[154] Alfons. Tasso.
TASSO mit Zurückhaltung.
Die Gnade, die du mir so oft bewiesen,
Erscheinet heute mir in vollem Licht.
Du hast verziehen, was in deiner Nähe
Ich unbedacht und frevelhaft beging,
Du hast den Widersacher mir versöhnt,
Du willst erlauben daß ich eine Zeit
Von deiner Seite mich entferne, willst
Mir deine Gunst großmütig vorbehalten.
Ich scheide nun mit völligem Vertraun
Und hoffe still, mich soll die kleine Frist
Von allem heilen was mich jetzt beklemmt.
Es soll mein Geist aufs neue sich erheben,
Und auf dem Wege, den ich froh und kühn,
Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat,
Sich deiner Gunst aufs neue würdig machen.
ALFONS.
Ich wünsche dir zu deiner Reise Glück
Und hoffe, daß du froh und ganz geheilt
Uns wieder kommen wirst. Du bringst uns dann
Den doppelten Gewinst für jede Stunde
Die du uns nun entziehst, vergnügt zurück.
Ich gebe Briefe dir an meine Leute,[154]
An Freunde dir nach Rom, und wünsche sehr
Daß du dich zu den Meinen überall
Zutraulich halten mögest, wie ich dich
Als mein, obgleich entfernt, gewiß betrachte.
TASSO.
Du überhäufst, o Fürst, mit Gnade den
Der sich unwürdig fühlt, und selbst zu danken
In diesem Augenblicke nicht vermag.
Anstatt des Danks eröffn ich eine Bitte!
Am meisten liegt mir mein Gedicht am Herzen.
Ich habe viel getan und keine Mühe
Und keinen Fleiß gespart, allein es bleibt
Zu viel mir noch zurück. Ich möchte dort
Wo noch der Geist der großen Männer schwebt
Und wirksam schwebt, dort möcht ich in die Schule
Aufs neue mich begeben; würdiger
Erfreute deines Beifalls sich mein Lied,
O gib die Blätter mir zurück, die ich
Jetzt nur beschämt in deinen Händen weiß.
ALFONS.
Du wirst mir nicht an diesem Tage nehmen
Was du mir kaum an diesem Tag gebracht.
Laß zwischen dich und zwischen dein Gedicht
Mich als Vermittler treten; hüte dich
Durch strengen Fleiß die liebliche Natur
Zu kränken, die in deinen Reimen lebt,
Und höre nicht auf Rat von allen Seiten!
Die tausendfältigen Gedanken vieler
Verschiedner Menschen, die im Leben sich
Und in der Meinung widersprechen, faßt
Der Dichter klug in eins, und scheut sich nicht
Gar manchem zu mißfallen, daß er manchem
Um desto mehr gefallen möge. Doch
Ich sage nicht, daß du nicht hie und da
Bescheiden deine Feile brauchen solltest;
Verspreche dir zugleich, in kurzer Zeit
Erhältst du abgeschrieben dein Gedicht.
Es bleibt von deiner Hand in meinen Händen,
Damit ich seiner erst mit meinen Schwestern
Mich recht erfreuen möge. Bringst du es
Vollkommner dann zurück, wir werden uns[155]
Des höheren Genusses freun, und dich
Bei mancher Stelle nur als Freunde warnen.
TASSO.
Ich wiederhole nur beschämt die Bitte:
Laß mich die Abschrift eilig haben, ganz
Ruht mein Gemüt auf diesem Werke nun.
Nun muß es werden was es werden kann.
ALFONS.
Ich billige den Trieb der dich beseelt!
Doch, guter Tasso, wenn es möglich wäre,
So solltest du erst eine kurze Zeit
Der freien Welt genießen, dich zerstreuen,
Dein Blut durch eine Kur verbessern. Dir
Gewährte dann die schöne Harmonie
Der hergestellten Sinne was du nun
Im trüben Eifer nur vergebens suchst.
TASSO.
Mein Fürst, so scheint es; doch, ich bin gesund
Wenn ich mich meinem Fleiß ergeben kann,
Und so macht wieder mich der Fleiß gesund.
Du hast mich lang gesehn, mir ist nicht wohl
In freier Üppigkeit. Mir läßt die Ruh
Am mindsten Ruhe. Dies Gemüt ist nicht
Von der Natur bestimmt, ich fühl es leider,
Auf weichem Element der Tage froh
Ins weite Meer der Zeiten hinzuschwimmen.
ALFONS.
Dich führet alles was du sinnst und treibst
Tief in dich selbst. Es liegt um uns herum
Gar mancher Abgrund den das Schicksal grub;
Doch hier in unserm Herzen ist der tiefste,
Und reizend ist es sich hinabzustürzen.
Ich bitte dich, entreiße dich dir selbst!
Der Mensch gewinnt was der Poet verliert.
TASSO.
Ich halte diesen Drang vergebens auf
Der Tag und Nacht in meinem Busen wechselt.
Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll,
So ist das Leben mir kein Leben mehr.
Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen,
Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt.
Das köstliche Geweb entwickelt er
Aus seinem Innersten und läßt nicht ab
Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.[156]
O geb ein guter Gott uns auch dereinst
Das Schicksal des beneidenswerten Wurms,
Im neuen Sonnental die Flügel rasch
Und freudig zu entfalten.
ALFONS.
Höre mich!
Du gibst so vielen doppelten Genuß
Des Lebens, lern, ich bitte dich,
Den Wert des Lebens kennen, das du noch
Und zehnfach reich besitzest. Lebe wohl!
Je eher du zu uns zurücke kehrst,
Je schöner wirst du uns willkommen sein.
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Torquato Tasso
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