[185] Ein grauer, trüber Morgen

Bedeckt mein liebes Feld,

Im Nebel tief verborgen

Liegt um mich her die Welt.

O liebliche Friedrike,

Dürft ich nach dir zurück,

In einem deiner Blicke

Liegt Sonnenschein und Glück.


Der Baum, in dessen Rinde

Mein Nam bei deinem steht,

Wird bleich vom rauhen Winde,

Der jede Lust verweht.

Der Wiesen grüner Schimmer

Wird trüb wie mein Gesicht,

Sie sehen die Sonne nimmer,

Und ich Friedriken nicht.


Bald geh ich in die Reben

Und herbste Trauben ein;

Umher ist alles Leben,

Es strudelt neuer Wein.

Doch in der öden Laube,

Ach, denk ich, wär sie hier;[185]

Ich brächt ihr diese Traube,

Und sie – was gäb sie mir?
[186]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 185-187.
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