[374] Dämonen der List.
PFAFFE.
Der Kriegesgott, er wüte jetzt,
Und ihr umgarnt ihn doch zuletzt.
DIPLOMAT.
Zertret' er goldner Saaten Halme
Mit flügelschnellem Siegeslauf,
Allein wenn ich sie nicht zermalme,
Gleich richten sie sich wieder auf.[374]
DAME.
Die Geister macht er nie zu Sklaven;
Durch offne Rache, harte Strafen
Macht er sie nur der Freiheit reif.
HOFMANN.
Doch alles, was wir je ersonnen,
Und alles, was wir je begonnen,
Gelinge nur durch Unterschleif.
PFAFFE.
Den Völkern wollen wir versprechen,
Sie reizen zu der kühnsten Tat;
Wenn Worte fallen, Worte brechen,
Nennt man uns weise, klug im Rat.
JURIST.
Durch Zaudern wollen wir verwehren,
Und alle werden uns vertraun.
Es sei ein ewiges Zerstören,
Es sei ein ew'ges Wiederbaun.
LUSTIGE PERSON.
Steht nur nicht in so eng geschloßnen Reihen,
Schließt mich in eure Zirkel ein,
Damit zu euren Gaukeleien
Die meinigen behilflich sei'n!
Bin der Gefährlichste von allen!
Dieweil man mich für nichtig hält;
Daran hat jedermann Gefallen,
Und so betrüg' ich alle Welt.
Euch dien' es allen zum Bescheide:
Ich spiele doppelte Person
Erst komm' ich an in diesem Kleide,
In diesem mach' ich mich davon.
Zeigt sich als böser Geist, versinkt, eine Flamme schlägt empor.
DIPLOMAT.
Und nun beginnet gleich – das herrliche Gebäude,
Der Augen Lust, des Geistes Freude,
Im Wege steht es mir vor allen;
Durch eure Künste soll es fallen.
HOFMANN.
Leise müßt ihr das vollbringen,
Die gelinde Macht ist groß;
Wurzelfasern, wie sie dringen,
Sprengen wohl die Felsen los.[375]
CHOR.
Leise müßt ihr das vollbringen,
Die geheime Macht ist groß.
HOFMANN.
Und so löset still die Fugen
An dem herrlichen Palast;
Und die Pfeiler, wie sie trugen,
Stürzen durch die eigne Last.
In das Feste sucht zu dringen
Ungewaltsam, ohne Stoß.
CHOR.
Leise müßt ihr das vollbringen,
Die geheime Macht ist groß.
Während dieses letzten Chors verteilen sich die Dämonen an alle Kulissen, nur der Hofmann bleibt in der Mitte, die übrigen sind mit dem letzten Laute auf einmal alle verschwunden.
Ausgewählte Ausgaben von
Des Epimenides Erwachen
|
Buchempfehlung
Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.
32 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro