allem, was Ihnen Glückliches geschehen wird, immerfort nehmen werde.

Ich glaube mich hierzu um desto mehr berechtigt, als Sie den Bemühungen des Herrn von Münchow in Jena Ihre Aufmerksamkeit und Theilnahme schenken und mit demselben und seiner kleinen Anstalt immer in Verbindung bleiben werden; wie denn überhaupt Ihr herrliches Fach (wenn man Fach nennen darf, was alles umschließt) das Glück hat, daß alle, die sich demselben widmen, nothwendig in Verbindung bleiben müssen und gar nicht wirken könnten, wenn sie nicht zusammenwirken, wodurch denn ein allgemeines Wohlwollen unter den Theilnehmenden entsteht und alles Mißwollen verschlungen wird. Möchte doch andern Wissenschaften ein gleiches[94] Glück gegönnt seyn. Ew. Hochwohlgeb. haben gewiß die Güte, außer der allgemeinen Verbindung, den Jenaischen östlichen Vorposten Ihrer großen Anstalt noch besonders freundlich zu behandeln, der auch mich um desto mehr interessirt, als er mir Hoffnung giebt, noch vollbrachter Einrichtung Dieselben auf längere Zeit bey uns zu sehen und gleichfalls für meine Person in ein näheres Verhältniß mit Denenselben zu treten.

Der ich die Ehre habe, mich mit gefühlter Hochachtung zu unterzeichnen

Ew. Hochwohlgeb.

ganz gehorsamster Diener

Weimar den 17. September

J. W. Goethe.

1812.


23/6378.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Herr Professor Riemer

wird hierdurch ersucht morgen früh um acht Uhr sich bey mir einzufinden und nach vollendeten kleinem Geschäft Mittags bey uns vorlieb zu nehmen.

Den 19. Sept. 1812.

G.


23/6379.


An Carl Friedrich von Reinhard

Ihren Brief, lieber verehrter Freund, vom 7. August erhalte ich bey meiner Rückkunft in Weimar[95] am 16. September; indessen wird einer vom vierzehnten August aus Carlsbad bey Ihnen mit meinem Dank für Ihre gütige Vorsorge angelangt seyn. Meine Reisesammlung ist seit Ihrer ersten Sendung, welche mir so viel Segen brachte, immer mehr angeschwollen und es giebt in einsamen Stunden nunmehr eine angenehme Beschäftigung, diese neuern Acquisitionen einzurangiren. Sagen Sie Herrn Villers für die Mittheilung so bedeutender Blätter den allerschönsten Dank.

Daß meine Carlsbader Gedichte auch in Ihrer Gegend gut aufgenommen worden, freut mich sehr. Bey andern Gedichten, welche man die selbstständigen zu nennen pflegt, kann man der Zeit überlassen, daß sie erst recht zur Erscheinung kommen, und hoffen, daß das Publicum an und mit ihnen reisen werde; das Gelegenheitsgedicht hingegen gilt, seiner zarteren Natur nach, entweder im Augenblicke des Entstehens, oder gar nicht, und also hat der Autor hier vollkommen recht, sich der augenblicklichen Gunst zu erfreuen. ich verfehle deshalb nicht, die Abschrift eines dritten, oder vielmehr des ersten beyzulegen, welches den beyden, die Ihnen bekannt sind, zur Einleitung diene und mit ihnen zusammen ein ganzes machen sollte.

Von meiner fünfmonatlichen Abwesenheit und von meinem Sommeraufenthalte in Töplitz und Carlsbad habe ich meinen vorigen Briefe schon einiges erwähnt.[96] Wahrscheinlich habe ich auch von der Bewunderung gesprochen, welche die Kaiserinn von Östreich allen denjenigen Personen einflößt, welche das Glück haben, sich ihr zu nähern. Wäre es möglich und schicklich, eine so vorzügliche Individualität mit Buchstaben zu schildern, so würde ich es gewiß für Sie thun; nun muß ich es aber leider bey'm Allgemeinem lassen. Es wird ja doch wohl eine Zeit kommen, wo wir uns wieder treffen, und für die muß auch einiges aufgespart werden.

Über jenen Irrthum, der bey Ihrem Aufenthalt in Osten vorfiel, habe ich die benannte Person noch nicht aufklären können; ich hoffe aber doch, es soll mir noch gelingen.

Für dießmal aber will ich schließen und mich und das Meinige zu freundlichem Andenken bestens empfehlen.

Weimar den 20. September 1812.

Goethe.


23/6380.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Ew. Wohlgeb.

haben während meiner Abwesenheit den Wunsch erfahren, zu Michael eine Summe Geldes in Frankfurt erheben zu können. Ich bin nunmehr glücklich aus Böhmen zurückgekommen, wo es mir, bey abwechselnden[97] Gesundheitsumständen, im Ganzen sehr wohl gegangen ist.

Unter den verschiedenen Vorschlägen, welche Ew. Wohlgeb. zur Aufkündigung irgend eines Capitals thun, glaube ich dem, welcher auch Ihre Stimme zu haben scheint, dem Verkauf der bayrischen Obligationen, jede zu 1000 fl., zu verkaufen. Sollte etwas weiter nöthig seyn, so bitte, mir es anzuzeigen. Dürfte ich zugleich um baldige gefällige Nachricht bitten, wann ich einige Assignationen auf gedachte Summe ausstellen könnte. Es wäre mir angenehm, solches bevorstehenden Michaelis zu thun.

Ihrem theuren Herrn Bruder bitte ich vielmals zu empfehlen. ersuchen Sie ihn, mir bald wieder einmal zu schreiben: denn ob ich gleich auf seinen lieben Brief aus Rom nicht geantwortet, so habe ich doch denselben keineswegs vergessen und mich manchmal an Wiederlesung der schönen Blätter gefreut. Da der werthe Freund nun wieder nach Deutschland gelangt ist, so wird die Communication um so viel leichter werden, ja vielleicht entschließt er sich, uns zu besuchen, da dann mündlich auf einmal gar viel abzumachen ist.

Mögen Sie die Gefälligkeit haben, mir auch anzuzeigen, was Michaelis von meinen Revenuen für[98] mich in Cassa bleibt, damit ich allenfalls darauf gleichfalls assigniren könnte.

Mich dem freundschaftlichen Andenken angelegentlichst empfehlend

Weimar den 21. September 1812.

Goethe.


[Beilage.]

Hierdurch ertheile ich dem Herrn Stadtgerichtsrath Doctor Schlosser in Frankfurt a/M. Auftrag und Vollmacht, drey der mir zuständigen K. bayrischen Obligationen, jede 1000 fl. vierundzwanzig Gulden-Fuß, nach dem gegenwärtigen Curs zu veräußern, und alles was wegen der Cession nöthig wäre auf gesetzliche Weise zu bewerkstelligen. Weimar den 21. September 1812.

J. W. Goethe.


23/6381.


An Dietrich Georg Kieser

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

bearbeiten ein wissenschaftliches Feld, welches auch mich seit vielen Jahren höchlich interessirt, mit Eifer und Glück. Schon die frühere Mittheilung der Aphorismen aus der Physiologie der pflanzen hatte mir viel Vergnügen und Nutzen gewährt, beydes seh ich nun durch die zuletzt übersendeten Schriften erneuert und erweitert. es wird mir sehr angenehm seyn, mich in[99] der Folge mit Ihnen über diese Gegenstände zu besprechen, woraus ich mir umsomehr Belehrung und Aufmunterung erwarten darf, als Ihre Denkweise in den Grundbegriffen mit der meinigen zusammentrifft, und eine Differenz in der Anwendung, vielleicht auch nur in Sprache und Terminologie, wohl auszugleichen seyn möchte.

Der ich die Ehre habe mich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 22. Sept. 1812.


23/6382.


An Christian Gottlob Frege und Comp.

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

nehme mir abermals die Freyheit, höchlichst zu ersuchen, daß Dieselben die Gefälligkeit haben mögen, eine von mir zu Gunsten des Hofschauspielers Herrn Hayde dahier unter dem heutigen Datum auf vierhundert Thaler Sächs. für Rechnung des Herrn Doctor Cotta in Stuttgart ausgestellte Assignation zu honoriren und dadurch die mir schon öfters bewiesene Geneigtheit abermals zu bethätigen.

Der ich unter Anwünschung alles Guten die Ehre habe mich zu unterzeichnen.

Weimar den 28. Sept. 1812.[100]


[Beilage.]

Assignation.

Des Herrn Cammerrath Frege und Comp. Wohlgeb. in Leipzig belieben, gegen diese meine Assignation, für Rechnung des Herrn Dr. Cotta in Stuttgart, an den Hofschauspieler Herrn Hayde dahier oder dessen Ordre, die Summe von vierhundert Thalern Sächs. gefällig auszahlen zu lassen. Weimar den 28. Sept. 1812.


23/6383.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

werden meine Schreiben vom 21. September wohl erhalten haben, durch welches ich Dieselbigen beauftrage, drey Stück Bayrische Obligationen, jede zu 1000 fl. zu veräußern. Ich sagte in demselben, daß ich die Nachricht, in wiefern ich assigniren könne, erwarten wolle. Da sich aber drey der jetzigen Meßzeit Gelegenheit findet, zwey Assignationen, jede zu 500 fl., vortheilhaft anzubringen, so habe mir die Freyheit genommen, dieselben unter dem heutigen Datum auszustellen. Ew. Wohlgeb. werden gefällig Mittel finden, sie zu honoriren und mich dadurch auf's neue verbinden. Mehr sage ich dießmal nicht, sondern wünsche mich und die Meinigen Ihnen und den lieben Ihrigen bestens empfohlen zu wissen.

Weimar den 28. September 1812.[101]


[Beilage.]

Anweisung.

Des Herrn Stadtgerichtsraths Dr. Schlosser Wohlgeb. in Frankfurt a/M. belieben gegen diese meine Anweisung an den Herzogl. Sachsen Weimarischen Hofschauspieler Herrn Hayde oder dessen Ordre, die Summe von 500 fl. Rhein. gefällig auszuzahlen, und mir dieselbe gefällig in Rechnung zu stellen. Weimar den 28. Sept.[102]


23/6383a.


An Christian Gottlob Voigt

Am 26. September 1812

begab ich mich in das Herrschaftliche Gebäude, welches zur künftigen Wohnung des Bibliotheksdieners gnädigst bestimmt ist, und fand dasselbe reinlich und ordentlich, die Zimmer ausgemalt, so daß vor der Hand keine Reparatur oder Erneuerung nöthig seyn möchte. In der ersten Etage hatte bisher der Berliner Kleinstäuber bey Venusens zur Miethe gewohnt, welcher im Ausziehn beschäftigt war; den zweyten bewohnte noch Demoiselle Venus, welche sich nicht zu Hause befand, den dritten aber der alte Aufwärter bey der Zeichenacademie Thomas, welchen Demoiselle Venus zu sich genommen hatte.

Gedachte Wohnung nun für die Folge einzutheilen ging meine Entscheidung dahin, daß Sachse, wenn Kleinstäuber und Demoiselle Venus ausgezogen seyn würden, die erste und zweyte Etage beziehn, Thomas aber die obere behalten sollte.

Ich eröffnete diese Gesinnung dem Bibliotheksdiener Sachse, worauf denn zwischen ihm und Thomas dasjenige zur Sprache kam, was in dem beyliegenden Sachsischen Schreiben vom 27. September nachzulesen bitte.

Ich sehe die Sache so an. Venusens haben den Vortheil, das Haus zu bewohnen, ja einen Theil[165] davon zu vermiethen sich so lange als möglich zu erhalten gesucht. Da es nun mag verlautet haben, daß Thomas eine freye Wohnung in demselben bekommen solle, so mögen sie ihn zu sich genommen und gegen ein Leidliches verköstiget haben um einen Fuß in dem Haus zu behalten, wie es jetzt durch Thomasens Erklärung an den Tag kommt.

Herzogliche Commission kann dieses nun keineswegs geschehn lassen; ich würde vielmehr folgende unmaßgebliche Vorschläge thun:

1) Demoiselle Venus betreffend, wäre derselben, daß sie das Haus zu räumen habe, sogleich zu insinuiren. Durch welche Instanz und durch wen, hierüber bin ich zweyfelhaft. Da es ein Herrschaftliches Haus ist und da es unter der Cammer steht, so wäre es vielleicht am besten, wenn diese Auflage ihr von dorther geschähe, welches Ew. Excellenz vielleicht einleiten möchten, da ohnedem Herzogliche Cammer erfahren muß, wer künftig das Haus zu bewohnen berechtigt ist. Ferner würde man

2) Sachen eine Verordnung geben, worin ihm die gnädigste Vergünstigung, daß er das Haus, wie es der Cammerdiener Venus vormals bewohnet, gleichfalls bewohnet, und also auch die Gräserey und das Obst benutzen könne, mit der Einschränkung, daß dem Zeichenacademie-Aufwärter Thomas gegenwärtig, und nach Befinden dessen Nachfolgern, der obere Stock und von dem Erdgeschoß soviel Raum übrig bleibt,[166] sein Holz und was ähnliche Bedürfnisse sind, unterzubringen.

3) Was den Thomas nunmehr selbst betrifft, so möchte wohl das beste seyn, Herrn Hofrath Meyer als seinem Vorgesetzten in einem kurzen commissarischen Erlaß die Nachricht zu ertheilen, daß man genanntem Aufwärter den obern Stock in jenem Hause zu bewohnen offen erhalten habe, wozu er durch diese commissarische Erklärung nunmehr berechtigt werde. Wolle er aber auf seiner unschicklichen Äußerung beharren, daß er mit der obersten Etage nicht zufrieden seyn, vielweniger sich von Demoiselle Venus trennen könne, so stehe es ihm frey, mit derselben auszuziehn und wo es ihm beliebe seine Wohnung zu nehmen. Über die successive Berichtigung dieser drey Puncte erbitte mir gefällige Äußerung.

Weimar den 28. September 1812.

G.[167]


23/6384.


An Johann Heinrich Meyer

Hierbey, lieber Freund, das Mitgetheilte dankbar zurück. Möchten Sie nach Tische mich einen Augenblick besuchen; ich wünschte gar sehr, durch Sie etwas von unserer liebenswürdigen Hoheit zu vernehmen, deren gegenwärtige Lage mir viel Pein macht. Morgen denke ich auf einige tage nach Jena zu gehn.

Weimar den 30. Sept. 1812.

G.


23/6385.


An Carl Friedrich Ernst Frommann

Beykommt endlich der Schluß des zweyten Bandes. Ich wünsche auch diesem bey Herren und Frauen eine freundliche Aufnahme. An baldiger Förderung werden Sie es nicht fehlen lassen. Sie verzeihen, wenn ich bey meinem kurzen Aufenthalt in Jena nicht selbst[102] noch glückliche Reise gewünscht, welches hierdurch schriftlich geschieht, mit den besten Empfehlungen.

Weimar den 4. October 1812.

Goethe.


23/6386.


An Johann Christian Stark d. J.

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

statte den verbindlichsten Dank ab für die Sorgfalt, mit der Sie Sich des jungen Mannes angenommen haben, und freue mich gar sehr, daß er so weit wieder hergestellt ist, jedoch werden Sie es nicht mißbilligen, wenn ich ihn sobald nicht wieder zu mir nehme. In solchen Fällen ist nicht allein die Heilung des Subjects zu consideriren, sondern auch die Apprehension derjenigen, denen er sich wieder nähern soll. Ich trage billig Bedenken, ihn sobald wieder um mich zu sehn und theils meine Person, theils meine Kleider, mein Essen und Trinken täglich und stündlich von ihm berühren zu lassen, so wie ich auch meine zahlreiche Familie, von der ich keine philosophische Fassung erwarten kann, nicht in Furcht und Sorge setzen darf. Er wird sicher daher in Geduld beruhigen und nach der Mosaischen löblichen Einrichtung noch eine zeit lang abgesondert bleiben.

Mögen Ew. Wohlgeb. bey seinem längeren Aufenthalt in Jena ihm Ihre Aufmerksamkeit ferner schenken[103] und genau beobachten, ob keine Rückkehr des Übels zu bemerken ist, welches in solchen Fällen sehr leicht geschieht, so werden Sie viel zu meiner Beruhigung beytragen, und meine Dankbarkeit vermehren. Ich werde in kurzer Zeit nach Jena kommen, da sich denn alles umständlicher wird besprechen lassen.

Der ich die Ehre habe, mich mit besonderer Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 4. October 1812.


23/6387.


An Franz Ludwig von Hendrich

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb.

lege bey, was ich dem Hofrath Starke wegen Eisfelds geschrieben und füge noch folgende vertrauliche Bemerkung hinzu: Die Ärzte sind alle patres misericordiae und das einer wie der andre, sie begünstigen immer nur das Individuum, ohne sich's um Geschäft, um das gemeine Wesen oder die Familie zu bekümmern, wie ich schon seit so langer Zeit bey'm Theater erfahre, wo sie die Grille eines jeden Schauspielers, der sie nur anlaufen mag, unterstützen.

Ew. Hochwohlgeb. tadeln mich gewiß nicht, wenn ich meine Person nicht in Gefahr setzen und eine aus neun Gliedern bestehende Familie nicht compromittiren will. Meine äußern Verhältnisse dazu[104] gerechnet, so wird dessen baldige Wiederaufnahme ganz unmöglich. Er mag sich daher so gut er kann gedulden.

Hielten Ew. Hochwohlgeb. ihn nach einer Überzeugung dergestalt für rein, daß Ihnen seine Nähe keine Apprehension gäbe, so würden Dieselben freylich ein sehr gutes Werk thun und mich höchlich verbinden, wenn Sie ihn in Ihren vielfachen Geschäften auf irgend eine Weise brauchten, damit er für langer Weile nicht verkomme. Er ist gescheidt und gewandt, und wird gewiß alles thun, um Ihre Gunst und Gnade zu verdienen. Haben Sie die Güte, mir gelegentlich Ihre fernern Gedanken zu eröffnen; wie ich denn, für alles bisherige Gefälligerzeigte höchlich dankbar, die Ehre habe, mich mit besonderer Hochachtung zu nennen.

Weimar den 4. Oct. 1812.


23/6388.


An Friedrich Theodor von Müller

Bey Ew. Hochwohlgeb. habe ich gehorsamst anfragen wollen, ob ich heute mit Ihnen den Herrn Gesandten erwarten darf, um welche Stunde, und was man allenfalls zum Frühstück vorsetzte.

Mich bestens empfehlend

den 4. October 1812.

Goethe.[105]


23/6389.


An Christian Gottfried Körner

Daß Ihr Aufenthalt in Wien glücklich und fröhlich gewesen, vernehme ich viel Vergnügen und danke nur mit wenig Worten sogleich für das übersendete größere Stück. Toni habe ich in diesen Tagen recht gut und mit Beyfall aufführen sehen. Zu der kleinen Posse haben unsere Schauspieler gleichfalls Lust; nur weniges wird abzuändern seyn. Das große Stück wird schon mehr Bedenken finden. Ich habe auch darin das sehr schöne Talent Ihres lieben Sohnes bewundert. Über die Möglichkeit und Räthlichkeit einer Aufführung desselben spreche ich alsdann, wenn ich mit mehreren Freunden Rath gepflogen. Vielleicht läßt sich alles bey Ihres Theodor's Gegenwart hier am Orte arrangiren und abthun. Möge sein Besuch von guter Vorbedeutung seyn, daß wir uns in Weimar und Dresden öfter als bisher geschehen, wieder finden und durch wechselseitige Einwirkung beleben. für dießmal ein herzliches Lebewohl und die schönsten Empfehlungen an die werthesten Ihrigen.

Weimar, den 5. October 1812.

Goethe.[106]


23/6390.


An Friedrich Joseph Schelver

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

haben mir durch Ihre Abhandlung ein wahres Geschenk gemacht. Schon in Carlsbad hatte ich Nachricht davon, und bemühte mich bisher vergebens sie zu erhalten. Noch gar wohl erinnere ich mich der guten Zeit, wo Sie mir diesen Gedanken zuerst eröffneten und ich Sie ersuchte, da wir ohnedem mancher Paradoxieen wegen berufen seyen, diese Überzeugung bey Sich recht reif werden zu lassen und vollkommen auszubilden. Dieses ist nunmehr geschehen und die ganze Sache ist mit musterhafter Klarheit dargestellt, so daß wenn man auch nicht gerade die Überzeugung theilt, doch das Werkchen als eine treffliche Deduction für Ihre Vorstellungsart gelten und einen Jeden zu solchem Nachdenken auffordern muß, zu dem er ohne diese Veranlassung nicht gelangt wäre.

Was mich selbst betrifft, so habe ich, seit Ihrer damaligen Äußerung, den Gedanken nie außer Acht gelassen, und mich desselben als eines Gegengewichts gegen die herrschende Meynung bey meinen stillen Forschungen bedient. Zu entscheiden wage ich nicht; aber man mag die Sache nach Ihrer Weise ansehn, und die drey Reiche, wie es von Ihnen geschehn, trennen und isoliren, oder man mag einem Übergehn aus dem[107] einen in das andere, einer Verbindung derselben günstig seyn, so bleibt Ihre Einrede von großem Werth. In dem ersten Fall besteht Ihre Ansicht für sich und schließt die Vegetation auf eine bedeutende Weise in sich selbst ab. In dem zweyten falle müßten sich auf diesem weg köstliche Aufschlüsse über die Zeugung der Thiere finden.

Auf diesem letzten habe ich bisher zu wandeln gesucht, und ich theilte vielleicht in der Folge etwas von meinen Resultaten mit, die alsdann als Begriff oder als Symbol gelten mögen. Gegenwärtig habe ich nur Ihre Abhandlung zu studiren und mich von Ihrer Überzeugung so zu durchdringen, daß ich sie völlig zur meinigen mache und sie mir und andern klar und deutlich und ohne Widerrede darzustellen.

Vielleicht giebt diese Abtheilung Ihres größern Werks Gelegenheit zu Empfehlung des Ganzen, von welchem dieses Musterstück eine günstige Hoffnung erregen muß.

Leben Sie recht wohl und bleiben Sie von meiner aufrichtigen Theilnahme auch überzeugt.

Den 5. October 1812.


23/6391.


An Johann Cornelius Rudolf Ridel

Ew. Wohlgeb.

würden mir eine besondere Gefälligkeit erzeigen, wenn Sie mich auf irgend eine schickliche, der Maurer[108] Form nicht ungemäße Weise, als Abwesenden betrachten und meine Verpflichtungen gegen die Gesellschaft suspendiren möchten. Ungern würde ich diese ehrenvolle und interessante Verbindung ganz aufgeben, möchte aber doch, da es mir unmöglich fällt den Logen regelmäßig beyzuwohnen, nicht durch mein Aussenbleiben ein böses Exempel geben. Vielleicht vernehme ich mündlich das Nähre. Biß dahin ich auch meine Entschuldigungen verspare. Verehrend

W. d. 5. October 1812.

Goethe.


23/6392.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Hierbey sende ich Ihnen, mein lieber Herr Professor, das Neuste vom Jahr. Lesen Sie das Stück mit Ruhe durch. Es wird zu interessanter Unterhaltung Gelegenheit geben.

Weimar den 5. October 1812.

G.


23/6393.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

verfehle nicht, hiedurch ergebenst anzuzeigen, daß ich Dero schreiben vom 30. Sept. richtig erhalten und auf den mir darin angezeigten Cassebestand abermals eine Assignation auf 450 fl. Rhein. an den hiesigen[109] Handelsmann Ludw. Fried. Henniger ausgestellt, welche gefällig zu honoriren und den Betrag mir in Rechnung zu stellen bitte.

Mich vielmals empfehlend.

Weimar den 6. Oct. 12.


[Beilage.]

Anweisung.

Das Herrn Stadtgerichtsrath Dr. Schlosser Wohlgeb. in Frankfurt a/M. belieben gegen diese Anweisung an den hiesigen Handelsmann Herrn Ludw. Fried. Henniger oder Ordre die Summe von vierhundert und funfzig Gulden Rhein. gefällig auszuzahlen und mir dieselben in Rechnung zu stellen.

Weimar den 6. Oct. 1812.


23/6394.


An Joseph Franz Maximilian von Lobkowitz

Durchlaustiger Fürst,

Gnädiger Herr!

Ew. Durchl. schmeichelhaftes Zutrauen, welches mir Hochdieselben beweisen, verfehle nicht mit dem schuldigsten Danke zu erwidern, und ob ich gleich Ihre Wünsche dem ganzen Umfang noch zu erfüllen nicht im Stande bin, so halte ich es jedoch für Pflicht denselben möglichst entgegen zu kommen.

Der Text einer Oper gehört unter die Dichtungsarten,[110] welche sehr schwer zu beurtheilen sind, weil man sie nicht als selbstständiges Kunstwerk ansehen darf. Man hat sie in Bezug auf Musik, den Componisten, die Bühne, das Publicum zu betrachten, ja sogar auf kurz vorher gegebene und andere bekannte Opern Rücksicht nehmen.

Wäre ich daher in Wien, so würde die Sache zu Ihrer Zufriedenheit leicht abzuthun seyn. In der Entfernung jedoch getraue ich mir nicht ein entscheidendes Urtheil zu fällen, um so weniger, als ich eine Anzahl Personen nicht zu benennen wüßte, mit denen ich mich in einem solchen Falle mündlich in Übereinstimmung setzen konnte; schriftlich machen solche Dinge, wie ich aus Erfahrung weiß, eine Weitläufigkeit, welche schwer zu übertragen ist.

Wollten jedoch Ew. Durchl. mir die eingehenden Stücke gefällig zusenden, so würde ich sie, nach meiner Einsicht, gern recensiren und alsdann denen etwa zu bestellenden Richtern völlig überlassen, inwiefern sie auf mein unmaaßgebliches Gutachten reflectiren wollten. Ew. Durchl. Vorsitz bey diesem Gerichte in allem vertrauend, erwarte Dero weiteren Befehle.

Sehr leid that es mir, so oft ich diesen Sommer das herrliche Eisenberg vor dem Waldgebirge glänzen sah, daß es nicht durch Ew. Durchl. und Ihro Familie hohe Gegenwart verschönt, als ein erwünschter Sammelplatz fürtrefflicher Gesellschaft besucht und die Besitzer bey sich verehrt werden konnten.

[111] Durchl. der Herzog tragen mir die angelegentlichsten Empfehlungen auf, wie ich denn auch mich selbst zu gnädigem Andenken aber und abermals empfohlen wünsche.

Verehrungsvoll mich unterzeichnend

Ew. Durchl.

Weimar, den 7. October

unterthänigster Diener

1812.

J. W. Goethe.


23/6395.


An Johann Georg Lenz

Ew. Wohlgeb.

verfehle nicht, zu benachrichtigen, daß von dem schönen Velinexemplar Ihres schätzbaren Werks sich hier die Bogen

45-52 incl.

vorgefunden haben, welche also, wenn Ew. Wohlgeb. mir die übrigen zuschicken, hier eingeschaltet werden können.

Der ich recht wohl zu leben wünsche.

Weimar den 7. October 1812.

Goethe.


23/6396.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

vermelde hierdurch, daß ich den Weinhändlern Gebr. Ramann zu Erfurt in diesen Tagen eine Anweisung[112] von 800 fl. Rhein. zustellen werde, welche zu honoriren bitte. Zugleich erfolgt eine Vollmacht, die vierte bayrische Obligation zu 1000 fl. gleichfalls zu verkaufen.

Daß Ihr Herr Bruder sich entschließt, gleich bey seinem Eintritt in's Vaterland etwas herauszugeben und uns dadurch mit dem bekannt zu machen, was ihn am meisten interessirt, macht mir sehr viel Vergnügen. Ich hoffe, dadurch demselben zu einer freundlichen Communication zu gelangen.

Mich bestens empfehlend.

Weimar den 10. October 1812.


23/6397.


An Carl Ludwig von Knebel

Schönen Dank für deine liebe Zuschrift. Die Zeichnungen unserer lieben Prinzeß in Mecklenburg habe ich zu meiner großen Freude erhalten. Die Gegenstände sind recht wohl gefaßt und sehr zart behandelt. Mit dem zweyten Bande meiner biographischen Versuche, deren Erscheinung sich aber noch etwas verzögern wird, werde ich noch einige Carlsbader Schatten absenden und zugleich für das freundliche und gnädige Schreiben danken.

Hier interessirt uns hauptsächlich die handschriftlich bekannte Correspondenz des Herrn Baron von Grimm. Es bleibt immer ein höchst bedeutendes Werk, ein reiches Document einer einzigen Zeit. Jedermann[113] kann sich daraus etwas anders zueignen, und doch ist es nicht ungerecht zu sagen: man erfährt viel dadurch, aber man lernt nichts daraus.

Ich habe mir den Spaß gemacht, alle Worte auszuziehen, wodurch Menschen sowohl als literarische und sociale Gegenstände verkleinert, gescholten oder gar vernichtet werden, und ich denke daraus ein dictionnaire détractif zu bilden, welches dem dictionnaire des négations des Herrn Pougens zum Supplement dienen mag. Geisterhebendes findet sich wenig. Voltaire ist im Verschwinden, Rousseau im Verborgnen, Buffon macht kein eigentliches Aufsehen, d'Alembert, Helvetius und andere erscheinen auch nur von ihrer klugen Seite. Die alten Literatoren sterben achtzigjährig und von dem Neuen soll nichts gelten. Die nordischen Heroen Catharina, Friedrich, Gustav, der Erbprinz von Braunschweig und andere erscheinen als erbärmliche Tributairs des französischen Sprach- und Schwätzübergewichts. Zwey einzige Figuren halten sich aufrecht in dem socialen, politischen, religiosen Conflict, wo immer einer den andern zu vernichten sucht, und die beyden sind Diderot und Galliani.

Verzeih daß ich dir vorgreife. Du wirst es bald selbst in die Hände nehmen und da du viele persönlich gekannt hast, manche angenehme Erinnerung haben.

Daß Leisler in Frankfurt die Metamorphose der Vögel näher in's Licht setzt, freut mich sehr. Das Mausen ist als eine Art von Häutung zu betrachten[114] (siehe Kieser über die Exantheme). Es sind jährliche Ausbildungs- und Umbildungsepochen.

Für die Stelle von Calderon danke ich. Sie ist zart und hübsch. Leider werden wir Deutsche eben seine zarte Seite mit unserer schwachen in Rapport setzen. Von seiner wahren Stärke ist noch wenig Begriff unter uns (vid. des Herrn Schulze christliche Saalba derey über den standhaften Prinzen). Das Leben ein Traum ist wieder fürtrefflich und glücklich aufgeführt worden. Einsiedel hat den wundervollen Magus übersetzt. Es ist das Sujet vom Doctor Faust mit einer unglaublichen Großheit behandelt.

Für dießmal nicht weiter. Sobald wir Gewißheit haben, wenn Iffland kommt, so melde ich's, damit du dich darnach einrichtest. Und somit ein herzliches Lebewohl.

Weimar den 17. October 1812.

G.


23/6398.


An Johann Georg Lenz

Ew. Wohlgeb.

danke zum schönsten für die schönen Sendungen in verbis et lapidibus. Ich werde mich daran so sehr ergetzen als unterrichten.

Leben Sie recht wohl und fahren fort in Ihrer leiblichen Thätigkeit und Ordnung.

Weimar den 17. October 1812.

Goethe.[115]


23/6398a.


An Carl Friedrich Anton von Conta

Würden Ew. Wohlgeb. mir die Geh. Canzl. Acten die Anstellung des Acad. Zeichenmeisters Oehme betr. communicieren; so sähe ich mich in den Stand gesetzt ein auslangenderes Gutachten über die mir vorgelegte Sache zu bearbeiten

[Weimar] d. 20 Octb. 1812.

Goethe.[167]


23/6399.


An Carl Ludwig von Knebel

Du erhältst hierbey, mein Werthester, den zweyten Band meiner biographischen Scherze, welchem ich eine gute Aufnahme erbitte. Sonntag den 1. November hoffe ich bey euch zu seyn und einige Zeit zu verweilen. Iffland kommt wahrscheinlich erst in der zweyten Hälfte Novembers und wir könnten alsdenn zusammen herüberfahren.

Ein herzliches Lebewohl.

Weimar den 23. October 1812.

G.


23/6400.


An Carl Wilhelm von Fritsch

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb. nehme mir die Freyheit, mit einem kleinen Gesuch anzugehen. Es hat nämlich Carl Eisfeld, welcher sechs Jahre bey mir bedient und dem ich ein gutes Zeugniß nicht versagen kann, wegen nothwendig gefundener häuslicher Veränderungen, seine Entlassung erhalten. Nun wünscht er, bis zu irgend einem Unterkommen hier in Weimar verweilen zu dürfen und erbittet sich hiezu die Vergünstigung von Herzoglicher Polizey.

In einigen wird er sich selbst präsentiren und seine unterthänige Bitte anbringen, welche ich hierdurch geziemend vorzubereiten die Absicht habe.

Mich gehorsamst empfehlend.

Weimar den 23. October 1812.[116]


23/6401.


An Franz Ludwig von Hendrich

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb.

erhalten hierbey das Lohnbüchelchen, woraus ersichtlich, daß Eisfeld bis Ende September neun Monate zu fordern hat, wofür 36 rh. hier beyliegen. Den Betrag der drey laufenden Monate soll er zu Ende des Jahrs erhalten. Zugleich folgen neun rh. für den Jenaischen Aufenthalt, also zusammen 45 rh. Nicht weniger habe ich ein Attestat beygelegt. Ew. Hochwohlgeb. übernehmen gefällig die Bemühung, die Sache noch schlüßlich zu arrangiren. Was Carl noch von der Reise her an mich zu fordern hat, mag er nochmals aufsetzen; sein zuletzt eingereichtes Blatt ist mir abhanden gekommen. Der Polizey habe ich ihn empfohlen. Ich wünsche, daß er nunmehr bald herüber komme und seine Sachen in Empfang zu nehmen und noch über einiges Auskunft zu geben. Er kann sich alsdenn bey der Polizey selbst melden und sein Gesuch anbringen.

Verzeihen Ew. Hochwohlgeb. diese neue Bemühung.


[Beilage.]

Attestat für Carl Eisfeld.

Daß Carl Eisfeld, von Langensalz gebürtig, sechs Jahre bey mir in Diensten gestanden und sich durch gutes Betragen empfohlen und in jeder Hinsicht zu[117] der Stelle eines Cammerdieners oder einer ähnlichen qualificirt hat, auch mir auf Reisen und bey Krankheiten nützliche Dienste geleistet, solches habe demselben bey seiner Entlassung zu seiner weiteren Empfehlung hiermit attestiren wollen.

Weimar den 23. October 1812.


23/6402.


An Carl Wilhelm Adolf Freiherr von Ende

[Concept.]

Hochwohlgeborner,

Insonders hochgeehrtester Herr.

Aus Ew. Hochwohlgeb. zweytem gütigen Schreiben habe mit Vergnügen ersehen, daß sie mir mein bisheriges Stillschweigen auf das erste geneigt verziehen haben. Ich eile um die Ankunft des Herrn Wöhners zu melden, der sich in einigen Gastrollen, ich hoffe zu seiner und unserer Zufriedenheit, produciren wird. Zugleich nehme ich mir die Freyheit, einen jungen Mann, Namens Strobe, zu empfehlen, welcher zweyte Tenorpartieen singt, und in Hülfsrollen im Schauspiel wohl zu brauchen ist. Er geht, nachdem er Jahre bey uns gestanden, zu Ostern ab, mehr einer neuen Einrichtung wegen, als daß er nicht auch ferner hätte nützlich seyn können. Da Ihn Herr Wöhner hier kennen lernt, so kann er Herr Ew. Hochwohlgeb. ein ganz unverdächtiges Zeugnis über ihn ablegen.

[118] Ich empfehle mich zu geneigtem Andenken mit der Versicherung daß ich mich jederzeit zu angenehmen Diensten gerne werde bereit finden lassen und habe die Ehre, mich mit ganz besondrer Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 26. October 1812.


23/6403.


An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

[Concept.]

Fürwahr! du hast mich, mein würdiger verehrter Freund, durch deine Sendung überrascht und durch die herrlichen Platten in Erstaunen gesetzt. Ich erinnerte mich wohl manchmal unserer kühnen Wagnisse zu Entdeckung eines geologischen Punctes, der noch heut zu Tage so gut wie damals höchst bedeutend und wie die wenigen ihm ähnlichen Fälle, immer noch ein Räthsel bleibt. Ich betrachtete die in meiner Sammlung sich vorfindenden Stücke dieser Gebirgsgrenze, die ich deiner Fürsorge verdanke, und ward hie und da auf meinen Reisen wohl manchmal auf etwas annäherndes, niemals aber ganz gleiches hingewiesen. Der schönen Platten hingegen erinnerte ich mich nicht mehr; wüßte auch wirklich nicht zu sagen, ob ich sie jemals gesehen habe. Die mir zugedachte soll als ein herrliches Monument unserer Liebe und Freundschaft niedergelegt bleiben; unserer[119] wechselseitigen Neigung, die eben so beständig und dauerhaft ist, als die Neigung zur Natur, als die stille Leidenschaft, ihre Räthsel anzuschauen und der Wunsch, durch unsern eignen selbst räthselhaften Geist ihren Mysterien etwas abzugewinnen.

Jene sogenannten Grund- und Übergangsgebirge kommen jetzt wieder auf's neue zur Sprache. Es ist gut, wenn man so schwere Massen im Kopfe hin und wieder legt, aber mich dünkt doch unsere liebe Geognosten-Jugend vermißt sich jetzt etwas zu viel, indem ich diese alten Weltpfeiler zu schütteln denkt. Wir wollen aufmerkend abwarten. In Carlsbad und Töplitz habe ich diesen Sommer wenigstens zu meiner eignen Beruhigung und Zufriedenheit ältere Beobachtungen fortgesetzt. Warum können wir nicht wieder einmal zusammen die Höhen und Tiefen erklimmen!

Möchte mir doch dein gutes Gedächtniß zu Hülfe kommen, indem ich mit meinen biographischen Versuchen vorwärts schreite. Es ist mir zwar viel geblieben, aber doch beschämst du mich an lebhafter Erinnerung bedeutender Worte und Ereignisse. Du hast mich früher schon auf einiges aufmerksam gemacht und würdest mein Unternehmen gar sehr fördern, wenn du mir die Bilder jener glücklichen Epoche unseres Zusammenlebens nur mit flüchtiger Feder, wie es dir wohl ansteht, wieder aufrichten wolltest. Die früheren Zeiten der Kindheit und ersten Jugend[120] bleiben lebhaft bestimmt in der Einbildungskraft geprägt, wenn die spätern Ereignisse, die sich leidenschaftlicher über einander drängen, sich wechselseitig aufheben und nur erst mit einiger Anstrengung und von ihrer Seite, wie der Geist des Hohenpriesters widerstrebend hervorrufen lassen.

Nimm das zweyte Bändchen meiner dichterischen Wahrheit, welches ich nächstens der fahrenden Post übergebe, freundlich auf und laß mich bey dieser Gelegenheit dir und den deinigen auf's neue empfohlen seyn. Unserer theuerer Fürst wird dir selbst schreiben und seinen Dank und seine Freude über das Gesendete, die nicht geringer sind als die meinigen, gewiß recht freundlich und lebhaft ausdrucken.

Mit dem aufrichtigsten Wunsch, daß du diesen Winter in unterbrochener Thätigkeit zubringen mögest, nenne ich mich wie immer und für ewig.

Weimar, den 27. October 1812.


23/6404.


An Charlotte von Stein

Ehe ich nach Jena gehe, nehme ich hiermit freundlichen Abschied und lege einige französische Denksprüche bey; doch will ich nicht dafür stehen, daß sie alle der Frau von Stael angehören.

den 31. October 1812.

G.

Auch sende ich den ersten Theil von Schillers Gedichten, ob er wohl Ihnen gehört?[121]


23/6405.


An Carl Friedrich von Reinhard

Hier, mein verehrter Freund, nun auch der zweyte Theil, von wenigen Worten aber herzlichen Wünschen begleitet. Möge er sie glücklich und froh in Ihrem Cirkel treffen, möchten Sie dabey sich gern eines Freunds erinnern, der mit treuer Anhänglichkeit Ihnen für immer verbunden bleibt.

Weimar den 31. October 1812.

G.


Herr Pichon habe ich schon freundlich empfangen, konnte wohl mit seiner Unterhaltung zufrieden seyn, danke schönstens für diese Bekanntschaft, und bitte gelegentlich um ähnliche An- und Zuweisungen.

Wo hält sich Sulpiz Boisserée wohl auf? Wird er seinen Vorsatz wohl ausführen und uns dieß Jahr besuchen?


23/6406.


An Carl Friedrich Zelter

Hier kommt auch der zweyte Theil meines wieder aufgefrischten oder aufgewärmten Lebens, wie man es nennen will. Möge er Sie im Ganzen an mich erinnern und im Einzelnen aufregend seyn. Verzeihen Sie, wenn ich dießmal nichts weiter sage, denn wenn ich länger zaudre, so kommt das Büchlein nicht von der Stelle, wie es denn schon seit acht Tagen auf Absendung harrt und hofft. Wie vieles[122] in diesem Werklein ist unmittelbar an Sie gerichtet! Wäre ich meiner abwesenden Freunde nicht eingedenk, wo nähm ich den Humor her, solche Dinge zu schreiben?

Ein tausendfaches Lebewohl!

Jena den 3. November 1812.

Goethe.


23/6407.


An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

[Concept.]

Die übersandte köstliche Tischplatte wird jeden Tag schöner und herrlicher. Ich habe die kleinern halb angeschliffenen und rohen Exemplare aus jener guten Zeit zusammengetragen und daneben gelegt. Die Naturerscheinung ist an sich höchst merkwürdig und fordert zum Denken und Forschen auf; aber in dem zuletzt gesendeten Exemplare steht sie auf dem eminentesten Puncte und die wichtigen electrisch-chemischen Naturwirkungen bey dem Contact zweyer Verwandten und doch heterogenen, im Werden begriffenen Massen legen sich klar vor Augen, wozu die Fläche und Politur, die zugleich ein Prunkwerk darstellt, so erfreulich als förderlich ist.

Mögest du in dem beykommenden Bändchen deinen Freund wieder erkennen und ihm nach wie vor deine unschätzbare Gewogenheit bewahren.

Die herzlichsten Empfehlungen den lieben verehrten Deinigen.

[Jena] Den 3. November 1812.[123]


23/6408.


An Elisabeth von der Recke

[Concept.]

Sie erhalten hiebey, verehrteste Freundinn, das Ihnen eigentlich bestimmte Exemplar des zweyten Bandes. Vorläufig wird ein geringeres schon angekommen seyn, und ich wünsche nichts mehr, als daß die Arbeit sich im Druck so wie bey der Vorlesung, Ihrer Gunst möge zu erfreuen haben. Ich werde mich dadurch höchlich aufgemuntert fühlen, auf meinem Wege weiter fortzuschreiten.

Darf ich bitten, mich Ihrer durchlauchtigen Frau Schwester unterthänig zu empfehlen? Möge sich der Winter in Löbichau recht freundlich erweisen! Die schöne kleine Medaille hat Herr v. St. Aignan neulich bey mir gesehen, und wenn ich nicht irre, mich darum beneidet. Ich wünschte ihm wohl eine gleiche tessera im Namen der so hochverehrten Freundinn überreichen zu können und hoffte dadurch gar viel bey ihm zu gewinnen.

Herrn Canonicus Tiedge wünsche ich auf das beste gegrüßt.

Jena den 4. Nov. 1812.


23/6409.


An Christiane von Goethe

Ich schreibe dir, mein liebes Kind, in einem eignen Falle. Seitdem mir der leichte rothe Wein[124] nicht mehr schmeckt bekommt er mir nicht. Siehe doch zu ob die letzten Flaschen noch vom vorigen sind oder vom neuen. Wenn du noch nicht an Roman geschrieben hast so bestelle nur von dem deinigen; oder contremandire den Auftrag. Ich trincke die Johnischen Nösel, er von meinem Wein. Sende also nur Languedoc bis man sieht wo es hinaus will. Nicht mehr. Lebe wohl.

G.

[Jena] d. 4. Nov. 1812.


23/6410.


An Christiane von Goethe

Da man euch liebenswürdige, Ungethüme doch einmal nicht los wird, man mag sich stellen wie man will, so soll es mir recht angenehm seyn zu hören, daß ihr in der Sonne glücklich angekommen seyd. Laßt mir es melden, und wenn es schön Wetter ist, so kann der Morgen noch zu Spaziergängen und Besuchen, ist es häßlich, zu Revision meiner kleinen Haushaltung angewendet werden. Ich bin sehr zufrieden mit Heinrichen und der Köchinn, ja der Ernst, womit wir die Sache treiben, ist eine Lust und Spaß. Um nicht aus dem Gleise zu kommen, habe ich einen Karpen von Winzerle für mein Geld kommen lassen und die Pohlnische Sauce gleich aus der Tasche bezahlt. Das dient zur Unterhaltung, will aber zugleich soviel sagen, daß ihr[125] hoffentlich soviel mitbringen werdet, um die genaue Wirthschaft für das herrliche Gastmahl zu entschädigen, welches euch bereitet ist, und das ich so eben mit der Köchinn verabredet habe.

Ein Brief, den du inzwischen erhalten hast, hat dir gesagt, daß ich mich wenigstens für den Augenblick an den Languedoc halten muß. Bringe also von diesem ein halb Dutzend Flaschen mit, von dem Elsasser dagegen können wir einige mit zurück nehmen.

Es ist mir sehr angenehm, daß wir gerade am Ende von diesen acht Tagen alles besprechen können. Wenn es sich fortsetzen läßt wie es angekommen ist, so kann es von den schönsten Folgen seyn. Nur bedaure ich euch freylich, daß ihr in Absicht auf die Küche nun leidet; doch kann es euch in diesem Puncte niemals so schlimm ergehn als es mir ergangen ist.

Ein herzliches Lebewohl auf baldiges Wiedersehn.

Jena den 6. Nov. 1812.

G.


Nachschrift.

Gestern Abend habe ich auch Minchen wieder gesehn. Ich überließ es dem Zufall wie ich mit ihr zusammen kommen sollte. Der hat sich auch recht. Sie ist nun eben um ein paar Jahre älter. An Gestalt und Betragen u.s.w. aber immer noch so hübsch und so artig, daß ich mir gar nicht übel nehme, sie einmal mehr als billig geliebt zu haben.

[126] Überhaupt kommt mir dießmal in Jena alles völlig wie vor mehreren Jahren vor. Knebel ist ganz allerliebst, und eine gewisse vernünftige Thätigkeit und Denkweise scheint wieder aufzutauchen, da wir bisher unter Bestialitäten mancherley Art gelitten haben. Wenn des guten Voigts Coffre nicht wäre, so wüßte ich nichts zu wünschen, denn was meine Arbeiten betrifft, so ist für die kurze Zeit genug geschehn.


23/6411.


An Christian Gottlob Voigt

Die Bibliotheks-Subalternen haben mich schriftlich und mündlich um die Wiederholung der Gabe, die ihnen vor dem Jahr zu Theil geworden, aber- und abermals gebeten. Es mag den guten Leuten freilich knapp gehen. Wollen E. E. die Bitte gewähren und ihnen abermals die Vertheilung, wie vor einem Jahr zugestehen, jedoch ohne weiteres Versprechen für die Zukunft, so werde ich gern beystimmen. Der Diener bedarf wohl auch bey seiner Quartier- Veränderung einiger Beyhülfe. S. m.

Jena 9. November 1812.

G.


23/6412.


An Johann Heinrich Meyer

Auch Sie, mein theuerster Freund, muß ich mit einigen Zeiten heimsuchen, und zwar von allen Dingen[127] erwähnen, daß die Abschrift der Kunstgeschichte schon bis zur Polycletischen Schule gefördert ist, und wir also bey unserer Rückkehr schon eine ganz hübsche Masse Manuscript mitbringen werden. Ihre schöne Arbeit habe ich bey dieser Gelegenheit wieder näher betrachtet und studirt, auch die in Carlsbad freundlich geförderten synchronistischen Tabellen zu großer Förderung gebraucht. Die Böttigerschen Andeutung habe ich zum ersten Male durchgelesen. Dieser Ehrenmann hat seine große Gabe, alles zu verfratzen, hier auch redlich an den Kunstwerken Griechenlands bewiesen.

Bey diesem Studium ist mir ein Gedanke gekommen, ob wir nicht ein Werk, wo nicht von Polyclet selbst, doch in seinem Sinne besitzen sollten, und zwar in der Gruppe, die jetzt in meiner Vorhalle steht, dem sonst sogenannten Castor und Polux. Hier wären die beyden meister- und musterhaften einzelnen Gegenbilder, der Diadumenos molliter juvenis und der Doryphorus, den Plinius viriliter puerum nennt, neben einander gestellt, und auf die glücklichste weise contrastirt und vereinigt. Diese beyden Epheben waren mir immer höchst angenehm und ich mag mir nun gern über sie dieses kritische Märchen machen.

Auf das Pompejus des Herrn von Einsiedel müssen wir Verzicht thun. Der Besitzer versichert, zwanzig Carolin dafür gegeben zu haben, glaubt ein ganz unschätzbares Werk darin zu besitzen, und hofft nach[128] künftigem Frieden auf einen Engländer, der ihm Capital und reichliche Interessen zahlen soll. Mehr nicht für dießmal als die herzlichsten Grüße. Mir geht alles hier nach Wunsch und ich denke, noch etwa 12 Tage hier zu bleiben.

Jena den 10. Nov. 1812.

G.


23/6413.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Hier, mein lieber Professor, sende ich das eilfte Buch und rühre mich dießmal in Zeiten, damit ich nicht wieder, wie bey'm vorigen Bande, Ihres Raths und Ihrer freundlichen Theilnahme ermangeln möge. Lassen Sie das Ganze an Sich vorüber gehen und wenden Sie sodann Ihren Blick auf's Einzelne, lassen Sie es an Asterisken und Obelisken nicht fehlen.

Das zwölfte Buch wird auch bald so weit seyn. Habe ich diese beyden hinter mir ehe es Frühjahr wird, so bin ich gegen den übrigen geborgen.

Meine übrigen Geschäfte und Studien gehen hier recht gut von Statten, ich wünsche, daß Ihnen das Gleiche widerfahre. Geduld und Ausharren ist überall nöthig. Der Herr Generalsuperintendent hat Ihrer gegen meiner Frau mit großem Lobe gedacht. ich wünsche, daß diese Anerkennung Ihnen noch fruchtbar werden möge.

Leben Sie recht wohl! Wenn Sie in diesen Tagen Gelegenheit finden herüberzukommen, soll es mich sehr[129] erfreuen und ein schönes Kind wird Ihnen ein paar freundliche Augen machen.

Jena den 10. Nov. 1812.

Goethe.


23/6414.


An Christiane von Goethe

Nach der Abfahrt der lieben und lustigen Frauen hat sich der gute und lobenswürdige Fleiß wieder eingefunden, es ist aber demohngeachtet eine gewisse Lücke entstanden. Ich glaube, es würde am besten seyn, wenn ihr wieder gelegentlich in den Klipsteinischen Garten zögt und wenn ihr euch auch daselbst wie der selige Geheimderath Sternberg vorkommen solltet, so würde euch doch immer eine Kalbsbrust an die guten alten Zeiten erinnern können.

Da ihr indessen bis dahin, daß diese goldne Zeit eintritt, durch meine Entfernung ziemlich leidet, und sehr gut empfindet, daß die Stelle der Köchinn in euerem Hause unbesetzt ist, so will ich nur zu einigem Ersatz versichern, daß hier alles vortrefflich geht. Heute früh gab es große Handel über ein Feldhuhn welches Heinrich ohne anzufragen vom Rentbeamten für 5 gr. angenommen hatte. Diesen Proceß schlichtete ich Salomonisch dadurch, daß ich bezahlte und mir dieses Huhn außerordentlich zum Frühstück vorbehielt. Ferner hat die Köchinn mit den morgendlichen Weinschaum für heute abdisputirt, und mir[130] dafür ein ganz vortreffliches Zwischenessen, welches sie künftig auf gleiche Bedingungen wiederholen soll, bereitet. Genug es ist an dem ganzen Zustand nichts auszusetzen.

Mit größtem Schrecken werdet ihr jedoch bemerkt haben, daß Karten und Spielmarquen zurückgeblieben sind. Sie folgen hiebey um so lieber, als sie mir kein Glück gebracht, ja mich vielmehr um einen Karpfen mit pohlnischer Sauce gebracht haben.

Nun lebet recht wohl und sendet durch die Botenfrauen wenigstens einiges, daß wir wieder einigermaßen wenigstens zu unserem Schaden kommen.

Jena den 10. November 1812.

G.


23/6415.


An Johann Friedrich Cotta

Nach zwanzig Wochen Abwesenheit wieder in meinen Kreis zurückgekehrt, fand ich gat manches nachzuholen und wieder anzuknüpfen, daß mir nun wieder acht Wochen vergangen sind, ohne daß ich mich hätte zu auswärtigen Freunden wenden können. Bey einem ruhigen Aufenthalt in Jena erfülle ich nun diese erste Pflicht, indem ich Ew. Wohlgeb. mit freundschaftlicher Dankbarkeit auch wieder von mir einige Nachricht gebe. Mein Befinden ist gut und ich erfreute mich bisher einer ununterbrochenen Thätigkeit. Von Ihnen hoffe ich das Gleiche zu vernehmen. Geschieht[131] es mit Ihrem Wohlgefallen, so fangen wir nach dem neuen Jahr den Druck des dritten Bandes von Dichtung und Wahrheit an. Ich möchte, ehe ich wieder ausreise, einige Bücher hinter mir haben; um so mehr als ich fürchte, der nächste Sommer dürfe mir eher zur Zerstreuung als zur Sammlung Gelegenheit geben. Vorstehenden Aufsatz bitte gefälliger Prüfung zu unterwerfen.

Herr Frege wird angezeigt haben, da ich abermals 400 rh. auf ihn assigniret, deren Empfang ich auch hier dankbar anerkenne.

Möchte ich Ihrem freundschaftlichen Andenken immer empfohlen seyn.

Jena den 12. November 1812.

Goethe.


[Beilage.]

Über die neue Ausgabe

von Goethes Werken.

Sie wird, was die Ordnung der verschiedenen Arbeiten betrifft, nach Maßgabe der ersten Cottaischen eingerichtet.


Erster Band.

Kleinere Gedichte.

Dieser wird ansehnlich vermehrt, indem was bisher einzeln abgedruckt oder ungedruckt vorhanden ist, einschaltet wird. Das Verzeichniß wird umgeschrieben und jene neue Gedichte dem corrigirt einzusendenden ersten Bande beygelegt.


[132] Zweyter Band.

Wilhelm Meister,

die vier ersten Bücher.

Interpunction und kleine Flecken des Styls werden berichtigt sowie die Druckfehler bemerkt.


Dritter Band.

Wilhelm Meister,


die vier letzten Bücher.


Vierter Band.

Die Laune des Verliebten.

Die Mitschuldigen.

Die Geschwister.

Mahomet.

Tancred.

Elpenor. Fragment.


Fünfter Band.

Götz von Berlichingen.

Egmont.

Stella.

Clavigo.


Sechster Band.

Iphigenia auf Tauris.

Torquato Tasso.

Die natürliche Tochter.

Pandora.


[133] Siebenter Band.

Claudine von Villa Bella.

Erwin und Elmire.

Jery und Bätely.

Lila.

Die Fischerinn.

Scherz, List und Rache.

Der Zauberflöte zweyter Theil.


Achter Band.

Faust.

Puppenspiel. Jahrmarkt von Plundersweilern.

Das Neueste von Plundersweilern.

Fastnachtsspiel.

Satyros, oder der vergötterte Waldteufel.

Bahrdt.

Parabeln.

Legende.

Lili's Park.

Hans Sachs.

Künstlers Erdenwallen.

Epilog zu Schillers Glocke.

Die Geheimnisse.


Neunter Band.

Der Groß-Cophta.

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Die Vögel.

Der Bürgergeneral.

Gelegenheitsgedichte. Vermehrt.


[134] Zehnter Band.

Reineke Fuchs.

Hermann und Dorothea.

Achilleis.


Eilfter Band.

Werther.

Briefe aus der Schweiz. Zwey Abtheilungen.


Zwölfter Band.

Römisches Carneval.

Reisejournal. Fragmente.

Cagliostro's Stammbaum.

Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten.


Dreyzehnter Band.

Die Wahlverwandtschaften.


Vierzehnter

Fünfzehnter

Sechszehnter

Siebenzehnter Band.

Dichtung und Wahrheit.


Hier entsteht nun die Frage, ob man nach Anleitung der Nachdrucker noch in diese Sammlung aufnehmen wolle?

Cellini.

Rameaus Neffe pp.

Ferner ob man einen Band bilden wolle von Theoretischen und kritischen Aufsätzen die an mehreren Orten zerstreut liegen.

[135] Ferner ob man die völlige Umarbeitung des

Götz und Romeo und Julie

für das Theater. Ob man

mehrere angefangene und unvollendete Stücke

von denen die Biographie Rechenschaft geben wird, gleichfalls annehmen wolle?

Es möchten diese zusammen auch noch vier Bände geben, so daß im Ganzen diese Ausgabe aus ein und zwanzig Bänden bestünde. Alles dieses vorschlagsweise zu weiterer einsichtiger Prüfung hingelegt.


Oben ist von vier Bänden des biographischen Werks gesprochen. Hierzu folgende Erläuterung. Mit dieser Zahl gedenke ich die Geschichte meiner Bildung, meines Privat- und ersten Autorlebens zu vollenden, bis zu welcher Epoche ich mir noch ganz selbst angehöre. Wie die folgenden zu behandeln seyn mögen, weiß ich wohl auch; aber die Arbeit bey meinem Leben erscheinen zu lassen, dazu gehört ein Entschluß, den ich noch nicht gefasst habe.

Der dritte Band kann zu Michael 1813, der vierte Michael 1814 abgedruckt seyn und alle viere sodann als eine Lieferung der Werke, später abermals abgedruckt erscheinen.[136]


23/6416.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeb.

haben die Gefälligkeit, mich zu unterrichten, ob man jenen berühmten Stern

Aldébaran oder Aldebâran

ausspricht?

Die mitgetheilte interessante Recension eines merkwürdigen Buchs habe mit viel Antheil gelesen und hoffe mit Ew. Wohlgeb. bald darüber zu besprechen.

G.

Jena den 12. November 1812.


23/6417.


An Christiane von Goethe

Wenn du dich, mein liebes Kind, in der Küche plagst, und ihr demohngeachtet mit dem Mittags Essen manchmal nicht ganz zufrieden seyd, so denkt, daß es mir inzwischen ganz wohl geht und daß ich mich auch wieder einmal plage, wenn ihr euch gut befindet. Die Haushaltung geht immer ordentlich und zugleich spaßhaft fort. Was ich außerordentlich genießen will, bezahle ich baar und so ist alles im Gleichen. Nur will der Wein immer nicht auslangen: denn wir selbst und einige Freunde und Tische consumiren immer etwas mehr als ausgesetzt ist. Sende deswegen immer noch etwas Languedoc und Würzburger; der Elsasser wird wohl reichen. Seit ihr weg[137] seyd habe ich außer Knebeln und den bekannten Haus- und Studienfreunden niemand gesehen.

Meine Geschäfte gehen gut. Wenn ich auch irgend etwas zu erinnern finde, so geht es doch nichts Fatales und ich denke in acht Tagen alles so zu stellen, daß ich vor Februar nicht wieder herüber zu gehen brauche. Meine eignen Arbeiten machen sich auch recht hübsch; und ich brauche noch meiner Berechnung hier nicht viel mehr dafür zu thun. Wenn ihr also Sonnabend den 21. anlangen wollt, so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Meldet mir das Nähere und bringet gute Gaben mit, damit wir einmal wieder etwas Neues erleben. Grüßet alle Freunde und besorget die Inlagen auf's allerbeste: denn es sind lauter bedeutende Dinge.

Und somit Lebewohl! Weiter wüßte ich nichts zu sagen, als daß ich mich an der Hoffnung eines frohen Wiedersehens ergetze.

Jena den 13. November 1812.

G.


23/6418.


An den Erbprinzen Carl Friedrich

[Concept.]

Vorläufiger unterthänigster Bericht

wegen des Berkaer Schwefelwassers.


Ew. Durchl.

können, wie mir scheint, in dieser Angelegenheit ganz ruhig seyn: wenn die Zusage, sich derselben anzunehmen,[138] kann vorläufig nur soviel ausdrücken, daß Sie solche genau prüfen und überlegen wollen. Die Sache ist in mehr als einem Betracht wichtig und bedenklich.

Ew. Durchlaucht gaben mir, als ich mich beurlaubte, gnädigsten Auftrag, vorläufig darüber zu denken und meine Gedanken zu eröffnen, welches hier am Orte um so leichter fällt, als ich die beyden Artis peritos, Döbereiner und Kieser, zur Seite habe. Jener versichert zwar den vorzüglichen Gehalt dieser Gewässer, allein er ist weit entfernt, zu der Anlage einer Badeanstalt übereilt zu rathen; dieser, mit mehr Neigung für die Sache, da er einer ähnlichen Anstalt in Nordheim vorgestanden, verleugnet doch nicht die ansehnlichen Kosten einer ersten Einrichtung, welche immer auf 5000 rh. anzuschlagen sind, und wofür blos das Allernöthigste des Badehauses und Inventariums herzustellen wäre. Eben so wenig verkennt er die Unsicherheit der bis jetzt bekannten Berkaischen Wasser und die Ungewißheit, ob sie hinreichend und nachhaltig seyn werden: denn um täglich in zehen Badewannen hundert und funfzig Bäder besorgen zu können, braucht man 4500 Eimer.

Ein beyliegendes Schema zeigt, was alles Günstiges und Ungünstiges hier in Betracht kommt. Ich hoffe nach diesem Entwurf Ew. Durchl. bald einen ausführlichen Aufsatz einreichen zu können, da denn erst der Entschluß gefaßt werden kann, ob man sich[139] von der Ausführung dieses Werks ganz lossagen, oder eine kleine Summe zur Prüfung und präparatorischen Arbeiten aussetzen wolle. Vielleicht wäre letzteres das Räthlichste: denn in einer zweifelhaften Sache ist nichts wünschenswerther, als der höchste Grad von Aufklärung und Deutlichkeit, damit wir unser Ja oder Nein vollkommen zu motiviren im Stande seyen.

Fremde Chemiker wollen wir ja nicht herbeyrufen. Es könnte uns nur zur Desavantage gereichen. Man schiene in Döbereiner Mißtrauen zu setzen, es würde Kosten machen und ich fürchte, wenn die Herren unhöflich genug wären, es besser wissen zu wollen, wie Döbereiner, so würden sie einer noch höheren Gehalt des Wassers angeben als er: denn er hat unter ungünstigen Umständen experimentirt. Das aber alles würde, wie obgesagt, zu keinem Resultate führen: denn die Frage bleibt: ist dieses Wasser, so vortrefflich es seyn mag, als Masse hinreichend und auf die Dauer gewiß?

Verzeihen Ew. Durchl. diese etwas tumultuarische Äußerung; ich wollte aber keinen Botentag versäumen, um Ihr gnädigstes Vertrauen, so gut ich es nur kann, zu erwidern.

Jena d. 13. Nov. 1812.[140]


23/6419.


An August von Goethe

Über Nachstehendes wünsche ich, mein lieber Sohn, eine hübsche auslangende Aufklärung. Ich schicke dir dieses Blatt sogleich in Actenform damit hübsch beysammen bleibe, was über Equipage künftig festzusetzen ist.

Wir erhalten von Herzogl. Cammer Fourage auf zwey Pferde

Haber wöchentlich 1 1/2 Schessel Weimar.

Heu, 1 Center

Stroh, 4 Bund zu Streu

und Häckel aber ohne Gewichtsbestimmung.

Diese Ration hält man, besonders wegen des Zinshabers nichts für zulänglich, man büßt also noch zu

1) Durch Einkauf.

Hier entsteht die Frage, was wäre des Jahrs noch beyzuschaffen, wenn vorher bedacht ist, was man

2) durch Gutmachen gewinnt?

a) Der lange Aufenthalt in den Böhmischen Bädern.

b) Der wiederholte Aufenthalt in Jena, wo öfters etwas aus dem hiesigen Rentamt erhoben wird.

Über diese Verhältnisse wünsche ich, wie gesagt, recht klar zu seyn, damit man den Etat des nächsten Jahrs genau danach bestimmen könne.

Jena den 12. Nov. 1812.


[141] Zugleich wirst du notiren, was auf den Schmied zu rechnen wäre, insofern man ihm das Hufbeschläge in Accord giebt.

Ferner, was man sonst für Schmiedearbeit, Wagner, Sattler und Gürtler zu rechnen hätte. Dieß sind freylich zufällige Dinge, allein es läßt sich doch einigermaßen etwas bestimmen, besonders im gegenwärtigen Fall, da unsre Wagen und Geschirre im guten Stande sind, könnte die Reparatur für's nächste Jahr noch nicht so viel bedeuten.

Jena den 13. Nov. 1812.


23/6420.


An Franz Kirms

Wenn ich Ew. Wohlgeb. den Unmuth, den ich über unsern Verlust empfinde, in allem seinen Umfang ausdrucken wollte, so würde ich nur den Verdruß, den Sie selbst darüber empfunden, auf's neue rege machen. Dieser Unfall betrifft Sie schärfer als mich, da Sie der Casse unmittelbar und im Einzelnen vorstehen und zu mir die Resultate, die bisher meist günstig waren, zu gelangen pflegen. Ich fürchte zwey Dinge: daß wir von der verlorenen Summe nichts wieder erhalten und daß dieß nicht das letzte Wagstück verwegner Menschen seyn wird. Möge es anders und besser ergehen!

[142] Nun aber noch ein Anderes! Wie Herr Molke auf seiner Reise auf den Rhein aufgenommen worden, wissen wir. Einige Äußerungen desselben machten mich aufmerksam. Nun wäre es gar nicht unmöglich, daß er die Unzelmannsche Rolle spielte, Entlassung verlangte und von dorther Vorschreiben bewirkte, die, man weiß nicht welchen, Eindruck machen könnten. Haben Sie die Güte aufmerksam zu seyn und, wenn irgend etwas verlautete, mit Einsicht und Energie zu handeln. Es ist bekannter als man glaubt, daß wir überklugen Weimaraner immer die Narren von jedem Fremden sind, der sich uns aufdringen oder uns etwas abgewinnen will. Verzeihen Sie diesen Äußerungen; aber wenn man immer leidet, so schreyt man einmal.

Ich empfehle mich zum allerschönsten und hoffe vor Ifflands Ankunft Sie zu begrüßen und gesund, wo nicht froh zu finden.

Jena den 13. Nov. 1812.

Goethe.[143]


23/6420a.


An Gabriel Ulmann

Der Herr Hofcommissair Ulmann hatte auf vorgängige Anfrage unter dem 18. März angezeigt, daß die Unze roher Platina in Paris 5 fr. kosten würde. In der von Janety Sohn eingesendeten Rechnung ist die Unze zu 8 fr. angesetzt und auch so bezahlt worden. Da ich aber auf jenen Preis meinen Etat gerichtet und wegen des Überschusses höchsten Orts verantwortlich bin, so wünschte ich zu erfahren, ob Herr Hofcommissair mir Auskunft geben könnte über jene Preiserhöhung, die vom März bis Anfangs May gar zu auffallend ist.

Das Beste wünschend

Jena den 13. November 1812.

Goethe.[168]


23/6421.


An den Herzog Carl August

[Concept.]

Vorläufiger unterthänigster Bericht.


Da ich noch acht Tage länger als erst mein Vorsatz gewesen, hier zu bleiben veranlaßt bin, so verfehle[143] nicht, hierdurch vorläufig einiges von meinen bisherigen Ausrichtungen schuldigst zu melden.

1) Mit dem Zustande der Museen werden Ew. Durchl. gewiß zufrieden seyn. Das Vorhandene ist erhalten, manches Neue hinzugekommen, und alles nach Ihren Absichten vielfach genutzt worden. Lenz ist in Extase über die Tischplatte und das salzsauere Kupfer. Ich werde mich wohl entschließen müssen, ein paar instructive Stücke von der Gebirgs-Art aus der die Platte besteht, die ich vor dreyßig Jahren mit von Harze gebracht, von einander sägen zu lassen, um durch solche Parallel-Exemplare jenes auffallend problematische Exemplar anschaulicher und erklärbarer zu machen.

Hofrath Fuchsen habe ich endlich den lange projectirten Amanuensis zugegeben, einer hier studirenden Chirurgen Schröder. Er wird bey Erhaltung und Vermehrung des Kabinetts gute Dienste leisten. Der Prosector hat nie zweckmäßig und nur nach seiner Lust gewirkt. Diese vergeht ihm nun auch, er wird stumpf und die Augen legen ihm ab.

Voigts zartes Gemüth erholt sich nach und nach und er tröstet sich über den Verlust zu Erfurt; das Vergnügen seine Physiologie gut besetzt zu sehen richtet ihn auf, und er ist für allen gnädigsten Antheil höchlich dankbar.

Döbereiner geht in seiner Sache derb und tüchtig fort und gewinnt täglich eine größere Gewandtheit[144] in seinem Metier. Es ist ihm bey diesem wunderlichen Schachspiel der Elemente alles höchst gegenwärtig und zur Hand.

Münchow freut mich auch. Seine große Schärfe und Genauigkeit leidet freylich von den schlottrigen Jenaischen Handwerken bey dem neuen Baue gar sehr, indessen kommt er doch durch Thätigkeit und Aufmerksamkeit rasch vorwärts. Den 18. December ist eine wichtige Sternbedeckung des Aldebarãn durch den Mond. Münchow wird das Mögliche thun, um sie observiren zu können. Da muß er sich zusammen nehmen. Wenn man die Mathematik verehren und lieben will, so nähere man sich ihr, wenn sie sich mit Astronomie abgiebt. Hier ist manches, was einem sonst an ihr und ihren Priestern beschwerlich und unangenehm fällt, am rechten Platz und höchst respectabel. Eine andere günstige Bemerkungen über diese Anstalt verspare ich bis zum Hauptberichte.

Mit den Subalternen können wir auch zufrieden seyn. Nach Dürbaums Abgang ist Färber, der schon lange für ihn vicarirte, an die Stelle getreten. Und so auch dieser Kreis abgeschlossen.

Wagner wird von Voigten, Richter von Münchow gelobt, und ich hoffe, Schröder soll sich zu Fuchsens Zufriedenheit benehmen.

Hier muß ich abbrechen, um meinem Hauptbericht nicht zu viel vorzugreifen.

[145] 2) Und nun Einiges von den Berkaischen Wassern. Ich kann dem guten Prinzen nicht verdenken, daß ihm vor dieser Unternehmung schaudert. Es gehört schon etwas dazu ich eine solche Anstalt als wirklich zu denken; denn bloß dadurch kann man sie für möglich halten, wenn man nicht zu dergleichen Dingen, durch Naturell und Leidenschaft getrieben wird. Wohnten diese dem Prinzen bey und hätte er allenfalls einen jungen Mann neben sich wie Carl Brühl war, so würde die Sache rasch angegriffen und das Berkaer Thal schon nächsten Sommer Seyffersdorfisirt seyn.

Ich werde das Mögliche thun, um Klarheit und einige Gewißheit in die Sache zu bringen, damit wenigstens die dunklen Apprehensionen, welche bey der flüchtigen Ansicht derselben nothwendig peinigen müssen, beseitigt werden und man sich eines klaren Blicks darüber erfreuen könne.

3) Beyliegendes Blatt giebt zu manchen Betrachtungen Anlaß; denn nicht der Lections Catalogus, sondern ein solches Register läßt über den Zustand einer Academie, über Lehrer und Schüler klar werden.

Was ich bis den heutigen Tag habe erfahren können, ist bemerkt; doch soll die Tabelle fortgesetzt werden, damit niemanden Unrecht geschehe.

Jena den 14. Nov. 1812.[146]


Unterthänigster Nachtrag.

Ew. Durchlaucht

kommen mir durch das gnädigste Schreiben zuvor. Eben war ich im Begriff, Beyliegendes abzusenden und es mag sich immer produciren, da es wenigstens im Ganzen Ihren Gesinnungen und Absichten nicht widerspricht. Döbereiner und Kieser haben mir schon ihre Erklärungen eingehändigt. Der letztre, ein vorzüglicher junger Mann, wenn er nur mit einer deutlichern Sprache von der Natur begünstigt wäre, schreibt gut und zeichnet recht artig. Zum Badearzt möchte er sich vorzüglich qualificiren. Sein Büchelchen über die Badeanstalt in Nordheim ist eine ausführliche Vorarbeit für unsern Fall. Jene Schwefel Wasser zeigen sich auch in Teichen, am Fuß des Sandsteingebirgs in der Nähe von Gyps und Thon, und sind, bey denselben Bestandtheilen, nur schwächer. Man kann sich also in manchen Puncten darauf beziehen. Kieser hat mir einen flüchtigen Entwurf von den Erfordernissen einer solchen Anstalt zu den Acten gegeben, nicht weniger einige vorläufige Berechnungen. Ich werde alles ajüstiren und zusammenstellen. Auch hat derselbe einen hübschen kleinen Riß nach meiner Angabe verfertigt, wie das Badehaus nach jenem Local angelegt werden könnte. So wird auch nach seiner Zeichnung und unter seiner Anleitung ein Modell verfertigt von einem Schlammbade, um anschaulich zu machen, wie ein Zustand,[147] der eigentlich ein Capitel in Dante's Hölle abgeben sollte, erträglich und für kranke Personen wünschenswerth gemacht wird. Die Wirkung dieser Bäder soll über alle Begriffe gehn. Bisher habe ich alles ab ovo aus mir selbst, aus den Gegenständen und Personen genommen, nun werde ich mir aber auch die schon geführten Acten erbitten.

Für das gnädig mitgetheilte Elogium danke aufrichtigst. Es sind keine Flatterminen, die ich spielen lasse, sondern ein globe de compression mit dem ich ernste Wirkungen beziele. Es ist mir sehr angenehm zu hören, daß sie nicht verfehlt werden. Den Brief erbitte ich mir zu den Autographis. Es ist die recht schöne Hand eines geprüften Geschäftsmannes. Von Körner in Dresden habe ich auch ein recht freundliches Wort über die Fortsetzung meines biographischen Unternehmens. Ich wünsche bey'm Fortschreiten die Erlaubniß zu haben, mir Ew. Durchl. einsichtigen Rath zu erbitten.


23/6422.


An Carl Friedrich von Reinhard

Um 4. November ist mein zweyter Band von Jena an Sie abgegangen; am 7. führten Sie Sich freundlich gedrungen, mir wieder einmal mit heiterer Zutraulichkeit zu schreiben. Darauf will ich sogleich dankbarlich erwidern, und zwar wie es mir nicht oft geschieht,[148] Ihren Brief vor den Augen und punctweise wie Sie gesprochen haben.

Was ich Ihnen jedesmal schreibe ist eigentlich nur zwischen uns beyden. Mögen Sie etwas davon irgend jemandem mittheilen, so werde ich so wenig dazu scheel sehen, als wenn Sie ein zwischen uns zweyen angefangenes Gespräch in Gegenwart eines dritten fortsetzen. Das Recht, das Sie ihm geben, gestehe ich ihm gern zu.

Von der Kaiserinn von Östreich habe ich mir abgewöhnt zu reden. Es ist immer nur ein abstracter Begriff, den man von solchen Vollkommenheiten ausdrückt, und da mich im Innersten eigentlich nur das Individuelle in seiner schärfsten Bestimmung interessirt, wovon mein zweyter Band wohl auch wieder ein Beleg seyn wird; so fühle ich mich im Stillen glücklich, eine solche ungemeine Personalität im Busen immerfort wieder aufzubauen und mir selbst wieder darzustellen, da ich das Glück gehabt habe, ihre besonderen Züge mir zu vergegenwärtigen und sie festzuhalten.

Mein allerliebstes Abenteuer mit Fräulein Sophie giebt zu sehr ernsthaften Betrachtungen Anlaß. Die wahren Tugenden und die wahren Mängel eines Menschen kommen nie zur Evidenz, und was man von ihm hin und wieder trägt, sind alberne Mährchen. Bey sehr vielen Gebrechen, die ich wohl eingestehe, war Undankbarkeit gegen schöne Augen und[149] Gefräßigkeit nie mein Fehler. Es sind mir oft Geschichten erzählt worden, was ich sollte gethan und gesagt haben, und habe ich auch nicht eine darunter gefunden, die mich gefreut hätte, die im Guten oder Bösen, zu meinem Vortheil oder Nachtheil, in dem Sinn meiner Natur und meiner Art zu seyn wäre erfunden gewesen.

Ich könnte diesen Halb-Ernst mit einem Ganz-Ernst schließen. – Grüßen Sie indessen das schöne Kind und lassen Sie uns allseits auf ein fröhliches Wiedersehen hoffen.

Die Barmeciden wäre ich neugirig zu sehen. Es ist nicht das erste Mal, daß jemand, von dem Interesse eines ganz besondern Zustands penetrirt, sich gedrungen fühlt, dieses Complicirte, Unaussprechliche in dramatischer, theatralischer Form darzustellen. Aus diesem letzten Gesichtspunct betrachtet, kann die ganze Arbeit vielleicht nicht viel taugen, und doch hat der Mann uns wohl etwas überliefert, was er discursiv und narrativ nicht geben können. Ich müßte mich sehr irren, wenn das Stück nicht von dieser Seite für mich einiges Verdienst hätte.

Ihr Oppositonair muß in Weimar bey'm Aufstehen mit dem linken Fuß in den Pantoffel geschlüpft seyn. Im Theater und sonst war er mit allem recht wohl zufrieden, theilnehmend und liberal. Ich gab ihm mit dem besten Willen Renseignements[150] über alles, wornach er nur irgend fragen mochte und hätte mein freundliches Benehmen um Ihret- und seinetwillen recht gerne länger fortgesetzt. Wir können uns jetzt alle als Strandbewohner ansehen und täglich erwarten, daß einer vor unserer Hüttenthüre, wo nicht mit seiner Existenz doch mit seinen Hoffnungen scheitert. Milde zu seyn kostet mich nichts, da meine Härte und Strenge nur factice und Selbsvertheidigung ist.

Fürst Kurakin hat sich länger in Weimar aufgehalten als erst seine Absicht war. Seine Gegenwart konnte man unserer lieben Hoheit wohl gönnen. Ich habe ihn einige Male bey Hofe gesehen und seine Heiterkeit und Facilität nach so viel Brand- und andern Leiden angestaunt. Seit dem 1. November aber bin ich hier mit der lieben Einsamkeit vertraut, der ich denn auch danke, daß ich mich mit Ihnen wieder einmal brieflich weitläuftig unterhalten kann.

Die Welt ist größer und kleiner als man denkt. Sie erhalten zu bedenklicher Zeit einen Paß in Osten und geben wieder zu gleich- und mehrbedenklicher Zeit einen Paß im Westen, nicht gerade an denselben, aber doch an einen Nahverwandten. Wer sich bewegt berührt die Welt und wer ruht, den berührt sie. Deswegen müssen wir immer bereit seyn zu berühren, oder berührt zu werden.

Daß Moskau verbrannt ist, thut mir gar nichts. Die Weltgeschichte will künftig auch was zu erzählen haben. Delhi ging auch erst nach der Eroberung[151] zu Grunde, aber durch die ††††† der Eroberer, Moskau geht zu Grunde nach der Eroberung, aber durch die ††††† der Eroberten. Einen solchen Gegensatz durchzuführen würde mir außerordentlichen Spaß machen, wenn ich ein Redner wäre. Wenn wir nun aber auf uns selbst zurückzukehren und Sie in einem so ungeheuern, unübersehbaren Unglück Bruder und Schwester und ich auch Freunde vermisse, die mir am Herzen liegen, so fühlen wir denn freylich, in welcher Zeit wir leben und wie hochernst wir seyn müssen, um nach alter Weise heiter seyn zu können.

Hier muß ich Lodern nennen, mit dem ich in einer sehr schönen Lebensepoche vertraut und glücklich war; der von Jena nach Halle zog und von da wegen irgend einer chirurgischen Operation auf kurze Zeit nach Polen reiste und dadurch zufällig dem 14. October und den übrigen sämmtlichen angenehmen October Tagen entging, und sich deshalb glücklich pries, nicht zurückkehrte, erst in Petersburg verweilte, dann in Moskau fußte und jetzt von dem Strome des Zeitgeschicks dort so wunderlich als fürchterlich ereilt wird.

Was mir in meinem Leben Ähnliches begegnete ist nur eine Comödie dagegen. Ich zog mich mit den unbesiegt-krebsgängigen Preußen von Valmy auf Hans, und von da immer so fort über die Aisne und Mosel nach Luxemburg und Trier[152] bis Koblenz zurück. Da mochte ich dieses brillante kriegerische Schicksal nicht mehr theilen und ging den Rhein hinab nach Düsseldorf. Kaum hatte ich da vierzehn Tage in seligen Familienscenen zugebracht, so wurde ich mit der großen Emigranten Masse (lauter Edel- und guten Leuten die kein schwarz Brod aßen) über Münster und Paderborn dergestalt ungeschickt in das Herz von Deutschland getrieben, daß ich, in Cassel, des Nachts im Wirthshaus anfahrend, deutsch reden mußte, um von Kellner aufgenommen zu werden.

Verzeihen Sie diese Reminiscenzen und geben Sie den langen Jenaischen Abenden die Schuld, daß ich Ihnen solche vorerzähle: denn was haben Sie nicht aus jenen Zeiten zu entgegnen!

Wie mir nach solchen Betrachtungen die Legenden– und Sagen Almanache munden, ermessen Sie von selbst am besten. Die Talente der Dichterinnen und des bildenden Künstlers müssen wir wohl gelten lassen. Daß sie aber unter einander gerade ihre Fehler und Mängel hegen und pflegen, kann ich nicht gut heißen. Verargen darf ich es jedoch um so weniger, als das deutsche Publicum, ein ägyptischer Brut Ofen, über solchen Windeyern am liebsten brütet.

Möge Ihnen und den Ihrigen der feste Grund und Boden wie den Nachkommen jener alten Heiligen gedeihen!

[153] So weit war ich mit den redlichen Commentar, der Paraphrase Ihres lieben Schreibens gelangt, als mir einfiel, noch etwas Eignes hinzufügen.

wie immer

Jena den 14. November 1812.

G.


[Beilage.]

Groß ist die Diana der Epheser.


Daß manches im Literarischen vorgeht, was mir nicht gefällt, darf ich wohl nicht betheuern, daß ich mich manchmal darüber auch wohl äußern könnte und sollte, da ich denn doch auch ein public character bin, will ich nicht in Abrede seyn. Dieß ich nun aber einmal nicht meine Art, dagegen meine größte Lust, ein Schnippchen, nicht in der Tasche, sondern am Kamin zu schlagen, wenn ich mir's mit guten Freunden so leidlich als möglich behagen lasse. Soviel zu Entschuldigung des vorstehenden Spaßes! Und nun kein Wort mehr, als daß ich Ihnen herzlich ergeben bin.


23/6423.


An Franz Kirms

Ew. Wohlgeb.

sind überzeugt von der aufrichtigen Theilnahme an unserm gemeinsamen Geschäft und der Verlust hat mich nicht wenig beunruhigt, ja mir die Zufriedenheit meines hiesigen Aufenthalts ziemlich geschmälert.[154] Die schickliche Art, wie solcher wieder zu decken sey, finden Sie besser als ich, da Ihnen die Sache in allen einzelnen Verhältnissen bekannter und gegenwärtiger ist. Ich werde mich hierin auch Ihres nachhaltigen Rathes erfreun.

Neue Figuren geben neue Verhältnisse; die allerfatalsten solche, die ohne Bedienst zur unrechten Zeit eindringen. Da hat denen alle Leidenschaft für und wider ihr freyes Spiel.

Ich danke Ihnen daß Sie die Sache, die mich so sehr verdrießt, in ein gewisses Gleis zu bringen suchen.

Haben Sie ja die Güte, mir geschwind anzuzeigen, wenn Sie etwas Näheres von Ifflands Ankunft erfahren. Ich mag nicht gern von Jena weg, aber ich freue mich unendlich, ihn zu sehn. Haben Sie die Güte nachzudenken, ob ich nicht für die Zeit einen schicklichen und bequemen Platz in Orchester finden könnte, etwa auf der Seite der ersten Violine. Ich verspreche mir eine außerordentliche Zufriedenheit an seinen Darstellungen, aber für ein zartes Spiel ist meine Loge viel zu weit.

Leben Sie recht wohl und haben Sie die Güte, so ernstlich wie bisher Sich unseres angefochtenen Geschäftes anzunehmen, ich will von meiner Seite auch nach wie vor dasjenige thun, was mir gegeben ist. Mich bestens empfehlend

Jena den 16. Nov. 1812.

Goethe.[155]


23/6424.


An Christiane von Goethe

Wir können nicht anders sagen, als daß vor wie noch alles sehr gut geht; die Köchinn sowohl als Heinrich gehen in ihrer Regel fort, und so weiß man täglich und wöchentlich woran man ist, worauf denn doch am Ende alles ankommt. Meine Geschäfte und Ausarbeitungen machen sich auch gut, ja es thut sich sogar noch manches unerwartet Angenehme hervor.

Carl hat auf seiner Durchreise nach Carlsbad Abschied genommen und ich habe ihm das noch zugesagte Vierteljahr ausgezahlt. Es ist mir sehr lieb, daß ein Verhältniß, das so lange gedauert und das doch zuletzt nicht mehr haltbar war, sich noch so leidlich auflöste. Ich habe ihn mit einigen Ermahnungen und Hoffnungen entlassen.

Wir vernehmen, daß große Bewegungen in Jena waren, wegen Tag und Stunde des Tanzens, auch sind uns die allerverschiedensten Nachrichten davon zugekommen. Nun aber scheint es gewiß, daß Sonntag ein Thé dansant seyn soll, und ich erwarte daher die so liebe als unruhige Nachbarschaft Sonntags früh, damit ja nicht die Weimaraner in Nichtachtung des Theaters den Jenensern ein böses Beyspiel geben.

Wie es hernach zu halten sey, wird sich besprechen lassen, vorzüglich aber will ich anrathen, daß an Victualien und sonst allem Guten, ein hinreichender[156] Transport mit herüber komme; damit nicht, wie schon mehr geschehen, mein Ende das Mittel und den Anfang aufzehre.

Denn bis jetzt haben wir uns löblich gehalten und nach diesem Anschnitt kann ich künftig in Jena einen recht zufriedenen Aufenthalt haben. Verzeihe mir aber, wenn ich, um künftig einem verdrüßlichen allgemeinen Aufwaschen vorzubeugen, im einzelnen nörgele, wie ich jetzt mit Heinrichen um die Lichtstümpfchen thue. Carl reiste nicht als ein selbstständiger Herr von uns ab, wenn wir selbstständige Herrn gewesen wären.

Denn übrigens wollen wir an unserm Leibe und Gaumen nicht sparen, noch auch sonst knickern, deswegen sende und bringe noch etwas Languedoc, welcher nun einmal an der Tagesordnung ist.

Hiermit wollen wir denn abgeschlossen haben; denn ich wüßte nichts weiter hinzuzuthun. Sehr angenehm würde es mir seyn, zu vernehmen, wie Romeo und Julie reüssirt, wie es mit dem Herbsttag abgelaufen. Ich weiß recht wohl, daß ihr ein so rasches Leben habt, daß ihr an Abwesende nicht denken könnt; aber daß ihr, so wie der Assessor, von den unendlich langen Tagen auch nicht einmal eine Viertelstunde abmüßigen könnt, um mich den unendlich langen Jenaischen Winterabenden einigermaßen zu unterhalten, kann ich nicht gut finden. Ihr solltet bedenken, daß es mit den Äugelchen nicht mehr gehen will, die man denn doch am Ende zu Hülfe rufen müßte, wenn ihr gar zu[157] sorglos seyd. Mit dieser Drohung empfehle ich mich zum schönsten.

Jena den 17. Nov. 1812.

G.


23/6425.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Antiquarische Anfrage an den Chemiker

Es steht geschrieben, ein Weib habe ihrem Manne Gift gegeben, davon habe er sich schlecht befunden, sey ihr aber nicht geschwind genug gestorben; darauf habe sie ihm Quecksilber beygebracht und er sey auf einmal frisch und gesund geworden.

Was mag das für ein Gift gewesen seyn?

Jena den 19. November 1812.

Goethe.


23/6426.


An Carl Ludwig von Knebel

[Jena, 21. November 1812.]

Möchtest du wohl, mein Lieber, eine durch die erneute Freyheit deines Carls erheiterte Stunde dazu nutzen, das gezeichnete Ausonische Epigramm

In Ecumpinam adulteram

freundlich zu übersetzen; so würde dich der Gebrauch, den ich davon machen werde, in kurzen artig überraschen.

G.[158]


23/6427.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

sende die mir mitgetheilte Recension dankbar zurück. Verzeihen Sie, daß ich meinen Besuch nicht persönlich abstattete, um mich darüber zu unterhalten und zu unterrichten. Sie hat mich veranlaßt das Werk selbst zu lesen. Es verdient allerdings beachtet, aber freylich nicht präconisirt zu werden; wenn man den Verfasser auch noch so sehr schätzt, so kann man doch nicht Partei für ihn nehmen.

Das Werk ist auf alle Weise problematisch und wird die Köpfe eher verwirren, als zurechtsetzen. Es hat sehr schöne, lobenswürdige, lichtvolle, brillante Partien, aber auch so viel Hiatus, Unzulänglichkeiten und Falschheiten, die sich mit Bombast umwölken und so dieser Welt zugleich eine Nachtseite erschaffen.

Es ist jammerschade, daß die herrlichen Bemühungen unserer Zeit auf solche Weise wieder retardirt und die Blüthe durch die Frucht (aber nicht wie Herr Hegel und Troxler meinen) Lügen gestraft wird; so lügen die Kirschen nach dem gemeinen Sprüchwort.

Der ich mich zu geneigtem Andenken hiermit bestens empfehle.

Jena den 22. November 1812.

Goethe.[159]


23/6428.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Die an Ew. Wohlgeboren ergangene Anfrage gründet sich auf ein Epigramm des Ausonius, der dadurch das Andenken eines zu seiner Zeit merkwürdigen Criminalfalles geistreich aufbewahren wollte. Ich lege das Original und eine Übersetzung bey.

Bey näherer Betrachtung des Gedichtes kann der Zweifel entstehen, ob die Frau das Gift voraus und Quecksilber nachgesendet, weil der Mann nicht sterben wollen, aber ob sie das Gift mit dem Quecksilber erst vermischt und dann dem Manne eingegeben. Für den Chemiker bleibt die Frage gleich, für den Arzt verändert sich die Bedeutung einigermaßen.

Wollen Sie die Sache für das chemische, philologische und juristische Publicum durch Publication unserer kleinen Correspondenz bringen, so soll es mir angenehm seyn. Ich sende zu diesem Zweck auch Ihr Blatt wieder zurück.

Jena den 22. Nov. 1812.

G.


23/6429.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Da ich morgen abreise, wollte ich noch Ew. Wohlgeboren an verschiedene Zusagen erinnern.

1) Möchten Sie einen kurzen Aufsatz über Ihre chemische Thätigkeit, besonders bezüglich auf's Laboratorium, mir zu den Acten geben, damit ich auch das[160] Einzelne rühmen könne. Das Allgemeine ist in meinem Jahresbericht schon ehrenvoll dargestellt.

2) Ich sende Ihnen zugleich ein Stück Hornstein mit der wiederholten Anfrage, ob es wohl möglich seyn möchte, durch irgend einen Zutritt kalten Wassers zu demselben Wärme zu erregen.

3) Wollten Sie doch auch des Cali's im Feldspath gelegentlich gedenken.

4) den Niello, die Verbindung des Schwefels mit dem Silber, bitte ich doch auch zu bereiten, wenn Sie bey Ihren Vorlesungen in die Nachbarschaft dieses Gegenstandes gelangen. Ich wünschte in der Präparatensammlung zu seyn und auch zu technischen Gebrauch eine mäßige Portion anzuwenden.

5) Ob in den Corallen Gyps enthalten? wünschte in Gefolge unserer neulichen Untersuchungen auch zu erfahren, und bitte nach allen diesen ernsthaften Untersuchungen auch

6) das Zahnpulver nicht zu vergessen.

Mich bestens empfehlend. Vielleicht machen Sie mir das Vergnügen, mich nach drey Uhr zu besuchen.

Jena den 22. Nov. 1812.

Goethe.


23/6430.


An Berthold Georg Niebuhr

Als ich Ihren liebwerthen Brief in Carlsbad erhielt, wünschte ich mir nichts mehr, als daß auch[161] Ihr zweyter Theil zugleich mit angekommen wäre: denn dort ist mir erlaubt, eine Folge von Tagen auf Einen Gegenstand zu verwenden; und welcher verdiente es mehr als Ihr Werk? Nun bin ich schon wieder acht Wochen in Weimar, drey in Jena und hatte selten das Glück, wenige Stunden hinter einander meine Gedanken auf einen Punct zu richten. Auch gegenwärtig erlange ich nur durch einen Anlauf, durch eine eigne Resolution, daß ich mich mit Ihnen unterhalten kann.

Mein Interesse an Ihren Bemühungen ist immer dasselbe und es ist immer im Wachsen. Lassen Sie mich das Allgemeine statt des Besonderen aussprechen! Das Vorübergegangene kann unserm innern Aug und Sinn als gegenwärtig erscheinen durch gleichzeitige schriftliche Monumente, Annalen, Chroniken, Documente, Memoires, und wie das alles heißen mag. Sie überliefern ein Unmittelbares, das uns, so wie es ist, entzückt, daß wir aber auch wohl wieder, um andrer willen, aus hunderterley Trieben und Absichten vermitteln möchten. Wir thun's, wir verarbeiten das Gegebene, und wie? als Poeten, als Rhetoren! Das ist von jeher geschehn, und diese Behandlungsarten äußern große Wirkung; sie bemächtigen sich der Einbildungskraft, des Gefühls, sie füllen das Gemüth aus, bestärken den Charakter und erregen die That. Es ist eine zweyte Welt, welche die erste verschlungen hat. Denke man sich nun die Empfindungen[162] der Menschen, wenn diese Welt zerstört wird und jene nicht dem Anschauen vollkommen entgegentritt.

Höchst erwünscht ist jedem, der zu dem Uranschauen zurückkehren möchte, die Kritik, die alles Secundäre zerschlägt und das Ursprüngliche, wenn sie es nicht wieder herstellen kann, wenigstens in Bruchstücken ordnet und den Zusammenhang ahnden läßt. Aber das wollen die Lebe-Menschen nicht, und mit Recht.


Lassen Sie mich hier eine Kluft überspringen! Hätten wir zusammengelebt, hätte ich das Glück gehabt, von Ihren Untersuchungen seit Jahren unterrichtet zu seyn, so würde ich Ihnen gerathen haben, nach Weise des edlen und lieben St. Croix, Ihre Schrift zu betiteln:

Kritik der Schriftsteller, welche uns die

römische Geschichte überlieferten.

Für mich aber ist das Buch, und, wie Sie wissen, sind die Titel eine moderne Erfindung. Nehmen Sie also meine Freude, daß Sie in allen Hauptpuncten, was Welt und Völker betrifft, meines Sinnes sind, nehmen Sie meinen Dank, daß Sie mir die römische Geschichte wieder genießbar gemacht haben, indem Sie Sich zur Pflicht machen, die stationairen und retrogaden Epochen derselben in's vollste Licht zu setzen. Denn welcher geistreiche Mensch wird leugnen, daß es ihn in seiner Vorstellung genirt habe,[163] wenn eine solche hundertfache Ilias und so unendliche herrliche Helden, die viertausend Fabier mit eingeschlossen, nichts weiter in vierhundert Jahren zu Stande gebracht, als daß die Stadt, der Staat, der eben erst, nach unendlichen Bemühungen, mit den Philistern und Veji fertig geworden, auf die allerkleinstädtischeste Weise am Allia zu Grunde geht, so daß sie ganz wieder von vorne anfangen müssen.

Sieht man nun aber die Sache recht klar und deutlich nach Ihrer Darstellung, so gereicht dieß jenem Volke keineswegs zur Schmach, sondern zur Ehre. –

Ich muß zu einem andern Puncte überspringen.


Sie geben den Aristokraten die ganze Schuld des Krebsganges, Sie nehmen Sich der plebs an, und das ist ganz recht und dem unparteiischen Forscher erlaubt zu einer Zeit, wo weder die eine noch die andre mehr existirt.

Noch ein Allgemeines, damit ich nur zu Ende komme! Jeder anfangende Staat ist aristokratisch; er kann sich nur erweitern durch die Menge, die man abhält und niederhält, bis sie sich in gleiche Rechte setzt; und von dem Augenblicke an wird die Monarchie verlangt, die denn auch nicht fehlen kann, und von da aus kann sich's auf mancherley Weise wieder zurück und vorwärts wälzen. Denn alle drey Zustände (Zustand ist ein albernes Wort; weil nichts steht und alles beweglich ist) alle drey Verhältnisse leiden eben an dem Beweglichen,[164] welchem das Rechte und Große, wie das Schlechte und Lose, zum Spiele dient, damit ja alles geschehe.

Auf die Weise wie vorsteht (ich sehe nur einen Augenblick zurück), wenn sie gleich etwas wunderlich ist, hoffe ich doch, Sie zu überzeugen, daß man nicht einen innigern Antheil nehmen kann an Ihren Arbeiten, selbst in's besonderste. Ihren beyde Bände, und so der dritte, so die folgenden, werden mich stehts begleiten, wohin mich auch mein bewegliches Jahr führt, und weder Sie noch ich können voraussehn, was ich Ihnen alles verdanke; das Tüchtig-Regsame ist ganz allein wohlthätig! –

Berg und Thal kommen nicht zusammen aber wohl die wandelnden Menschen! und warum sollte ich nicht hoffen dürfen, Ihnen irgendwo zu begegnen? Lassen Sie mich diesem Blatte, wie ich so gern einem jeden, das von mir ausgeht, thun möchte, die clausulam salutarem hinzufügen: daß es Ihnen wo nicht einsichtig und zulänglich, doch herzlich und wohlgemeynt erscheinen möge.

Mit herzlichen Wünschen!

Jena den 23. November 1812.

Goethe.


23/6431.


An Josephine O'Donell

Hier bin ich nun, verehrte Freundinn, wo Sie mich wissen wollten; in dem Kreise, dem ich mich[165] seit so vielen Jahren gewidmet habe. Ich wäre sehr undankbar, wenn ich nicht zufrieden seyn, und sehr unruhig, wenn ich mich wo anders hinsehnen wollte; doch erlaube ich mir oft, in Gedanken zwischen dem goldenen Schiffe und dem Herrnhause hin und her zu wandeln; so wie zwischen Töplitz, Culm und manchen andern schönen Gebirgsgegenden. – Ich befinde mich so wohl als ich's verlangen kann, habe seit jener zeit an keinem entschiedenen Übel gelitten und schicke mich, wie billig, in das, was die Jahre nicht mehr bringen sondern nehmen. Ich sage das, um Ihre freundliche Theilnahme zu erwidern, und wünsche nun auch zu vernehmen, daß Sie Sich wohl befinden; möchten Sie bald Lust und Freyheit haben, mir es zu sagen und mir dabey zugleich versichern, daß unsere allerverehrtste Frau und Herrin Sich im vollkommensten Wohlseyn befinde: denn, ich will gern gestehn, ich kann's immer noch nicht verwinden, daß ich Sie zuletzt leidend gesehen habe. Die Empfänglichkeit für sinnliche Eindrücke, der ich so viel Gutes verdanke, zieht mir dieses Übel zu, das ich mit einem schmerzlichen Vergnügen ertrage, weil ich mich ebenso deutlich erinnre, wie herrlich Sie in diesen Augenblicken erschien.

Da Sie nun aber allerley Wunderliches von mir gesund sind, so muß ich Ihnen erzählen und vertrauen, daß ich mir seit einiger Zeit, obgleich ungern und mit Mühe, von unserer Angebetenen zu sprechen[166] abgewöhnt habe: denn die bravsten und sonst für's Vortreffliche empfänglichen Menschen enthielten sich nicht mir zu versichern, ich rede enthusiastisch, wenn ich nichts als die reine Prosa zu sprechen glaubte. Es kann zwar seyn, daß wie jener Prosa machte ohne es zu wissen, ich unbewußt poetisch rede. Wäre ich aber auch ein anerkannter Nachtwandler, so will ich doch nicht aufgeweckt seyn und halte mich daher fern von den Menschen, wenn sie das Gemeine sehen.

Nach dieser Klage muß ich mit der Entschuldigung einer andern wunderlichen Idiosyncrasie hervortreten, die sie schon vor Augen haben, daß ich mich nämlich zu dem Gegenwärtigen einer fremden Hand bediene. Alle meine Freunde haben mich verwöhnt, so daß aus einem Mangel eine Gewohnheit eine Untugend geworden ist Ich bin niemals zerstreuter als wenn ich mit eigner Hand schreibe: denn weil die Feder nicht so geschwind läuft als ich denke, so schreibe ich oft den Schlußbuchstaben des folgenden Worts ehe das erste noch zu Ende ist, und mitten in einem Comma, fange ich den folgenden Perioden an; Ein Wort schreibe ich mit dreyerley Orthographie, und was die Unarten alle seyn mögen, deren ich mich recht wohl bewußt bin und gegen die ich auch nur im äußeren Nothfall zu kämpfen mich unterwinde, nicht zu gedenken, daß äußere Störung mich gleich verwirren und meine Hand wohl dreymal[167] in Einem Brief abwechseln kann. So ist mir's mit Vorstehendem gegangen, das ich zweymal zu schreiben anfing, absetzte und schlecht fortsetzte; jetzt entschließ ich mich zu dictiren, es ist als wenn ich mit Ihnen spräche und die Erinnerung Ihrer Persönlichkeit, Ihrer Gestalt, Ihres freundlichen Wesens giebt mir keine Zerstreuung, weil Sie es ja sind zu der ich mich wende, indem ich dieß ausspreche.

Gilt dieses klägliche Bekenntniß, diese unschuldige Entschuldigung vor Ihrem freundschaftlichen Herzen, so wird die Pause zwischen meinen Briefen künftig nicht so lang seyn, alsdenn erleide ich keine Störung von der im Garten dejeunirenden Freundinn, noch von der anständigen ernsten Dame, welche mir Documente zurückfordert, noch von der pfirsichblüthfarbenen Soubrette; allen, denk' ich alsdenn, habe ich etwas zu sagen, das sie nicht verdrießen wird und woraus denn doch auch kein Geheimniß zu machen wäre.

Sollte ich nun weiter fortfahren und von meinem nächsten Leben etwas erzählen, so wüßte ich es nicht recht anzufangen: denn da Ihnen weder die Localitäten meiner Lebensbühnen, noch die Personen des Drama's, in welchen ich den maitre Jaques zu spielen die Ehre habe, bekannt sind, so gebe es keine eigentliche lebhafte Darstellung, und das Allgemeine, die Resultate sind von keinem großen Belang. Acht Wochen war ich in Weimar und drey bin ich nun hier; morgen erwarte ich den Herzog den eine Jagdpartie[168] über den Schnee in diesen Musensitz führt. Er war bereit, in jenes Album ein freundliches Wort einzuschreiben, welches freylich gleich ein Hoffnungswort, ein Wort des Wunsches werden mußte, daß man in jenem Arcadien nächsten Sommer die goldenen Tage wiederholen möchte.

Der akademischen Ruhe bin ich nunmehr doppelt hold, weil ohne sie dieser Brief kaum zu Stande gekommen wäre. So wird das Natürliche oft das Schwerste und das womit man sich immer beschäftigt wird selten fertig.

Möchten Sie in vorstehenden fremden Zügen die eigensten Gesinnungen eines wahrhaft ergebenen Freundes erkennen!

Jena d. 24. Nov. 1812.

Goethe.


23/6432.


An Friedrich Albrecht Gotthelf von Ende

[Concept.]

[Weimar, 24. November 1812.]

Ew. Hochwohlgeb.

empfangen, bey Gelegenheit dieser Sendung, nochmals meinen gehorsamsten Dank für alle freundliche und förderliche Theilnahme, welche Sie vergangenes Jahr unsern Anstalten erwiesen.

Den unterthänigsten Bericht, welchen ich an Serenissimum eingesendet habe, glaubte ich in einem gleichlautenden Exemplar Ihro kaiserl. Hoheit überreichen zu müssen.

[169] Haben Sie die Güte dieses in meinem Namen zu thun und meine bevoteste Dankbarkeit für so eine entschiedene Belebung und höchst merkliche Förderung des zwar kleinen, aber doch elastischen Wirckungskreises, in welchem ich mich sehr gern bewege, recht ausdrücklich darzustellen.


23/6433.


An Christian Gottfried Körner

Für diesen freundlichen Zuruf, durch welchen Sie mit Ihre Theilnahme an meinem zweyten Bande versichern, sey Ihnen herzlichen Dank gesagt. Da ich sehr gern gestehe, es auch aus meinem Confessionen erhellen wird, daß ich alle meine früheren Arbeiten um mein selbst willen und für mich selbst unternommen, weshalb ich denn auch wegen mancher wohl zwölf und mehr Jahre geruhig abwarten konnte, bis sie Eingang fanden und einige Wirkung thaten, so will ich doch gern bekennen, daß es mit diesem letzten Werk sich anders verhält. Ich wünsche, daß meine Landsleute, besonders aber meine Freunde, die in höhern und mittlern Jahren sich befinden, daran Freuden haben und sich mit mir einer nicht längst vergangenen schönen Zeit fröhlich erinnern mögen. Der wackere Griesbach hat sich noch in seinen letzten Tagen an den Francofurtensien ergötzt; der mir unvergeßliche Salzmann ist um einige Monate zu früh gestorben, so daß ihn mein freundliches Andenken nicht mehr hat erreichen können. Er war zwey und[170] neunzig Jahre alt und hat bis in die letzten Stunden weder den Gebrauch der äußern noch den innern Sinne vermißt. Das hatte ich ihm wohl zugetraut!

Auch wir, mein Bester, haben gute Zeiten zusammen erlebt, und ich habe höchst Ursache, jener Epoche mit Liebe und Treue zu denken; wenn ich nur dazu gelange, sie darzustellen.

Ich danke Ihnen, daß Sie auch dieser Arbeit das Zeugniß eines musicalischen und poetischen Effects geben; doch wer könnte den mehr fühlen als Sie? Auch erwarten Sie mit Recht, daß sich sowohl die Darstellung als Reflexion steigere, ja ich muß mich in Acht nehmen, daß ich nicht zu früh fortgerissen werde. Ist es mir gelungen, den ersten Band kindlich genug zu verfassen, wie ich fast glauben muß, weil ihn die verständigen Leute kindisch genannt haben; sieht man im zweyten den Jüngling, der aus mancherley Leiden hervortritt, so muß sich dieser nach und nach als Mensch und Schriftsteller entwickeln. Resultate sind bald ausgesprochen und meist des Aussprechens nicht werth. Erhalten Sie mir, meinen ältern und neuesten Productionen in Ihrem Kreis ein freundliches Andenken.

Das kleine Lustspiel Ihres lieben Sohns, die Braut, ist vor einigen Tagen mit dem Beyfall gegeben worden. Ich war nicht gegenwärtig, sondern in Jena; allein ich wußte wohl den Effect voraus.

Unser Wolff, der schon im alten Klingsberg die[171] Maske eines Bejahrten ohne Carricatur mit viel Geschmack angezogen, spielte den Vater, Unzelmann den Sohn, und die Arie war gut gelungen. Nun hoff' ich, die beyden andern kleinen Stücke sollen auch das Ihrige thun.

Was den Zriny betrifft, über den sind wir noch nicht einig; in politischer und theatralischer Hinsicht ist manches dabey zu bedenken. Es wäre daher wünschenswerth, wenn man ein Exemplar hätte, wie das Stück in Wien gespielt worden. Die Arbeit ist alsdann halb gethan, und gewiß haben sie dort manches bedacht, was wir auch bedenken müssen.

Kommt Ihr lieber Sohn von Wien zurück, so haben Sie die Güte, mir davon Nachricht zu geben: denn da ich ihn nicht, wie ich wohl wünschte, bey mir einquartiren kann, so müßte man ihn dergestalt unterzubringen suchen, daß er ohne große Kosten und mit einigem Agrement hier wäre. In diesen wunderlichen Tagen sind einem auf mehr als eine Weise die Hände gebunden, und auf alles liberale Verfahren, das sonst so natürlich war, muß man Verzicht thun. Verzeihen Sie diese Äußerung; ich habe mir aber fest vorgenommen, bey allem, worinn ich Einfluß habe, nichts dem Zufall zu überlassen, damit er allenfalls hinterdrein seine Gunst ausüben könne.

Und nun leben Sie auf's schönste wohl und grüßen die lieben Ihrigen.

Goethe.

Weimar den 26. November 1812.[172]


23/6434.


An Cäcilie Eskeles

[Concept.]

[26. November 1812.]

Ihr Brief, hochgeschätzeste Frau, läßt mich eine Beschämung empfinden, die mir noch peinlicher seyn müßte, wenn ich nicht leider in solchen Fällen schon abgehärtet wäre. Es geht mir wie einem, der auf dem Banquerout stände und noch immer viel zu thun glaubte, wenn er diesen und jenen nächsten Freund abzahlte.

Herr Bernardi, bey dem ich mich tausendmal, eben auch wegen meines Stillschweigens, zu entschuldigen bitte, hat die Güte gehabt, mir das Abscheiden Ihrer theueren Schwester zu melden, das mir so unerwartet war, als ich auf den Verlust der Frau von Eybenberg vorbereitet seyn mußte. Beyde glaube ich genugsam gehabt und geschätzt zu haben und beyde haben mich als ihren Schuldner hinterlassen: denn wem hätte es wohl gelingen können, sich mit ihrer Aufmerksamkeit und thätigen Gefälligkeit in's Gleichgewicht zu setzen?

Die sämmtlichen Meinigen empfinden ebenmäßigen Schmerz bey dem Verlust Ihrer verewigten Schwester; sie haben alle mittel- oder unmittelbar, an mancherley Gutem und Angenehmen Theil genommen, was sie um sich her zu wirken geneigt war, und ich werfe mir mein zauderndes Antworten um so bitter vor,[173] als mein Dank für ihre köstliche Sendung von eignen Handschriften und für die Bekanntschaft mit dem Marquis Beauffort, dem ich mich bestens zu empfehlen bitte, sie nicht mehr erreichen konnte.

Ihren Herrn Gemahl habe ich nur wenige Augenblicke gesehn; aber auch das war schon ein Gewinn für mich. Ich begnüge mich gern mit der Handschrift, dem Bildniß, dem Anschauen, der augenblicklichen Unterredung bedeutender Personen, wenn mir auch nur diese vergönnt ist.

Es hatte derselbe die Gefälligkeit, mir zu sagen, daß ein Packet Bücher von dem Comte de Leu (König von Holland) an mich in Wien angelangt sey, und weiter spedirt werden sollte. Ich habe aber bis jetzt nichts dergleichen empfangen. Vielleicht erhalte ich durch Ihre Güte einige Nachricht von dieser mir so interessanter Sendung.

Der lieben Caroline Pichler danken Sie auf's angelegentlichste daß sie meine Späße so gut aufgenommen hat. Gar gern unterhielt ich mich öfters mit abwesenden Freunden in einer heitern Stunde, wenn ich nicht die Erfahrung hundertmal gemacht hätte, daß ich nichts schwerer transportiren läßt, als der gute Humor. Es ist als wenn die Heiterkeit eines Briefs sich in den Felleisen verflüchtigte und nur ein unerfreuliches caput mortuum in die Hände des Freundes käme. Ich will mich nicht in weitere Betrachtungen verlieren; man weiß nicht, in welcher Stimmung[174] der Brief den Freund antrifft, und die Gegenwart allein hat den Tact für das Schickliche und Angenehme. Verzeihen Sie diese kleine Dissertation; es begegnen mir solche Pedanterieen in Briefen wie im Leben.

Riemer hat sich von mir getrennt. Das Unangenehme, ein neunjähriges Verhältniß aufgelöst zu sehen, wird dadurch gemildert, daß er in einer Station, die ihm gemäß ist, zu der so nothwendigen Selbstständigkeit eingeführt wird. Sein trefflicher Charakter so wie seine vorzüglichen Talente offenbaren sich jetzt in ihrer völligen Schönheit, da er in eigner entschiednen Thätigkeit der Welt Brust und Angesicht bieten muß. Er dankt mit lebhafter Erinnerung und aufrichtiger Theilnahme, daß Sie seiner so freundlich erwähnen wollen.


Nachschrift.

Und warum sollte ich diese leer Seite nicht noch benutzen, um für die freundliche Einladung nach Wien meinen besten Dank auszusprechen. Bey einer solchen Gelegenheit fürwahr, schmerzt mich's, wenn ich mir den Verlust vergegenwärtige, den ich mein ganzes Leben erleide, dadurch, daß ich die große Kaiserstadt niemals gesehen habe. Immerfort und besonders in der neuen Zeit, regt es mich an, daß ich doch endlich meiner Pflicht Genüge thun, meinen hohen Gönnern und werthen Freunden aufwarten und den Besuch abstatten sollte. Aber leider sieht es nicht besser aus als bisher, da mich meine Übel Sommers in den[175] böhmischen Bädern und Winters zu Hause halten. Leider kann ich auch da sehr selten dasjenige leisten, was die Gesellschaft von uns verlangen kann: größere und weitere Verhältnisse machen mir daher immer bange.

Dem vortrefflichen Lämelschen Hause in Prag bin ich diesen Sommer ein großer Schuldner geworden. Dürfte ich bitten mich gelegentlich demselben vielmals zu empfehlen und meine unverbrüchliche Dankbarkeit demselben zu verbürgen.

Nochmals die besten Wünsche für Ihr Wohl.


23/6435.


An Johann Georg Lenz

Ew. Wohlgeb.

habe hiedurch aufmerksam machen wollen, daß die schöne Kupfer-Lasur von Chersey bey Lyon ist, nicht aus New Jersey in Nordamerika. Jenen Ort find' ich nicht in geographischen Büchern. Sehen Sie doch nach ob ich etwas von ihm und den Bergwerken daselbst auffinden läßt. Diese Kupfer-Lasur bricht auch kugel- und traubenförmig in einem lockeren Sandstein, von welchem Herr von Trebra mir ein Musterstückchen geschickt hat.

Sodann wünsche ich, Sie schickten mir etwas von dem klebrigen Wachse, womit Sie die Nummern an die Stufen zu bestetigen pflegen.

[176] Ich wünsche recht reiche Sendungen und recht wohl zu leben.

Weimar den 28. Nov. 1812.

Goethe.


23/6436.


An Carl Ludwig von Knebel

Ein paar Worte muß ich dir, mein lieber Freund, doch auch wieder zuschreiben. Ich befinde mich zwar ganz leidlich, thue aber doch besser, mich einige Zeit zu Hause zu halten, wo mir denn die Zeit nicht lang wird: denn ich habe mancherley zu thun.

Trebra hat mir wieder sehr schöne und belehrende Stücke geschickt, und überhaupt geht's mit den Naturwissenschaften recht schön und gut; man muß nur von dem Volke keine Notiz nehmen, das sich den Krebsgang liebt und gern auch andre retrograd machen möchte.

Deines Carls Gedichte mit Vignetten sind recht hübsch. Er soll nur so fortfahren. Diese Dinge haben völlig den Charakter der Volkslieder, sie könnten im Wunderhorn stehen, ohne daß irgend jemand einen Abstoß nähme: denn auf diesem Wege sind auch diese mehr Natur- als Kunstproducte entstanden.

Ich lese jetzt mit Vergnügen Döbereiners Chemie. Er ist seiner Sache mächtig und geht frisch und redlich vorwärts; welch ein Unterschied gegen die heimtüchtigen Druckser. Da hat ein Hans Narr, der sonst[177] belobte Herr Pfaff in Kiel, in Widerlegung meiner darzuthun gesucht, daß das reine weiße Licht aus einem Doppelgrau bestehe. Der Newtonsche einfache Schmutz hat also durch diese neuste Entdeckung ein Brüderchen bekommen. Es soll mir viel Spaß werden, wenn ich die Geschichte der Farbenlehre bis auf unsere Tage fortsetzen und auch diese Menächmen mit reinem weißen Licht beleuchten kann.

Sonst wüßte ich nicht viel zu sagen: denn ich muß mich erst wieder einrichten um thätig seyn zu können. Jetzt lebe wohl, grüße die Deinige und alle Wohldenkenden.

Weimar den 28. Nov. 1812.

G.


23/6437.


An Thomas Johann Seebeck

[Concept.]

So eben komme ich von Jena, wo ich meine jährliche Revision der Museen gehalten habe, und es wäre sehr unrecht, wenn ich Ihnen, mein vortrefflicher Freund, nicht davon einige Nachricht ertheilen wollte, da wir Ihnen bey diesen Anstalten so viel schuldig geworden.

Beynah alles, was wir zu Anfang des Jahres verabredeten, ist glücklich ausgeführt. Die Körnersche Luftpumpe sehr wohl gerathen, die Pariser Glaswaren sind glücklich angekommen und Döbereiner hat seinen Platina-Tiegel schon wacker gebraucht.

[178] Überhaupt ist dieser Ehrenmann, den wir Ihnen auch verdanken, gar wohl dessen werth was für ihn und um seinetwillen geschieht. Er ist klar, thätig, tüchtig und bleibt bey den großen Fortschritten der Wissenschaften gewiß nicht zurück.

Empfangen Sie daher nochmals meinen herzlichen Dank für Ihre schöne und fruchtreiche Einwirkung.

In dem Schweiggerschen Journal hab ich einen Aufsatz von Pfaff erblickt, der auch gegen meine Farbenlehre gerichtet ist. Notiren Sie ihn doch zu den übrigen: denn ich fühle jetzt nicht die mindeste Lust, die Sache wieder vorzunehmen; ich habe sie herzlich satt und die Herrn noch mehr; erst lernen sie von einem, werden auf Dinge aufmerksam, an der sie ihr Lebtag nicht gedacht hätten, und dann es noch Wasser auf ihre Mühle seyn. Ich weiß recht gut, welcher Bach meine Räder treibt, und den sollen sie mir nicht abgraben.

Die Bilder welche der Doppelspath hervorbringt und die Färbung ihrer Säume habe ich recht gut gesehn und mich viel mit ihnen beschäftigt. Sie sagen aber nichts mehr und nichts weniger als die übrigen auch, und ich habe ihrer, so wie manches andern nicht erwähnt, weil es mir um die Elemente, um die Anfangsgründe zu thun war, welche diese verschrobenen Köpfe ja nicht einmal lassen können. Sie möchten einen gern in die Schule schicken, in die sie gehen sollten. Ich habe dieses Gelichter in meiner Geschichte[179] der Farbenlehre schon so genau geschildert, daß mir über sie zu denken oder gegen sie zu thun nichts übrig bleibt.

Aber über einen andern Mann habe ich mich neulich betrübt, und ich wünschte, Sie geben mir einigen Aufschluß. Zufälliger Weise kommt mir eine Stelle aus der Vorrede dem Hegels Logik in die Hände. Sie lautet wie folgt:

»Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüthe, und man könnte sagen, daß jene von dieser widerlegt wird; eben so wird durch die Frucht die Blüthe für ein falsches Daseyn der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen erdrängen sich als unverträglich mit einander, aber ihre flüssige Natur macht sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten sondern eines so nothwendig als das andre ist, und diese gleiche Nothwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus.«

Es ist wohl nicht möglich, etwas Monstroseres zu sagen. Die ewige Realität der Natur durch einen schlechten sophistischen Spaß vernichten zu wollen, scheint mir eines vernünftigen Mannes ganz unwürdig.

Wenn der irdisch gesinnte Empiriker gegen Ideen blind ist, so wird man ihn bedauern und nach seiner Art gewähren lassen, ja von seinen Bemühungen manchen Nutzen ziehen. Wenn aber ein vorzüglicher[180] Denker, der eine Idee penetrirt und recht wohl weiß, was sie an und für sich werth ist, und welchen höheren Werth sie erhält, wenn sie ein ungeheures Naturverfahren ausspricht, wenn der sich einen Spaß daraus macht, sie sophistisch zu verfratzen und sie durch künstlich sich einander selbst aufhebende Worte und Wendungen zu verneinen und zu vernichten, so weiß man nicht, was man sagen soll. Herr Troxler hat einen Theil dieser saubern Stelle als Motto gebraucht, da sie denn, genau bestehen, nichts weiter heißen soll, als daß die Herrn, wie Melchisedek, ohne Vater und Mutter geboren und ihren Vorfahren nichts schuldig seyen.

Ich bin von solchen Arbeitern im Weinberge alles gewärtig und gewohnt. Wenn ich aber auch Hegeln verlieren sollte, dieß würde mir leid thun. Denn was soll man von einer Logik hoffen, in deren Vorrede mit dürren Worte stünde: aus falschen Prämissen käme erst die rechte wahre Conclusion. Ich kann des Buches selbst nicht habhaft werden. Vielleicht nimmt sich die Stelle im Context besser aus. Trösten Sie mich deshalb, mein Lieber, wenn es möglich ist.

Grüßen Sie Herrn Schweigger vielmals. Bitten Sie ihn ja, daß er gegen die Sache redlich gesinnt bleibe. Der Journalist ist in doppelter Gefahr. Döbereiner wird ihm einen kleinen Aufsatz schicken, den wir in Jena zusammengestellt haben; eine merkwürdige[181] Ver- und Entgiftungsgeschichte aus dem Alterthum, die den Chemiker, den Arzt und den Juristen interessiren kann. Wenn ich länger in Jena verweilte, so könnte es noch manche dergleichen Mittheilungen geben.

da ich die mitlebenden Naturforscher etwas näher möchte kennen lernen, so haben wir eine kleine Notizen-Sammlung angefangen und zwar folgendermaßen. 1) Vor- und Zunahme. 2) Geburtsjahr. 3) Geburts- Ort. 4) Erste Studien. 5) Fernere Studien. 6) Lehre zu welcher derselbe geneigt. 7) Schriften. 8) Schicksale. 9) Gegenwärtige Aufenthalt und Beruf. 10) Äußere Gestalt. 11) Sittlicher Charakter.

Wollten sie mit Beyhülfe des Herrn Schweiggers nur die Männer, die auf dem Titel des Journals für Physik genannt sind, bekannt machen, so thäten Sie mir einen großen Gefallen. Man könnte es ja ganz kurz und tabellarisch behandeln.

Schreiben Sie mir doch etwas von den Arbeitern, bey deren wir die Magnetstäbe bestellen wollten. Ich schicke dann meinen großen, aus mehreren Stäben bestehenden Magneten Ihnen zu, daß er wieder hergestellt werde. Bey dessen Rücksendung könnten die Stäbe mit kommen.

So eben sehe ich noch einmal in das chemische Journal und finde den ungeheueren Unsinn von einem doppelten Grau, aus dem nun das weiße Licht bestehn soll, damit nur ja das Schwarz bey den Erscheinungen[182] keine Mitwirkung habe. Man meynt immer, die Narrheit der Parteiwuth müsse doch einmal eine Gruppe finden; aber es gelingt ihr noch immer, sich selbst in's Unendliche zu überbieten. Und dann fällt mir die Hegelsche Stelle wieder ein und ich verstimme.

Mit den aufrichtigsten Wünschen für Ihr Wohl und das Wohl der Ihrigen.

Weimar den 28. Nov. 1812.


Nachschrift.

Mit beyliegendem Briefe könnte mir's gehn, wie schon mit mehreren, die ich lebhaft dictirte, weil ich meine Freunde gegenwärtig zu haben glaubte, sodann aber, wegen einiges Bedenkens, zurückhielt. So veralteten sie und wanderten zuletzt mit andern unbrauchbaren Blättern in's Feuer. Mündlich geht manches, auch das Heftigere vorüber, das auf dem Papier nicht gebilligt werden kann. Indessen da sich in Deutschland kein Mensch um meinetwillen öffentlich genirt, so sehe ich gerade nicht ein, warum ich mich in der stillen Unterhaltung mit meinen Freunden so sehr geniren sollte. Ich implorire daher das nobile officium amici und ersuche sie diesen Brief freundlich aufzunehmen, mit Bedacht und gutem Willen zu lesen, ihn für sich zu behalten, und allenfalls zu verbrennen. Und da nun dieser Schritt überwunden ist, so thue ich gleich noch einen zweyten und sende Ihnen einige[183] andre Dinge, damit es doch zwischen uns werde wie vormals, da man in glücklicher Nähe sich alles comuniciren konnte und wenn es auch nur ein Tagscherz gewesen wäre.

Entschuldigen und lieben Sie den Ihrigen.

Den 29. Nov. 1812.

Goethe.


[Beilage.]

Groß ist die Diana der Epheser.

Als das Troxler'sche Werk über das Wesen des Menschen allzu sehr gelobt wurde.

Sie haben mich veranlaßt, das Werk selbst zu lesen. Es verdient allerdings beachtet, aber freylich nicht präconisirt zu werden; wenn man den Verfasser auch noch so sehr schätzt, so kann man doch nicht Partei für ihn nehmen. Das Werk ist auf alle Weise problematisch und wird die Köpfe eher verwirren als zurechtsetzen. Es hat sehr schöne, lobenswürdige, lichtvolle, brillante Partien, aber auch so viel Hiatus, Unzulänglichkeiten und Falschheiten, die sich mit Bombast umwölken und dieser Lichtwelt eine Nachtseite verschaffen. Es ist jammerschade, daß die herrlichen Bemühungen unserer Zeit auf solcher Weise wieder retardirt und die Blüthe durch die Frucht (aber nicht wie Herr Hegel und Troxler meinen) Lügen gestraft wird; so lügen die Kirschen nach dem gemeinen Sprichwort.[184]


23/6438.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Beyliegende Briefe werden Sie mit Antheil, ja mit Bewunderung lesen. Möchten Sie heute wohl etwa um zwölf Uhr kommen, so ließ ich vor Tische noch allerley besprechen.

Weimar den 29. Nov. 1812.

G.


23/6439.


An Carl Friedrich Zelter

Dein Brief, mein geliebter Freund, der mir das große Unheil meldet, welches deinem Hause widerfahren, hat mich sehr gedrückt, ja gebeugt, denn er traf mich in sehr ernsten Betrachtungen über das Leben, und ich habe mich nur an dir selbst wieder aufgerichtet. Du hast dich auf dem schwarzen Probirsteine des Todes als ein ächtes, geläutertes Gold aufgestrichen. Wie herrlich ist ein Charakter, wenn er so von Geist und Seele durchdrungen ist, und wie schön muß ein Talent seyn, das auf einem solchen Grunde ruht!

Über die That oder Unthat selbst weiß ich nichts zu sagen. Wenn das taedium vitae den Menschen ergreift, so ist er nur zu bedauern, nicht zu schelten. Daß alle Symptome dieser wunderlichen, so natürlichen als unnatürlichen Krankheit auch einmal mein[185] Innerstes durchrast haben, daran läßt Werther wohl niemand zweifeln. Ich weiß recht gut, was es mich für Entschlüsse und Anstrengungen kostete, damals den Wellen des Todes zu entkommen, sowie ich mich aus manchen spätern Schiffbruch auch mühsam rettete und mühselig erholte. Und so sind nun alle die Schiffer- und Fischergeschichten. Man gewinnt nach dem nächtlichen Sturm das Ufer wieder, der Durchnetzte trocknet sich, und den andern Morgen, wenn die herrliche Sonne auf den glänzenden Wogen abermals hervortritt, hat das Meer schon wieder Appetit zu Feigen.

Wenn man sieht, wie die Welt überhaupt und besonders die junge, nicht allein ihren Lüsten und Leidenschaften hingegeben ist, sondern wie zugleich das Höhere und Bessere an ihnen durch die ernsten Thorheiten der Zeit verschoben und verfratzt wird, so daß ihnen alles, was zur Seligkeit führen sollte, zur Verdammniß wird, unsäglichen äußern Drang nicht gerechnet, so wundert man sich nicht über Unthaten, durch welche der Mensch gegen sich selbst und andere wüthet. Ich getraute mir, einen neuen Werther zu schreiben, über den dem Volke die Haare noch mehr zu Berge stehn sollte als über den ersten. Laß mich noch eine Bemerkung hinzufügen. Die meisten jungen Leute, die ein Verdienst in sich fühlen, fordern mehr von sich als billig. Dazu werden sie aber durch die gigantische Umgebung gedrängt und genöthigt. Ich[186] kenne deren ein halb Dutzend, die gewiß auch zu Grunde gehn und denen nicht zu helfen wäre, selbst wenn man sie über ihren wahren Vortheil aufklären könnte. Niemand bedenkt leicht, daß uns Vernunft und ein tapferes Wollen gegeben sind, damit wir uns nicht allein vom Bösen, sondern auch vom Übermaaß des Guten zurückhalten.

Laß uns nun übergehn zu den andern Wohlthaten deiner Briefe, und ich danke dir zuvörderst für die Betrachtungen über meine biographischen Blätter. Ich hatte darüber schon manches Gute und Freundliche im Allgemeinen erfahren, du bist der erste und einzige, der in der Sache selbst eingeht. Ich freue mich, daß die Schilderung meines Vaters eine gute Wirkung auf dich hervorgebracht. Ich will nicht leugnen, daß ich die deutsche Hausväter, diese Lorenz Starke, und wie sie heißen mögen, herzlich müde bin, die in humoristischer Trübe ihrem Philisterwesen freyes Spiel lassen, und den Wünschen ihrer Gutmüthigkeit unsicher in den Weg treten, sie und das Glück um sich her zerstören. In den folgenden zwey Bänden bildet sich die Gestalt des Vaters noch völlig aus; und wäre sowohl von seiner Seite als von der Seite des Sohns ein Gran von Bewußtseyn in dies schätzbare Familienverhältniß getreten, so wäre beyden vieles erspart worden. Das sollte aber nur nicht seyn und scheint überhaupt nicht für diese Welt zu gehören. Der beste Reiseplan wird durch einen albernen Zufall[187] gestört und man geht nie weiter, als wenn man nicht weiß, wohin man geht.

Habe ja die Güte, deine Betrachtungen fortzusetzen: denn da ich, den Forderungen der Darstellung gemäß, langsam gehe und gar manches in Petto behalte, (worüber denn schon manche Leser ungeduldig werden, welchen es wohl ganz recht wäre, wenn man ihnen die Mahlzeit von Anfang bis zu Ende, wohl gesotten und gebraten, in einer Session vortrüge, damit sie solche auch geschwind auf den Nachtstuhl trügen und sich morgen in einer andern Restaurationsstube oder Garküche, besser oder schlechter, wie es das Glück träfe, bewirthen ließen) da ich also, wie es gesagt, hinter dem Berge halte, um mit meinen Landsknechten und Reutern zur rechten Zeit hervorzurücken, so ist es mir doch höchst interessant, zu vernehmen, was du als ein erfahrner Feldzeugmeister, dem Vortrabe schon abmerkst.

Recensionen dieses Werkleins habe ich noch nicht gelesen, das will ich auf einmal thun, wenn die zwey nächsten Bände gedruckt sind. Seit so vielen Jahren kann ich schon bemerken, daß diejenigen, die öffentlich über mich reden sollen und wollen, sie mögen nun guten oder bösen Willen haben, sich in einer peinlichen Lage zu befinden scheinen, und mir ist wenigstens kaum ein Recensent zu Gesicht gekommen, der nicht an irgend einer Stelle die famose Miene Vespasians angenommen und eine faciem duram gewiesen hätte.

[188] Könnten Sie mich einmal unversehens durch den Rinaldo erfreuen, so wäre es eine große Sache. Ich habe mit der Musik keinen Zusammenhang als durch Sie, deswegen Ihnen auch für den Invocavit und die drey Könige herzlicher Dank gesagt sey, ob ich gleich nur noch mit den Augen genossen habe.

Wir leben hier, mit einem ganz disproportionirten Aufwande auf Musik, doch eigentlich ganz sang- und klanglos. Die Oper, mit ihren alten Inventarien-Stücken und denen für ein kleines Theater zugestutzen und langsam genug producirten Neuigkeiten, kann Niemanden entschädigen. Indessen freut mich's, daß Hof und Stadt sich weiß machen, es sey eine Art von Genuß vorhanden. Der Bewohner einer großen Stadt ist von dieser Seite glücklich zu preisen: denn dorthin zieht sich doch so manches bedeutende Fremde. Madame Milder hätte ich wohl hören mögen.

Auf Alfieri haben Sie einen Kernschuß gethan. Er ist merkwürdiger als genießbar. Seine Stücke erklären sich durch sein Leben. Er peinigt Leser und Hörer, wie er sich als Autor peinigte. Seine Natur war vollkommen gräflich, d.h. stockaristokratisch. Er haßte die Tyrannen, weil er sich selbst eine Tyrannen-Ader fühlte, und das Schicksal hatte ihm eine recht gebührende Tribulation zugedacht, als es ihn durch die Hände der Sansculotten noch leidlich genug bestrafte. Eben diese seine innere Adels- und Hofnatur tritt zum Schlusse recht lustig hervor, da er sich selbst[189] für seine Verdienste nicht besser zu belohnen weiß, als daß er sich einen Orden verfertigen läßt. Konnte er deutlicher zeigen, wie eingefleischt ihm jene Formen waren?

Eben so muß ich einstimmen in das, was Sie von Rousseau's Pygmalion sagen. Diese Production gehört allerdings zu den monstrosen und ist höchst merkwürdig als Symptom der Hauptkrankheit jener Zeit, wo Staat und Sitte, Kunst und Talent mit einem namenlosen Wesen, das man aber Natur nannte, in einem Brey gerührt werden sollte, ja gerührt und gequirlt ward. Diese Operation soll, hoff ich, mein Nächster Band zum Anschauen bringen: denn ward ich nicht auch von dieser Epidemie ergriffen, und war sie nicht wohlthätig schuld an der Entwickelung meines Wesens, die mir jetzt auf keine andre Weise denkbar ist?

Nun muß ich noch Ihre Anfrage wegen der ersten Walpurgisnacht erwidern. Es verhält sich nämlich folgendermaßen. Unter den Geschichtforschern giebt es welche, und es sind Männer, denen man seine Achtung nicht versagen kann, die zur jeder Fabel, jeder Tradition, sie sey so phantastisch, so absurd als sie wolle, einen realen Grund suchen, und unter der Mährchenhülle jederzeit einen factischen Kern zu finden glauben.

Wir sind dieser Behandlungsart sehr viel Gutes schuldig: denn um darauf einzugehn gehört große Kenntniß, ja Geist, Witz, Einbildungskraft ist nöthig,[190] um auf diese Art die Poesie zur Prosa zu machen. So hat nun auch einer der deutschen Alterthumsforscher die Hexen- und Teufelsfahrt des Brockengebirgs, mit der man sich in Deutschland seit undenklichen Zeiten trägt, durch einen historischen Ursprung retten und begründen wollen. Daß nämlich die deutschen HeydenPriester und Altväter, nachdem man sie aus ihren heiligen Hainen vertrieben und das Christenthum dem Volke aufgedrungen, sich mit ihren treuen Anhängern auf die wüsten unzugänglichen Gebirge des Harzes, im Frühlings Anfang begeben, um dort, nach alter Weise, Gebet und Flamme zu dem gestaltlosen Gott des Himmels und der Erde zu richten. Um nun gegen die ausspürenden bewaffneter Bekehrer sicher zu seyn, hätten sie für gut befunden, eine Anzahl der Ihrigen zu vermummen, und hiedurch ihre abergläubischen Widersacher entfernt zu halten, und, beschützt von Teufelsfratzen, den reinsten Gottesdienst zu vollenden.

Ich habe diese Erklärung vor vielen Jahren einmal irgendwo gefunden, ich wüßte aber den Autor nicht anzugeben. Der Einfall gefiel mir, und ich habe diese fabelhafte Geschichte wieder zur poetischen Fabel gemacht.

Und nun das herzlichste Lebe wohl! Wie sehr wünschte ich mich statt dieses Blatts in deine Nähe!

Weimar d. 3. December 1812.

G.[191]


23/6440.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeb.

erhalten hiebey

1) die Rosen des Herrn v. Malesherbes.

2) die neue Frauenschule.

3) die Geschwister.

4) der grüne Domino.

5) der Polterabend.

6) die Schweizerfamilie.

Ich habe die Einrichtung getroffen, daß jederzeit Freytag oder Sonnabend die Stücke der nächsten Woche bey Ihnen abgegeben werden. Sonntags oder Montags frühe wird man sie wieder abholen und so die gute Anstalt im Gange bleiben, woran Sie gütig und freundlich Theil nehmen wollen. Nach und nach wird sie immer weniger Beschwerde machen. Mich bestens empfehlend

Den 4. Dec. 1812.

G.


23/6441.


An Johann Heinrich Meyer

So eben fällt mir ein, wie ich Ihr historisches Münzstudium sehr erleichtern kann. Hiebey folgt nämlich der Registerabend zu den Köhlerischen Münzbelustigungen. Wenn Sie darinn die vorkommenden[192] Münzen aufschlügen, die Citate an die Seite meines Verzeichnisses schrieben, so könnten Sie alsdann auf der Bibliothek das Werk selbst leicht nachschlagen und in wenig Stunden das Geschäft vollbringen.

Mögen Sie heute Abend auf ein paar Capitel des Diodors mich besuchen, so wären Sie sehr willkommen.

Den 6. Dec. 1812.

G.


23/6442.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

Du hast mir, mein trefflicher Freund, mit der großen Zenobia abermals recht viel Vergnügen gemacht. Ich glaube auch daß das Stück aufführbar werden könnte, nur müßte von allen Dingen noch manches von rythmischer Seite daran gethan werden: denn, wie du selbst bemerktest, so manchen die Stellen, die als Octaven gedacht sind, nur in diesem Sylbenmaaß ihre rechte Wirkung. Riemer, mit dem ich die Sache gestern besprochen, bedauert mit mir, daß unsere nächsten bringenden Arbeiten uns von diesem angenehmen Geschäft abhalten. Aber wir sind beyde zu gleicher Zeit auf den Gedanken gekommen, ob du dich nicht mit Gries associiren solltest. Dieser hat in solchen Dingen eine große Facilität und soviel Zeit, daß sich hoffen ließe, das Werk bald vollendet zu sehen. Zuletzt will ich gern zu allen förderlich seyn, was das Theater allenfalls noch verlangen[193] möchte. Lehnst du diesen Vorschlag nicht ab, so will ich durch Knebeln präludiren lassen. Ich sollte denken, es müßte Dr. Griesen sehr angenehm seyn, in so guter Gesellschaft, einen Beweis seiner Talente zu geben.

Lebe recht wohl und empfiehl mich meinen hohen Gönnern und Freunden. – Nur noch Eins zu sagen, so ist es ein ganz stupender Einfall, daß die in die Höhle gestürzte Halbprophetinn und Trügerinn zur wahren Prophetinn dadurch wird, daß man sie mißversteht. Vale!

Weimar den 7. Dec. 1812.

Goethe.


23/6443.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Ew. Wohlgeboren

haben mir durch die übersendete gründliche und geistreiche Darstellung Ihrer dießjährigen Thätigkeit ein großes Vergnügen gemacht, indem ich dadurch sowohl in den Stand gesetzt bin, das was Sie geleistet haben, entschiedener zu schätzen, als auch angereizt werde, an Ihrer herrlichen Wissenschaft innigeren Antheil zu nehmen.

Möge die Heiterkeit, mit der Sie selbst wirken und an dem Wirken anderer Theil nehmen, Sie immerfort begleiten. Der Frohsinn ist so wie im[194] Leben, also auch in Kunst und Wissenschaft der beste Schutz- und Hülfspatron.

Ihre gehaltreichen Blätter habe ich Durchl. dem Herzog überreicht und wünsche, daß sie zu angenehmen und lehrreichen Abend-Unterhaltungen Gelegenheit geben mögen.

Das Beste wünschend

Weimar den 10. December 1812.

Goethe.


23/6444.


An Joseph Ellmaurer

Wohlgeborner insonders hochgeehrtester Herr!

Als ich in der ersten Hälfte dieses Jahres durch die besondere Gunst des Herrn Grafen von Metternich Excellenz die Nachricht von meiner Aufnahme zum Ehrenmitgliede der Österreichisch Kaiserl. Akademie der vereinigten bildenden Künste zu vernehmen das Glück hatte, fand ich mich dadurch höchlich geehrt und aufgemuntert. Nunmehr erneut sich dieses Vergnügen, indem Ew. Wohlgeb. mir das ausgefertigte Diplom geneigt übersenden.

Schon die kunstreiche Zierlichkeit desselben macht den angenehmsten Eindruck; sie giebt einen Beweis, daß da, wo die höheren Künste vereint wirken, auch die untergeordneten Fertigkeiten entschiedene Vortheile gewinnen und zu der Vollendung des Ganzen das Ihrige beytragen.

[195] Haben Sie die Güte, meinen Empfundenen Dank der ansehnlichen Akademie, dem verehrten Herrn Curator und Präsidenten darzulegen und mich allerseits auf das angelegentlichste zu empfehlen.

Sollte ich irgend etwas in Schriften verschaffen, wovon ich glauben könnte, daß eine so erleuchtete Gesellschaft einigen Antheil daran nehmen dürfte, so würde ich nicht ermangeln, damit schuldigst aufzuwarten. Und so erlauben Ew. Wohlgeb. zum Schluß die aufrichtige Versicherung, daß es mir höchst angenehm sey, mit Denenselben auf diese Weise in Verhältniß und nähere Verbindung zu kommen.

Der ich mich zu geneigtem Andenken empfehle und mit ganz besonderer Hochachtung mich zu unterzeichnen die Ehre habe

Ew. Wohlgeb.

ganz ergebenster Diener

Weimar, den 10. December 1812.

J. W. Goethe.


23/6445.


An Andreas Adolf von Merian

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

verfehle nicht, hiedurch schuldigst anzuzeigen, daß ich das mir gefällig übersendete Packet zu besonderm Vergnügen und Danknehmigkeit erhalten und mich dafür auch Ew. Wohlgeb. verbunden erkenne.

[196] Indem ich nun um die gütige Besorgung des inliegenden Briefs ergebenst bitte, so habe ich die Ehre, mich mit besonderer Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 10. Dec. 1812.


23/6446.


An Carl Friedrich Zelter

Ich verfehle nicht, mein theurer Freund, dir zu vermelden, daß die Rübchen glücklich angekommen sind. Der eingefallene Frost hat ihnen nichts geschadet, sie schmecken vortrefflich und sollen uns in dem zu erwartenden strengen Winter wohlthätig seyn.

Mit der fahrenden Post erhältst du ein wunderliches Werk, das dir gewiß zu einiger Unterhaltung dienen wird. Es ist von einem merkwürdigen aber freylich etwas seltsamen Manne und enthält eine neue Symbolik der Musikschrift. Statt der bisherigen Linien, Intervalle, Notenköpfchen und Schwänzchen setzt er Zahlzeichen und behauptet, daß man auf dieser Weise viel leichter wegkomme. Ich kann darüber nicht urtheilen: denn erstlich bin ich die alte Notenschrift von Jugend auf gewohnt und zweytens kann niemand zahlenscheuer seyn als ich, und ich habe von jeher alle Zahlensymbolik, von der Pythagoräischen an bis auf die letzten Mathematico-Mystiker, als etwas Gestaltloses und Untröstliches gemieden und geflohn.

Der Verfasser, der sich Dr. Werneburg nennt, ist[197] gewiß ein geborner mathematischer Kopf, der aber die eigne Art hat, daß er die Dinge, indem er sie sich erleichtert, andern schwer macht; deshalb hat er mit nichts durchdringen können und wird schwerlich jemals, sowohl in den bürgerlichen als denn wissenschaftlichen Verhältnissen, glücklich und zufrieden werden.

Sage mir ein Wort über dieses Büchlein: denn du wirst leicht übersehen, was ihm zu Gunsten und zu Ungunsten spricht.

Vor einigen Tagen, weil man in den Winterstunden manches Vergangene recapitulirt, fiel mir ein, Herr Friedländer habe mir voriges Jahr eine Jupiterbüste zum Tausch angeboten. Sie war nicht groß und von rothem Marmor. Ist sie noch vorhanden und seine Meynung diesselbe, so wäre mir's angenehm, wenn sie mir wohl eingepackt zugesendet würde. Ich wollte sodann, wie das vorige Mal, meine Gedanken aufrichtig darüber mittheilen und das Beste was ich zu geben habe, dagegen anbieten. So besitze ich eine Medaille von Cellini doppelt, es ist diejenige von Moses und der Umschrift: ut bibat populus, die ich wohl hochschätzen muß, weil ich dreyßig Jahre vergebens danach getrachtet habe, und sie alsdann durch sonderbare Zufälle in einem Jahre doppelt erhielt.

Vielleicht hat der Besitzer der büste noch eine andere Liebhaberey, der ich entgegenkommen kann.

[198] Nun will ich aber auch für die übersendeten Comödienzettel danken. Sie werden nun gebunden und ich kann euren Berlinischen Theater- und Musikfreuden des ganzen Jahres in Gedanken folgen.

Wenn es mir immer leid thut, daß ich deine akademischen Abende nicht mitfeyern kann, so thut es mir auch weh, daß du manche schöne Vorstellung unserer Schauspieler nicht mit ansiehst. Neulich haben sie Romeo und Julie wieder ganz vortrefflich und zu Jedermanns Zufriedenheit gegeben. In Berlin müssen sie mit diesem Stücke sehr täppisch umgegangen seyn.

Ifflanden erwarten wir noch vor dem neuen Jahr. Ich freue mich sehr, ihm noch so langer Zeit einmal wieder zu sehen und die er jede Rolle zu adeln weiß. Er ist wohl eine der seltensten Erscheinungen und ich glaube, daß sie noch bey keiner andern Nation Staat gefunden, daß der größte Schauspieler sich meistens Rollen aussucht, die ihrem Gehalt nach seiner unwürdig sind und denen er durch seyn Spiel den höchsten augenblicklichen Werth zu verschaffen weiß. Genau betrachtet hat ein solches Verfahren auf den Geschmack des Volks einen höchst ungünstigen Einfluß: denn indem man genöthigt wird, unter einer gegebenen Bedingung dasjenige zu schätzen, was man sonst nicht achtet, so kommt ein Zwiespalt in unser Gefühl, der sich bey der Menge gewöhnlich zu Gunsten des Geringen und Verwerflichen schlichtet, das sich[199] unter dem Schutze des Vortrefflichen eingeschlichen hat, und sich nunmehr als vortrefflich behauptet.

Wir wollen aber diese Betrachtungen für uns behalten; sie nützen der Welt nicht, die immer in ihrem Wuste hingehn mag.

Indessen ich nunmehr am dritten Theile meiner Biographie schreibe, gelange ich zu den ersten Wirkungen Shakespears in Deutschland. Ob sich wohl hierüber noch etwas neues sagen läßt? – Ich hoffe es. Ob ich Jedermann nach dem Sinne sprechen werde? Daran zweifle ich sehr. Und da die Deutschen von jeher die Art haben, daß sie es besser wissen wollen als der, dessen Handwerk es ist, daß sie es besser verstehn, als der, der seyn Leben damit zugebracht, so werden sie auch dießmal einige Gesichter schneiden, welches ihnen jedoch, in Betracht ihrer übrigen Untugenden, verziehen werden soll.

Verzeihe mir nun aber auch, liebster Freund, wenn ich in meinen Briefen manchmal auch sauer sehe. Alte Kirchen, dunkle Gläser, sagt das deutsche Sprüchwort, und die kurzen Tage machen auch nicht heller. Meine Heiterkeit bewahre ich mir hauptsächlich für die biographischen Stunden, damit sich in die Reflexionen, die doch einmal hergestellt werden sollen, nichts Trübes und Unreines mische.

Und somit Gott befohlen! Laß mich bald etwas vernehmen und lernen.

Weimar den 12. December 1812.

G.[200]


23/6447.


An Carl Ludwig von Knebel

Endlich muß es denn entschieden, daß Iffland ankommt. Sonnabend den 19. ist die große Oper die Vestalinnen, Sonntag tritt Iffland in der Clementine auf und spielt wahrscheinlich gleich vier Mal hinter einander.

Wenn also Sonnabends zu Tische bey uns anlangst, so kannst du fünf consecutiven bedeutenden Vorstellungen beywohnen, welches dir gewiß wohl thun wird. Dein Zimmer ist bereit.

Unsere liebe Prinzeß hat mir einen gar herrlichen Brief geschrieben, wofür du ihr vorläufig danken wirst, bis ich selbst meine Schuld abtrage.

Die Stücke, in welchen Iffland auftritt, sind folgende:

Clementine,

der gutherzige Polterer,

die Lästerschule,

Don Ranudo de Colibrados,

der arme Poet,

der Kaufmann von Venedig,

Selbstbeherrschung,

der Jude,

Künstlers Erdewallen.

Und hiermit den Göttern und den Musen empfohlen!

Weimar den 14. Dec. 1812.

Goethe.[201]


23/6448.


An Charlotte von Stein

Wenn Sie, theure Freundinn, mit den Productionen meiner Küche zufrieden sind; so erlauben Sie manchmal ein kleines Müsterschüsselchen zu übersenden.

Der vorjährige Wachsstock ging eben zu Ende, nun kommt ein frischer, in einer sehr schönen Sicherheits Hülle. Herzlichen Dank! so wie für das Papier. Es möchte wohl das erste und letzte Geschenk des heil. Krists seyn, der freylich nicht viel Ursache hat mich zu beschenken.

Gestern hatte ich wieder einmal Vocalmusic. Es ward etwas bereitet woran auch Sie Freude haben sollen. Mögen Sie indeß der Waldsänger immer freundlicher begrüßen.

Bald hoffe ich soll ich auch wieder aus dem Zimmer entlassen werden. Möchte ich Sie recht wohl und freundlich wiedersehn.

d. 14. Dec. 1812.

G.


Beyliegend eine merckwürdige zarte Lobrede auf ein abgeschiednes zartes Wesen.


23/6449.


An Christian Gottlob Voigt

Bey der letzten Revision der Museums-Angelegenheiten in Jena ließ sich bemerken, daß, bey aller angewendeten[202] Zeit und Bemühung, dennoch das am Ende zu ziehende Resumé nicht vollständig werden konnte, weil die Thätigkeit mehrerer mit einander verbundenen wissenschaftlichen Anstalten so groß ist, daß sie während eines Jahreslaufes sich mit mehr Gegenständen beschäftigt, als man am Ende leicht zusammenfassen und übersehen könnte.

Es ward daher mit den Vorstehern der verschiedenen Fächer verabredet, daß dieselben sich Diarien halten, oder sonst notiren sollten, was bey ihnen das Jahr über vorkäme. Professor Döbereiner erbot sich sogleich zu einem Nachberichte, welchen er denn auch so vollständig und gründlich, als geistreich eingesendet hat. Derselbe ist erst Serenissimo vorzulegen und alsdann zu den Acten zu nehmen.

Den 14. December 1812.

G.[203]


23/6449a.


An Carl von Pirch

Ist es Ew. Hochwohlgeb., wie ich hoffen darf, gelungen, nach denen in Ihrem Briefe ausgesprochenen Maximen einige günstige comische Süjets zu behandeln, so wird es allerdings ein Gewinn für das deutsche Theater seyn und ich würde mir eine Freude daraus machen, sie auf dem unsrigen zuerst mit Beyfall aufgeführt zu sehen.

Wollen Sie deshalb die Güte haben, mir die Manuscripte zuzusenden und mir erlauben, daß ich Ihr Zutrauen durch Aufrichtigkeit erwidere, so soll es mir angenehm seyn, dadurch mit Ihnen in ein näheres Verhältniß zu kommen und etwas zu Ihrer Zufriedenheit beyzutragen.

Mit vorzüglicher Hochachtung.

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar den 15. December

gehorsamster Diener

1812.

J. W. v. Goethe[432]


23/6450.


An Johann Heinrich Meyer

Ich erwähnte neulich der von Herrn von Manlich übersendeten Steindrücke. Mögen Sie wohl die Gefälligkeit haben, und Sie eines Abends mitbringen, damit wir darüber conversiren und überlegen, ob wir ihm, wo nicht öffentlich, doch wenigstens privatim etwas Freundliches darüber sagen können. Wenn Sie wieder eine Schublade Münzen verlangen, so schicken nur den Thomas.

Weimar den 15. December 1812.

G.[203]


23/6451.


An den Herzog Carl August

Der beyliegende Döbereinersche Brief meldet eine glückliche Entdeckung, die uns den Ursprung der Berkaischen Schwefelquellen anschaulicher macht.

Sie ist mir um so angenehmer, als sie die Vorstellung begünstigt, die ich mir früher von der Sache gemacht hatte. Hiernach wären also sämtliche Wasser unter den Berkaischen Wiesen- und Sumpfflächen sehr stark gypshaltig und verwandelten sich in Schwefelwasser, insofern das Licht darauf einwirkt, und so ständen jene Eisenquellen mit den schwefelhaltigen Quellen des Teiches recht gut in Verbindung und es erklärte sich, warum die tiefer erbohrten Wasser keinen Schwefelgeruch zeigen, indem das schweflige in ihnen noch nicht entbunden ist. Man wird bey weiter fortgesetzten Untersuchungen und Betrachtungen der Sache gewiß näher kommen.

Weimar den 18. December 1812.

Goethe.


23/6452.


An den Herzog Carl August

Die Wünsche, die Döbereiner äußert, habe ich auch schon im Stillen gehegt. Kann er sich zu Hause einrichten, daß er Alles, was eigentlich wissenschaftlich ist, mehr Raum, längere Zeit und ruhiges Abwarten[204] erfordert, in seiner Nähe zu hegen und zu pflegen im Stande ist, so entspringt daraus der große Vortheil, daß er das jetzige Laboratorium blos zu seinen Lehrzwecken benutzt; alsdann ist er doch nicht gestört und hier nicht gehindert.

Ein Amanuensis wird im Laufe dieses Jahres ohne große Kosten wohl anzustellen seyn. Ein solcher ist freylich höchst nöthig, das chemische Wissen geht alle Tage vorwärts und wie will einer dem Unbekannten, aber erst bekannt Gewordenen folgen, wenn er zugleich das längst Bekannte und Unbezweifelte Andern deutlich machen und überliefern soll? Daß Döbereiner individuelle Thätigkeit mit der allgemeinen gleichen Schritt halten möchte, das bringt freylich solche Wünsche bald zur Sprache; die bey einer andern Person und unter andern Umständen erst später hervortreten würden. Weimar den 18. December 1812.

G.


23/6453.


An Johann Heinrich Meyer

Hiermit vermelde, daß ein Töpfer in Nürnberg die zwölf Apostel von Sebaldus Grabe abgeformt hat und daß man gute Abgüsse davon, das Stück zu Zwey Gulden anbietet. Können Sie aus Ihrer Casse soviel entbehren und halten es der Mühe werth, diese Monumente einer merkwürdigen Zeit zu besitzen, so[205] will ich sie verschreiben, besonders aber anfragen, ob der Meister, so wie er sich selbst angebildet hat, auch mit als der dreyzehnte zu haben ist.

Den 18. December 1812.

G.


23/6454.


An Johann Georg Lenz

Findet sich in Ew. Hochwohlgeb. Verwahrung ein durchsichtiger Crystall von Kochsalz, wenn er auch nur etwas über einen Zoll groß wäre, so geschähe mir eine Gefälligkeit, wenn Sie mir solchen auf kurze Zeit mittheilten. Ein schönes Stück klaren Doppelspathes wäre mir auch sehr angenehm. Beydes würde ich, nach gemachten Gebrauch, dankbar zurücksenden.

Wenn Sie wieder etwas aus Ungarn erfahren, so haben Sie die Gefälligkeit, mir es gleich zu melden. Ich nehme den größten Antheil an allen guten und glücklichen Ereignissen, und wünsche recht wohl zu leben.

Weimar den 18. December 1812.

Goethe.


23/6455.


An Christian Gottlob Voigt

Aus dem Alterthum ist mir dieses Jahr nichts zu Theil geworden, womit ich glauben könnte Ew. Excell. zu dem heutigen Tage einiges Vergnügen zu machen. Erlauben Sie daher daß ich Ihre Aufmerksamkeit auf unsre neusten Bemühungen lencke.

[206] Das Original von beykommender Zeichnung ist ein sehr geschätztes Bild in Dresden, die Copie, die Arbeit eines der unsern der sich dort aufhält. Ohngeachtet mancher Schwächen läßt sie doch noch Vieles von den Verdiensten des Originals durchsehn.

Möchte der ländliche Gegenstand Ihren Blick einige Zeit fesseln! Möchten Sie alsdann mit Zufriedenheit alles desjenigen gedenken was Sie leisten und befördern und Sich zugleich der Liebe und Verehrung so vieler versichert halten, zu denen ich mich mit aufrichtiger Anhänglichkeit geselle.

Alles Gute und frohe auch völlige Wiederherstellung wünschend

Treu ergeben und verbunden

W. d. 23. Dec. 1812.

Goethe.


23/6456.


An Thomas Johann Seebeck

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

übersende hier zwey Stücke zeimlich durchsichtiges Steinsalz. Ich wünsche, daß es zu Ihrem Gebrauche möge dienlich seyn. Es hebt die unterliegenden Bilder recht gut in die Höhe, läßt auch, wenn man schief darauf blickt, die farbigen Ränder sehen; aber von den Doppel- und Halbbildern des Doppelspaths ist[207] keine Spur, Sie könne diese beyden Stücke Ihrer Sammlung einverleiben.

Wegen der Apostel bin ich noch zweifelhaft. Wenn Sie mir einige derselben, die Ihnen vorzüglich gefallen, aussuchen wollte, so wäre es mir wohl angenehm. Ich erinnere mich nicht genau wie groß sie sind. Den Ankauf möchte ich gern bezahlen, wenn nur nicht der Transport bis Jena zu theuer würde und die Figürchen gut gepackt werden könnten. Der Meister hat sich selbst irgendwo abgebildet im Wams und Schurzfell. Diesen möchte ich besonders gern haben. Ist von den Propheten, die oben auf dem Grabmal sitzen, auch etwas abgeformt? Haben Sie die Güte mir hierüber einige Nachricht zu geben. Sollte es mir der Bestellung Eil haben, so überlasse ich Ihnen die Sache ganz und bitte, nach Ihrer Überzeugung zu handeln. Der am 21. dieses abgegangene Rizetti wird wohl schon angekommen seyn. Mehr sage ich dießmal nicht. Unsere Tage und Abende sind jetzt sehr stürmisch. Iffland spielt, des heilige Christ soll bescheren, das neue Jahr bringt alle Glückwünsche in Bewegung; nun treten noch Geburstäge dazwischen und man weiß kaum, wo man sich hinwenden soll, und also nur noch zu diesem Wechsel der Zeit alles Gute Ihnen und den Ihrigen!

Weimar den 24. Dec. 1812.[208]


23/6457.


An Christian Gottlob Voigt

[Concept.]

[24 December 1812?]

Daß Ew. Excellenz durch die herrliche Sendung mich beynach erschreckt, davon werden Sie Sich leicht überzeugen, wenn Sie beyliegenden Catalog durchlaufen wollen. Eine Sammlung, die uns so viel Freude macht, mit einem Male auf's Doppelte vermehrt zu sehen, muß überraschen. Ich hätte mich sehr gern mit Brosamen begnügt, und nun finde ich mich vor einer großen Malzeit. Wenn man sich fast beschämt fühlt, so weiß man nicht recht zu danken, und also für dießmal nur die wiederholte Versicherung der Verehrung und Liebe, womit ich Ew. Excellenz immer zugethan bleibe.


23/6458.


An Johann Wolfgang Döbereiner

Ew. Wohlgeboren

sind in Ihren beyden letzten Briefen meinen Wünschen zuvor gekommen. Die Erklärungsweise, wodurch Sie uns über den Ursprung der Berkaischen Schwefelwasser verständigen, kommt mit den Überzeugungen überein, die ich von solchen Dingen, freylich nur im Allgemeinen, hegen kann. Die großen Fortschritte der Chemie rechne ich unter die glücklichen Ereignisse, die mir begegnen können.

[209] In diesen Tagen habe ich wieder manche Stunde Ihrem vortrefflichen Handbuche gewidmet, um mich mit der Sprache, den Ausdrücken, der Terminologie, der Symbolik immer mehr bekannt zu machen. Nicht allein muß man sie wissen, um den Chemiker zu verstehn, sondern sich auch angewöhnen, damit selbst zu gebahren. Verläßt man nie den herrlichen elektro-chemischen geistigen Leitfaden, so kann uns das Übrige auch nicht entgehn.

Aus Italien hat uns ein Herr Morecchini Hoffnung gemacht, Farben und Magnetismus in Rapport zu setzen. Herr Dr. Seebeck hat zwar kein Zutrauen dazu, allein mir ist an der Sache so unendlich viel gelegen, daß ich ihr die Zeit her immer nachgehe. Ich habe mir einen Entwurf zu einer Reihe von Versuchen gemacht, deren Resultate ich nächstens zu melden hoffe. Heute sage ich nicht mehr, als daß ich Sie ersuche, der Selbstverbrennung lebender menschlicher Körper Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, welche Dr. Kopp zu Hanau wieder zur Sprache gebracht hat. (S. Jenaische Ergänzungsblätter für 1813 Spalte 44.) Hier wie bey'm Verfaulen, Verwesen, Verfetten, ist die Operation ganz chemisch und um so merkwürdiger, als die Elemente den Rest einer geschwächter Rivalität überwältigen. Da die körperliche Beschaffenheit solcher Personen nunmehr ziemlich in's Klare gesetzt ist, so wäre die Frage, ob man nicht Leichnamen ähnlicher Art auf irgend einem chemischen Wege die Fähigkeit[210] mittheilen konnte, von einem geringen Feueranlaß entzündet zu werden und an und in sich selbst zu verbrennen. Alles deutet bey dieser Operation auf eine schnelle Entwickelung des Schwefelwasserstoffgases, mit dem wir uns bisher so eifrig beschäftiget haben.

Das Gablersche Haus, dessen Sie erwähnen, ist nicht gnädigster Herrschaft geblieben, sondern Cammerrath Nöthlich hat es für 505 Thlr. erstanden; doch habe ich Ihre Wünsche Serenissimo bey dieser Gelegenheit vorgetragen, so daß wenigstens eine Einleitung für künftige Fälle geschehn ist. Glauben Sie, daß ich gern alles beytrage, um sowohl Ihre Arbeiten als Ihre Zufriedenheit zu befördern.

Doctor Seebeck grüßt vielmals und fährt fort, thätig und theilnehmend zu seyn.

Weimar den 26. December 1812.

Goethe.


23/6459.


An Friedrich Theodor von Müller

Möchten Ew. Hochwohlgeb. vielleicht vermitteln, daß Herr von St. Aignan sich morgen hora locoque consuetis bey mir wieder einmal einfände. Da ich noch nicht an Hof gekommen und sonst keinen Besuch abgestattet, so nimmt er ja wohl meine bisherige Abgeschiedenheit nicht übel und unterbricht freundlich die lange Pause. Ich möchte gern die Erinnerungsmünze[211] der schönen Fürstinn überreichen und würde manches zurecht legen, was diesem würdigen Manne zur Unterhaltung dienen könnte. Auch Sie, mein trefflicher Freund, habe ich so lange nicht gesehn und hoffe auch deshalb auf eine günstige Gewährung.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich bestens empfehle.

Weimar den 26. December 1812.

Goethe.


23/6460.


An Carl Joseph Hieronymus Windischmann

Ew. Wohlgeb.

haben Sich in dieser Zeit zweymal so freundlich bey mir angemeldet und dadurch die kurzen und düstren Wintertage dergestalt erheitert und verlängert, daß ich mich gedrungen fühle, Ihnen noch im alten Jahr dafür meinen verbindlichen Dank abzustatten.

Die zarte Weise, mit der Sie das Andenken eines zarten Abgeschiedenen feyern, hat meine Bewunderung erregt. Sie haben das Klingen und Verklingen eines liebenswürdigen Wesens in Ihrer schönen rede nicht dargestellt, sondern nachgeahmt, und diesen trefflichen Mann dadurch wirklich unter den Lebendigen erhalten. Der Kunst, mit der solches geschehen, will ich nicht zu Ungunsten sprechen, aber das erlauben Sie mir zu sagen: so glücklich wäre die Arbeit nicht gerathen, wenn nicht das Herz dabey gewesen wäre.

[212] Eine zweyte, zwar nicht unbekannte, aber doch unerwartete Erscheinung war Ihre Recension meiner Farbenlehre in den Ergänzungsblättern der Jen. allg. Literaturzeitung. Ich habe seither über diesen Gegenstand so wenig gedacht, daß ich vielmehr alles Denken darüber ablehnte, um mich andern Dingen zu widmen, indeß diese meine vieljährige Arbeit im Stillen wirken möchte. Ich faßte um so eher diesen Entschluß als ich vernahm, daß das Meiste, was öffentlich darüber geäußert wurde, nur in Mißgebärden bestand, denen zuzusehn ich nicht Lust hatte. Nun tritt Ihre ruhige, theilnehmende, freundliche Anzeige hervor, in der ich mich selbst mit meinen Intentionen und Gesinnungen wieder finde und meine Arbeit dabey so schön supplirt sehe, daß ich wohl hoffen darf, ein solcher Mitarbeiter werde dasjenige immer mehr nachholen, was ich rechts und links, mit Wissen und unbewußt liegen ließ.

Einen Wink, den Sie in diesem Aufsatze geben lassen Sie mich erwidern, zum Beweis meiner Aufmerksamkeit. Sie bemerken mit Recht, daß ich das Magische, das Höhere, Unergründliche, Unaussprechliche der Naturwirkungen zwar nicht mit Ungunst, aber doch von der negativen Seite betrachtet; und so ist es auch. Denn indem ich meine Farbenwelt aus Licht und Finsterniß zusammensetzte und dadurch schon in Gefahr gerieth, den meisten meiner Zeitgenossen düster und ungenießbar zu erscheinen; so hielt ich[213] mich um desto mehr auf der Lichtseite, als mir ohnehin alles, was ich der Nachtseite zuschrieb, von den herrschenden Theoretikern abgeleugnet und mißgedeutet werden mußte, wie es denn noch bis auf den heutigen Tag geschieht.

Sodann ist im Wissenschaftlichen, wie in allem Irdischen, die Nacht mächtiger als der Tag: denn wie viel Dunst und Wolken, wie mancher Nebel und Höhrauch, ja bey'm heitersten Himmel die nothwendige Trübe der Athmosphäre und die klimatischen Lagen, wie verkümmern sie uns den Lichtantheil, der von der Sonne gern immer gleichthätig zu uns herabkäme!

Diese Betrachtung bestimmte mich sowohl in gedachtem Werke, als überhaupt zu poetischen, wissenschaftlichen, künstlerischen Äußerungen, das Klare von dem Trüben, das Verständige vor dem Ahndungsvollen vorwalten zu lassen, damit bey Darstellung des Äußern das Innere im Stillen geehrt würde.

Aber gar manche durch meine Werke sich durchschmiegende, mehr oder weniger esoterische Bekenntnisse sind Ihnen gewiß nicht verborgen geblieben und diesen schreibe ich hauptsächlich Ihre freundliche Neigung gegen mich und gegen dasjenige zu, was von meinem Daseyn zur Erscheinung gekommen.

Nach allem diesem werden Sie sich überzeugen, daß es kein leeres Wort ist, wenn ich Sie versichere, daß ich mit Verlangen auf Ihr Werk gerichtet bin, welches Sie über Magie herauszugeben bedenken. Nach[214] dem, wie ich Sie zu kennen glaube, muß es höchst schätzbar werden, sowohl an sich, als in Betracht der Zeit, in welcher es erscheint. Die unglaublichen Entdeckungen der Chemie sprechen ja schon das Magische der Natur mit Gewalt aus, so daß wir ohne Gefahr wagen dürfen, ihr in einem höheren Sinne entgegen zu kommen, damit eine dynamische, geistreiche Betrachtung in allen Menschen recht begründet und belebt werde. Für's Atomistische, Materielle, Mechanische dürfen wir nicht sorgen; denn auch dieser Vorstellungsart wird es an Bekennern und Freuden nicht fehlen.

Soviel für dießmal; mit den besten Wünschen und Empfehlungen.

Was haben Sie zu Ihrem Vorredner in den Ergänzungsblättern gesagt? Mir sind diese Spalten ein neuer Beweis, wie geduldig das Papier ist. Hätte der Chemiker so widersprechende Elemente in einen Topf gegossen, so wäre das wildeste Aufbrausen, Wirken und Gegenwirken entstanden. Hier aber ruhe die unverträglichsten Wortphrasen recht behaglich neben einander; aber freylich kann dieser anscheinende Friede vor einem thätigen Geiste nicht bestehn und eine psychische Chemie wird hier nicht Neutralisation zu bewundern, sondern Nullität zu bedauern haben.

Haben Ew. Wohlgeb. vielleicht indessen mit Ihrer lieben Familie, wie Sie anfingen, die Farbenlehre weiter durchversucht, ist Ihnen als Phänomen oder als Erklärungsweise etwas Neues und Bedeutendes[215] erschienen? Theilen Sie mir solches ja mit, so wie auch, wenn einer meiner Gegner etwas Relevantes gesagt hätte. Freundschaftliche Anregungen beleben diese Studien auf eine angenehme Weise und erinnern uns, manches früher vorzunehmen, was man auf spätere Zeiten verschiebt, wenn uns Widerstand und Mißverstand verdrießlich machen.

Leben Sie recht wohl und bleiben meiner vorzüglichen Hochachtung versichert!

Weimar den 28. December 1812.

Goethe.


23/6461.


An Christian Heinrich Pfaff

Da Ew. Wohlgeb. als ein entschiedener und bedachter Gegner wider mich hervortreten, so habe ich Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie meiner Arbeit widmen wollen, sehr vielen Dank zu sagen, und dieß um so mehr, als ich meine Thätigkeit bisher anderen Gegenständen gewidmet, die mit meinen äußeren und inneren Verhältnissen mehr Verwandtschaft haben. Jenes Werk ist mir deshalb beynahe fremd geworden, gleichgesinnte Freunde sammeln jedoch mit Sorgfalt, was darüber öffentlich verhandeln wird, und Ew. Wohlgeb. erlauben, daß ich auch Ihre Schrift diesen Acten zufüge. Ist es mir durch Zeit und Umstände vergönnt, an meinen dritten Theil zu gehen, so[216] werd' ich alles auf einmal mit Ernst und Bedacht vornehmen und sowohl dasjenige, was ich schuldig blieb, nachbringen, als auch inwiefern mir indessen eigne Studien, Mitarbeit der Freunde und Thätigkeit der Gegner zur Belehrung gedient, aufrichtig darlegen und bekennen. Ich zweifle nicht, daß ich alsdann auch Ew. Wohlgeb. vielfachen Dank werde abzutragen haben.

Der ich mich geneigtem Andenken und fortdauerndem Wohlwollen angelegentlichst empfehle.

Ew. Wohlgeb. ergebenster Diener

J. W. v. Goethe.

Weimar den 29. December 1812.


23/6462.


An Johann Christian Ehrmann

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

für das Übersendete aufrichtig zu danken, will ich nicht versäumen, obgleich die Art der Mittheilung mir einige Apprehension hätte geben können. Ich rechne bey dem Wagniß, meine biographischen Blätter bey meinem Leben zu ediren, es zum größten Gewinn, daß sie mir eine nähere Theilnahme der Mitlebenden verschaffen; auch erhalte ich von vielen Seiten freundliche Berichtigungen und Nachträge, die mir zu großer Beyhülfe sind, sowohl bey Fortsetzung der Arbeit[217] immer sicherer zu verfahren, als auch in einer neuen Ausgabe manches näher zu bestimmen.

Wollen Sie fortfahren, mich von Ihren gütigen Gesinnungen zu überzeugen, so geben Sie mir zuerst einen Abriß Ihrer eignen Lebensbahn, und vielleicht auf den Puncten wo sie die meinige berührt, detailirtere Notizen und seyn Sie überzeugt, daß ich einen werthen Coätan gewiß zu schätzen weiß.

Soviel für dießmal. Nur bemerke ich noch, daß der protestantische Geistliche zu Sesenheim (vielleicht Sessenheim) Brion hieß, dessen so leib- als ehrenwerthe Familie ich nach dem Leben geschildert auch nach mehreren Jahren wieder besucht habe.

Mich zu geneigtem Andenken empfehlend.

Weimar den 29. Dec. 1812.


23/6463.


An Christian Gottlob Voigt

[Concept.]

Man hat schon früher bey mir präludirt und nun förmlich angezeigt, daß der Sohn unsers Hofr. Loder, welcher sich gegenwärtig als Professor in Königsberg befindet, wieder nach Jena zurückzukehren und dort angestellt zu seyn wünscht. Zu seiner Empfehlung habe ich kein anders Document, als sein Büchlein, worin er von seiner Reise nach Italien in medicinischer und chirurgischer Hinsicht Rechenschaft giebt. Für fähig hat man ihn immer gehalten, aber[218] auch für etwas unruhig. Sollte auf ihn jemals reflectirt werden, so sind Ew. Excell. in dem Fall, über ihn von mehreren Orten der Nachricht einzuziehn. Gegenwärtiges melde ich nur, um sagen zu können, daß ich das Gesuch an die Behörde gebracht habe. Ew. Excell. wird wohl bekannt seyn, daß der Vater sich noch zeitig genug aus Moskau gerettet; wohin aber, weiß man nicht.

Mich auf das angelegentlichste empfehlend.

Weimar den 31. December 1812.


23/6464.


An Johann Heinrich Meyer

[November-December 1812]

Hier ein Entwurf zu einem Aufsatz über Myrons Kuh. Erhält er Ihren Beyfall und theilen Sie mir Ihre fernere Bemerkungen mit, so kann er weiter bearbeitet werden. Vielleicht möchten Sie selbst die Restauration dieses Kunstwerks vornehmen. Ich wünschte es aber als Statue nicht als Basrelief zu sehen weil die Composition dann noch größere Vortheile hat, indem das Kalb in die Diagonale der Base zu stehen kommt, anderer Vortheile zu geschweigen.

Vielleicht legen Sie diesen Versuch unserer lieben Hoheit zur Unterhaltung vor. Die Münzabdrücke liegen in dem Schächtelchen, der mit 530 bezeichnete ist wohl der vollkommenste.[219]


23/6465.


An Johann Heinrich Meyer

[December 1812?]

Heute Abend wird

Zenobia

bey mir gelesen vielleicht unterhält es Sie zuzuhören.

G.


23/6466.


An Johann Heinrich Meyer

[December 1812?]

Ich bin so glücklich zwey Schubladen senden zu können, die ziemlich complett und die interessantesten sind. Sie fangen an mit 275 also mit Panormus und endigen mit 500 in Thessalien. Ich habe sie noch nicht revidiren können und fürchte sehr der gute junge Mann hat einige alte Zahlen falsch gelesen. Sie werde die Anachronismen leicht gewahr werden.

G.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 23, S. 143-220,432-434.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Goldoni, Carlo

Der Diener zweier Herren. (Il servitore di due padroni)

Der Diener zweier Herren. (Il servitore di due padroni)

Die Prosakomödie um das Doppelspiel des Dieners Truffaldino, der »dumm und schlau zugleich« ist, ist Goldonis erfolgreichstes Bühnenwerk und darf als Höhepunkt der Commedia dell’arte gelten.

44 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon