Straße.


[97] Faust. Mephistopheles.


FAUST.

Wie ist's? Will's fördern? Will's bald gehn?

MEPHISTOPHELES.

Ah bravo! Find' ich Euch in Feuer?

In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.

Heut' abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn:

Das ist ein Weib wie auserlesen

Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!

FAUST.

So recht!

MEPHISTOPHELES.

Doch wird auch was von uns begehrt.

FAUST.

Ein Dienst ist wohl des andern wert.

MEPHISTOPHELES.

Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder,

Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder

In Padua an heil'ger Stätte ruhn.

FAUST.

Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!

MEPHISTOPHELES.

Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun;

Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.

FAUST.

Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.

MEPHISTOPHELES.

O heil'ger Mann! Da wärt Ihr's nun!

Ist es das erstemal in Eurem Leben,

Daß Ihr falsch Zeugnis abgelegt?

Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,

Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt,

Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?

Mit frecher Stirne, kühner Brust?

Und wollt Ihr recht ins Innre gehen,

Habt Ihr davon, Ihr müßt es grad' gestehen,

So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewußt!

FAUST.

Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste.

MEPHISTOPHELES.

Ja, wenn man's nicht ein bißchen tiefer wüßte.

Denn morgen wirst, in allen Ehren,

Das arme Gretchen nicht betören

Und alle Seelenlieb' ihr schwören?

FAUST.

Und zwar von Herzen.[97]

MEPHISTOPHELES.

Gut und schön!

Dann wird von ewiger Treu' und Liebe,

Von einzig überallmächt'gem Triebe –

Wird das auch so von Herzen gehn?

FAUST.

Laß das! Es wird! – Wenn ich empfinde,

Für das Gefühl, für das Gewühl

Nach Namen suche, keinen finde,

Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,

Nach allen höchsten Worten greife,

Und diese Glut, von der ich brenne,

Unendlich, ewig, ewig nenne,

Ist das ein teuflisch Lügenspiel?

MEPHISTOPHELES.

Ich hab' doch recht!

FAUST.

Hör! merk dir dies –

Ich bitte dich, und schone meine Lunge –:

Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge,

Behält's gewiß.

Und komm, ich hab' des Schwätzens Überdruß,

Denn du hast recht, vorzüglich weil ich muß.

Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 3, Hamburg 1948 ff, S. 97-98.
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